Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats bei Versetzung von Beamten innerhalb der DB AG
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Beamter, der der Deutschen Bahn AG zugewiesen ist, innerhalb dieses Unternehmens versetzt, so hat der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG. Daß daneben auch ein besonderer Personalrat, der von den zugewiesenen Beamten beim Bundeseisenbahnvermögen gebildet wurde, mitzubestimmen hat (§ 17 Abs. 2 DBGrG i.V.m. § 76 Abs. 1 BPersVG), ändert daran nichts.
Normenkette
BetrVG § 99; DBGrG §§ 17, 19; BPersVG § 76 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Sprungrechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 16. März 1995 – 15 BV 11/94 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat bei der Versetzung eines Bahnbeamten, welcher der Arbeitgeberin zugewiesen ist, mitzubestimmen hat.
Die beteiligte Arbeitgeberin ist die Deutsche Bahn AG (DB AG). Sie erbringt Eisenbahnverkehrsleistungen und betreibt die hierzu erforderliche Infrastruktur (§ 3 Deutsche Bahn Gründungsgesetz – DBGrG – vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2386)). Sie ist im Zuge der Privatisierung aus den früheren Bundeseisenbahnen hervorgegangen. Neben Arbeitern und Angestellten beschäftigt sie eine große Zahl von Beamten der früheren Deutschen Bundesbahn. Diese sind nach § 12 DBGrG der Arbeitgeberin zugewiesen, haben aber ihren Status als unmittelbare Bundesbeamte behalten. Die Dienstherrenfunktion nimmt das Bundeseisenbahnvermögen wahr, das als nicht rechtfähiges Sondervermögen des Bundes nach Art. 1 § 1 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes (– ENeuOG – vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378)) aus der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn gebildet worden ist. Zur Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den zugewiesenen Beamten ist die Arbeitgeberin befugt, soweit die Dienstausübung im Betrieb es erfordert (§ 12 Abs. 4 DBGrG). Ihr ist u.a. die Entscheidung über die Versetzung solcher Beamten von einem Betrieb zu einem anderen übertragen (§ 1 Nr. 2 DBAG-Zuständigkeitsverordnung vom 1. Januar 1994 (BGBl. I S. 53)). Für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes gelten die zugewiesenen Beamten nach § 19 DBGrG als Arbeitnehmer der Beteiligten. Zur Wahrung der Interessen dieser Beamten ist in § 17 Abs. 1 DBGrG die Bildung besonderer Personalvertretungen beim Bundeseisenbahnvermögen vorgesehen, die ausschließlich von ihnen gewählt werden. Die Personalvertretungen haben nach § 17 Abs. 2 DBGrG ein Mitbestimmungsrecht in bestimmten Personalangelegenheiten, die in § 76 Abs. 1 BPersVG genannt werden.
Der beteiligte Betriebsrat ist für den Betrieb H…-H… -Ost des Geschäftsbereichs Netz der Arbeitgeberin gebildet. Der Betrieb umfaßt nach dem für die Arbeitgeberin bestehenden Tarifvertrag über die Zuordnung von Betriebsteilen und Nebenbetrieben vom 10. Dezember 1993, dem das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung am 13. Januar 1994 zugestimmt hat, die Niederlassungsleitung H… -H… sowie eine Reihe von Außenstellen.
Im Juli 1994 bat die Arbeitgeberin den besonderen Personalrat beim Bundeseisenbahnvermögen, Dienststelle H…, Außenstelle H…, “gemäß BPersVG” um Zustimmung zur Besetzung des Arbeitsplatzes NNK 12 bei der “NNL H… -H…” mit dem zugewiesenen Bundesbahnamtmann T…. In der mündlichen Anhörung vor dem Senat haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, daß sich der Arbeitsplatz NNK 12 in der Niederlassungsleitung H…-H… befindet und daß der betroffene Beamte seinerzeit in einem anderen Betrieb der Arbeitgeberin, nämlich der Regionalbereichsleitung H…, beschäftigt war. Der besondere Personalrat stimmte der Personalmaßnahme zu. Der beteiligte Betriebsrat wurde von der Arbeitgeberin über die beabsichtigte Stellenbesetzung unterrichtet, indem sie ihm “zur Vorab-Unterrichtung” einen Abdruck des Schreibens sandte, mit dem sie den besonderen Personalrat um Zustimmung bat. Auch von diesem “wurde der Betriebsrat informiert. Unter Berufung auf § 99 BetrVG widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten Stellenbesetzung mit der Begründung, durch sie erlitten Arbeitnehmer des Betriebs Nachteile. Das Arbeitsgericht hat nicht festgestellt, wann dieser Widerspruch der Arbeitgeberin zugegangen ist. Mit Wirkung zum 1. Oktober 1994 wurde der Arbeitsplatz NNK 12 mit Bundesbahnamtmann T… besetzt.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, diese Maßnahme müsse aufgehoben werden, da die Arbeitgeberin sie ohne seine Zustimmung durchgeführt habe. Er habe nach § 99 BetrVG bei der Versetzung eines zugewiesenen Beamten auf einen Arbeitsplatz im Betrieb mitzubestimmen. Das ergebe sich daraus, daß die zugewiesenen Beamten für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als Arbeitnehmer gelten. Die Beteiligung des besonderen Personalrats ändere daran nichts. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats solle nicht nur die Interessen der im Einzelfall betroffenen Beschäftigten schützen, sondern auch diejenigen der übrigen Belegschaft. Insoweit fehle dem besonderen Personalrat die Legitimation.
Der Betriebsrat hat, soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Interesse, beantragt,
der Antragsgegnerin aufzugeben, die Versetzung des Arbeitnehmers Bernd T… auf den Arbeitsplatz NNK 12 aufzuheben.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Nach ihrer Meinung hatte der Betriebsrat bei der Versetzung nicht mitzubestimmen, weil es sich um einen zugewiesenen Beamten handelt. Unterliege eine Personalmaßnahme der Mitbestimmung des besonderen Personalrats, so sei ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausgeschlossen. Das ergebe sich schon daraus, daß nach dem Regelungszusammenhang § 17 Abs. 1 und 2 DBGrG als Spezialvorschriften dem § 19 DBGrG vorgingen. Diese Auslegung sei wegen des besonderen Status der Beamten auch verfassungsrechtlich geboten. Die Arbeitgeberin hat eingeräumt, daß dem besonderen Personalrat die Legitimation zur Wahrnehmung der Interessen der betriebsangehörigen Arbeitnehmer fehle. Dies könne indessen durch eine lükkenfüllende Interpretation behoben werden, nach welcher der Personalrat verpflichtet sei, vor seiner Entscheidung die Stellungnahme des zuständigen Betriebsrats einzuholen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben und auf Antrag der Arbeitgeberin, dem der Betriebsrat zugestimmt hat, die Sprungrechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter. Der Betriebsrat bittet, die Sprungrechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die zulässige Sprungrechtsbeschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht nach § 101 Satz 1 BetrVG der Arbeitgeberin aufgegeben, die umstrittene Versetzung rückgängig zu machen. Die Arbeitgeberin hat bei der Maßnahme das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht beachtet.
I. Der Betriebsrat hatte bei der Besetzung des Arbeitsplatzes NNK 12 mit Bundesbahnamtmann T… nach § 99 BetrVG mitzubestimmen.
1. Zwar ist T… kein Arbeitnehmer i.S. des Betriebsverfassungsgesetzes, sondern Beamter. Er ist aber nach § 12 Abs. 2 DBGrG der DB AG zugewiesen. Für solche Beamte fingiert § 19 Abs. 1 DBGrG für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmereigenschaft im Verhältnis zur DB AG. Gegenständliche Einschränkungen, nach denen die Anwendung bestimmter Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes auf Beamte ausgeschlossen wäre, enthält die Vorschrift nicht. Vielmehr ist nach § 19 Abs. 1 DBGrG zunächst von dem Grundsatz auszugehen, daß die zugewiesenen Beamten in vollem Umfang wie Arbeitnehmer in die betriebliche Arbeitnehmervertretung nach dem Betriebsverfassungsgesetz einbezogen sind. Insoweit läßt die Vorschrift eine schlüssige Konzeption erkennen, denn sie bestimmt weiter, daß die Beamten auch hinsichtlich der übrigen auf die DB AG anwendbaren Gesetze über kollektive Interessenvertretung der Arbeitnehmer in Betrieb und Unternehmen (Sprecherausschußgesetz und Vorschriften über die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat) als Arbeitnehmer zu gelten haben. Ist demnach das Betriebsverfassungsgesetz auf zugewiesene Beamte anwendbar, so kommt nach § 99 BetrVG auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Personalmaßnahmen, die solche Beamte betreffen, in Betracht (vgl. Engels/Müller/Mauß, DB 1994, 473, 478). Dies stellt die Arbeitgeberin auch nicht in Abrede.
Sie meint aber, die Anwendung des § 99 BetrVG sei dann ausgeschlossen, wenn in einer Personalangelegenheit der besondere Personalrat nach § 17 Abs. 2 DBGrG in Verbindung mit § 76 Abs. 1 BPersVG mitzubestimmen habe (ebenso Engels/Müller/Mauß, aaO; Lorenzen, PersV 1994, 145, 154 f.; für eine ausschließliche Zuständigkeit des besonderen Personalrats, allerdings ohne ausdrückliche Erörterung der Frage, wohl auch Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 8. Aufl., Einleitung Rz 53, und Lorenzen/Gerhold, BPersVG, Stand Juli 1995, § 1 Rz 33g und § 69 Rz 54b ff.). Dem folgt der Senat nicht. Eine derartige Einschränkung des in § 19 DBGrG enthaltenen allgemeinen Grundsatzes ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
a) Aus dem Wortlaut des § 17 DBGrG ergibt sich ein Ausschluß des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nicht. Das räumt auch die Arbeitgeberin ein. Die Vorschrift bestimmt lediglich, daß für die zugewiesenen Beamten besondere Personalvertretungen zu bilden sind, und regelt deren Mitbestimmungsrecht bei bestimmten Personalmaßnahmen. Zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats äußert sie sich nicht. Auch die in § 17 Abs. 2 Satz 1 DBGrG enthaltene Formulierung, der besondere Personalrat habe in den genannten Angelegenheiten “ein” – und nicht etwa “das” – Mitbestimmungsrecht, läßt Raum für die Annahme, neben dem Personalrat könne auch der Betriebsrat mitbestimmen.
b) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ergibt sich ein Ausschluß des Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG auch nicht aus dem systematischen Zusammenhang zwischen den §§ 17 und 19 DBGrG.
Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob § 17 Abs. 2 im Verhältnis zu § 19 Abs. 1 DBGrG die speziellere Norm sei und daher Vorrang zu beanspruchen habe, ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Ihre Beantwortung trägt nichts dazu bei, den Inhalt des § 17 DBGrG zu klären. Als eine Sondervorschrift, die auf bestimmte Entscheidungen der Arbeitgeberin beschränkt ist, kann § 17 Abs. 2 DBGrG sowohl die alleinige Mitbestimmung des Personalrats nach § 76 Abs. 1 BPersVG als auch ihr Hinzutreten zur Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG vorschreiben.
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats wird auch nicht etwa deshalb durch § 17 Abs. 2 DBGrG ausgeschlossen, weil sonst der besondere Personalrat das ihm zugewiesene Mitbestimmungsrecht nicht ausüben könnte. Auf dieselbe Entscheidung des Arbeitgebers bezogene Mitbestimmungsrechte zweier Arbeitnehmervertretungen können allerdings dann miteinander unvereinbar sein, wenn sie ein Initiativrecht einschließen. Unter dieser Voraussetzung könnte nämlich der Fall auftreten, daß eine Arbeitnehmervertretung mit Hilfe ihres Mitbestimmungsrechts eine Maßnahme durchzusetzen sucht, welche die andere Vertretung durch ihre Mitbestimmung gerade verhindern will. Um solche Mitbestimmungsrechte handelt es sich hier aber nicht. Vielmehr erschöpft sich die Mitbestimmung in den Fällen der Versetzung und Umsetzung, die hier in Betracht kommen, sowohl nach § 76 Abs. 1 i.V.m. § 77 Abs. 2 BPersVG als auch nach § 99 BetrVG in einem Zustimmungsverweigerungsrecht. Ebenso wie der Betriebsrat hat der besondere Personalrat das Recht, eine Versetzung zwar zu verhindern, nicht aber, sie zu erzwingen.
Die praktischen Schwierigkeiten, die eine derartige Doppelschranke mit sich bringen kann, sind freilich nicht zu verkennen. Hat sich die Arbeitgeberin mit der einen Arbeitnehmervertretung geeinigt, so kann die Zustimmungsverweigerung der anderen die beabsichtigte Maßnahme dennoch vereiteln. Dieses Problem ist indessen nicht von solchem Gewicht, daß es ein Nebeneinander der beiden Mitbestimmungsrechte unsinnig erscheinen ließe und daher aus dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 17 DBGrG zwingend auf den Ausschluß der Mitbestimmung des Betriebsrats zu schließen wäre. Es gibt eine Reihe arbeitsrechtlicher Vorschriften, die eine Maßnahme des Arbeitgebers an die Zustimmung von mehr als einer Stelle binden und daher Schwierigkeiten der dargestellten Art verursachen. Dies gilt nicht nur beim besonderen Kündigungsschutz von Schwerbehinderten nach § 15 SchwbG und von Schwangeren nach § 9 Abs. 3 MuSchG, sondern auch bei betriebs-(dienststellen-) übergreifenden Versetzungen, bei denen der Betriebsrat (Personalrat) sowohl des abgebenden als auch des aufnehmenden Betriebs (bzw. der Dienststelle) mitzubestimmen hat (zu § 99 BetrVG: BAG Urteil vom 26. Januar 1993 – 1 AZR 303/92 – AP Nr. 102 zu § 99 BetrVG 1972, zu II 1c der Gründe; zu § 76 BPersVG: Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 8. Aufl., § 76 Rz 15).
c) Der in den gesetzlichen Vorschriften zum Ausdruck gekommene Zweck der Mitbestimmung bei Versetzungen und Umsetzungen erfordert nicht den Ausschluß des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei Maßnahmen, in denen ein Mitbestimmungsrecht des besonderen Personalrats besteht. Im Gegenteil kann dem Gesetzeszweck nur entsprochen werden, wenn § 99 BetrVG auch auf solche personellen Entscheidungen uneingeschränkt angewandt wird.
aa) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 DBGrG soll der besondere Personalrat die Interessen der Beamten wahren, die der Arbeitgeberin zugewiesen sind. Seine Beteiligungsrechte dienen diesem Zweck. Dem steht es nicht entgegen, wenn in Personalangelegenheiten, in denen nach § 17 Abs. 2 DBGrG i.V.m. § 76 Abs. 1 BPersVG der Personalrat mitbestimmt, auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG besteht. Wie bereits ausgeführt (oben b) erschöpft sich das Mitbestimmungsrecht nach diesen Vorschriften jeweils in einem Zustimmungsverweigerungsrecht. Der Personalrat kann einer Versetzung widersprechen, sie aber nicht etwa erzwingen. Der Zweck der Mitbestimmung nach § 17 DBGrG kann demnach nicht dadurch vereitelt werden, daß auch der Betriebsrat die Möglichkeit erhält, eine Versetzung zu verhindern, gegen die der Personalrat nichts einzuwenden hat.
bb) Würde hingegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats durch dasjenige des Personalrats verdrängt, so würde damit zugleich für einen Teil derjenigen Arbeitnehmerbelange, die von § 99 BetrVG geschützt werden sollen, die hierzu legitimierte Interessenvertretung ausgeschlossen.
Zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, daß das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG nicht nur die Interessen des betroffenen Arbeitnehmers, sondern auch diejenigen der übrigen Belegschaft schützen soll. So kann der Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 3, 5 und 6 BetrVG einer Einstellung oder Versetzung widersprechen, wenn Nachteile für andere Arbeitnehmer des Betriebs zu befürchten sind, wenn eine betriebliche Stellenausschreibung unterblieben ist oder wenn eine Störung des Betriebsfriedens zu besorgen ist. Dementsprechend hat bei betriebsübergreifenden Versetzungen nicht nur der Betriebsrat des abgebenden Betriebs zum Schutz des betroffenen Arbeitnehmers, sondern auch der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs im Interesse von dessen Belegschaft mitzubestimmen (BAG Urteil vom 26. Januar 1993 – 1 AZR 303/92 – AP Nr. 102 zu § 99 BetrVG 1972, zu II 1c der Gründe). Aus demselben Grund erkennt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG auch bei der Eingliederung von Personen in den Betrieb an, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber dieses Betriebs stehen (zuletzt Beschluß vom 18. Oktober 1994 – 1 ABR 9/94 – AP Nr. 5 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung, zu B I 1 der Gründe).
Die Interessen der aufnehmenden Belegschaft können in Fällen der vorliegenden Art nur dann durch eine dazu legitimierte Arbeitnehmervertretung wahrgenommen werden, wenn § 99 BetrVG unabhängig von einem etwaigen Mitbestimmungsrecht des besonderen Personalrats anwendbar bleibt. Allein der Betriebsrat ist von allen Beschäftigten des Betriebs, Arbeitnehmern wie zugewiesenen Beamten, gewählt. Dagegen besteht die Aufgabe des besonderen Personalrats nach § 17 Abs. 1 Satz 1 DBGrG in der Wahrung der Interessen der zugewiesenen Beamten, ausschließlich von ihnen ist er gewählt. Solche Beamte wird es zwar meist auch im aufnehmenden Betrieb geben, sie stellen dort aber nur einen Teil der Belegschaft. Von den nichtbeamteten Beschäftigten dieser Belegschaft hat der besondere Personalrat kein Mandat. Überdies ist er regelmäßig, so auch im vorliegenden Fall, für eine größere Zahl von Betrieben zuständig. Damit fehlt ihm neben der Legitimation auch die Sachnähe, die erforderlich ist, um die Interessen der betroffenen Einzelbelegschaft sinnvoll währzunehmen. Dementsprechend hat der Senat die insoweit vergleichbare Frage, ob das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG bei betriebsübergreifenden Versetzungen vom Gesamtbetriebsrat auszuüben ist, verneint (Senatsurteil vom 26. Januar 1993 – 1 AZR 303/92 – AP Nr. 102 zu § 99 BetrVG 1972, zu II 2b der Gründe).
Das dargestellte Legitimationsdefizit des besonderen Personalrats wiegt schwer, betrifft es doch gerade Zustimmungsverweigerungsgründe, die besondere praktische Bedeutung haben. Auch im vorliegenden Fall bekämpft der Betriebsrat die Versetzung mit der Begründung, dadurch würden Betriebsangehörige in ihrer beruflichen Entwicklung benachteiligt. Zwar war der Gesetzgeber nicht gehindert, von den sonst für privatrechtlich organisierte Unternehmen geltenden Grundsätzen für die DB AG eine Ausnahme zu machen und zu Lasten ihrer Arbeitnehmer – nicht allein der Beamten – die Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz einzuschränken. Wäre aber eine so einschneidende Regelung gewollt gewesen, so hätte das klar zum Ausdruck gebracht werden müssen. Dies ist nicht geschehen.
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Arbeitgeberin, das Legitimationsdefizit könne dadurch behoben werden, daß der besondere Personalrat vor Ausübung seines Mitbestimmungsrechts nach § 76 Abs. 1 BPersVG eine Stellungnahme des jeweils zuständigen Betriebsrats einholen müsse. Eine solche Konsultation erschiene zwar angemessen, wenn der Betriebsrat bei der Versetzung zugewiesener Beamter nicht mitzubestimmen hätte (vgl. Engels/Müller/Mauß, DB 1994, 473, 478). Eine Verpflichtung hierzu kann dem Deutsche Bahn Gründungsgesetz aber nicht entnommen werden. Sie ist offenbar bei der Vorbereitung des Gesetzes erwogen, aber dann gerade nicht in die übereinstimmenden Gesetzentwürfe der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen aufgenommen worden (Engels/Müller/Mauß, DB 1994, 473, 478 (Fußnote 44)). Im übrigen würden auch trotz eines solchen Konsultationsrechts die Interessen der Arbeitnehmer des aufnehmenden Betriebs nicht durch eine von ihnen gewählte Vertretung so geschützt, wie es § 99 BetrVG vorsieht.
d) Der dargestellten Auslegung des Gesetzes steht auch die Entstehungsgeschichte des Deutsche Bahn Gründungsgesetzes, soweit sie in den Gesetzesmaterialien ihren Niederschlag gefunden hat, nicht entgegen. In der Begründung zu § 19 Abs. 1 der übereinstimmenden Gesetzentwürfe von Bundesregierung und Koalitionsfraktionen (BR-Drucks. 131/93; BT-Drucks. 12/4609 neu) heißt es:
“Die faktische Eingliederung der der Deutsche Bahn AG zugewiesenen Beamten in deren Betrieb gebietet es, diese Mitarbeiter in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten (z.B. aktives und passives Wahlrecht zum Betriebsrat der Aktiengesellschaft, aktives und passives Wahlrecht für die Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der AG) den eigenen Arbeitnehmern der Aktiengesellschaft gleichzustellen.”
Hier kommt deutlich der Grundsatz zum Ausdruck, daß die zugewiesenen Beamten wie Arbeitnehmer in die Betriebsverfassung einbezogen werden sollen.
Das Mitbestimmungsrecht des besonderen Personalrats in § 17 Abs. 2 wird wie folgt begründet:
“Die Beteiligungskompetenz in den in § 76 Abs. 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes genannten beamtenrechtlichen Beteiligungsangelegenheiten, die der Deutsche Bahn AG übertragen sind, obliegt ebenfalls den besonderen, nach Absatz 1 gebildeten Personalvertretungen, weil dem Betriebsverfassungsgesetz beamtenrechtliche Beteiligungsvorschriften notwendigerweise fehlen und in den Betriebsräten der Deutsche Bahn AG die zugewiesenen Beamten nicht als eigenständige und zu selbständigen Entscheidungen befugte Gruppe vertreten sind …”.
Es fehlt indessen jeder Hinweis darauf, daß etwa das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in den Fällen, in denen die in § 17 Abs. 2 DBGrG genannten Angelegenheiten auch von § 99 BetrVG erfaßt werden, ausgeschlossen sein soll. Vielmehr hebt die Begründung auf beamtenrechtliche Angelegenheiten ab, für die das BetrVG keine Beteiligungsvorschriften enthält. Sie läßt damit erkennen, daß es dem Gesetzgeber nur darum ging, durch das Mitbestimmungsrecht des besonderen Personalrats eine Lücke zu schließen. Dies war für beamtenrechtliche Entscheidungen wie z.B. die Beförderung zugewiesener Beamter auch erforderlich, denn sie werden von § 99 BetrVG nicht erfaßt. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß der Gesetzgeber darüber hinaus das Mitbestimmungsrecht, das nach § 99 BetrVG bei der Versetzung solcher Beamter innerhalb der DB AG und bei ihrer Umsetzung besteht, beseitigen wollte.
e) Die Anwendung des § 99 BetrVG wird in Angelegenheiten, in denen der besondere Personalrat nach § 76 Abs. 1 BPersVG mitzubestimmen hat, auch nicht durch das Gruppenprinzip ausgeschlossen, welches nach § 38 Abs. 2 BPersVG das Personalvertretungsrecht beherrscht und nach dem in Personalangelegenheiten der Beamten das Mitbestimmungsrecht nur durch die Beamtenvertreter im Personalrat ausgeübt wird.
aa) Bei ihrer Berufung auf das Gruppenprinzip verkennt die Arbeitgeberin, daß für die Arbeitnehmervertretung in ihren Betrieben auch insoweit, als Beamte betroffen sind, aufgrund der Fiktion des § 19 Abs. 1 DBGrG grundsätzlich das Betriebsverfassungsgesetz und nicht mehr das Bundespersonalvertretungsgesetz maßgeblich ist. Das Betriebsverfassungsgesetz kennt aber kein Gruppenprinzip im dargestellten Sinne; überdies bilden die Beamten für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes keine eigene Gruppe, sondern sind nach § 19 Abs. 2 und 3 DBGrG je nach der Art ihrer Tätigkeit den Gruppen der Arbeiter oder der Angestellten zugeordnet. Dafür, daß abweichend von den Grundsätzen des Betriebsverfassungsgesetzes für die zugewiesenen Beamten weiterhin das personalvertretungsrechtliche Gruppenprinzip gelten sollte, gibt es im Deutsche Bahn Gründungsgesetz keinen Anhaltspunkt. Allein der Umstand, daß nach § 17 DBGrG der besondere Personalrat in bestimmten Personalangelegenheiten dieser Beamten ein Mitbestimmungsrecht hat, kann eine solche Annahme nicht begründen. Daß bei der DB AG weiterhin das Gruppenprinzip nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz gelten soll, könnte aus der Vorschrift nur dann geschlossen werden, wenn sie in den dort genannten Personalangelegenheiten ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschlösse. Das ist aber, wie bereits dargelegt (oben a – c), gerade nicht der Fall.
bb) Auch ein Vergleich mit den Regelungen über die Privatisierung der Deutschen Bundespost kann die Ansicht der Arbeitgeberin nicht stützen. Allerdings bestehen für die übergeleiteten Beamten in den Post-Nachfolgeunternehmen keine besonderen Personalräte; ein Mitbestimmungsrecht nach § 76 Abs. 1 BPersVG wird dort von den Beamten ausgeübt, die dem jeweils zuständigen Betriebsrat angehören (§ 28 des Postpersonalrechtsgesetzes – PostPersRG – vom 14. September 1994 (BGBl. I S. 2353); dazu Lorenzen, PersV 1995, 99, 104). Es kann jedoch nicht angenommen werden, daß diese Regelung Ausdruck eines Grundsatzes sei, der für die privatisierten Unternehmen des Bundes allgemeine Geltung beanspruchen würde. Für eine solche Annahme fehlt es an einer hinreichend sicheren Grundlage schon wegen der erheblichen konzeptionellen Unterschiede, die zwischen Bahn und Post hinsichtlich der Personalüberleitung auf die privaten Nachfolgeunternehmen bestehen.
cc) Schließlich ergibt sich ein alleiniges Mitbestimmungsrecht des besonderen Personalrats für Entscheidungen der hier in Frage stehenden Art auch nicht etwa im Wege der verfassungskonformen Auslegung daraus, daß das Gruppenprinzip verfassungsrechtlich geboten wäre (so aber für die Post-Nachfolgeunternehmen Lorenzen, PersV 1995, 99, 104). Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob das personalvertretungsrechtliche Gruppenprinzip vom Grundgesetz gefordert wird, bisher ausdrücklich offengelassen (Beschluß vom 19. Dezember 1994 – 2 BvL 8/88 – PersR 1995, 165, 168). Sie bedarf auch im vorliegenden Zusammenhang keiner abschließenden Beantwortung, denn aus dem Grundgesetz läßt sich jedenfalls insoweit, als es um die Versetzung oder Umsetzung zugewiesener Beamter geht, nicht die Notwendigkeit ableiten, ein Beteiligungsrecht auf die nur von ihnen gewählte Personalvertretung zu beschränken.
Eine verfassungsrechtliche Fundierung des Gruppenprinzips ließe sich nur auf die Gewährleistung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in Art. 33 Abs. 5 GG stützen. Diese sind jedoch untrennbar mit der Funktion verbunden, die das Beamtentum innerhalb der öffentlichen Verwaltung erfüllt (vgl. BVerfG Beschluß vom 17. Oktober 1957 – 1 BvL 1/57 – BVerfGE 7, 155, 162). Sie beruhen darauf, daß die Beamtentätigkeit nicht nur in der Leistung von Arbeit, sondern in der Ausübung eines öffentlichen Amtes besteht. Danach kann das Gruppenprinzip allenfalls insoweit verfassungsrechtlich gewährleistet sein, als mitbestimmungspflichtige Personalmaßnahmen des Status betreffen, der aus der früheren Amtsausübung der Beamten bei der Bundesbahn herrührt (z.B. Beförderungen). Das ist hier aber nicht der Fall. Soweit der Beamtenstatus durch die tatsächliche Ausübung eines bestimmten öffentlichen Amtes gekennzeichnet ist und daher von Versetzungen oder Umsetzungen berührt wird, können bei den der DB AG zugewiesenen Beamten Umsetzungen und Versetzungen innerhalb der DB AG keine Rolle mehr spielen. Die Beamten haben diesen Teil ihres Status bereits dadurch verloren, daß sie kein öffentliches Amt mehr ausüben, sondern einem privatrechtlich verfaßten Unternehmen zur Arbeitsleistung zugewiesen sind.
f) Die dem Betriebsrat durch § 99 BetrVG eröffneten Möglichkeiten, auf die Versetzung zugewiesener Beamter Einfluß zu nehmen, reichen auch nicht so weit, daß sich daraus im Hinblick auf die für Personalentscheidungen im öffentlichen Dienst erforderliche demokratische Legitimation verfassungsrechtliche Bedenken ergäben. Allerdings hat es das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig angesehen, wenn eine Personalvertretung in Personalangelegenheiten von Beamten ein volles Mitbestimmungsrecht hat, das in eine abschließende Entscheidungsbefugnis der Einigungsstelle mündet. Dies sei mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nicht vereinbar (Urteil vom 27. April 1959 – 2 BvF 2/58 – BVerfGE 9, 268, 287). Kürzlich hat das Bundesverfassungsgericht ein solches Mitbestimmungsrecht im öffentlichen Dienst generell wegen Verstoßes gegen das Demokratieprinzip für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt (Beschluß vom 24. Mai 1995 – 2 BvF 1/92 – DVBl. 1995, 1291).
Um ein derartiges Mitbestimmungsrecht geht es aber bei § 99 BetrVG nicht. Vielmehr hat der Betriebsrat lediglich ein auf bestimmte Gründe beschränktes Zustimmungsverweigerungsrecht, bei dessen Ausübung er in vollem Umfang gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Im übrigen ist auch in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß hier ausschließlich solche Beamte betroffen sind, die keine hoheitlichen Funktionen ausüben, und daß ihr beamtenrechtlicher Status nicht berührt wird. Soweit es um die Tätigkeit dieser Beamten geht, läßt es Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG zu, daß die sonst für den öffentlichen Dienst geforderte Kette demokratischer Legitimation unterbrochen wird. Entscheidet schon über die Versetzung eine nicht vom Staatsvolk legitimierte Stelle, nämlich die DB AG, so kann auch das Mitbestimmungsrecht nicht aus diesem Grund ausgeschlossen werden.
2. War demnach die Anwendbarkeit des § 99 BetrVG dadurch, daß T… Beamter ist, nicht ausgeschlossen, so hatte der Betriebsrat nach dieser Vorschrift mitzubestimmen. T… gehörte bis zu seiner Versetzung zur Leitung des Regionalbereichs H…, die nach dem Zuordnungs-Tarifvertrag ein eigener Betrieb ist. Da T… von dort auf seinen jetzigen Arbeitsplatz im Betrieb H… -H… -Ost versetzt wurde, lag bezogen auf diesen Betrieb eine Einstellung i.S. des § 99 BetrVG vor (BAG Urteil vom 26. Januar 1993 – 1 AZR 303/92 – AP Nr. 102 zu § 99 BetrVG 1972, zu II 1c der Gründe).
II. Die Arbeitgeberin hat die Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG nicht eingeholt. Sie hat sich darauf beschränkt, den Betriebsrat durch einen Abdruck des Schreibens, mit dem sie den besonderen Personalrat um Zustimmung ersuchte, über die beabsichtigte Besetzung “vorab” zu unterrichten. Damit hat sie nicht das getan, was nach § 99 Abs. 1 BetrVG erforderlich ist, um die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Da die gebotene Unterrichtung durch den Arbeitgeber die Wochenfrist in Gang setzt, innerhalb derer der Betriebsrat nach § 99 Abs. 3 BetrVG eine etwaige Zustimmungsverweigerung mitteilen muß, kann sie nur dann den gesetzlichen Anforderungen genügen, wenn sie deutlich macht, daß der Arbeitgeber auf ihrer Grundlage eine Entscheidung des Betriebsrats erwartet. Daran fehlt es hier, denn die Arbeitgeberin hat dem Betriebsrat durch die Form der Unterrichtung zu erkennen gegeben, daß sie nicht seine Zustimmung, sondern nur diejenige des Personalrats einholen wollte. Danach kommt es auf die vom Betriebsrat erklärte Zustimmungsverweigerung nicht mehr an.
Unterschriften
Dieterich, Rost, Wißmann, Bayer, Klebe
Fundstellen
Haufe-Index 872250 |
BAGE, 379 |
BB 1996, 112 |
NZA 1996, 667 |