Leitsatz (redaktionell)
Einseitige tarifliche Ausschlußfristen, nach denen nur Ansprüche des Arbeitnehmers, nicht solche des Arbeitgebers dem tariflichen Verfall unterliegen, verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Bestätigung von BAG Urteil vom 27. September 1967 - 4 AZR 438/66 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Fernverkehr). Dies gilt selbst dann, wenn die tarifliche Verfallklausel nicht nur tarifliche Ansprüche, sondern darüber hinaus alle Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis erfaßt. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist auch nicht allein dadurch verletzt, daß die Tarifvertragsparteien die Ausschlußfristen in den Tarifverträgen für gewerbliche Arbeitnehmer bzw. für Angestellte eines bestimmten Wirtschaftszweiges unterschiedlich geregelt haben.
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger war seit 1987 bei der Beklagten, einem Betrieb der Textilindustrie, als Abteilungsmeister beschäftigt. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis am 11. Mai 1992 zum 30. Juni 1992 gekündigt. Durch Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg in einem Vorprozeß ist rechtskräftig festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien erst mit Ablauf des 30. September 1992 beendet worden ist. Mit der vorliegenden Klage, die am 30. Juni 1993 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, verlangt der Kläger von der Beklagten Vergütung für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1992, zuletzt noch in Höhe von 14.069,48 DM brutto abzüglich 5.229,00 DM netto. Die Beklagte hat die Ansprüche des Klägers der Höhe nach nicht bestritten, sondern lediglich geltend gemacht, sie seien nach dem kraft beiderseitiger Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrag vom 12. Mai 1982/6. Oktober 1994 für die kaufmännischen und technischen Angestellten sowie Meister der Südbayerischen Textilindustrie (im folgenden: MTV) verfallen. § 12 MTV lautet auszugsweise wie folgt:
1. Vergütungen für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sollen möglichst in dem Monat, in dem die Leistung erfolgt, ausbezahlt werden, spätestens jedoch bei der diesem Monat folgenden Gehaltsabrechnung.
2. Ansprüche auf Vergütungen gem. Abs. 1 sind binnen 2 Monaten nach erfolgter Abrechnung über den Leistungsmonat geltend zu machen.
3. Der Urlaubsanspruch ist spätestens 3 Monate nach Beendigung des Urlaubsjahres geltend zu machen.
4. Alle übrigen Ansprüche sind binnen 6 Monaten nach Fälligkeit, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses binnen 2 Monaten nach dem Ausscheiden geltend zu machen. Diese letzte Frist gilt auch für den Urlaubsanspruch.
5. Ansprüche gem. Abs. 2 bis 4 müssen schriftlich beim Arbeitgeber, und wenn dies erfolglos bleibt, innerhalb der vorgesehenen Fristen durch Klageerhebung geltend gemacht werden.
6. Nach Ablauf der oben genannten Fristen können keinerlei Ansprüche mehr geltend gemacht werden.
...
Der Kläger hat sich darauf berufen, § 12 MTV verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da der entsprechende Manteltarif für Arbeiter eine gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen nicht vorsehe. Diese Schlechterstellung der Angestellten sei sachlich nicht gerechtfertigt. Die Verfallklausel sei auch in § 12 Abs. 5 MTV so unklar formuliert, daß sie keiner Auslegung zugänglich und damit unwirksam sei. Wann eine Geltendmachung als "erfolglos" angesehen werden könne und binnen welcher Frist Klage erhoben werden müsse, sei aus § 12 Abs. 5 MTV nicht zu entnehmen.
Der Kläger hat - soweit für die Revisionsinstanz von Belang - beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.069,48 DM brutto abzüglich 5.229,00 DM netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit 30. Juni 1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat zur Stützung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Ungleichbehandlung von Angestellten und Arbeitern bei den tariflichen Ausschlußfristen sei sachlich gerechtfertigt und die tarifliche Regelung sei auch klar und eindeutig.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers dem oben wiedergegebenen Antrag stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Ansprüche des Klägers sind nach den einschlägigen tariflichen Vorschriften verfallen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, § 12 MTV enthalte eine einseitige, nur vom Arbeitnehmer zu beachtende Ausschlußfrist und sei deshalb wegen Verstosses gegen Art. 3 Abs. 1 GG rechtsunwirksam. Wenn § 12 Abs. 5 MTV bestimme, die Ansprüche seien "beim Arbeitgeber" geltend zu machen, so zeige dies, daß die Verfallklausel nur die Ansprüche der Arbeitnehmer betreffe. Diese einseitige Regelung überschreite die verfassungsrechtlichen Grenzen der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien. Ausreichende sachliche Gründe, die die Differenzierung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmeransprüchen rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Da die Ausschlußfristen nicht entgegen dem Willen der Tarifvertragsparteien auf Arbeitgeberansprüche ausgedehnt werden könnten, sei die einseitige Verfallklausel gänzlich unwirksam und die Ansprüche des Klägers seien damit nicht verfallen.
B. Dem folgt der Senat nicht. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche sind verfallen, weil die Klageerhebung hinsichtlich der im Kündigungsschutzverfahren vom Kläger geltend gemachten und von der Beklagten mit dem Klageabweisungsantrag abgelehnten Ansprüche erst neun Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. Juni 1993 und damit jedenfalls verspätet erfolgt ist. Im Gegensatz zu der Auffassung des Berufungsgerichts ist § 12 Abs. 5 MTV nicht rechtsunwirksam.
I. Das Berufungsgericht hat, wie die Revision zu Recht rügt, zunächst übersehen, daß § 12 Abs. 5 MTV gar nicht auf alle vom Kläger geltend gemachten Ansprüche Anwendung findet. In der Klagesumme sind 231,25 DM tarifliches Urlaubsgeld enthalten. Dessen Verfall richtet sich nicht nach § 12 Abs. 5 MTV, sondern nach dem Urlaubsabkommen für die gewerblichen Arbeitnehmer, für Angestellte und Meister sowie für Auszubildende in der Südbayerischen Textilindustrie einschließlich Maschenindustrie vom 25. Mai 1987. Dessen § 8 lautet:
Urlaubsansprüche, die am Ende des Urlaubsjahres noch bestehen, sind spätestens zwei Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres bei der Firmenleitung geltend zu machen. Bleibt dies erfolglos, so hat der Arbeitnehmer seinen Anspruch binnen einer weiteren Frist von einem Monat beim Arbeitsgericht durch Klageerhebung geltend zu machen ...
Wird das Arbeitsverhältnis beendet, so laufen die oben genannten Fristen vom Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an.
Entsprechendes gilt ... für Ansprüche auf zusätzliches Urlaubsgeld.
Die danach einschlägigen Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung des Urlaubsgeldes hat der Kläger unabhängig davon versäumt, ob man auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. September 1992 oder das Ende des Urlaubsjahres am 31. Dezember 1992 abstellt. Die Ausschlußfristen in § 8 des Urlaubsabkommens unterliegen auch weder den von den Parteien, noch den vom Berufungsgericht zu § 12 Abs. 5 MTV erörterten Bedenken. Der Wortlaut des Urlaubsabkommens ist eindeutig. Es gilt nicht nur für die gewerblichen Arbeitnehmer, sondern auch für Angestellte, Meister und Auszubildende. Es wäre schließlich abwegig, die Geltung des § 8 des Urlaubsabkommens unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG in Zweifel zu ziehen, weil nur der Arbeitnehmer, nicht jedoch der Arbeitgeber nach dem Urlaubsabkommen Urlaubsansprüche und damit Urlaubsgeldansprüche erwerben kann und deshalb eine - unsinnige - Regelung über den Verfall entsprechender Arbeitgeberansprüche im Urlaubsabkommen nicht enthalten ist. Ein einleuchtenderer sachlicher Grund für eine einseitige Verfallfrist zu Lasten der Arbeitnehmer als der, daß entsprechende Arbeitgeberansprüche gar nicht entstehen können, ist nicht denkbar.
II. Auch die übrigen Ansprüche des Klägers sind tariflich verfallen, selbst wenn man zu seinen Gunsten davon ausgeht - was die Beklagte entschieden in Abrede stellt -, daß es sich bei § 12 Abs. 5 MTV um eine einseitige Ausschlußfrist zu Lasten der Arbeitnehmer handelt.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verstoßen einseitige Ausschlußfristen, nach denen nur Ansprüche des Arbeitnehmers, nicht solche des Arbeitgebers dem tariflichen Verfall unterliegen, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Urteile vom 27. September 1967 - 4 AZR 438/66 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Fernverkehr; vom 15. November 1967 - 4 AZR 99/67 - BAGE 20, 156 = AP Nr. 3 zu § 390 BGB; vom 10. Dezember 1989 - 8 AZR 276/88 - BAGE 63, 127 = AP Nr. 97 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; zu einer einzelvertraglichen Verfallklausel und damit nicht einschlägig Senatsurteil vom 24. März 1988 - 2 AZR 630/87 - AP Nr. 1 zu § 241 BGB, vgl. dazu Preis, ZIP 1989, 885, Kramer, BB 1997, 731, 733 f.). An dieser Rechtsprechung, die auch der überwiegenden Meinung in der Literatur entspricht (Wiedemann/ Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 390; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., II/1, § 32 III 5 f; Leser, AR-Blattei D, Ausschlußfristen im Arbeitsrecht, F I 2; Bauer, NZA 1987, 440, 441; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 8. Aufl., § 205 II 2 b, S. 1714; MünchArbR/Hanau, § 73 Rz 9; Busse, Die Ausschlußfrist im Geflecht arbeitsrechtlicher Gestaltungsfaktoren, S. 210 ff.; a.A. Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl. Rz 1334; Kempen/Zachert, TVG, 3. Aufl., § 4 Rz 258), ist festzuhalten.
a) Nach § 4 Abs. 4 Satz 3 TVG können Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte nur im Tarifvertrag vereinbart werden. Der Gesetzgeber des Tarifvertragsgesetzes setzt damit, ohne dies zu Recht weiter zu problematisieren, voraus, daß es der tarifautonomen Entscheidung (Art. 9 Abs. 3 GG) der Tarifpartner unterliegt, die in einem Tarifvertrag vereinbarten tariflichen Ansprüche in ihrer Geltendmachung durch eine Ausschlußfrist zu begrenzen. Da aber in Tarifverträgen regelmäßig Arbeitnehmeransprüche geregelt sind, müßte, wer mit dem Berufungsgericht einseitige Verfallfristen generell für gleichheitswidrig (Art. 3 Abs. 1 GG) hält, konsequenterweise schon eine Tarifklausel als unwirksam ansehen, die lediglich den Verfall tariflicher Ansprüche regelt, wenn der entsprechende Tarifvertrag nur Arbeitnehmeransprüche begründet. Mit dieser Ansicht, die ernsthaft vertreten wird (Fell, Verfassungsrechtliche Probleme tarifvertraglicher Verfallklauseln, S. 208), wäre § 4 Abs. 4 Satz 3 TVG weitgehend ausgehebelt und die tarifautonome Entscheidung der Tarifpartner, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen einschließlich aller Modalitäten, zu denen auch tarifliche Ausschlußfristen gehören, zu regeln, in unzulässiger Weise (Art. 9 Abs. 3 GG) beeinträchtigt.
b) Deshalb hätte für das Berufungsgericht auch von seinem rechtlichen Ansatzpunkt her Anlaß zu der Prüfung bestanden, ob der Kläger mit seiner Klage nicht lediglich tarifliche Ansprüche geltend macht. Bestehen gegen eine einseitige Verfallklausel, die lediglich tarifliche Arbeitnehmeransprüche betrifft, nach den obigen Ausführungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, so besteht auch für den, der eine einseitige Ausschlußfrist für darüber hinausgehende "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" für gleichheitswidrig hält, Anlaß zu der Prüfung, ob nicht die entsprechende Tarifklausel im Wege der geltungserhaltenden Reduktion auf tarifliche Ansprüche eingeschränkt werden müßte. Nahe gelegen hätte eine solche Prüfung vor allem deshalb, weil die Tarifpartner noch in § 9 des MTV vom 26. Februar 1955 die rechtlich sicher unbedenkliche Formulierung gewählt haben, "alle übrigen Ansprüche aus einem zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Tarifvertrag" unterlägen den Ausschlußfristen, und diese bei sonst unveränderter Übernahme die Ausschlußklausel später nur auf "alle übrigen Ansprüche" erweitert haben.
c) Auch ohne eine solche Beschränkung auf tarifliche Ansprüche ist eine tarifliche Ausschlußklausel, die allein Arbeitnehmeransprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfaßt, nicht wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG rechtsunwirksam. Die Tarifvertragsparteien haben im Rahmen der ihnen durch Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumten Tarifautonomie die Befugnis, für ihre Mitglieder die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu regeln. Hierbei steht ihnen grundsätzlich ein weiter Regelungsspielraum zur Verfügung. Allerdings bestehen bei der tariflichen Normsetzung verfassungsrechtliche Grenzen der Regelungsbefugnis. Die Tarifvertragsparteien haben insbesondere den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten, der es verbietet, in einem Tarifvertrag gleiche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln (BAGE 1, 258, 260 ff. = AP Nr. 4 zu Art. 3 GG; BAGE 29, 122 = AP Nr. 111, aaO; BAGE 50, 137, 141 ff. = AP Nr. 136, aaO). Art. 3 Abs. 1 GG ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zu einander stehen (BVerfGE 82, 126, 146 = AP Nr. 28 zu § 622 BGB, zu C I 1 der Gründe).
Die unterschiedliche Regelung der Ausschlußfristen für Arbeitgeber- und Arbeitnehmeransprüche, wenn eine solche in § 12 Abs. 5 MTV überhaupt anzunehmen ist, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Schlechterstellung der Arbeitnehmer, was den tariflichen Verfall von Arbeitgeberansprüchen anbelangt, beruht nicht auf einer pauschalen Differenzierung zwischen beiden Gruppen. Das Berufungsgericht geht selbst davon aus, daß Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber einen Massentatbestand, demgegenüber aber Ansprüche des Arbeitgebers gegen einen Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis einen Ausnahmefall darstellen. Es hält sich noch im Regelungsspielraum der Tarifvertragsparteien, wenn diese im Tarifvertrag lediglich den Regelfall, d.h. Arbeitnehmeransprüche im Auge haben, bei denen es sich zudem weitgehend um tarifliche Ansprüche handelt, den Ausnahmefall aber ungeregelt lassen. Im Rahmen ihrer Regelungsbefugnis brauchen die Tarifvertragsparteien nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu wählen, sofern für ihre Regelung nur ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt. Es mag sein, daß es sozialpolitisch wünschenswert wäre, wenn durch derartige tarifliche Ausschlußfristen die beiderseitigen Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis einer entsprechenden raschen Abwicklung zugeführt würden (so Langer, Gesetzliche und vereinbarte Ausschlußfristen im Arbeitsverhältnis, Rz 122). Es ist jedoch zumindest vertretbar, wenn die Tarifvertragsparteien die im wesentlichen monatlich bei einer Vielzahl von Arbeitnehmern neu anfallenden Arbeitnehmeransprüche als Massentatbestand einer derartigen raschen Abwicklung zuführen, hingegen die nur ausnahmsweise entstehenden Ansprüche des Arbeitgebers gegen einen möglicherweise bereits ausgeschiedenen und nur noch schwer erreichbaren Arbeitnehmer keiner derartigen Ausschlußfrist unterwerfen.
d) Die vom Berufungsgericht und einem Teil der Literatur vorgebrachten Argumente für eine Verfassungswidrigkeit einseitiger tariflicher Ausschlußfristen überzeugen demgegenüber nicht. Weder vermag einzuleuchten, warum der einseitige Ausschluß von Arbeitnehmeransprüchen willkürlich, der einseitige Ausschluß von Arbeitgeberansprüchen aber sachlich gerechtfertigt sein soll (so ausdrücklich Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 1334), noch ist einzusehen, weshalb ausgerechnet die Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG den einseitigen Verfall von Arbeitnehmeransprüchen ausschließen soll, was konsequenterweise auch für eine lediglich tarifliche (Arbeitnehmer-) Ansprüche umfassende Verfallklausel gelten müßte (so aber Kempen/Zachert, TVG, 3. Aufl., § 4 Rz 258). Die Tarifvertragsparteien sind auch nicht, wie das Berufungsgericht offenbar annimmt, verpflichtet, alle nur denkbaren Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis hinsichtlich der tariflichen Verfallklausel gleich zu behandeln. Ebenso wie sie den tariflichen Verfall auf tarifliche Ansprüche beschränken können, können sie den Verfall in einzelnen Tarifverträgen (wie hier im MTV im Gegensatz zum Urlaubsabkommen) unterschiedlich regeln und auch bestimmte Ansprüche, weil diese nur selten vorkommen oder aus anderen sachlichen Gründen, ganz vom tariflichen Verfall ausnehmen.
e) Es kommt damit nicht mehr darauf an, ob, wofür der Wortlaut ("beim Arbeitgeber ... geltend gemacht werden") spricht, § 12 Abs. 5 MTV tatsächlich eine einseitige Verfallklausel darstellt, oder ob diese Vorschrift, wofür § 12 Abs. 4 MTV sprechen könnte, auch Arbeitgeberansprüche betrifft. Der vorliegende Rechtsstreit der Parteien, die jeweils von der entsprechenden Tarifvertragspartei vertreten wurden, über die Auslegung des § 12 MTV sollte allerdings für die Tarifvertragsparteien Anlaß sein, den Wortlaut des § 12 MTV klarzustellen. Wenn offenbar der Verband der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie e.V. als Tarifvertragspartei auf Arbeitgeberseite die Auslegung vertritt, schon heute erfasse § 12 MTV auch Arbeitgeberansprüche, so müßte sich dieses Auslegungsergebnis, dem die vertragschließende Gewerkschaft kaum widersprechen dürfte, auch im Wortlaut des MTV präziser zum Ausdruck bringen lassen.
2. Die Regelung des § 12 Abs. 5 MTV ist auch nicht deshalb wegen Verstosses gegen Art. 3 Abs. 1 GG rechtsunwirksam, weil die Arbeiter gem. § 19 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Südbayerischen Textilindustrie vom 12. Mai 1985 im Gegensatz zu den Angestellten und Meistern ihre Ansprüche nicht auch noch zusätzlich gerichtlich geltend machen müssen.
a) Die Tarifvertragsparteien können zwar den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG auch dadurch verletzen, daß sie in getrennten Tarifverträgen unterschiedliche Arbeitsbedingungen für Angestellte und Arbeiter festlegen, ohne daß für die Ungleichbehandlung ein rechtfertigender Grund vorhanden ist (BVerfGE 82, 126 = AP Nr. 28 zu § 622 BGB). In diesen Fällen ist eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung dann anzunehmen, wenn sich für die vorgenommene Differenzierung kein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund ergibt und somit eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich erscheinen läßt (BAG Urteil vom 17. Dezember 1992 - 6 AZR 91/92 - BAGE 72, 115 = AP Nr. 1 zu § 2 BAT SR 2 e II).
b) Die Tatsache allein, daß die Ausschlußfristen in den Tarifverträgen für gewerbliche Arbeitnehmer bzw. für Angestellte und Meister der Südbayerischen Textilindustrie unterschiedlich geregelt sind, vermag keinen Verfassungsverstoß zu begründen.
Es sind an beiden Tarifwerken nicht einmal dieselben Tarifvertragsparteien beteiligt, der Angestelltentarifvertrag ist zusätzlich von der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft abgeschlossen worden. Die Schlechterstellung der Angestellten gegenüber den Arbeitern beruht darüber hinaus nicht auf einer pauschalen Differenzierung zwischen beiden Gruppen von Arbeitnehmern, sondern auf einer gruppenspezifisch ausgestalteten unterschiedlichen Regelung der jeweiligen Arbeitsbedingungen. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Tarifpartner zahlreiche Tarifverträge abgeschlossen haben, deren persönlicher Geltungsbereich sich sowohl auf die gewerblichen Arbeitnehmer, als auch auf die Angestellten und Meister bezieht. Diese Tarifverträge enthalten die unterschiedlichsten Regelungen der einschlägigen Ausschlußfristen. Während der Vorruhestandstarifvertrag vom 14. Juni 1984 in § 9 für gewerbliche Arbeitnehmer wie für Angestellte lediglich eine schriftliche, keine gerichtliche Geltendmachung verlangt, enthält das Urlaubsabkommen vom 25. Mai 1987, wie bereits dargelegt, für beide Gruppen von Arbeitnehmern Fristen sowohl für die Geltendmachung als auch für die Klageerhebung. Die Tarifverträge über die Jahressonderzahlung gelten ebenfalls für beide Arbeitnehmergruppen, enthalten aber keine gesonderten Ausschlußfristen, verweisen also auf die jeweiligen Manteltarifverträge. Diese differenzierte Regelung in verschiedenen Tarifverträgen läßt erkennen, daß die Tarifpartner zwischen gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten sehr wohl nach sachlichen Gesichtspunkten unterschieden haben. Wenn dabei möglicherweise das Bedürfnis nach betriebseinheitlicher Abwicklung der Urlaubsansprüche zu einheitlichen Ausschlußfristen und der bei Angestellten vorauszusetzende Ausbildungsstand bei diesen im MTV zu einer zweistufigen Ausschlußfrist geführt haben, so hält sich dies in dem den Tarifvertragsparteien zustehenden Regelungsspielraum, den die Gerichte im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG nicht durch eine Regelung ersetzen dürfen, die sie für sinnvoller oder "zeitgemäßer" halten.
c) Davon abgesehen ist es problematisch, sich bei der Prüfung, ob unterschiedliche tarifliche Ausschlußfristen in Tarifverträgen für gewerbliche Arbeitnehmer bzw. für Angestellte gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, lediglich auf den Vergleich der einschlägigen Ausschlußfristen zu beschränken, etwa mit der Überlegung, auch bei seiner Rechtsprechung zu § 622 BGB prüfe der Senat in ständiger Rechtsprechung stets nur die einzelne Kündigungsfrist. Die Tarifpartner haben im Bereich der Ausschlußfristen nach Art. 9 Abs. 3 GG i.V.m. § 4 Abs. 4 Satz 3 TVG einen erheblich größeren Spielraum zur Regelung der Arbeitsbedingungen, als dies bei den Kündigungsfristen angesichts der gesetzlichen Regelung mit Tarifvorbehalt in § 622 BGB der Fall ist. Es ist deshalb sachgerecht, bei der Prüfung, ob die Schlechterstellung der Angestellten hinsichtlich der Ausschlußfristen gegenüber den gewerblichen Arbeitnehmern einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellt, auch den übrigen Inhalt der einschlägigen Tarifverträge mitzuberücksichtigen. Geht man so vor, so zeigt sich, daß die gewerblichen Arbeitnehmer in zahlreichen anderen Punkten (GrundKündigungsfrist, Möglichkeit, Mehrarbeitsstunden durch Freizeitgewährung abzugelten, Ankündigungsfrist für die Einführung der Kurzarbeit) gegenüber den Angestellten schlechtergestellt sind, so daß bei einer Gesamtbetrachtung jedenfalls Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu Lasten der Angestellten verletzt sein kann. Dies gilt umsomehr, weil § 12 MTV nicht materiell tarifliche Ansprüche, sondern nur deren formelle Durchsetzung betrifft.
3. Auch ein Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit (vgl. hierzu BAG Urteil vom 29. Januar 1986 - 4 AZR 465/84 - BAGE 51, 59 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975), der die Vorschrift des § 12 Abs. 5 MTV unanwendbar machen würde, liegt nicht vor. Weder der Begriff "erfolglos", noch die Formulierung "innerhalb der vorgesehenen Fristen" entziehen sich in einem solchen Maße der Auslegung, daß § 12 MTV als injustitiabel angesehen werden müßte. Erfolg hat die Geltendmachung eines Anspruchs, wenn der Schuldner den Anspruch befriedigt oder anerkennt. Tut er dies nicht, sondern lehnt den Anspruch ab, nimmt keine Stellung oder äußert sich lediglich hinhaltend, so war die Geltendmachung erfolglos. Unter welchen Umständen nach § 12 Abs. 5 MTV eine Klageerhebung erforderlich ist, ergibt sich damit aus dem Tarifvertrag mit hinreichender Deutlichkeit. Wenn der Tarifvertrag weiter fordert, die Klageerhebung habe innerhalb der vorgesehenen Fristen stattzufinden, so können dies nur die nach dem Tarifvertrag vorgesehenen Fristen sein, dies ist nach § 12 Abs. 2 MTV eine Frist von zwei Monaten nach erfolgter Abrechnung, nach § 12 Abs. 3 MTV eine Frist von drei Monaten nach Beendigung des Urlaubsjahres und nach § 12 Abs. 4 MTV eine Frist von sechs Monaten nach Fälligkeit bzw. zwei Monaten nach dem Ausscheiden. Wenn der Arbeitnehmer also seine Ansprüche nach § 12 Abs. 5 MTV rechtzeitig schriftlich beim Arbeitgeber geltend gemacht hat und diese Geltendmachung erfolglos geblieben ist, weil der Arbeitgeber weder gezahlt, noch anerkannt hat, so muß der Arbeitnehmer noch innerhalb dieser tariflichen Fristen Klage erheben.
4. Die Klageerhebung am 30. Juni 1993 war danach verspätet und die Ansprüche des Klägers sind, auch soweit ein Verfall nicht bereits nach § 8 des Urlaubsabkommens eingetreten ist, nach § 12 Abs. 5 MTV verfallen. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Kläger mit der Klageschrift in dem Kündigungsschutzverfahren die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht hat und dies als schriftliche Geltendmachung der Zahlungsansprüche für die Zeit des Annahmeverzuges der Beklagten vom 1. Juli bis 30. September 1992 anzusehen ist. Die schriftliche Geltendmachung konnte dabei schon vor der Fälligkeit bzw. der tatsächlichen oder rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen (BAG Urteil vom 27. März 1996 - 10 AZR 668/95 - AP Nr. 134 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Erfolglos war die schriftliche Geltendmachung schon deshalb, weil die Beklagte nach ihrem unbestritten gebliebenen und deshalb nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehenden Vorbringen am 21. Mai 1992 mit ihrem Klageabweisungsantrag im Kündigungsschutzverfahren die Zahlungsansprüche des Klägers konkludent abgelehnt hat. Dies bedeutet allerdings nicht, daß die Klagefrist vor dem 30. September 1992, der Fälligkeit des letzten tariflichen Monatsgehalts bzw. der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, begonnen hat. Bei vorzeitiger schriftlicher Geltendmachung beginnt die Frist für eine tariflich geregelte gerichtliche Geltendmachung nicht ab dem Zeitpunkt der schriftlichen Geltendmachung, sondern erst ab der Fälligkeit des Anspruches zu laufen (BAG Urteil vom 27. März 1996, aaO). Begann danach der Lauf der Klagefrist jedenfalls mit dem 30. September 1992, so konnte die am 30. Juni 1993 erhobene Klage diese Frist nach jeder denkbaren Auslegung des § 12 Abs. 5 MTV nicht mehr wahren.
Selbst wenn man mit dem Kläger entgegen dem Tarifwortlaut davon ausgehen würde, es beginne erneut der Lauf der vollen tariflichen Frist als Klagefrist, sobald sich die Erfolglosigkeit der schriftlichen Geltendmachung herausgestellt hat, hätte der Kläger verspätet Klage erhoben.
Fundstellen
Haufe-Index 438240 |
BAGE, 210 |
BB 1998, 588 |
DB 1998, 680 |
FA 1998, 100 |
FA 1998, 124 |
NZA 1998, 431 |
RdA 1998, 190 |
ZTR 1998, 267 |
AP, 0 |