Bundesverfassungsgericht: Urteil zur Beamtenbesoldung

Das Bundesverfassungsgericht legte in einem aktuellen Urteil Kriterien für die Richterbesoldung fest und entschied, dass die Besoldung von R1-Richtern in Sachsen-Anhalt zwischen 2008 und 2011 verfassungswidrig war. Nach diesem Urteil sind die geplanten Einschnitte für Beamte in Hessen erneut ins Kreuzfeuer der Kritik geraten.

Richter und Staatsanwälte müssen ihrem Amt angemessen entlohnt werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in einem Grundsatzurteil betont und erstmals Kriterien für die Mindestbesoldung dieser Berufsgruppen festgelegt. Im konkreten Fall erklärte das höchste deutsche Gericht die Bezahlung der Richter und Staatsanwälte in Sachsen-Anhalt für zeitweise viel zu gering und damit verfassungswidrig.

BVerfG: Mindestbesoldung muss definiert werden

Die Festlegung der Gehälter von Beamten und Richtern erfolgt künftig nach genauen Spielregeln. Das Bundesverfassungsgericht hat nun erstmals konkrete Vorgaben dazu gemacht, wie die Mindestbesoldung der Staatsdiener zu ermitteln ist. Konkret erklärte der Zweite Senat die Bezahlung der R1-Richter in Sachsen-Anhalt zwischen 2008 und 2010 für verfassungswidrig.

Auf einer ersten Prüfungsstufe sind fünf Parameter mit indizieller Bedeutung heranzuziehen; die Vermutung für eine verfassungswidrige Unteralimentation besteht, wenn mindestens drei davon erfüllt sind. Die Parameter sind

  • eine deutliche Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und der Entwicklung der Tariflöhne im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindex und eine sowie des Verbraucherpreisindex,
  • darüber hinaus ein systeminterner Besoldungsvergleich und
  • ein Quervergleich mit der Besoldung des Bundes beziehungsweise anderer Länder.

Auf einer zweiten Prüfungsstufe kann diese Vermutung durch Berücksichtigung weiterer Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung widerlegt oder weiter erhärtet werden.

Auf einer dritten Prüfungsstufe ist gegebenenfalls eine Abwägung mit kollidierenden verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen wie dem Verbot der Neuverschuldung herbeizuführen; im Ausnahmefall kann eine Unteralimentation verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden.

Die Besoldung er R1-Richter in Sachsen-Anhalt zwischen 2008 und 2010 sei unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen «evident unzureichend» gewesen, hieß es. Spätestens bis 2016 muss das Land nachträglich neue Regeln für diesen Zeitraum schaffen. Profitieren von den damit verbundenen höheren Zahlungen werden allerdings nur die Kläger und die Kollegen in dem Bundesland, die ebenfalls gegen ihre Bezahlung geklagt haben und deren Verfahren noch offen sind.

Das Grundgesetz verpflichte den Dienstherrn, seine Beamten, Richter und Staatsanwälte sowie deren Familien lebenslang angemessen zu alimentieren, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle in Karlsruhe.

Richterbund begrüßt das Urteil

Der Deutsche Richterbund begrüßte das Urteil. «Das ist ein guter Tag für den Rechtsstaat», erklärte Verbandschef Christoph Frank in Karlsruhe. Nach seiner Einschätzung ist das Urteil in seinen Grundzügen auf Beamte übertragbar. Auch die Verbände der Verwaltungsrichter sowie der Richter und Staatsanwälte Sachsen-Anhalt sind zufrieden. Sie hatten seit mehreren Jahren darauf hingewiesen, dass die Bezahlung deutlich zu niedrig sei.

Höhere Kosten für die Bundesländer

Sachsen-Anhalt muss nun mehr Geld veranschlagen - wie viel genau, ist noch unklar. Laut Finanzstaatssekretär Michael Richter (CDU) wird das die Haushaltsplanung des Landes aber nicht durcheinanderwirbeln. Es sei kein Nachtragshaushalt nötig, sagte er nach einer Kabinettssitzung in Havelberg.

Nach Angaben von Justizministerin Angela Kolb (SPD) gibt es in Sachsen-Anhalt 840 Richter und Staatsanwälte. Davon seien rund 540 in der vom Bundesverfassungsgericht kritisch untersuchten untersten Besoldungsstufe. Kolb kritisierte, dass die Bezahlung von Richtern und Staatsanwälten in den einzelnen Bundesländern in den vergangenen Jahren immer weiter auseinandergegangen sei.

Wie viel die bundesweit etwa 20.000 Richter und 5.000 Staatsanwälte verdienen, ist seit 2006 je nach Bundesland unterschiedlich. In Karlsruhe ging es vor allem um die unterste Besoldungsstufe R1, nach der die meisten Richter und Staatsanwälte bezahlt werden. In den letzten Jahren mussten viele von ihnen wegen der klammen Länderkassen zum Teil erhebliche finanzielle Einschnitte akzeptieren, was das Gericht nun erschwert hat.

Nach Angaben des Deutschen Richterbundes bekommt ein 27-jähriger lediger Berufsanfänger derzeit im Saarland brutto zum Beispiel 3.235 Euro, einer in Bayern dagegen 4.070 Euro. Sachsen-Anhalt liegt mit 3.637 Euro im unteren Mittelfeld. Wie sich das Gehalt weiterentwickelt, richtet sich nach Faktoren wie Berufserfahrung, Position, Familienstand. Nach Einschätzung des Richterbundes dürfte die Besoldung in einigen Bundesländern jetzt verfassungswidrig sein (BVerfG, Urteil v. 5.5.2015, 2 BvL 17/09, 2 BvL 1/14, 2 BvL 6/12, 2 BVL 5/12, 2 BvL 4/12, 2 BvL 3/12, 1 BvL 18/09).

Nullrunden-Kritiker in Hessen fühlen sich bestätigt

Nach dem höchstrichterlichen Urteil sind die geplanten Einschnitte für Beamte in Hessen erneut ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätige, dass die von Schwarz-Grün verordnete Nullrunde verfassungswidrig sei, erklärte die Steuer-Gewerkschaft. Hessen hat wegen seines strikten Sparkurses für die Beamten, zu denen auch Richter und Staatsanwälte gehören, in diesem Jahr eine Nullrunde vorgesehen.

Die SPD-Opposition im Landtag kritisierte, die Schuldenbremse in Hessen rechtfertige nicht die willkürliche Abkoppelung der Beamtenbesoldung. Hessens Richterbund erklärte, eine amtsangemessene Besoldung dürfe sich nicht allein nach der Finanzlage der Haushalte richten.

Dem Karlsruher Urteil liege kein hessischer Sachverhalt zugrunde, sagte dazu ein Sprecher des Justizministeriums in Wiesbaden. Man werde aber die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts selbstverständlich prüfen.

Hessens Richterbund wies daraufhin, dass schon jetzt die Besoldung der Richter von den Gehältern in der Privatwirtschaft weit entfernt sei. Dies mache es vor allem im Rhein-Main-Gebiet schwer, überdurchschnittlich qualifizierte Juristen zu finden. Dies gilt als Voraussetzung fürs Amt des Richters oder des Staatsanwalts.

Die Steuergewerkschaft erklärte, die Beamtengehälter in Hessen wichen von denen der Tarifbeschäftigten seit 1998 immer deutlicher ab. Die Schere liege inzwischen bei zehn Prozent. Damit halte Hessen die am Dienstag von den Verfassungshütern entwickelten Parameter zur Alimentation von Beamten nicht ein.

dpa