Lehrer können einschlägige Berufserfahrung auch an Privatschule erwerben
Die Bezahlung von Beschäftigte nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) richtet sich nach der Entgeltgruppe, in die sie eingruppiert sind und nach der erreichten Stufe. In einem aktuellen Fall vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) ging es um die richtige Einstufung einer Gymnasiallehrerin, die mehrere Jahre im Ausland und an Privatschulen unterrichtet hatte.
Die Gymnasiallehrerin war für die Fächer Deutsch und Englisch von August 2010 bis Juli 2012 bei dem beklagten Land als "Studienrätin z.A." an einer Gesamtschule beschäftigt und danach vom 1.8.2012 bis zum 31.7.2015 Gymnasiallehrerin an der Deutschen Schule in Shanghai (China). Ab dem 1.8.2015 bis zum 31.3.2017 war sie als Lehrerin an der ISR gGmbH (ISR) in N angestellt, einer privat betriebenen, staatlich anerkannten Ergänzungsschule. Dort war sie in der Sekundarstufe I eingesetzt. Vom 5.5.2017 bis zum 14.7.2017 war sie bei dem beklagten Land befristet als Lehrkraft am Städtischen Gymnasium in W beschäftigt, danach beim beklagten Land vom 30.8.2017 bis zum 28.8.2018 am Städtischen R-Gymnasium in D. Für ihre Tätigkeit am Städtischen R-Gymnasium in D wurde die Klägerin zunächst nach EG 13 Stufe 1, und nach Anerkennung der Tätigkeit am Gymnasium in W als einschlägige Berufserfahrung nach Stufe 2 TV-L vergütet. Sie beantragte die Zuordnung zur Stufe 3.
BAG: Keine einschlägige Berufserfahrung im Sinne des TV-L
Die Klage der Lehrerin hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Das BAG entschied, dass die Klägerin während der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses mit der ISR keine einschlägige Berufserfahrung i. S. d. § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L erworben habe, sodass sie bei Einstellung in den Dienst des beklagten Landes nicht der Stufe 3 der EG 13 TV-L zugeordnet gewesen sei.
Definition der "einschlägigen Berufserfahrung" im Sinne des TV-L
Das BAG führte hierzu aus, dass nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2 TV-L einschlägige Berufserfahrung eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogen entsprechenden Tätigkeit sei. Der Beschäftigte müsse in der früheren Tätigkeit einen Kenntnis- und Fähigkeitszuwachs erworben haben, der für die nach der Einstellung konkret auszuübende Tätigkeit erforderlich und prägend sei. Die frühere Tätigkeit müsse somit im Wesentlichen unverändert fortgesetzt werden oder zumindest gleichartig sein. Hierbei, so das BAG, gehe das Entgeltsystem des TV-L davon aus, dass es keine entgeltgruppenübergreifende Berufserfahrung gebe. Somit erfüllten frühere Tätigkeiten, die nur eine niedrigere Eingruppierung angehörten, nicht das Merkmal der einschlägigen Berufserfahrung. Und auch eine vorherige höherwertige Tätigkeit sei nicht generell mit einschlägiger Berufserfahrung gleichzusetzen. Voraussetzung sei, dass die in früheren Arbeitsverhältnissen erworbene Berufserfahrung den Beschäftigten in die Lage versetzten, ohne nennenswerte Einarbeitungszeit die Tätigkeit beim neuen Arbeitgeber auszuüben, d. h. die Vorbeschäftigung qualitativ im Wesentlichen die gesamte inhaltliche Breite der aktuellen Beschäftigung abdecke und deshalb einschlägig sei.
Es kommt nicht auf den Schultyp an
Zwar komme es hierbei nicht auf die Gleichwertigkeit der Schule an, weil § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L nur auf die durch eine bestimmte Tätigkeit erworbene Berufserfahrung abstelle. Somit könne auch an einer Ergänzungsschule, die einer gesonderten staatlichen Aufsicht unterstellt sei, einschlägige Berufserfahrung im tariflichen Sinn gesammelt werden. Letztlich entscheidend sei die Gesamtbetrachtung der fraglichen Lehrtätigkeit.
Für den vorliegenden Fall entschied das BAG aber, dass die Klägerin an der ISR keine umfassende einschlägige Berufserfahrung als Gymnasiallehrerin erworben habe, weil sie dort unstreitig nur in der Sekundarstufe I unterrichtet hatte. Insoweit sei es irrelevant, dass die Klägerin aufgrund ihrer Qualifikation theoretisch auch in der Sekundarstufe II hätte eingesetzt werden können. Wegen der unterschiedlichen fachlichen Anforderungen könne der Unterricht in der Sekundarstufe I mit dem Unterricht in der Sekundarstufe II jedoch nicht gleichgesetzt werden.
Vorherige Arbeitsverhältnisse lagen mehr als 6 Monate zurück
Die Klägerin war auch nicht wegen des Erwerbs einschlägiger Berufserfahrung in anderen Arbeitsverhältnissen der Stufe 3 der EG 13 TV-L zuzuordnen. Die Beschäftigung der Klägerin von August 2010 bis Juli 2012 im Rahmen ihres Referendariats bei dem beklagten Land, fand vorliegend nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 TV EntgO-L in Verbindung mit der Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L keine Anrechnung, weil sie mehr als 6 Monate zurücklag. Dasselbe galt auch für die Tätigkeit an der Deutschen Schule in Shanghai. Auch diese lag bei der Einstellung mehr als 6 Monate zurück.
(BAG, Urteil v. 18.2.2021, 6 AZR 205/20)
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