Entscheidungsstichwort (Thema)
13. Monatseinkommen und Erziehungsurlaub
Leitsatz (redaktionell)
Trifft ein Tarifvertrag über eine Jahressonderzahlung überhaupt keine Regelung für die Fälle einer fehlenden tatsächlichen Arbeitsleistung im Bezugszeitraum, so kann in der Regel nicht auf den Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen werden, nur für den Fall einer fehlenden tatsächlichen Arbeitsleistung im gesamten Bezugszeitraum den Anspruch auf die Sonderzahlung auszuschließen, und eine ausdrückliche Regelung dieses Inhalts lediglich im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu unterlassen.
Orientierungssatz
Hinweise des Senats: "Bestätigung der Rechtsprechung des Zehnten Senats vom 5. August 1992 - 10 AZR 88/90 = AP Nr 143 zu § 611 BGB Gratifikation, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, vom 24. März 1993 - 10 AZR 160/92 = NZA 1993, 1043, vom 12. Mai 1993 - 10 AZR 552/91 -, nicht veröffentlicht, und vom 6. Oktober 1993 - 10 AZR 418/92 -, nicht veröffentlicht."
Auslegung der §§ 2 und 3 des Tarifvertrages über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Angestellten des Baugewerbes vom 27.4.1990.
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 01.12.1992; Aktenzeichen 8 Sa 1014/92) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 27.05.1992; Aktenzeichen 5 Ca 651/92) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen.
Die Klägerin ist seit dem 1. August 1976 bei der Beklagten, einem Bauunternehmen, als Bauzeichnerin für ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 4.819,00 DM als Vollzeitkraft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für die Angestellten des Baugewerbes und damit auch der Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Angestellten des Baugewerbes vom 27. April 1990 (im folgenden: TV 13. Monatseinkommen) Anwendung.
Dieser Tarifvertrag hat - soweit vorliegend von Interesse - folgenden Wortlaut:
"§ 2
13. Monatseinkommen
(1) Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am
30. November des laufenden Kalenderjahres
(Stichtag) mindestens zwölf Monate ununter-
brochen besteht, haben Anspruch auf ein 13.
Monatseinkommen. Es beträgt
ab 1. April 1990 79 v. H.,
ab 1. Januar 1991 90 v. H.,
ab 1. Januar 1992 100 v. H.
ihres Tarifgehalts.
(2) Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am
Stichtag noch nicht zwölf Monate ununter-
brochen besteht, haben für jeden vollen Be-
schäftigungsmonat, den sie bis zum Stichtag
ununterbrochen im Betrieb zurückgelegt haben,
Anspruch auf ein Zwölftel des 13.
Monatseinkommens gemäß Absatz 1, wenn das
Beschäftigungsverhältnis am Stichtag minde-
stens drei Monate ununterbrochen besteht.
(3) Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem
Stichtag endet, haben für jeden vollen
Beschäftigungsmonat, den sie seit dem
1. Dezember des vergangenen Kalenderjahres
ununterbrochen im Betrieb zurückgelegt haben,
Anspruch auf ein Zwölftel des 13.
Monatseinkommens gemäß Absatz 1, wenn das
Beschäftigungsverhältnis im Zeitpunkt des
Ausscheidens mindestens drei Monate unun-
terbrochen bestanden hat. Ein Anspruch be-
steht nicht, wenn das Arbeitsverhältnis durch
außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers
beendet wurde, oder wenn der Arbeitnehmer
ohne wichtigen Grund ohne Einhaltung der
Kündigungsfrist aus dem nicht einvernehmlich
aufgehobenen Arbeitsverhältnis ausgeschieden
ist.
§ 3
Ansprüche während des Grundwehr- oder Zivildien-
stes und nach Wiederaufnahme der Arbeit
(1) Arbeitnehmer, die am Stichtag (§ 2 Abs. 1
Satz 1) Grundwehr- oder Zivildienst leisten,
haben keinen Anspruch auf das 13. Mo-
natseinkommen bzw. den Betrag gemäß § 5.
(2) Arbeitnehmer, die vor dem zweiten Stichtag
nach ihrer Einberufung unverzüglich im An-
schluß an den Grundwehr- oder Zivildienst die
Arbeit in ihrem bisherigen Betrieb wie-
deraufgenommen haben und deren Arbeitsver-
hältnis bis zum zweiten Stichtag ununter-
brochen besteht, haben Anspruch auf ein 13.
Monatseinkommen gemäß § 2 Abs. 1. Endet das
Arbeitsverhältnis vor dem zweiten Stichtag
(Satz 1), so besteht für jeden vollen Monat
der Betriebszugehörigkeit seit dem
1. Dezember des Vorjahres Anspruch auf ein
Zwölftel des 13. Monatseinkommens. § 2 Abs. 3
Satz 2 findet Anwendung.
(3) Arbeitnehmer, die am zweiten Stichtag nach
ihrer Einberufung noch Grundwehr- oder Zi-
vildienst leisten und unverzüglich im An-
schluß an den Grundwehr- oder Zivildienst die
Arbeit in ihrem bisherigen Betrieb wie-
deraufgenommen haben, haben Anspruch auf ein
13. Monatseinkommen in der am zweiten
Stichtag geltenden Höhe. Der Anspruch setzt
voraus, daß der Arbeitnehmer bis zum Ende des
auf den Monat der Wiederaufnahme der Arbeit
folgenden Monats das Arbeitsverhältnis nicht
gekündigt hat. § 2 Abs. 3 bleibt unberührt.
§ 4
Teilzeitbeschäftigte
Ist die vereinbarte Arbeitszeit geringer als die
tarifliche, so mindert sich das 13. Monatseinkom-
men im Verhältnis der vereinbarten wöchentlichen
Arbeitszeit zur tariflichen wöchentlichen Ar-
beitszeit."
Die Beklagte hat im Rundschreiben Nr. 8/91 vom 28. Oktober 1991 nachfolgende Regelung getroffen:
"III. Sonderregelungen
...
4. Mitarbeiter, die in der Zeit vom
1. Dezember 1990 bis 30. November 1991
nicht oder nur in ganz unerheblichem Um-
fang gearbeitet haben, erhalten das 13.
Monatseinkommen in begründeten Ausnahme-
fällen nach der Entscheidung der jewei-
ligen Niederlassung.
Eine Arbeitsleistung von mindestens zwei
Wochen gilt als nicht ganz unerheblich.
Tage, an denen die Arbeit infolge Tarif-
urlaubs oder solcher Gründe ausgefallen
ist, die nicht in der Person des Arbeit-
nehmers liegen, werden auf diesen Zwei--
Wochen-Zeitraum angerechnet.
..."
Nach der Geburt eines Kindes nahm die Klägerin für die Zeit vom 11. November 1990 bis zum 15. März 1992 Erziehungsurlaub in Anspruch. Für das Jahr 1991 zahlte ihr die Beklagte kein 13. Monatseinkommen.
Die Klägerin ist der Meinung, ihr stehe das tarifliche 13. Monatseinkommen zu, weil ihr Arbeitsverhältnis während des ganzen Jahres 1991 bestanden habe; nur dieser rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses sei für den Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen maßgeblich.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.337,10 DM
brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus er-
gebenden Nettobetrag zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie ist der Auffassung, der Klägerin stehe kein Anspruch auf das geforderte 13. Monatseinkommen zu, weil infolge der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubes das Arbeitsverhältnis geruht habe. Nach der Rechtsprechung des Fünften und Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts sei Voraussetzung für die Sonderzahlung, daß im fraglichen Zeitraum zumindest eine nicht völlig unerhebliche Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer erbracht worden sei. Im Einklang mit dieser Rechtsprechung habe sie in ihrem Rundschreiben Nr. 8/91 vom 28. Oktober 1991 als Voraussetzung für einen Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen eine entsprechende Arbeitsleistung verlangt.
Auch die Tarifvertragsparteien seien beim Abschluß des TV 13. Monatseinkommen von dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgegangen. Sie hätten nicht beabsichtigt, Arbeitnehmern, die "nichtarbeitend tätig würden", eine "laufende Zuwendung" zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser begehrt die Beklagte die Aufhebung bzw. Abänderung der Urteile der Vorinstanzen und die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung eines tariflichen 13. Monatseinkommens für das Jahr 1991 in Höhe von 4.337,10 DM.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klägerin erfülle die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 TV 13. Monatseinkommen für den Bezug eines 13. Monatseinkommens für das Jahr 1991, da ihr Arbeitsverhältnis am 30. November 1991 (Stichtag) mindestens zwölf Monate ununterbrochen bestanden habe. Die Höhe des Anspruches sei unstreitig. Bei dem tariflichen 13. Monatseinkommen handele es sich um eine Gratifikation mit Mischcharakter. Zweck derselben sei einerseits die Entlohnung für im Bezugsjahr geleistete Arbeit, andererseits die Belohnung für erwiesene Betriebstreue. In solchen Fällen sei nach der Rechtsprechung des Zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts ein Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen im Falle der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubes nur ausgeschlossen, wenn aus den Bestimmungen des Tarifvertrages folge, daß sich Zeiten der Inanspruchnahme anspruchsmindernd oder anspruchsausschließend auswirken sollten. Solches sei aber beim TV 13. Monatseinkommen nicht der Fall.
Die Beklagte könne sich auch nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen, der eine Anwendung der geänderten Rechtsprechung auf den laufenden Tarifvertrag verbiete.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung zuzustimmen.
1. Die Klägerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen für ein 13. Monatseinkommen nach § 2 Abs. 1 TV 13. Monatseinkommen für das Jahr 1991. Ihr Arbeitsverhältnis hatte am 30. November 1991 (Stichtag) mindestens zwölf Monate ununterbrochen bestanden. Wegen des ab dem 11. November 1990 in Anspruch genommenen Erziehungsurlaubes ruhte es allerdings ab diesem Zeitpunkt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden (BAGE 62, 35 = AP Nr. 2 zu § 15 BErzGG; BAGE 63, 375 = AP Nr. 3 zu § 15 BErzGG; BAG Urteil vom 24. Oktober 1989 - 8 AZR 253/88 - AP Nr. 52 zu § 7 BUrlG Abgeltung; BAG Urteil vom 10. Februar 1993 - 10 AZR 482/91 -, nicht veröffentlicht).
Dieses Ruhen des Arbeitsverhältnisses bewirkt, daß die Arbeitsvertragsparteien von ihren Hauptleistungspflichten freigestellt sind (BAG Urteil vom 24. Oktober 1989, aaO). Das Arbeitsverhältnis selbst besteht aber mit seinen Nebenpflichten weiter, auch wenn diese Hauptleistungspflichten (Arbeitsleistung und Vergütungszahlung) suspendiert sind.
2. Der Einwand der Beklagten, die Klägerin erfülle deshalb nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein 13. Monatseinkommen nach § 2 Abs. 1 TV 13. Monatseinkommen, weil ihr Arbeitsverhältnis am Stichtag und während des Bezugszeitraumes wegen des Erziehungsurlaubes geruht habe, ist unbegründet. Weder aus einer ausdrücklichen Bestimmung noch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen des TV 13. Monatseinkommen ergibt sich, daß der Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen entfällt oder gekürzt werden kann, wenn ein Arbeitnehmer im Bezugszeitraum (1. Dezember bis 30. November) Erziehungsurlaub genommen und demzufolge keine Arbeitsleistung erbracht hat.
Die Tarifvertragsparteien haben den Fall des Erziehungsurlaubes nicht ausdrücklich geregelt. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 5. August 1992 (- 10 AZR 88/90 - AP Nr. 143 zu § 611 BGB Gratifikation, auch für die Amtliche Sammlung des Gerichts vorgesehen) entschieden, daß eine tarifliche Regelung über eine jährliche Sonderzahlung, deren Zweck es auch ist, im Bezugszeitraum für den Betrieb geleistete Arbeit zusätzlich zu entlohnen, im einzelnen bestimmen kann, welche Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung anspruchsmindernd oder anspruchsausschließend für die Sonderzahlung sind. Der Zweck einer betrieblichen oder tariflichen Sonderzahlung (z. B. zusätzliche Vergütung für geleistete Dienste oder Belohnung für erwiesene Betriebstreue) ergibt sich aus den festgelegten Anspruchsvoraussetzungen und den Ausschluß- bzw. Kürzungstatbeständen. Dieser Zweck kann für die Auslegung der jeweiligen Regelung von Bedeutung sein. Nicht jedoch können auf Grund des Zwecks einer Sonderzahlung über die konkreten Regelungen hinaus weitere Ausschluß- oder Kürzungsgründe hergeleitet werden (BAG Urteil vom 24. März 1993 - 10 AZR 160/92 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
Es gibt auch kein allgemeines Rechtsprinzip, daß der Anspruch auf eine tarifliche Sonderzahlung entfällt, wenn der Arbeitnehmer während des Bezugszeitraumes überhaupt keine oder keine nennenswerte Arbeitsleistung erbracht hat (BAG Urteil vom 5. August 1992, AP, aa0; BAG Urteile vom 23. Juni 1993 - 10 AZR 604/92 - und vom 6. Oktober 1993 - 10 AZR 418/92 -, nicht veröffentlicht).
3. Eine entsprechende Anwendung des § 3 Abs. 1 TV 13. Monatseinkommen, der Arbeitnehmer, die am Stichtag Grundwehr- oder Zivildienst leisten, vom Bezug des 13. Monatseinkommens ausschließt, kommt nicht in Betracht.
Nach ihrem eindeutigen Wortlaut bezieht sich diese Tarifnorm nur auf Arbeitnehmer, welche am Stichtag Grundwehr- oder Zivildienst leisten. Es ist davon auszugehen, daß den Tarifvertragsparteien beim Abschluß des Tarifvertrages am 27. April 1990 das Bundeserziehungsgeldgesetz in der damals geltenden Fassung in der Bekanntmachung vom 25. Juli 1989 bekannt gewesen ist. In § 15 BErzGG waren die Anspruchsvoraussetzungen für einen Erziehungsurlaub geregelt, der grundsätzlich für bis zum 30. Juni 1989 geborene Kinder bis zum 12. Lebensmonat und für nach diesem Termin geborene Kinder bis zum 15. Lebensmonat des Kindes in Anspruch genommen werden konnte, § 15 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 BErzGG.
Die Tarifvertragsparteien haben in Kenntnis dieser Möglichkeit, einen Erziehungsurlaub von nicht ganz unerheblicher Dauer in Anspruch nehmen zu können, nicht geregelt, daß die Inanspruchnahme desselben den Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen mindert oder ausschließt. Gleichzeitig haben sie aber eine Regelung getroffen, daß Grundwehr- oder Zivildienst, den ein Arbeitnehmer am Stichtag leistet, den Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen zunächst einmal ausschließt, § 3 Abs. 1 TV 13. Monatseinkommen. Daraus muß auf den Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen werden, die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub sei im Gegensatz zur Ableistung von Wehr- oder Zivildienst für den Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen unschädlich.
4. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, die Tarifvertragsparteien hätten beim Abschluß des TV 13. Monatseinkommen einen völligen oder teilweisen Anspruchsausschluß für Arbeitnehmer, die im Bezugszeitraum ganz oder teilweise Erziehungsurlaub genommen hätten, deshalb nicht ausdrücklich geregelt, weil sie davon ausgegangen seien, dies sei wegen der damaligen gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht erforderlich.
Hätten die Tarifvertragsparteien den Willen gehabt, einen solchen (gegebenenfalls teilweisen) Anspruchsausschluß zu vereinbaren, so müßte dieser Wille in den tariflichen Regelungen seinen Niederschlag gefunden haben. Nur dann könnte er bei der Auslegung des Tarifvertrages Berücksichtigung finden (BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).
Im TV 13. Monatseinkommen ist nicht bestimmt, daß eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in einem bestimmten Umfange im Bezugszeitraum Anspruchsvoraussetzung für das 13. Monatseinkommen ist.
Auf den Willen der Tarifvertragsparteien, eine tatsächliche Arbeitsleistung in einem bestimmten Umfange zur Anspruchsvoraussetzung für das 13. Monatseinkommen zu machen, könnte allenfalls dann geschlossen werden, wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses des TV 13. Monatseinkommen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zweifelsfrei für alle denkbaren Fälle anerkannt gewesen wäre, daß eine gewisse Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Bezugszeitraum immer Voraussetzung für einen Anspruch auf eine tarifliche Sonderzahlung - unabhängig von deren Sinn und Zweck - ist, auch wenn im einschlägigen Tarifvertrag eine entsprechende Anspruchsvoraussetzung nicht normiert ist.
Eine solche gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat aber zum Zeitpunkt des Abschlusses des TV 13. Monatseinkommen nicht bestanden.
Vielmehr haben sowohl der Fünfte als auch der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts bei der Prüfung der Frage, ob eine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers Anspruchsvoraussetzung für eine tarifliche Sonderzahlung ist, immer den jeweiligen Tarifvertrag unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sonderzahlung ausgelegt (BAG Urteile vom 18. Januar 1978 - 5 AZR 56/77 - AP Nr. 92 zu § 611 BGB Gratifikation und - 5 AZR 685/77 - AP Nr. 93 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 29. August 1979 - 5 AZR 763/78 - AP Nr. 102 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 7. September 1989 - 6 AZR 637/88 - AP Nr. 129 zu § 611 BGB Gratifikation).
Hinzu kommt, daß der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts bereits mit Urteil vom 13. Oktober 1982, BAGE 40, 214 = AP Nr. 113 zu § 611 BGB Gratifikation entschieden hatte, daß Zeiten des von einer Arbeitnehmerin im Bezugszeitraum eingebrachten Mutterschaftsurlaubs nach § 8 a MuSchG 1968, welcher in seiner rechtlichen Ausgestaltung weitgehend dem Erziehungsurlaub entsprach, nicht zu einer Kürzung oder einem Wegfall des Anspruches auf ein tarifliches 13. Monatseinkommen führen, wenn dies im einschlägigen Tarifvertrag nicht ausdrücklich geregelt ist. Insbesondere hat das Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung auch klargestellt, daß Mutterschaftsurlaub nicht mit der Ableistung von Grundwehr- oder Ersatzdienst gleichzustellen ist, so daß eine tarifliche Regelung, welche bei der Ableistung dieser Dienste den Anspruch auf eine Sonderzahlung entfallen läßt, nicht auf Arbeitnehmerinnen entsprechend anzuwenden ist, die sich im Mutterschaftsurlaub befinden.
Allenfalls konnten die Tarifvertragsparteien davon ausgehen, daß nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Anspruch auf eine Gratifikation dann entfällt, wenn im Bezugszeitraum überhaupt keine oder nur eine ganz unerhebliche - weniger als zwei Wochen - tatsächliche Arbeitsleistung - etwa wegen Arbeitsunfähigkeit oder Erziehungsurlaub - erbracht worden ist. Für alle darüber hinausgehenden Fälle einer nur teilweise fehlenden tatsächlichen Arbeitsleistung aus den unterschiedlichsten Gründen war dagegen der Rechtsprechung nicht zu entnehmen, daß eine Gratifikation auch dann entfällt oder wenigstens anteilig zu kürzen ist. Wenn dann die Tarifvertragsparteien lediglich den Fall des Wehrdienstes regelten, alle anderen Fälle einer fehlenden tatsächlichen Arbeitsleistung aber ungeregelt ließen, kann vernünftigerweise nicht angenommen werden, sie hätten gerade den relativ seltenen Fall regeln wollen, daß überhaupt keine oder nur eine unerhebliche tatsächliche Arbeitsleistung erbracht worden ist, eine ausdrückliche Regelung dieses Inhalts aber wegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für entbehrlich gehalten.
Dem TV 13. Monatseinkommen kann daher nicht entnommen werden, die Tarifvertragsparteien seien sich bei dessen Abschluß einig gewesen, daß ein Anspruch auf das 13. Monatseinkommen nicht gegeben sein soll, wenn es im Bezugszeitraum an einer tatsächlichen Arbeitsleistung überhaupt fehlt oder diese nur in einem unerheblichen Umfang erbracht worden ist.
5. Zugunsten der Beklagten selbst greift ein Vertrauensschutz, auf eine der jetzigen Entscheidung widersprechende frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht ein. Dies gilt schon deshalb, weil es an einer solchen gefestigten, eindeutigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und damit einem zugunsten der Beklagten geschaffenen Vertrauenstatbestand, auf den sich diese verlassen durfte, fehlte (vgl. oben).
Außerdem könnte sich die Beklagte nur dann auf eine etwa bestehende gefestigte, höchstrichterliche Rechtsprechung berufen, wenn sie im Vertrauen auf diese in der Vergangenheit Rechtshandlungen und wirtschaftliche Dispositionen getroffen hätte, die - gemessen an der neuen Erkenntnis - rechtsfehlerhaft und damit unwirksam wären (BAGE 66, 228 = AP Nr. 14 zu § 1 BetrAVG Ablösung). An solchen Rechtshandlungen und wirtschaftlichen Dispositionen seitens der Beklagten fehlt es aber vorliegend.
6. Die einseitige Festlegung der Beklagten im Rundschreiben Nr. 8/91 vom 28. Oktober 1991, daß der Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen entfällt, wenn im Bezugszeitraum durch den Arbeitnehmer keine oder nur eine ganz unerhebliche Arbeitsleistung erbracht worden ist, ist für den Anspruch der Klägerin auf das 13. Monatseinkommen unschädlich.
Die in diesem Rundschreiben enthaltene zusätzliche Voraussetzung für die Zahlung des 13. Monatseinkommens findet im TV 13. Monatseinkommen keine Stütze. Dieser regelt abschließend die Anspruchsvoraussetzungen für das 13. Monatseinkommen. Dem Tarifvertrag zuungunsten der Arbeitnehmer widersprechende Regelungen sind unwirksam, § 4 Abs. 3 TVG.
7. Demnach steht der Klägerin der Anspruch auf das geforderte 13. Monatseinkommen in der unstreitigen Höhe von 4.337,10 DM brutto zu. Der geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Matthes Hauck Böck
Weinmann Hannig
Fundstellen
Haufe-Index 436657 |
BB 1994, 1716 |
BB 1994, 1716-1718 (LT1) |
BB 1994, 723 |
DB 1994, 1623-1624 (LT1) |
EEK, III/128 (ST1-4) |
NZA 1994, 421 |
NZA 1994, 421-423 (LT1) |
ZAP, EN-Nr 332/94 (S) |
AP § 611 BGB Gratifikation (LT1), Nr 159 |
EzA-SD 1994, Nr 7, 12-14 (ST1-2) |
EzA § 611 BGB, Gratifikation, Prämie Nr 108 (LT1) |
PersF 1994, 1067 (K) |