Aktiv oder präventiv - wie Schulen mit Mobbing umgehen
An den Schulen bleibt aus Sicht des Lehrerverbandes VBE zu wenig Zeit, um Mobbingfälle aufzuarbeiten. «Der Stundenplan ist so eng getaktet, dass das, was die Schüler belastet, leider oft unter den Tisch fällt», sagte der stellvertretende VBE-Landesvorsitzende Michael Gomolzig der Nachrichtenagentur dpa. «Dafür, wie sich die Schüler fühlen, bleibt kaum Zeit.» Häufig kämen nur Hänseleien ans Licht, bei schwerwiegenden Fällen vertrauten sich viele Schüler niemandem an. «Da stößt man ganz schnell auf eine Mauer des Schweigens, sowohl beim Opfer als auch beim Täter.»
Klassenlehrerstunde – Zeit zum Zuhören
Aus Gomolzigs Sicht fehlt auf den Stundenplänen im Südwesten eine feste Klassenlehrerstunde, in der auch Mobbingfälle ein Thema sein könnten. «Es müsste eine Stunde in der Woche sein, die genauso ihren Platz hat wie Deutsch und Mathe.» Wenn im Unterricht des Klassenlehrers nicht mehr nur höchstens organisatorische Fragen geklärt würden, könnten solche Stunden auch die Qualität des Unterrichts insgesamt verbessern, glaubt der VBE-Vize.
Bessere Atmosphäre steigert Qualität
Meist werde zwar nicht im Unterricht gemobbt, sondern eher nachmittags und mit Vorliebe über das Internet. «Die Schüler machen sich da fertig, weil sie sich nicht gegenüberstehen», sagte er. Die Atmosphäre im Klassenraum könne das aber trotzdem vergiften: «Solange etwas unausgesprochen im Raum ist, leidet auch der Unterricht.»
Ein Drittel Unterrichtszeit für Prävention
Das Kultusministerium sieht keinen Bedarf für eine zusätzliche Klassenlehrerstunde. Prävention sei ein grundlegender Bestandteil des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Lehrer, erklärte eine Ministeriumssprecherin. Schulen hätten die Möglichkeit, das Thema in ihrem Schulcurriculum zu verankern. «Für dessen Umsetzung steht ungefähr ein Drittel der Unterrichtszeit zur Verfügung. Eine zusätzliche Lehrerstunde ist daher nicht nötig.»
«Stark. Stärker. Wir»
Mit dem Konzept «Stark. Stärker. Wir» will das Ministerium das verantwortungsbewusste und soziale Verhalten fördern und Gewalt und Mobbing vorbeugen. So werde nach das Thema «Prävention» zu einem fächerübergreifenden Leitprinzip; im Schuljahr 2012/2013 habe auch schon die flächendeckende Einführung des neuen Konzepts begonnen. «Das ist nichts, was man von heute auf morgen verordnen kann», sagte die Sprecherin. «Die Schulen sind frei, was die Ausgestaltung angeht. Man muss ihnen auch Zeit geben.»
Obwohl rund 500 Schulen ihr Interesse bekundet hätten, seien Anti-Mobbing-Programme wie diese laut Verbandsvize Gomolzig zwar sinnvoll, letztendlich jedoch Tropfen auf den heißen Stein.
Für Veränderung braucht es mehr
Wie der VBE wünscht sich auch die Lehrergewerkschaft GEW in Baden-Württemberg an den Schulen mehr Zeit, um über Mobbingfälle zu sprechen. Wichtig sei es aber auch, dass Lehrer zum Thema Mobbing weitergebildet würden, betonte ein Gewerkschaftssprecher. An jeder Schule müsste es aus seiner Sicht ein bis zwei Experten auf diesem Gebiet geben.
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