Entscheidungsstichwort (Thema)
ZVK-Verfahren Brot- und Backwarenindustrie – industrielle Herstellung von feinen Backwaren. Tarifzuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein Betrieb zur industriellen Produktion feiner Backwaren, deren handwerkliche Herstellung sowohl zum Berufsbild des Bäckerhandwerks als auch zu dem des Konditorenhandwerks gehören würde, wird vom fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten in der Brot- und Backwarenindustrie dann erfaßt, wenn die unmittelbare Aufsicht über die Arbeitsabläufe überwiegend Fachleuten des Bäckereigewerbes übertragen ist.
Orientierungssatz
1. Die Reichweite der Tarifzuständigkeit eines Verbandes ergibt sich aus seiner Satzung.
2. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Betrieb dem fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten in der Brot- und Backwarenindustrie (ZVK-TV) unterfällt, ist auf die den Betrieb prägende Zweckbestimmung abzustellen.
3. Produziert ein Industriebetrieb überwiegend Brot und Brötchen, unterfällt er dem ZVK-TV; besteht der den Betrieb prägende Zweck überwiegend in der Herstellung von Torten und ähnlichen konditoreitypischen Produkten, ist der ZVK-TV dagegen nicht anwendbar.
4. Im Fall der überwiegenden Produktion feiner Backwaren, deren handwerkliche Herstellung sowohl zum Berufsbild des Bäcker- als auch zu dem des Konditorenhandwerks gehören würde („Sowohl-als-auch-Tätigkeiten”), ist darauf abzustellen, wem die Aufsicht über die Arbeitsabläufe übertragen ist. Liegt die Aufsicht überwiegend bei Konditormeistern, Diplomingenieuren Lebensmitteltechnologie Konditor und Industriemeistern Süßwaren, findet der ZVK-TV keine Anwendung.
5. Dagegen ist nicht entscheidend, ob die so hergestellten Produkte im Wettbewerb als Konditoreiwaren bezeichnet und ob in dem Betrieb Konditoren ausgebildet werden (dürfen).
Normenkette
Tarifvertrag über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten in der Brot- und Backwarenindustrie i.d.F. vom 28. Juni 1996 § 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. Dezember 2000 – 4 Sa 1133/00 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin (im folgenden: ZVK) auf Zahlung von Beiträgen für das Kalenderjahr 1999 gemäß dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten der Brot- und Backwarenindustrie in der Bundesrepublik Deutschland (im folgenden: ZVK-TV). Die Regelung zum fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV in § 1 lautet:
„1. Für Betriebe der Brot- und Backwarenindustrie sowie Betriebe, die Brot- und Backwaren vertreiben und verkaufen (Verkaufsstellen), insbesondere für Mitglieder der Industrie- und Handelskammern mit Ausnahme der dem Revisionsverband Deutscher Konsumgenossenschaften angeschlossenen Unternehmen mit Bäckereien.”
Gemäß § 4 ZVK-TV ist der Arbeitgeber verpflichtet, in jedem Kalenderjahr 0,66 % der Entgeltsumme des Vorjahres, die von den dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften angeschlossenen Berufsgenossenschaften für die Berechnung des Beitrages zur gesetzlichen Unfallversicherung zugrunde gelegt werden, an die ZVK zu zahlen.
Mit Beitragsrechnung vom 22. November 1999 hat die ZVK von der Beklagten 0,66 % aus 22.732.300 DM = 150.033,18 DM gefordert. Ihre entsprechende Klage ist am 11. Januar 2000 beim Arbeitsgericht eingegangen.
Die ZVK hat geltend gemacht, bei dem Betrieb der Beklagten handele es sich um einen solchen der Brot- und Backwarenindustrie. Soweit die Beklagte Produkte im Sinne der „Leitsätze für Feine Backwaren” fertige und vertreibe, handele es sich ebenfalls um Backwaren im Sinne von § 1 ZVK-TV. Der Tarifvertrag differenziere insoweit nicht zwischen feinen und anderen Backwaren. Alle Produkte der Beklagten müßten auch gebacken werden. Ihr Betrieb sei nichts anderes als ein typischer Großbetrieb der Backwarenindustrie und habe mit Konditoreien nichts gemein.
Die ZVK hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 150.033,18 DM zuzüglich 4 % Zinsen ab dem 1. Januar 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die „Leitsätze für Feine Backwaren” seien für die Bestimmung des Begriffs Backwaren in § 1 ZVK-TV ungeeignet. Ihr Betrieb sei geprägt durch die industrielle Herstellung von Konditoreiwaren. Als solcher werde er vom ZVK-TV nicht erfaßt. Für eine Erstreckung des Geltungsbereichs des ZVK-TV auf solche Betriebe hätten die Tarifvertragsparteien auch gar nicht die entsprechende Kompetenz (Tarifzuständigkeit).
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie nach der Vernehmung von Zeugen abgewiesen.
Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die ZVK die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.
Entscheidungsgründe
Die Revision der ZVK ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Landesarbeitsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte werde mit ihrem Betrieb nicht vom fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV erfaßt, weil die den Betrieb prägende Zweckbestimmung die Herstellung und der Vertrieb von Konditoreiprodukten sei. Die Argumentation der ZVK, auch feine Backwaren seien Backwaren im Sinne des ZVK-TV, greife zu kurz. Die Unterscheidung hinsichtlich des fachlichen Geltungsbereichs, wie sie in den nordrhein-westfälischen Tarifverträgen für das Bäckerhandwerk einerseits und das Konditorenhandwerk andererseits getroffen sei, gelte auch für die entsprechenden tariflichen Regelungen bei industrieller Fertigung, dh. für die Tarifverträge der Deutschen Brot- und Backwarenindustrie bzw. der Süßwarenindustrie in Nordrhein-Westfalen. Die Produkte der Beklagten durchliefen nach dem Backen ganz überwiegend einen Veredelungsprozeß, wie er für Konditoreiprodukte typisch sei, und der größere Teil der Arbeitnehmer sei in diesem industriellen Veredelungsprozeß tätig; demgegenüber träten die „reinen” Backprodukte der Beklagten sowohl vom Umsatz als auch der Anzahl der Artikel her zurück. Die fehlende Mitgliedschaft der Beklagten in der Konditorinnung und ihre Werbung „so lecker wie vom Bäcker mit modernster Technik” änderten nichts daran, daß es sich bei ihrem Betrieb um einen industriellen Konditoreibetrieb handele, für dessen Arbeitnehmer ZVK-Beiträge nicht zu entrichten seien.
II. Dem folgt der Senat nur teilweise.
1. Das Landesarbeitsgericht hat allerdings mit Recht den Betrieb der Beklagten als Einheit betrachtet und für die Beurteilung der Frage, ob er dem fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV unterfällt, auf die den Betrieb prägende Zweckbestimmung, den Zweck der gesamten betrieblichen Tätigkeit, abgestellt(vgl. BAG 17. Januar 1996 – 10 AZR 138/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bäcker Nr. 1 = EzA TVG § 4 Bäcker Nr. 1; 18. Oktober 2000 – 10 AZR 455/99 – nv.). Zutreffend ist auch der Ausgangspunkt des Landesarbeitsgerichts, Betriebe zur industriellen Herstellung und zum Vertrieb von Backprodukten würden dann nicht vom fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV erfaßt, wenn sie unter der Voraussetzung handwerklicher Produktion nicht dem fachlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für das Bäckerhandwerk in NRW vom 26. März 1999, sondern dem für die Innungsverbände des Konditorenhandwerks vom 1. Juli 1990 NRW unterfielen. Allein mit der Argumentation, die Beklagte stelle feine Backwaren und damit eben Backwaren her, läßt sich die Anwendbarkeit des ZVK-TV nicht begründen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben sodann noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt(BAG 20. April 1994 – 10 AZR 276/93 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11 mwN). Diese Auslegungsgrundsätze gelten auch für die Bestimmung des fachlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrages(vgl. Wiedemann/Wank TVG 6. Aufl. § 4 Rn. 106).
b) Stellt man zunächst allein auf den Wortlaut von § 1 b Nr. 1 ZVK-TV ab, könnte die Beklagte mit ihrem Betrieb diesem Tarifvertrag unterfallen, denn ganz überwiegend produziert und vertreibt die Beklagte feine Backwaren (vgl. die „Leitsätze für Feine Backwaren”, Bundesanzeiger Nr. 86 b vom 8. Mai 1992 S 5 ff.). Bei der Feststellung des Bedeutungsumfangs des Begriffs „Backwaren” im Sinne von § 1 ZVK-TV sind jedoch auch die Grenzen der Tarifzuständigkeit des tarifschließenden Bundesverbandes der Deutschen Brot- und Backwarenindustrie e.V. (jetzt: Verband der Großbäckereien e.V.) zu beachten. Es kann nicht angenommen werden, daß die Tarifvertragsparteien bei der Normierung des fachlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrages ihre Tarifzuständigkeit überschreiten wollten. Jedenfalls könnten sie diese nicht mit der Folge überschreiten, daß der Tarifvertrag auch Betriebe erfassen würde, für die keine Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien bestünde(vgl. BAG 24. Juli 1990 – 1 ABR 46/89 – AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 7 = EzA TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 2; Wiedemann/Oetker TVG 6. Aufl. § 2 Rn. 43 ff., 53).
c) Die Reichweite der Tarifzuständigkeit ergibt sich aus der Satzung des Verbandes(vgl. BAG 24. Juli 1990 aaO; Wiedemann/Oetker aaO Rn. 53, 61). Gemäß § 5 Ziffer 2 der Satzung können ordentliche Mitglieder des Bundesverbandes der Deutschen Brot- und Backwarenindustrie e.V. Unternehmen jeder Rechtsform werden, wenn sie in das Handelsregister eingetragen sind und in Deutschland Backwaren herstellen oder vertreiben. Über die Art der Backwaren enthält diese Satzungsbestimmung selbst keine näheren Angaben. Aus dem Zusammenhang mit § 2 Ziffer 1 der Satzung wird allerdings deutlich, daß es sich um Backwaren handeln muß, die in „Großbäckereien” hergestellt werden, dh. in Backbetrieben, „die sich durch Marktbedeutung, Umsatz, Vertriebsreichweite, Technologie und Zahl der Verkaufsstätten von herkömmlichen handwerklichen Bäckereien unterscheiden”. Handwerkliche Bäckereien sind dadurch gekennzeichnet, daß sie überwiegend Brot, Brötchen, sonstiges Kleingebäck und Feinbackwaren aus Blätter-, Mürbe- und Hefeteig herstellen und/oder vertreiben; überwiegen diese Tätigkeiten, so ändert es nichts, wenn sie daneben auch Torten und Desserts herstellen und/oder vertreiben (§ 1 Nr. 2 Manteltarifvertrag für das Bäckerhandwerk in NRW vom 26. März 1999). Für Betriebe, die bei herkömmlicher handwerklicher Herstellung nicht als Bäckereien (sondern als Konditoreien) anzusehen wären, war der Bundesverband der Deutschen Brot- und Backwarenindustrie e.V. nach seiner Satzung dagegen nicht tarifzuständig, auch wenn es sich um Großbetriebe handelt und die Herstellung der Backprodukte industriell erfolgt. § 1 b Nr. 1 ZVK-TV erfaßt deshalb solche Betriebe nicht.
d) Die „Leitsätze für Feine Backwaren” ändern daran nichts. Es handelt sich dabei um eine gutachtliche Stellungnahme über die nach herrschender allgemeiner Verkehrsauffassung an die Zusammensetzung und Beschaffenheit der im einzelnen bezeichneten Backwaren zu stellenden Anforderungen. Die Leitsätze dienen dagegen in keiner Weise einer tariflichen Zuordnung der solche Backwaren herstellenden Betriebe, wie sich schon daraus ersehen läßt, daß die Leitsätze nicht etwa nur vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks und dem Verband der Deutschen Brot- und Backwarenindustrie aufgestellt wurden, sondern auch vom Deutschen Konditorenbund sowie dem Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie; all diese Verbände empfehlen ihren Mitgliedsbetrieben, die Leitsätze zu beachten.
e) Für die tarifliche Zuordnung ebenfalls ohne Bedeutung ist die Frage, ob ein Betrieb, der bei herkömmlicher handwerklicher Herstellung als Konditorei anzusehen wäre, infolge seiner industriellen Produktionsweise wettbewerbsrechtlich gehindert ist, die Begriffe „Konditor” oder „Konditorei” für sich und seine Waren zu verwenden. Mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 1975 (– 2 U 158/75 – WRP 1977, 433) kann die ZVK ihre Rechtsansicht, der Betrieb der Beklagten werde vom fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV erfaßt, genauso wenig begründen wie mit dem Umstand, daß die Beklagte nicht Mitglied der Konditoreninnung ist und keine Konditoren ausbildet. Entscheidend ist allein, ob der Betrieb der Beklagten bei herkömmlicher handwerklicher Herstellung der Backwaren als Bäckerei anzusehen wäre und sich von einer solchen nur durch Marktbedeutung, Umsatz, Vertriebsreichweite und Technologie unterscheidet.
2. Bei seiner Feststellung, der Betrieb der Beklagten werde durch die Herstellung von Konditoreiprodukten geprägt, hat das Landesarbeitsgericht allerdings, wie die Revision mit Recht rügt, die von ihm zunächst noch zitierte Rechtsprechung des Senats nicht mehr beachtet, bei Mischtätigkeiten sei zusätzlich darauf abzustellen, ob sie von Arbeitnehmern des einen oder anderen Handwerks ausgeführt oder doch wenigstens von Fachkräften des einen oder anderen Handwerks beaufsichtigt werden(vgl. BAG 17. Januar 1996 – 10 AZR 138/95 – aaO; 18. Oktober 2000 – 10 AZR 455/99 – nv.).
Aus der im wesentlichen unstreitigen Produktpalette der Beklagten im fraglichen Zeitraum 1999 wird erkennbar, daß im Betrieb sowohl Backwerk hergestellt wird, wie es vornehmlich dem Berufsbild des Bäckerhandwerks entspricht (zB Milchbrötchen), als auch Produkte gefertigt werden, die für Konditoreien typisch sind (zB Torten). Ganz überwiegend werden im Betrieb der Beklagten jedoch solche Produkte hergestellt und vertrieben, die sowohl der „Bäckerei” als auch der „Konditorei” zugeordnet werden können, insbesondere diverse Kuchen und Hörnchen. Es werden damit überwiegend Tätigkeiten verrichtet, die sowohl zum Berufsbild des Bäckerhandwerks als auch zu dem des Konditorenhandwerks gehören („Sowohl-als-auch-Tätigkeiten”).
Da die Beklagte die Produkte nicht handwerklich, sondern industriell fertigt und dabei überwiegend Arbeitnehmer einsetzt, die weder eine Ausbildung im Bäcker- noch eine solche im Konditorhandwerk absolviert haben, kommt es nicht primär darauf an, ob die Beklagte insgesamt mehr gelernte Bäcker oder Konditoren beschäftigt. Bei dieser Art der Herstellung steht vielmehr die Überwachung des Produktionsprozesses und die fachliche Anleitung und Beaufsichtigung der dabei eingesetzten Arbeitnehmer im Vordergrund. Setzt die Beklagte dafür überwiegend Konditormeister, Diplomingenieure Lebensmitteltechnologie Konditor und Industriemeister Süßwaren ein, handelt es sich bei ihrem Betrieb nicht um eine Großbäckerei im Sinne des ZVK-TV. Liegt die Aufgabe der unmittelbaren Beaufsichtigung der Arbeitsabläufe und fachlichen Anleitung der in der Produktion tätigen Arbeitnehmer dagegen überwiegend bei Bäckermeistern und Diplomingenieuren Lebensmitteltechnologie Bäcker, wird die Beklagte mit ihrem Betrieb vom fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV erfaßt. Zur Verdeutlichung: Ein Bäcker bleibt nach den einschlägigen Tarifverträgen für das Handwerk auch dann Bäcker, wenn er weder Brot noch Brötchen herstellt, sondern sich auf die Herstellung von Feinbackwaren aus Blätter-, Mürbe- und/oder Hefeteig spezialisiert hat; ein Konditor bleibt andererseits auch dann Konditor, wenn er keine Torten herstellt, sondern sich auf die Herstellung der genannten Feinbackwaren beschränkt. Für einen ganz überwiegend solche Mischprodukte herstellenden industriellen Großbetrieb gilt im Grunde nichts anderes, wobei es angesichts der weitgehend technisierten Herstellungsweise allerdings dort nicht primär darauf ankommt, wer die Arbeiten ausführt, sondern wer den Produktionsprozeß verantwortlich überwacht und die dabei eingesetzten Arbeitnehmer fachlich anleitet. Nur wenn die Überwachung der Produktion und die Beaufsichtigung und Anleitung der dabei eingesetzten Arbeitnehmer überwiegend in der Verantwortung von Fachleuten des Bäckereigewerbes liegt, handelt es sich bei dem Betrieb insgesamt um eine Großbäckerei.
3. Vorliegend beschäftigt die Beklagte in der Produktion neben den fachfremden Hilfskräften zwar unstreitig mehr Bäcker als Konditoren. Dies ist jedoch nach den vorgenannten Grundsätzen dann nicht von ausschlaggebender Bedeutung, wenn die Beklagte die unmittelbare Überwachung der Arbeitsabläufe und die fachliche Anleitung der Arbeitnehmer überwiegend Konditoren, Diplomingenieuren Lebensmitteltechnologie Konditor und Industriemeistern Süßwaren übertragen hat, zumal im Betrieb auch konditoreitypische Produkte wie zB Torten in nicht nur unerheblichem Umfang hergestellt werden, während Brot und Brötchen als bäckereitypische Backwaren in der Produktpalette der Beklagten keine bzw. fast keine Rolle spielen. Feststellungen zur Organisation der Überwachung und Aufsicht im Betrieb hat das Landesarbeitsgericht allerdings nicht getroffen. Dies wird nach der gebotenen Zurückverweisung nachzuholen sein, wobei es auch auf die Zahl der jeweils beaufsichtigten und angeleiteten Arbeitnehmer und die Zahl und Bedeutung der überwachten Maschinen und sonstigen Produktionsvorrichtungen ankommt. Danach ist zu klären, ob die Verantwortung für die fachgerechte Produktion insgesamt überwiegend in der Hand von Fachleuten des Bäckereigewerbes oder in der von Konditoren sowie entsprechenden Industriemeistern und Diplomingenieuren liegt.
4. Auf die Verfahrensrügen der Revision kommt es daher nicht mehr an. Mit Recht vermißt die Revision allerdings in den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts eine nähere Beweiswürdigung (§ 286 ZPO). Das Gericht muß im Urteil die wesentlichen Grundlagen seiner Beweiswürdigung zum Ausdruck bringen(vgl. Zöller/Greger ZPO 22. Aufl. § 286 Rn. 21 mwN). Auf Grund der verwandtschaftlichen Beziehungen der vernommenen Zeugen zum Geschäftsführer der Beklagten wird das Landesarbeitsgericht anzugeben haben, warum es deren Aussagen für glaubhaft hält, soweit es sein Urteil wiederum auf Aussagen dieser Zeugen stützen will.
III. Das Landesarbeitsgericht hat auch über die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten mitzuentscheiden.
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Tirre, Frese
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.11.2001 durch Gaßmann, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 670493 |
BAGE, 310 |
BB 2002, 312 |
FA 2002, 64 |
FA 2002, 94 |
NZA 2002, 1049 |
SAE 2002, 250 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 14 |
EzA |
AUR 2002, 78 |