Eingruppierung einer Krankpflegerin und Praxisanleiterin
Die Klägerin ist seit 1995 als examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin (GuK) im Krankenhaus der Beklagten beschäftigt. Der TVöD findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Im Jahr 2008 absolvierte sie die Nachqualifikation zur Praxisanleiterin im Gesundheitswesen und wird seither als GuK und als Praxisanleiterin eingesetzt. Eingruppiert ist die Klägerin in EG P 7 der Entgeltordnung VKA.
Klägerin nicht freigestellte Praxisanleiterin
Die Beklagte beschäftigt neben freigestellten Praxisanleiterinnen ca. 45 nicht freigestellte Praxisanleiter und Praxisanleiterinnen, die in den Stationsablauf eingebunden sind. Hierzu gehört die Klägerin, die auf ihrer Station in der Zeit zwischen April 2016 und Dezember 2018 die einzige nicht freigestellte Praxisanleiterin war.
Im Dezember 2018 beantragte die Klägerin erfolglos bei der Beklagten eine Höhergruppierung in die EG P 8 der Entgeltordnung VKA. Sie begründete dies damit, dass es sich bei der Praxisanleitung i. S. d. der EG 8 Fallgruppe 2 um ein sog. Funktionsmerkmal handele.
Qualifizierung und Übertragung der Funktion als Praxisanleiterin
Insoweit sei es ausreichend, dass sie über die entsprechende Qualifikation verfüge und die Funktion ihr von der Beklagten übertragen worden sei und sie diese Tätigkeit regelmäßig ausübe. Nach Ansicht der Klägerin stelle die gesamte Tätigkeit einen einzigen großen Arbeitsvorgang dar, in dem die Tätigkeiten einer Gesundheits- und Krankenpflegerin enthalten seien.
Arbeitsergebnisse nicht von einander trennbar
Die zu erzielenden Arbeitsergebnisse "Pflege von Patienten" und "Anleitung von Auszubildenden" ließen sich nicht voneinander trennen, so die Ansicht der Klägerin. Auch wenn gerade keine konkrete Anleitung erfolge, sei es ihre Aufgabe als Praxisanleiterin, neben dem eigenen pflegerischen Alltag den Lernfortschritt der zugeordneten Pflegeschüler ständig zu verfolgen. Eine Aufteilung in 2 Arbeitsvorgänge sei nur dann denkbar, wenn sie als Pflegekraft z. B. auf 2 verschiedenen Stationen eingesetzt wäre und nur für die eine Station als Praxisanleiterin bestellt sei.
BAG: Voraussetzungen für Höhergruppierung liegen nicht vor
Die Klage hatte vor dem BAG kein Erfolg. Das Gericht sprach der Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung nach EG P 8 der Entgeltordnung VKA zu, da ihre auszuübende Tätigkeit nicht mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge umfasse, die die Anforderungen des tariflichen Tätigkeitsmerkmals erfüllen.
Maßgebend ist das Arbeitsergebnis
Das BAG führte hierzu aus, dass maßgebend für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs das Arbeitsergebnis sei. Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führten, seien eine natürliche Betrachtungsweise und die durch den Arbeitgeber vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Zwar könnten Einzeltätigkeiten dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt seien. Jedoch reiche hierfür die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen, nicht aus.
2 Arbeitsvorgänge im Tarifsinn
Im konkreten Fall entschied das BAG, dass die auszuübende Tätigkeit der Klägerin nicht nur aus einem einheitlichen Arbeitsvorgang bestehe, sondern 2 Arbeitsvorgänge im Tarifsinn vorlagen. Es begründete dies damit, dass ein Arbeitsvorgang die Tätigkeit der Klägerin als Praxisanleiterin für Auszubildende oder andere Anzuleitende sei, die während der Zeit der Zuweisung untrennbar mit der Patientenversorgung auf der Station verbunden sei. Insoweit könnten die Arbeitsergebnisse "fachgerechte Patientenversorgung" und "Anleitung der Auszubildenden" in dieser Zeit tatsächlich nicht getrennt werden.
Arbeitsergebnis: rein pflegerische Tätigkeit
Dagegen bildeten jedoch die Zeiten, in denen der Klägerin keine Auszubildenden zugewiesen seien, ein 2. Arbeitsvorgang. Hier sei das Arbeitsergebnis rein die pflegerischen Tätigkeit auf der Station, somit allein die fachgerechte Versorgung der Patienten. Insoweit sei es hierbei irrelevant, dass sie auch während dieser Zeiten über die Qualifikation als Praxisanleiterin verfüge und grundsätzlich als solche eingesetzt werden könne.
Arbeitsschritte schichtbezogen voneinander getrennt
Entscheidend war für das Gericht zudem, dass die verschiedenen Arbeitsschritte nach den Feststellungen des Gerichts schichtbezogen organisatorisch voneinander getrennt waren. Dies war dadurch erreicht, dass der Klägerin nur in einem Teil ihrer Arbeitszeit gleichzeitig Krankenpflegeschüler zur Praxisanleitung zugewiesen waren. In der Zeit, in der dies nicht der Fall war, sei ihr die Arbeitsaufgabe "Praxisanleitung" somit nicht übertragen.
Tarifbegriff als Funktionsmerkmal reicht nicht aus
Allein aus dem Umstand, dass es sich bei dem Tarifbegriff der Praxisanleiterin i. S. d. EG P 8 Fallgruppe 2 der Entgeltordnung VKA um ein sog. Funktionsmerkmal handele, ergebe sich nichts anderes. Zwar gebe es Fallgestaltungen, in denen die Tätigkeit eines Arbeitnehmers durch ein tarifliches Funktionsmerkmal erfasst werde und nur ein einheitliches Arbeitsergebnis und damit ein Arbeitsvorgang vorliege (wie z. B. die Tätigkeit als Stationsleitung). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei in den Fällen zu machen, in denen – wie vorliegend – die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt seien und zu einem unterschiedlichen Arbeitsergebnis führten.
Abschließend sei dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen, dass sie mit mindestens der Hälfte ihrer Arbeitszeit Tätigkeiten einer Praxisanleiterin ausübe.
(BAG, Urteil v. 17.3.2021, 4 AZR 218/20)
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