Kopftuchverbot nur mit gesetzlicher Grundlage

Eine Rechts­re­fe­ren­da­rin konn­te eine Auf­la­ge, die ihr das Tra­gen eines Kopf­tuchs bei ho­heit­li­chen Tä­tig­kei­ten un­ter­sag­te, auch dann noch gerichtlich an­grei­fen, nach­dem die Auf­la­ge man­gels Be­deu­tung für die wei­te­ren Aus­bil­dungs­sta­tio­nen auf­ge­ho­ben wor­den war. Zudem fehlte es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage. 

Das hat das Bundesverwaltungsgericht am 12.11.2020 entschieden. Geklagt hatte eine Rechtsreferendarin muslimischen Glaubens, die als Ausdruck ihrer religiösen Überzeugung ein Kopftuch trägt.

Verbot des Tragens eines Kopftuchs durch Auflage

Im September 2014 wurde sie in Bayern zu dem im Oktober beginnenden juristischen Vorbereitungsdienst mit der Auflage zugelassen, dass „bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z.B. Wahrnehmung des staatsanwaltlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen in der Zivilstation) keine Kleidungsstücke, Symbole und andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen.“

Hiergegen erhob die Referendarin Widerspruch, der jedoch erfolglos blieb. Nach der Klageerhebung hob der Beklagte - acht Monate nach Beginn des Referendariats - die Auflage auf, weil die Strafrechtsstation mittlerweile beendet und die Auflage daher nicht mehr erforderlich sei.

Kein Feststellungsinteresse hinsichtlich aufgehobener Auflage

Daraufhin beantragte die Klägerin festzustellen, dass die Auflage rechtswidrig gewesen ist. Hiermit war sie erstinstanzlich erfolgreich, unterlag aber in der zweiten Instanz. Nach Ansicht des Berufungsgerichts war die Klage mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Insbesondere läge zwar ein Grundrechtseingriff vor. Dieser sei aber nicht tiefgreifend und habe sich auch nicht typischerweise kurzfristig erledigt.

BVerwG: Hauptsacherechtsschutz nicht zu erlangen

Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision der Klägerin das Berufungsurteil aufgehoben und das stattgebende erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, weil die „Kopftuch-Auflage“ einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstellt, der sich typischerweise zu kurzfristig erledigt, um Hauptsacherechtsschutz zu erlangen. Die Auflage maß sich zwar Bedeutung für die gesamte zweijährige Referendariatszeit bei, hatte aber typischerweise nur in den ersten beiden Stationen - der Zivil- und der Strafrechtsstation - einen praktischen Anwendungsbereich. Innerhalb dieses Zeitraums sei Hauptsacherechtsschutz - auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsverfahrens - regelmäßig nicht zu erlangen.

Keine erforderliche Gesetzesgrundlage 

Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei auch begründet, weil es im maßgeblichen Zeitraum der Geltungsdauer der Auflage von Oktober 2014 bis Mai 2015 in Bayern die erforderliche gesetzliche Grundlage für den mit einer solchen Auflage verbundenen Eingriff in die Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) noch nicht gab.

Die gesetzliche Grundlage sei erst im Jahr 2018 mit Art. 11 Absatz 2 Bayerisches Richter- und Staatsanwaltsgesetz i.V.m. Art. 57 Bayerisches Gerichtsverfassungsausführungsgesetz geschaffen worden.

(BVerwG, Urteil v. 12.11.2020, 2 C 5.19)



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