Längere Arbeitszeit für Pflegekräfte möglich

Im Kampf gegen die Corona-Krise kann die Arbeitszeit in der Pflege in Niedersachsen auf bis zu 60 Wochenstunden zu erhöht werden. Bei Gewerkschaftsvertretern und in der Pflegekammer führte dies zu Kritik.

Arbeitszeit von 12 Stunden täglich möglich

Die Allgemeinverfügung, die eine tägliche Arbeitszeit von bis zu 12 Stunden vorsieht, gilt nach Angaben des Sozialministeriums befristet bis Ende Mai kommenden Jahres. Beim Ausbruch der Epidemie war die Arbeitszeit schon einmal auf 60 Wochenstunden erhöht worden.

Bisher galt für Beschäftigte in Pflegeberufen eine tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden. In besonderen Ausnahmefällen durfte der Arbeitstag auf maximal zehn Stunden verlängert werden.

Kritik an höherer Arbeitsbelastung

Die Kritik an der Entscheidung des Landes Niedersachsen wächst spürbar. In der Pflege seien die Beschäftigten ohnehin stark belastet, sagte David Matrai von der Gewerkschaft Verdi. «In der jetzigen Situation muss es darum gehen, sie zu entlasten – nicht zusätzlich zu belasten.»

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Meta Janssen-Kucz, sagte: «Die Pflegefachkräfte müssen wieder ausbaden, was die Politik seit Langem versäumt hat. Seit Monaten arbeiten die Pflegenden über dem Limit.»

Matrai betonte: «Jetzt rächt sich, dass wenig für die Attraktivität des Berufs getan wurde.» Es komme daher darauf an, Arbeitsbedingungen zu verbessern und so zusätzliche Pflegekräfte zu gewinnen. Janssen-Kucz meinte, die angespannte Lage in der Pflege sei nicht erst seit der Pandemie bekannt. Pflegefachkräfte müssten schnell von Tätigkeiten entlastet werden, die nicht zu den Kernaufgaben gehörten - etwa Verwaltungsaufgaben oder die Essensversorgung der Patienten.

Die Pflegekammer kritisierte, die Landesregierung torpediere das jahrelange Bemühen, Pflegeberufe attraktiver zu machen. «Monatelang hat das Land verschlafen, die medizinischen Einrichtungen auf die zweite Welle der Corona-Pandemie vorzubereiten. Jetzt sollen wieder die Beschäftigten in den systemrelevanten Berufen unter Einsatz ihrer eigenen Gesundheit die Situation retten», sagte die Präsidentin der Pflegekammer Niedersachsen, Nadya Klarmann.

Das Gesundheitssystem werde nicht zusammenbrechen, weil Betten oder Beatmungsgeräte fehlen, sondern weil die Pflegefachpersonen in einer nie zuvor da gewesenen Art und Weise verheizt werden, kritisierte Klarmann. Schon jetzt bedeuteten Acht-Stunden-Schichten in voller Schutzausrüstung eine extreme Belastung für Beschäftigte in der Pflege.

Sozialministerium: Nur Option, keine Verpflichtung

Sozialministerin Carola Reimann erklärte, die Regelung ermögliche es, zeitlich flexible Lösungen im Einklang mit dem Arbeitszeitgesetz zu finden. «Diese Allgemeinverfügung löst keine Verpflichtung aus, 60 Stunden pro Woche zu arbeiten», sagte die SPD-Politikerin.

In der Praxis könnten beispielsweise Mehrschichtensysteme oder Arbeitsblöcke ermöglicht werden. Dies könne erforderlich werden, wenn es zu Covid-Ausbrüchen in einer Einrichtung wie einem Heim oder einer Klinik kommt und Personal in Quarantäne gehen muss. «Die Regelung kann aber auch für Beschäftigte von Not- und Rettungsdiensten oder von Behörden angewandt werden, wenn die Lage vor Ort dies erfordert», so Reimann.

dpa

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