Verkehrsbetriebe suchen dringend Fahrer

Neben Ingenieuren, IT-Experten und Pflegekräften sind auch Bus-, Tram- und U-Bahnfahrer deutschlandweit eine heiß begehrte Berufsgruppe. Einzelne Verkehrsunternehmen werben mit neuen Methoden um Nachwuchskräfte.

Wie lassen sich Bewerber am besten ansprechen? Die Münchner Verkehrsgesellschaft MVG geht neue Wege und setzt eine so genannte Bewerbertram ein. Während der Fahrt führen MVG-Mitarbeiter Vorstellungsgespräche mit Bewerbern - im Idealfall steht am Ende eine Jobzusage.

Fahrer-Nachwuchs ist schwer zu finden

Um neue Fahrer zu werben, setzt die MVG viel in Bewegung - unter anderem eben eine ganze Tram. Denn Fahrer-Nachwuchs ist in München und in der gesamten Bundesrepublik nur schwer zu finden. Sobald eine Grippewelle grassiert oder die Ferienzeit näher rückt, kommen die Verkehrsunternehmen ins Rotieren: Bekommen sie genug Fahrer zusammen, damit Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen den Takt halten können? Schon jetzt gibt es immer wieder Engpässe, hin und wieder müssen gar Fahrten ausfallen. Und das Problem wird sich verschärfen - denn in den kommenden Jahren gehen bundesweit zahlreiche Fahrer in Rente.

Bundesweit besteht hoher Bedarf

«Wir haben bis 2030 alleine im Fahrdienst ungefähr 85.000 Stellen, die neu beziehungsweise wieder besetzt werden müssen», sagt Lars Wagner vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Die Zahl beinhalte zwar eine gewisse Unschärfe, weil sich schwer prognostizieren lasse, wie weit der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) bis dahin noch ausgebaut werde. «Aber alleine das Thema Demografie im Fahrdienst ist eines, das die ganze Branche trifft.»

Aktuell liege das Durchschnittsalter «irgendwo über 40», weil die Verkehrsbetriebe jahrelang aus Kostengründen Personal eingespart haben, wie Wagner erläutert. «Seit ungefähr sieben, acht Jahren wächst man wieder überproportional, weil auch die Nachfrage nach ÖPNV extrem steigt, gerade in den Großstädten und Ballungsräumen.»

Hinzu kommt die generell gute Beschäftigungslage mit wenigen Arbeitslosen. Auch in München ist die Lage ernst. «Wir brauchen neue Fahrerinnen und Fahrer, 300 allein in diesem Jahr, und der Arbeitsmarkt in München ist so leergefegt, dass man mit einfachen Stellenanzeigen nicht mehr die ausreichende Anzahl an Bewerbern einstellen könnte», erklärt MVG-Sprecher Matthias Korte. «Wir müssen auf uns aufmerksam machen und im positiven Sinn aus dem Rahmen fallen.»

Neuer Ansatz zur Gewinnung von Mitarbeitern hat sich bewährt

Das Konzept Bewerbungstram geht auf: Bei der Jungfernfahrt vor eineinhalb Wochen hatten 35 der 71 Mitfahrer eine Zusage erhalten - vorausgesetzt, der Werksarzt hat keine Einwände. «Das ist ein Riesenerfolg für uns», sagt Anita Niemeyer, Leiterin des Bereichs Personalgewinnung. Bei der zweiten Fahrt ist die Bewerberzahl vom vergangenen Mal schon nach 40 Minuten geknackt. Über 160 Job-Interessenten steigen an diesem Tag in die Bewerbungstram ein, geschätzt zwischen 50 und 60 mit einer vorläufigen Zusage wieder aus. Die Personaler kommen fast nicht hinterher. «Mit so einem großen Andrang haben wir nicht gerechnet», sagt Korte und freut sich.

Mit der Bewerbertram, die im Frühjahr erneut durch die Stadt fahren soll, hat die MVG die Zeichen der Zeit richtig erkannt, findet Sven Laumer. Der Recruitment-Experte der Universität Erlangen-Nürnberg weiß, wie schwer sich Unternehmen inzwischen in vielen Branchen und Tätigkeitsfeldern tun, Kandidaten zu finden. «Der Arbeitsmarkt hat sich gedreht, ist ein Kandidatenarbeitsmarkt geworden. Da muss man in der Tat immer wieder auch neue Wege gehen.»

Laumer weiß aber auch: «Überraschungseffekte sind das eine, da kann man kurzfristig eine gewisse Welle erzeugen. Man braucht aber natürlich auch eine mittel- oder langfristige Strategie: Wer ist die Zielgruppe, wie finde ich sie und wie spreche ich sie an?»

Um zu illustrieren, wie Personalabteilungen gerade in schwierigen Bewerbermärkten wie im ÖPNV vorgehen sollten, wählt Laumer ein Bild: «Ein Fischer, der weiß, dass viele Fische im Wasser sind, wirft ein Netz aus und wählt die besten Fische aus.» Das entspreche dem herkömmlichen Vorgehen mit Stellenanzeigen. «Wenn ich merke, dass es schwierig wird, muss ich anfangen, wie ein Fisch zu denken: Wo in diesem Teich würde ich mich aufhalten, welcher Köder würde mich anlocken?»

dpa