Kommunen haften für fehlerhafte Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie
Mehrere kommunale Feuerwehrbeamte im Land Brandenburg verlangten von ihren Dienstherren Ausgleichszahlungen für zu viel geleistete Arbeitszeit. Im Zeitraum zwischen 2007 und 2013 hatten die Feuerwehrbeamten auf eigenen Antrag Schichtdienst mit bis zu 56 Wochenstunden verrichtet. 2010 und später machten sie geltend, die Dienstzeit, die über die unionsrechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden hinausgehe, sei infolge fehlerhafter Anwendung und Umsetzung von Unionsrecht als unionsrechtswidrige Zuvielarbeit finanziell abzugelten. Damit hatten sie in den Vorinstanzen gegenüber den beklagten Kommunen (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.6.2015 6 B 31.15; VG Potsdam, Urteil vom 16.10.2013, 2 K 1376/12) überwiegend Erfolg. Die Städte legten Revision beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ein.
BVerwG: Haftung des Dienstherrn wegen fehlerhafter Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Feuerwehrbeamten Recht gegeben und die Revisionen abgewiesen bzw. die Berufungsurteile zur anderweitigen Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
Zur Begründung hat das BVerwG ausgeführt: Dem Grunde nach ist ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch der Feuerwehrbeamten gegen ihre Dienstherren zu bejahen. Die unionsrechtlich fehlerhafte Umsetzung der nach der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglichen Ausnahmeregelung („Opt-Out“) von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden (mit Einverständnis der Beamten) ist zwar vom brandenburgischen Landesgesetzgeber zu verantworten. Die Anwendung des fehlerhaften Landesrechts - hier: von Rechtsverordnungen über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten aus den Jahren 2007 und 2009 - ist aber den beklagten Städten als Dienstherren der Feuerwehrbeamten anzulasten. Denn damit haben sie den Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht beachtet. Die Rechtsverordnungen verletzen offenkundig jedenfalls das in der EU-Arbeitszeitrichtlinie geregelte Nachteilsverbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten. Dieses Nachteilsverbot hat der brandenburgische Gesetzgeber erst in einer 2014 in Kraft getretenen Rechtsverordnung über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten normiert.
Zuvielarbeit muss ab der erstmaligen Geltendmachung ausgeglichen werden
Auch auf der Grundlage des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs hat der Dienstherr aber nur die unionsrechtswidrige Zuvielarbeit auszugleichen, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet wird. Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich - anders als beamtenrechtliche Besoldungs- oder Versorgungsansprüche - nicht unmittelbar aus Gesetz ergeben, bedürfen einer vorherigen Geltendmachung. Für Ansprüche wegen rechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden.
Finanzieller Ausgleich richtet sich nach den konkret geleisteten Dienststunden
Ab dem Monat nach einer berechtigten Rüge des Beamten hat der Dienstherr, wenn er die rechtswidrige Zuvielarbeit nicht mit Freizeitausgleich kompensiert, diese Zuvielarbeit nach den Grundsätzen über die Mehrarbeitsvergütung auszugleichen. Der finanzielle Ausgleich erfolgt dabei nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.7.2017, BVerwG 2 C 31.16).
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