Einschränkung der sachgrundlosen Befristung im öffentlichen Dienst durch den Koalitionsvertrag
Nach einer Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hatten knapp 2,9 Millionen Beschäftigte in Deutschland im Jahr 2016 einen befristeten Arbeitsvertrag. Das entspricht einem Anteil an allen Beschäftigten (ohne Auszubildende) von etwa acht Prozent. Im ersten Halbjahr 2016 erfolgten rund 43 Prozent aller Einstellungen befristet. Für viele Betroffene, Gewerkschaften und die Parteien des linken Spektrums ist die bestehende Befristungspraxis ein unhaltbarer Zustand. Hingegen sehen Union, FDP und Arbeitgeber darin ein notwendiges Instrument der Personalsteuerung, deren Abschaffung auch beschäftigungspolitisch kontraproduktiv wäre.
Befristungen erleichtern den Arbeitgebern Einstellungen, wenn der Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften im Unternehmen zeitlich begrenzt oder aus wirtschaftlichen Gründen unsicher ist. Wenn die Eignung der neu eingestellten Arbeitskräfte unklar ist, dienen Befristungen zudem als eine Art verlängerter Probezeit. Zwar erleichtern Befristungen den Zugang zum Arbeitsmarkt, zugleich erhöhen sie jedoch das Risiko für die Betroffenen, nach Ablauf der Vertragsdauer arbeitslos zu werden. Das Risiko der Arbeitslosigkeit und die fehlende Planungssicherheit erschweren nicht nur die Entscheidung, eine Familie zu gründen; sie können sich auch negativ auf die Gesundheit der Betroffenen auswirken.
Einschränkung der sachgrundlosen Befristung im Koalitionsvertrag
Das IAB weist darauf hin, dass der Koalitionsvertrag, auf den sich CDU, CSU und SPD am 7. Februar dieses Jahres geeinigt haben, einen Kompromiss zwischen den Flexibilitätsbedürfnissen der Arbeitgeber und den Sicherheitsbedürfnissen der Arbeitnehmer vorsieht. Wenn der Vorschlag umgesetzt werden sollte, wäre dies einer der stärksten Eingriffe in das Befristungsrecht seit dem Beschäftigungsförderungsgesetz von 1985. Dort wurde erstmals die Möglichkeit eröffnet, ohne Angabe eines Sachgrundes befristete Verträge abzuschließen.
Die getroffenen Regelungen könnten in der Tat dazu führen, dass Befristungen deutlich eingeschränkt werden, bergen aus Sicht des IAB jedoch auch einige Risiken. Solange die Lage auf dem Arbeitsmarkt so gut bleibe wie derzeit und der Fachkräftebedarf noch weiter wachse, dürften sich die negativen Auswirkungen in Grenzen halten.
Einschränkung sachgrundloser Befristungen ist beträchtlich
Nach den Zahlen des IAB arbeiteten fast zwei Drittel aller sachgrundlos befristet Beschäftigten im Jahr 2013 (aktuellere Daten liegen nicht vor) in Betrieben mit 75 und mehr Beschäftigten. Der Anteil sachgrundloser Befristungen betrug dort 5,1 Prozent, in Betrieben mit weniger Beschäftigten 2,7 Prozent. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Begrenzung der Zahl der sachgrundlos befristet Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 75 Beschäftigten auf 2,5 Prozent der Belegschaft könnte demnach in einer ersten groben Schätzung zu einer Reduzierung der sachgrundlosen Befristungen um etwa 400.000 Fälle führen. Dies dürfte angesichts des Beschäftigungsbooms seit 2013 eher die Untergrenze darstellen. Um Unternehmen Rechtssicherheit in Bezug auf bereits bestehende Arbeitsverträge zu geben, müsste nach Ansicht des IAB eine gesetzliche Änderung jedoch in jedem Fall eine Übergangsregelung für Altfälle enthalten.
Wie könnten die Arbeitgeber reagieren?
Wie die Betriebe auf diese Einschränkung reagieren werden, bleibe abzuwarten. Neben den erhofften unbefristeten Einstellungen könnte es zu mehr Befristungen mit Sachgrund kommen. Denkbar sei auch ein verstärkter Rückgriff auf interne und externe Instrumente des Personaleinsatzes wie Überstunden, Jobrotation, Leiharbeit, freie Mitarbeiter oder Werkverträge an Unternehmen. Im ungünstigsten Fall könnten Betriebe ganz auf Einstellungen verzichten.
Die Verkürzung der Dauer der sachgrundlosen Befristung auf 18 Monate wird nach Einschätzung des IAB entsprechende Personalanpassungsmaßnahmen wie Entfristungen, Anschlussbeschäftigungen mit Sachgrundbefristung oder Personalabgänge beschleunigen. Bei geplanten Beschäftigtendauern von mehr als 18 Monaten könnte es zu Ausweichreaktionen – etwa zu Befristungen mit Sachgrund – kommen.
Fünf-Jahres-Grenze bei Befristungen erfordert mehr Planstellen im öffentlichen Dienst
Die Begrenzung von Befristungsketten auf höchstens fünf Jahre hätte ihr Ziel dann erreicht, wenn sie zu einer Entfristung durch den jeweiligen Arbeitgeber führt. Kontraproduktiv wäre sie aber, wenn die Betroffenen nach Ablauf der fünf Jahre ihren Betrieb mehrheitlich verlassen müssten. Insbesondere im öffentlichen Dienst mit seinen vielfältigen Einrichtungen und Dienststellen sowie in großen Unternehmen, die aus vielen Einzelbetrieben bestehen, dürfte auf Arbeitgeberseite zudem die Unsicherheit darüber zunehmen, ob eine einzustellende Person die Fünf-Jahres-Grenze bereits überschritten hat oder nicht. In der Summe könnte sich diese Unsicherheit negativ auf das Einstellungsverhalten größerer Arbeitgeber auswirken und dazu führen, dass befristet Beschäftigte im Schnitt kürzer im Unternehmen verbleiben als bislang.
Vertretungsbefristungen im Schuldienst
Als Beispiele für die bestehende Befristungspraxis führt das IAB die oft jahrelangen Vertretungsbefristungen im Schuldienst an. Der öffentliche Dienst hätte es in der Hand, die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Regelungen zu flankieren und die betroffenen Personen zu entfristen. Die interne Personalflexibilität müsse dadurch erhöht werden, dass beispielsweise der Anteil an unbefristet beschäftigten Vertretungslehrern ausgebaut wird.
Befristungen in der Wissenschaft nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz
Dabei sind nach Einschätzung des IAB auch die Finanzpolitiker gefordert, die zusätzliche Dauerstellen für Lehrer, Wissenschaftler, Arbeitsvermittler und andere Berufsgruppen im öffentlichen Dienst, bei denen Befristungen stark verbreitet sind, bewilligen müssen. Dies gilt ganz besonders für Wissenschaftler, die wegen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes gar nicht von der im Koalitionsvertrag avisierten Neuregelung betroffen wären. Ohne höhere Finanzmittel für Dauerstellen steige unweigerlich der Druck auf die öffentlichen Arbeitgeber, verstärkt auf Dienstleistungen von Dritten, etwa freie Mitarbeiter oder Werkvertragsunternehmen, zurückzugreifen.
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