Kündigung des ehemaligen stellvertretenden Bundesvorsitzenden der GDL unwirksam
Der Kläger war stellvertretender Bundesvorsitzender der beklagten Gewerkschaft. Er war im Mai 2012 zum weiteren stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Beklagten gewählt worden. Zugleich beschloss der Hauptvorstand den Abschluss von Dienstverhältnissen vom 01.06.2012 bis 31.12.2017 für den geschäftsführenden Vorstand. Damit bestand für den Kläger zum einen eine Amtsbeziehung zur Beklagten und zum anderen ein Dienstvertrag.
Amtsenthebung beendet Dienstvertrag?
Nachfolgend kam es innerhalb des geschäftsführenden Vorstands zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bundesvorsitzenden und dem Kläger. Hintergrund war u.a. ein Antrag des weiteren stellvertretenden Bundesvorsitzenden auf Darlehensgewährung, den der Kläger - anders als der Bundesvorsitzende - unterstützte. In der außerordentlichen Hauptvorstandsitzung im April 2013 wurden der Kläger sowie das weitere stellvertretende Vorstandsmitglied ihres Amtes enthoben. Über das Dienstverhältnis erfolgte keine Beschlussfassung. Dem Kläger wurde durch den Bundesvorsitzenden mitgeteilt, dass sein Dienstverhältnis infolge der Amtsenthebung ende. Vorsorglich wurde das Dienstverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt.
Der Kläger klagte u.a. auf seine Bruttovergütung für die Zeit Juli 2013 bis Dezember 2017 abzüglich erhaltener Sozialleistungen und anderweitig erzielten Verdienstes. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.
OLG: Dienstverhältnis nicht beendet
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG größtenteils Erfolg. Die Beklagte wurde zur Zahlung von knapp 170.000 € verurteilt. Dem Kläger stünden die geltend gemachten Vergütungsansprüche aufgrund des geschlossenen Dienstvertrages zu, so das OLG. Dieser Dienstvertrag endete nicht mit der Amtsenthebung im April 2013. Die Dienstverträge der Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands der Beklagten seien nicht an den Fortbestand des Wahlamtes gebunden gewesen. Es liege keine „Zweckbefristung“ vor.
Keine Beendigung durch außerordentliche Kündigung
Die außerordentliche Kündigung habe das Dienstverhältnis ebenfalls nicht beendet. Die Erklärung sei unwirksam, weil sie nicht von dem hierfür nach der Satzung der Gewerkschaft zuständigen Hauptvorstand ausgesprochen worden sei.
Es liege zudem kein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung vor. Auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten stelle der Umstand, dass der Kläger den Antrag des stellvertretenden Bundesvorsitzenden auf Darlehensgewährung in die Sitzung des geschäftsführenden Vorstands eingebracht und unterstützt habe, keinen wichtigen Grund dar. Die Vorlage des Darlehensantrages sei entgegen der Ansicht der Beklagten insbesondere nicht auf eine strafrechtliche Untreue oder Beihilfe zum Betrug gerichtet gewesen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Abschluss eines Darlehensvertrages zu einem Vermögensnachteil oder einer -gefährdung der Beklagten geführt hätte.
Kein Compliance-Verstoß
Das Verhalten des Klägers sei auch nicht unter Compliance-Aspekten geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insbesondere habe es nicht auf die Gewährung einer Sondervergünstigung eines Mitglieds der Leitungsebene abgezielt.
Interessenabwägung: kein wichtiger Grund
Die Einbringung des Kreditantrags habe für die Beklagte unter gewerkschaftspolitischen Aspekten zwar problematisch erscheinen können, bilde aber unter Abwägung der Interessen beider Parteien keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung.
Für eine ordentliche Kündigung sei im Hinblick auf die Fünfjahresbefristung kein Raum.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
(OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 2.9.2020, 4 U 46/19)
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