Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Feststellungsklage
Normenkette
BGB § 284 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 20.03.1992; Aktenzeichen 12 Sa 1059/91) |
ArbG Emden (Urteil vom 20.06.1991; Aktenzeichen 1 Ca 937/89) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 20. März 1992 – 12 Sa 1059/91 – aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 20. Juni 1991 – 1 Ca 937/89 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger ist als Minenmechaniker bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes (MTB II) anzuwenden. § 52 MTB II in der Fassung vom 12. November 1987 enthält u.a. folgende Regelungen:
„§ 52
Anrechnungsvorschriften
…
(3) Erkrankt der Arbeiter während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Krankheitstage, an denen der Arbeiter arbeitsunfähig war, auf den Urlaub nicht angerechnet. Der Arbeiter hat sich jedoch nach planmäßigem Ablauf seines Urlaubs oder, falls die Krankheit länger dauert, nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zunächst dem Arbeitgeber zur Arbeitsleistung zur Verfügung zu stellen. Der Antritt des restlichen Urlaubs wird dann erneut festgesetzt.
…”
In § 53 MTB II ist bestimmt:
„§ 53
Erfüllung des Urlaubsanspruchs
(1) Der Urlaub ist spätestens bis zum Ende des Urlaubsjahres anzutreten.
Kann der Urlaub bis zum Ende des Urlaubsjahres nicht angetreten werden, ist er bis zum 30. April des folgenden Urlaubsjahres anzutreten. Kann der Urlaub aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen, wegen Arbeitsunfähigkeit oder wegen der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz nicht bis zum 30. April angetreten werden, ist er bis zum 30. Juni anzutreten. War ein innerhalb des Urlaubsjahres für dieses Urlaubsjahr festgelegter Urlaub auf Veranlassung des Arbeitgebers in die Zeit nach dem 31. Dezember des Urlaubsjahres verlegt worden und konnte er wegen Arbeitsunfähigkeit nicht nach Satz 2 bis zum 30. Juni angetreten werden, ist er bis zum 30. September anzutreten.
…”
Dem Kläger wurde von der Beklagten Resturlaub aus dem Urlaubsjahr 1988 im Umfang von 10 Urlaubstagen für die Zeit vom 3. April bis 14. April 1989 antragsgemäß genehmigt. Am 3. April 1989 trat der Kläger den Urlaub an, am 4. April 1989 erkrankte er und war bis einschließlich 15. Mai 1989 arbeitsunfähig. Anschließend setzte er seinen Urlaub in der Zeit vom 16. Mai bis zum 26. Mai 1989 fort.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet war, den in der Zeit vom 16. Mai bis 26. Mai 1989 genommenen Jahresurlaub in Höhe von neun Urlaubstagen auf seinen Resturlaubsanspruch aus dem Jahre 1988 anzurechnen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Hiergegen wendet sich die Revision.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Beklagten ist begründet; denn die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist unzulässig.
1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nur zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse hat, das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald feststellen zu lassen. Wird die Klage auf Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet, so ist sie nur dann zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben (Senatsurteile vom 22. September 1992 – 9 AZR 404/90 – AP Nr. 17 zu § 256 ZPO 1977; vom 8. Dezember 1992 – 9 AZR 113/92 – NZA 1993, 475; vom 21. September 1993 – 9 AZR 580/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Anderenfalls verlangt die klagende Partei ein Rechtsgutachten für einen abgeschlossenen Sachverhalt. Die Erstattung von Rechtsgutachten ist den Gerichten aber versagt.
2. Die vom Kläger beantragte Feststellung dient nur einer vergangenheitsbezogenen Klarstellung. Mit einer derartigen Feststellung wären keine Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft verbunden.
a) Aus der begehrten Feststellung können insbesondere keine Ansprüche des Klägers auf Arbeitsentgelt abgeleitet werden. Die Feststellung betrifft nämlich nur die Frage, ob der Urlaub auf das Urlaubsjahr 1988 oder das Urlaubsjahr 1989 anzurechnen ist. In beiden Fällen ist ein Lohnfortzahlungsanspruch nach § 48 Abs. 2 MTB II entstanden.
b) Der Kläger hat auch zur Begründung seines Feststellungsinteresses keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich urlaubsrechtliche Auswirkungen ableiten lassen.
aa) Wenn gerichtlich festgestellt würde, daß der vom Kläger vom 16. bis 26. Mai 1989 genommene Erholungsurlaub auf den Resturlaubsanspruch aus dem Jahr 1988 anzurechnen sei, folgt daraus noch kein Anspruch des Klägers auf Gewährung von neun weiteren Urlaubstagen, sondern nur die Rechtsfolge, daß der Resturlaubsanspruch aus dem Jahre 1988 und nicht der Urlaubsanspruch aus dem Jahre 1989 erfüllt worden ist. Nicht erfüllte Urlaubsansprüche aus dem Jahre 1989 sind aber entweder am Ende des Jahres 1989 (§ 53 Abs. 1 Unterabs. 1 MTB II) oder, wenn einer der tariflichen Übertragungstatbestände vorgelegen haben sollte, spätestens am 30. September 1990 erloschen (§ 53 Abs. 1 Unterabs. 2 MTB II).
bb) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Schadenersatz nach § 280 Abs. 1, § 284 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 BGB für den am Ende des Urlaubsjahres 1989 verfallenen Urlaubsanspruch. Aus seinem Vortrag ergibt sich nämlich nicht, daß er die Beklagte in Verzug gesetzt hat.
Für die Herbeiführung des Verzuges bedarf es nach § 284 Abs. 1 BGB einer Mahnung des Gläubigers. Es genügt nicht, daß der Kläger von der Beklagten verlangt hat, die neun im Mai 1989 genommenen Urlaubstage auf den Resturlaubsanspruch aus dem Jahre 1988 anzurechnen. Für eine den Verzug begründende Mahnung hätte es eines Urlaubsverlangens mit dem Inhalt bedurft, den Urlaub für 1989 zeitlich festzulegen (vgl. BAGE 52, 258, 262 = AP Nr. 6 zu § 44 SchwbG, zu II 2 b der Gründe).
II. Der unterlegene Kläger hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Unterschriften
Dr. Leinemann, Dörner, Düwell, Oberhofer, Dr. Gaber
Fundstellen