Gesetz zur Tarifeinheit verzögert sich
Noch vor der Sommerpause wollte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles die sechs Eckpunkte für eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit vorlegen. Im Kern sah das Papier eine Vorrangstellung der stärksten Gewerkschaft vor. "Soweit sich im Betrieb Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften überschneiden, kommt nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft zur Anwendung, die im Betrieb mehr Mitglieder hat." Dies würde dann für die kleinere Gewerkschaft, dass sich die Friedenspflicht aus dem "Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft auf die Minderheitsgewerkschaft" erstreckt.
Mehr Widerstand gegen Tarifeinheit
Nun wurde das Thema "Tarifeinheit" kurzfristig wieder von der Agenda der Kabinettssitzung am Mittwoch gestrichen, berichtet der Tagesspiegel. In der Union wachse der Widerstand gegen eine gesetzliche Regelung. Auch außerhalb der Koalition regt sich Widerstand. Während Arbeitgeber weiterhin auf ein Gesetz drängen, üben insbesondere die besonders betroffenen kleinen Gewerkschaften harsche Kritik. So bezeichnet der Ärzteverband "Marburger Bund" das Vorhaben als "Frontalangriff auf gewerkschaftliche Rechte". Der Präsident der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit, Ilja Schulz, warf Nahles einen "Verfassungsbruch mit Ansage" vor.
Auch der Deutsche Beamtenbund dbb geht davon aus, dass das von der Bundesregierung beabsichtigte Tarifeinheitsgesetz die Hürde der Verfassungsmäßigkeit nicht nehmen wird. Nahles habe „nicht den Hauch eines Lösungsansatzes“ skizziert, wie es eine gesetzliche Regelung ohne Eingriff in die Koalitionsfreiheit und das Streikrecht geben könne, sagte der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt.
"Keine Gewerkschaft hat ein Alleinvertretungsrecht"
Der Direktor des Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Kölner Universität Professor Martin Henssler findet es "erstaunlich, mit welcher Zuversicht die Koalitionsparteien davon ausgehen, sich auf eine verfassungskonforme Regelung der Tarifeinheit einigen zu können“.
Zwar wünsche sich die Praxis aus gutem Grund mehr Rechtssicherheit. Jedoch betonte er bereits im April: "Ist ein Unternehmen bereit, von sich aus mit verschiedenen Gewerkschaften Tarifverträge zu schließen, ist diese gewillkürte Tarifpluralität nicht zu beanstanden. Keine Gewerkschaft hat ein Alleinvertretungsrecht, keiner der Tarifverträge muss hier gegenüber einem anderen zurückstehen."
Sommerpause steht Gesetz entgegen
Abgesehen von verfassungsrechtlichen Bedenken dürften nun rein praktische Schwierigkeiten einer raschen Umsetzung der Eckpunkte im Wege stehen: Schließlich beginnt die parlamentarische Sommerpause bereits kommende Woche.
dbb-Chef Klaus Dauderstädt zeigte sich zufrieden mit der Vertagung des Themas: „Das ist die richtige Richtung. Am besten, die Regierung lässt das Vorhaben ganz fallen, anstatt einen überflüssigen und unverantwortlichen Frontalangriff auf das Grundrecht der Koalitionsfreiheit zu starten. Es ist Utopie zu glauben, man könne eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit schaffen, die Artikel 9 des Grundgesetzes, die Koalitionsfreiheit und das dazugehörige Streikrecht, sowie das Recht der Arbeitnehmer auf informationelle Selbstbestimmung nicht verfassungswidrig berührt."
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