Kritik von freiwilligen Feuerwehrleuten an Vorgesetzten führt nicht zu Rauswurf
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in zwei Berufungsverfahren den Ausschluss zweier Feuerwehrleute aus der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde Fernwald für rechtswidrig erklärt.
Die Kläger, zwei Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde Fernwald, begehrten mit ihrer Berufung die vollständige Aufhebung des ihren unbefristeten Ausschluss aussprechenden Bescheides der Gemeinde. Das Verwaltungsgericht Gießen hatte in der 1. Instanz den Klagen nur insoweit stattgegeben hatte, als die beklagte Gemeinde den Ausschluss der Kläger über den 30. Juni 2020 hinaus angeordnet hatte.
Unterschiedliche Auffassungen über die Alarm- und Ausrückeordnung
Nachdem im Jahre 2016 Differenzen zwischen dem Kläger und der Führung der Feuerwehr über die Ausgestaltung der Alarm- und Ausrückeordnung (AAO) aufgetreten waren, forderte der Wehrführerausschuss im März 2017 die Gemeinde auf, die Kläger aus der Freiwilligen Feuerwehr auszuschließen. Zur Begründung führte der Wehrführerausschuss aus, das Verhältnis zu den beiden freiwilligen Feuerwehrleuten sei zerrüttet.
Sie hätten die Einsatzabteilung einer Ortsteilfeuerwehr der Gemeinde gegen den Bürgermeister, den Gemeindebrandinspektor und die damalige Wehrführung aufgewiegelt. ln diesem Zusammenhang hätten die Feuerwehrleute den Gemeindebrandinspektor auch wiederholt öffentlich zum Rücktritt aufgefordert und ihm die fachliche und persönliche Eignung abgesprochen.
Hintergrund waren Differenzen hinsichtlich der Kompetenzen und Ausgestaltung der Ausrückeordnung der dem privatrechtlichen Feuerwehrverein nahestehenden, aber rechtlich getrennten öffentlich-rechtlichen Einsatzabteilung: Während zwei andere Ortsfeuerwehren auf einer unfallträchtigen Bundesstraße Einsätze fahren durften, blieb die nächstgelegene Ortsfeuerwehr außen vor. Interne Gespräche hatten nicht zu einer Lösung geführt und im weiteren Verlauf machten die beiden freiwilligen Feuerwehrleute als Mitglieder des Vereins den Streit öffentlich. Die Lokalpresse berichtete über den Konflikt, während dem es noch zu gemeinsamen Einsätzen der Ortsfeuerwehren kam, die professionell abgewickelt wurden.
Feuerwehrleute wurden ausgeschlossen
Mit Bescheiden vom 16. Juni 2017 schloss die Gemeinde die Kläger aus der Freiwilligen Feuerwehr aus. Den Ausschluss begründete die Gemeinde im Wesentlichen mit unkameradschaftlichem Verhalten der beiden Feuerwehrleute. Diese hätten u. a. interne Vorgänge öffentlich gemacht und die Führung der Freiwilligen Feuerwehr angezweifelt.
Mit Urteilen vom 18. Juni 2019 hob das Verwaltungsgericht Gießen den Bescheid der Gemeinde insoweit auf, als ein Ausschluss der Kläger über den 30. Juni 2020 hinaus ausgesprochen worden war und wies die Klage im Übrigen ab.
VGH: Ausschluss aus der Freiwilligen Feuerwehr war unverhältnismäßig
Der für das Feuerwehrrecht zuständige 5. Senat hob mit seinen Urteilen vom 4. Februar 2020 in den beiden von den Klägern angestrengten Berufungsverfahren den Ausschluss der Kläger aus der Freiwilligen Feuerwehr vollständig auf und begründete dies wie folgt:
Mit ihrem Verhalten hätten die Kläger zwar ihre feuerwehrrechtlichen Pflichten nicht unerheblich verletzt. Auch sei der Gemeindevorstand grundsätzlich an einem sofortigen Ausschluss eines Mitglieds nicht gehindert, wenn nur so die Funktionsfähigkeit der Einrichtung sichergestellt werden könne. Allerdings sei insofern - wie bei allem staatlichen Handeln - der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dieser gebiete zu prüfen, ob gegenüber der betreffenden Verfehlung mildere Mittel mit Aussicht auf Erfolg zur Verfügung stünden. An dieser Stelle sei zu beachten, dass sich die Pflichtverletzungen der Kläger nicht auf ihr Einsatzverhalten bezögen, sondern sie vermeintlich im Interesse ihrer Ortsteil-Einsatzabteilung handeln wollten. Ohne die Schwere der Pflichtverletzungen zu relativieren, sei des Weiteren zu beachten, dass die Pflichtverletzungen auf steuerbarem Verhalten der Kläger beruhten, so dass angenommen werden könne, dass ihr künftiges Verhalten schon durch die Androhung von dauerhaften Folgen für ihre Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde positiv beeinflusst werden könne.
Vor diesem Hintergrund wäre nach Ansicht des Senats die Verhängung einer feuerwehrrechtlichen Ordnungsmaßnahme erforderlich und angemessen gewesen. Mit einer solchen Ordnungsmaßnahme - etwa einem schriftlichen Verweis - wäre dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Genüge getan, wenn den Klägern nachdrücklich die Pflichtwidrigkeit ihres Handelns und die Folgen weiterer Pflichtverletzungen vor Augen geführt worden wären.
Die Revision gegen die Urteile wurde nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision ist die Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu entscheiden hätte (VGH Kassel, Urteile v. 4.2.2020, 5 A 858/19 und 5 A 724/19).
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