nicht rechtskräftig.

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliches Sterbegeld und Ausschlußfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Sieht ein Tarifvertrag ein Sterbegeld vor, so ist vom Arbeitgeber zu erwarten, daß er diese Zahlung ohne besondere Aufforderung des/der Erben leistet.

Deshalb ist sein Berufen auf die tarifvertragliche Ausschlußfrist rechtsmißbräuchlich; dies gilt auf jeden Fall dann, wenn der Verstorbene weder einen schriftlichen Arbeitsvertrag, eine Arbeitsordnung, eine Abschrift des Tarifvertrages oder andere Unterlagen hinterlassen hat, aus denen auf den Anspruch auf das tarifliche Sterbegeld geschlossen werden kann.

 

Normenkette

Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen vom 28.10.1992

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.165,76 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem entsprechenden Nettobetrag seit dem 21.4.1995 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 1/10 und der Beklagten zu 9/10 auferlegt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.119,29 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Witwe des am 10.12.1994 verstorbenen Arbeitnehmers der Beklagten … der seit dem 9.6.1980 bis zu seinem Todestag für die Beklagte tätig war. Mit Schreiben vom 27.1.1995 verlangte die Klägerin von der Beklagten restliches Weihnachtsgeld sowie ein Sterbegeld. Da die Beklagte die Zahlung ablehnte, erhob die Klägerin die am 21.4.1995 zugestellte vorliegende Klage mit dem Antrag,

die Beklagte zur Zahlung von 10.119,29 DM brutto, nebst 4 % Zinsen aus dem entsprechenden Nettobetrag seit dem 21.4.1995 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der verstorbene Arbeitnehmer habe das ihm zustehende Weihnachtsgeld erhalten; wegen des Sterbegeldes beruft sie sich auf die tarifvertraglichen Ausschlußfristen.

Für das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers … und der Beklagten galt der seit 10.7.1992 allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen vom 28.10.1992 (MTV).

 

Entscheidungsgründe

Die Klage konnte nur zum Teil Erfolg haben.

Die Klägerin kann von der Beklagten keine weitere Zahlung an Weihnachtsgeld verlangen; denn mit dem gezahlten Betrag von 476,77 DM brutto ist der Anspruch erfüllt. Die Rechtsgrundlage für die Zahlung des Weihnachtsgeldes findet sich in § 15 MTV; dessen Vorschriften für die Berechnung hat die Beklagte beachtet. Die verhältnismäßig geringe Höhe des Weihnachtsgeldes beruht darauf, daß der Verstorbene in den Berechnungsmonaten August bis Oktober lange Zeit erkrankt war und während dieser Zeit daher nur eine geringe Vergütung erhalten hat. Diese war dann auch für die Berechnung des Weihnachtsgeldes verbindlich.

Dagegen kann die Klägerin das in § 14 MTV vorgesehene Sterbegeld verlangen, das im Falle ihres verstorbenen Mannes 200 % des letzten voll abgerechneten Bruttolohnes, im vorliegenden Fall also 9.165,76 DM brutto ausmachte. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf die in § 20 MTV vorgesehene Ausschlußfrist, nach der alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von vier Wochen nach dessen Beendigung schriftlich geltend gemacht wurden. Diese Frist hat die Klägerin eingehalten; denn die Zahlung des Sterbegeldes hätte in die im Januar 1995 zu erstellende Lohnabrechnung der Beklagten aufgenommen werden müssen. Erst danach konnte sie ersehen, ob die Beklagte den Anspruch erfüllt oder nicht. Da die Beklagte jedoch keine Abrechnung vornahm, begann die Ausschlußfrist erst nach dem Fälligkeitstag der Lohnabrechnung, das heißt dem 10.1.1995 zu laufen, so daß die Klägerin den Anspruch am 27.1.1995 noch rechtzeitig geltend gemacht hat. Aber selbst wenn die Ausschlußfrist bereits abgelaufen wäre, hätte die Klage Erfolg haben müssen; denn die Beklagte kann sich auf den Ablauf der Ausschlußfrist nicht berufen – dieser Einwand ist treuwidrig und widerspricht mit Sicherheit den Vorstellungen der Tarifvertragsparteien, als sie den Anspruch auf das Sterbegeld in den Manteltarifvertrag aufgenommen haben. Es ist vielmehr gerichtsbekannt, daß Arbeitgeber anderer Branchen im Gerichtsbezirk entsprechende Ansprüche ohne besondere Aufforderung erfüllen, das heißt auch ohne, daß sie von den Erben der verstorbenen Mitarbeiter besonders geltend gemacht werden. Für diese Handhabung sprechen auch Gründe der Rücksichtnahme auf die Hinterbliebenen, die durch den Tod eines Familienangehörigen besonders seelisch belastet sind und mit wichtigen Fragen befaßt sind. Von ihnen kann unmittelbar nach dem Tod nicht erwartet werden, daß sie sich um durch den Tod begründete tarifliche Ansprüche kümmern, insbesondere dann nicht, wenn unter den Unterlagen des Verstorbenen weder ein Arbeitsvertrag noch eine Abschrift des Tarifvertrages gefunden werden. In diesem Fall wäre es unbillig, sie unter Berufung auf die tarifvertragliche Ausschlußfrist um eine Zahlung zu bringen, die mit dazu beitragen soll, die durch den Tod und die Bestattung anfallenden zusätzlichen Au...

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