Polizeipräsidenten dürfen nicht als politische Beamte eingestuft werden
Mit am 16.5.2024 veröffentlichtem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass § 37 Abs. 1 Nr. 5 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) mit Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar und nichtig ist. Die Vorschrift stuft die Polizeipräsidenten in Nordrhein-Westfalen als politische Beamte ein und ermöglicht damit ungeachtet ihres Status als Beamte auf Lebenszeit ihre jederzeitige Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. Die Norm bestimmt:
§ 37 - Einstweiliger Ruhestand
(1) Die Landesregierung kann jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzen
[...]
5. Polizeipräsidentinnen oder Polizeipräsidenten,
soweit sie Beamtinnen oder Beamte auf Lebenszeit sind.
Versetzung in den einstweiligen Ruhestand nach Ausschreitungen an Silvester
Der Kläger des Ausgangsverfahrens war Polizeipräsident von Köln. Nach den Ereignissen in der „Kölner Silvesternacht“ 2015/2016, als es im Bereich des Kölner Doms und des Bahnhofsvorplatzes unter anderem zu zahlreichen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung kam, wurde der Beamte im Januar 2016 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Hiergegen erhob er Klage. Das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen hat das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG § 37 Abs. 1 Nr. 5 LBG NRW zur Prüfung vorgelegt.
Gesetz verstößt gegen Lebenszeitprinzip
Das BVerfG entschied nun, dass § 37 Abs. 1 Nr. 5 LBG NRW gegen Art. 33 Abs. 5 GG verstößt und daher nichtig ist. Die Möglichkeit der jederzeitigen Versetzung eines Polizeipräsidenten in den einstweiligen Ruhestand greift in das Lebenszeitprinzip in der Ausprägung der grundsätzlichen Unentziehbarkeit des statusrechtlichen Amtes ein. Dieser Eingriff ist nicht durch besondere Sacherfordernisse des betroffenen Amtes gerechtfertigt. Weder der den Polizeipräsidenten in Nordrhein-Westfalen zugewiesene Aufgabenbereich oder der ihnen zugemessene Entscheidungsspielraum noch ihre organisatorische Stellung, der Umfang der ihnen auferlegten Beratungspflichten gegenüber der Landesregierung oder andere Gesichtspunkte weisen das Amt des Polizeipräsidenten als ein „politisches“ aus.
Politische Übereinstimmung muss bei politischem Amt unerlässlich sein
Dem Status des politischen Beamten kommt gegenüber dem Regelfall des Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit ein eng zu bestimmender Ausnahmecharakter zu. Der mit dieser Ausnahme verbundene Eingriff in das Lebenszeitprinzip kann nur durch die Besonderheiten der betroffenen Stellung und der damit verbundenen Aufgabenwahrnehmung gerechtfertigt werden. Ihre sachliche Rechtfertigung findet die Ausnahmekategorie der politischen Beamten darin, dass diese nach der Art ihrer Aufgaben in besonderer Weise des politischen Vertrauens der Staatsführung bedürfen und in fortwährender Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen.
Wann die Einstufung eines Amtes als in diesem Sinne „politisch“ anzunehmen ist, hängt von einer Reihe von Faktoren ab, die im Rahmen einer in jedem Einzelfall vorzunehmenden Gesamtbetrachtung Anhaltspunkte dafür bieten können, dass eine fortdauernde politische Übereinstimmung des jeweiligen Amtsträgers mit den politischen Zielen der Regierung für die wirksame Aufgabenerfüllung unerlässlich ist.
Die bloße Einstufung eines Amtes als sogenanntes Repräsentationsamt rechtfertigt die Besetzung des Amtes mit einem politischen Beamten grundsätzlich nicht.
Auch aktuelle Gesetzesfassung in NRW betroffen
Die Rechtsfolge gilt sowohl für die vorangegangenen Rechtsfassungen vom 21.4.2009 und 14.6.2016 als auch für die aktuelle Fassung der vorgelegten Vorschrift. Auf sie treffen die zur Verfassungswidrigkeit der Vorschrift führenden Gründe in gleicher Weise zu.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass Ämter nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen als „politisch“ eingestuft werden dürfen.
(BVerfG, Beschluss v. 9.4.2024, 2 BvL 2/22)
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