Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Prozessvergleichs. Unwirksamkeit eines Prozessvergleichs bei Irrtum über die Vergleichsgrundlage. Prozessvergleich und Wegfall der Geschäftsgrundlage. Eingruppierung öffentlicher Dienst. Prozessrecht
Leitsatz (amtlich)
- Ein Vergleich ist grundsätzlich ein nichttypischer Vertrag.
- Seine Auslegung durch das Berufungsgericht ist vom Revisionsgericht demgemäß nur beschränkt überprüfbar.
- Dies gilt auch für die Auslegung des materiellrechtlichen Inhalts eines als Prozessvergleich zu Protokoll des Gerichts geschlossenen Vergleichs.
Orientierungssatz
- Ein Vergleich ist grundsätzlich ein nichttypischer Vertrag.
- Als solcher ist seine Auslegung durch das Berufungsgericht vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüfbar, ob das angefochtene Urteil auf einem Verstoß gegen allgemeine Auslegungsregeln, Erfahrungssätze oder Denkgesetze beruht und nicht alle für die Auslegung wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind.
- Dies gilt auch für die Auslegung des materiellrechtlichen Inhalts eines als Prozessvergleich zu Protokoll des Gerichts geschlossenen Vergleichs.
- “Feststehend zugrunde gelegter Sachverhalt” iSv. § 779 BGB sind auch die von den Parteien aus einem unstreitigen Tatbestand gezogenen und als feststehend betrachteten Rechtsfolgen.
- Auf einen Irrtum der Vertragsschließenden über ungewisse Umstände, seien sie tatsächlicher oder rechtlicher Art, die der Vergleich gerade beheben will, findet die Unwirksamkeitsregel des § 779 BGB keine Anwendung.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 779, 242; ZPO § 546 (= § 550 aF)
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Vergütung des Klägers.
Der am 3. Januar 1948 geborene Kläger trat am 1. April 1982 in die Dienste der Beklagten. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 11. November 1981 zugrunde. In dessen § 2 ist bestimmt, dass sich das Arbeitsverhältnis ua. nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) in der jeweils geltenden Fassung richtet. Dieser gilt für das Arbeitsverhältnis nicht kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit.
Seit dem 1. Mai 1985 übte der Kläger die Tätigkeit des Leiters des Planungsamtes bei der Beklagten aus und erhielt für diese Tätigkeit Vergütung nach VergGr. Ia BAT.
Auf Grund eines richterlichen Beschlusses vom 15. Februar 2000 durchsuchte die zuständige Staatsanwaltschaft die Wohnung des Klägers und seine Diensträume. Der Beschluss war damit begründet, es bestehe der Anfangsverdacht, der Kläger habe sich bestechen lassen. Ihm wurde vorgeworfen, dass er im Jahre 1996 ohne die sonst übliche Aufnahmegebühr in einen Golfclub aufgenommen worden sei, Golfunterricht kostenlos erhalten und sich als Gegenleistung dafür eingesetzt habe, dass die baurechtlichen Voraussetzungen für die Erweiterung des Golfplatzes bejaht wurden. Am 17. Februar 2000 wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung von seinen arbeitsvertraglichen Pflichten suspendiert. Er erhielt weiter Vergütung nach VergGr. Ia. Nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 23. Januar 2002 das Arbeitsverhältnis fristlos. In dem Rechtsstreit um die Wirksamkeit dieser Kündigung (Arbeitsgericht Düsseldorf – 11 Ca 865/02 –) schlossen die Parteien am 25. Februar 2002 einen gerichtlichen Vergleich, dessen Ziff. 1 lautet:
“Es besteht Einigkeit, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht. Rückwirkend ab dem 25.01.2002 richtet es sich inhaltlich nach der zum Protokoll gereichten Stellenbeschreibung vom 24.01.2002, insbesondere erhält der Kläger Vergütung nach Vergütungsgruppe Ib BAT (Fallgruppe 1a).”
Der Kläger wurde in der Folgezeit auf der Grundlage der diesem Vergleich beigefügten vorgenannten Stellenbeschreibung in der Funktion “techn.-planerisches Projektmanagement” beschäftigt und wird seit dem 25. Januar 2002 nach VergGr. Ib vergütet. Diese Vergütungsgruppe ist auch in der Stellenbeschreibung angegeben.
Durch rechtskräftigen Beschluss vom 17. Juni 2002 wies das zuständige Amtsgericht den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Strafbefehls gem. § 408 Abs. 2 StPO zurück. Der Kläger hat deshalb die Ansicht vertreten, ihm stehe ab 1. Januar 2000 Vergütung nach VergGr. I zu, hilfsweise ab 25. Februar 2002 nach VergGr. Ia zu. Die von ihm ab 1. Januar 2000 bis zu seiner Suspendierung am 17. Februar 2000 ausgeübte Tätigkeit des Amtsleiters für das Planungs- und Vermessungsamt sei ihm nicht nur vorübergehend übertragen worden. Sie erfülle sowohl die Anforderungen der VergGr. I Fallgr. 1a (Ausübung einer Tätigkeit, die deutlich höher zu bewerten sei als eine Tätigkeit nach VergGr. Ia Fallgr. 1a) als auch diejenigen der VergGr. I Fallgr. 1b (ständige Unterstellung von mindestens acht Angestellten mindestens der VergGr. II). Ersteres sei der eigene Standpunkt der Beklagten in der verwaltungsinternen Bewertung des Arbeitsplatzes vom 11. Februar 2000 gewesen. Die von ihm seit dem 25. Januar 2002 ausgeübte Tätigkeit entspreche – auch dazu hat der Kläger näher vorgetragen – der VergGr. Ia BAT. Er hat weiter geltend gemacht, seinem Anspruch auf rückwirkende Vergütung ab 1. Januar 2000 stehe der gerichtliche Vergleich vom 25. Februar 2002 nicht entgegen. Geschäftsgrundlage dieses Vergleichs sei es gewesen, dass er eine andere Tätigkeit aufnehme und hierbei um eine Vergütungsgruppe niedriger eingruppiert werde. Dabei seien beide Parteien davon ausgegangen, dass die VergGr. Ib die zutreffende Vergütungsgruppe gewesen sei. Unabhängig davon sei die von ihm ab dem 25. Januar 2002 ausgeübte Tätigkeit nach VergGr. I – so sein Vortrag erster Instanz – bzw. nach VergGr. Ia – so sein Vortrag zweiter Instanz – zu bewerten. Hilfsweise sei die Beklagte verpflichtet, mit ihm einen Arbeitsvertrag nach der VergGr. Ia abzuschließen. Wie im Falle einer Verdachtskündigung, bei der sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstelle, dass der betroffene Arbeitnehmer unschuldig sei, sei ein Wiedereinstellungsanspruch auch bei der vergleichsweisen Erledigung des Kündigungsschutzverfahrens anerkannt. Entsprechend diesem Grundgedanken habe er Anspruch auf den geforderten Vertragsabschluss.
Der Kläger hat zuletzt – im Berufungsrechtszug – beantragt
festzustellen, dass die beklagte Stadt verpflichtet ist, an ihn ab dem 1. Januar 2000 Vergütung nach der VergGr. I BAT zu zahlen,
hilfsweise festzustellen, dass die beklagte Stadt verpflichtet ist, an ihn ab dem 25. Februar 2002 Vergütung nach der VergGr. Ia BAT zu zahlen,
äußerst hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, mit ihm einen Arbeitsvertrag mit der Vergütung nach VergGr. Ia BAT abzuschließen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die vom Kläger nur für die Dauer von sechs Wochen neben seiner Tätigkeit als Planungsamtsleiter ausgeübte Tätigkeit des Vermessungsamtsleiters sei ihm nicht dauerhaft übertragen worden. Die inhaltliche Ausgestaltung der neuen Funktion mit den erforderlichen Umgestaltungen und Zuweisungen von Kompetenzen sowie inhaltlichen Beschreibungen habe noch gefehlt. Diese vom Kläger vorübergehend ausgeübte Tätigkeit habe der VergGr. II Fallgr. 1a entsprochen. Sie sei heute nach VergGr. Ia Fallgr. 1a bewertet, ausgeschrieben und besetzt. Die seit dem 25. Januar 2002 von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit sei mit der VergGr. Ib zutreffend bewertet. Unabhängig davon stehe dem Anspruch auf eine höhere Vergütung der gerichtliche Vergleich entgegen. Bei diesem sei es ihr wesentlich darauf angekommen, dass der Kläger in der ursprünglichen Tätigkeit nicht wieder eingesetzt werde, sondern eine andere Verwendung finde. Auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage des gerichtlichen Vergleichs könne sich der Kläger nicht berufen. Gerade um der sich für ihn aus dem seinerzeitigen Kündigungsrechtsstreit ergebenden Unsicherheit zu entgehen, habe der Kläger den Vergleich akzeptiert.
Das Arbeitsgericht hat die seinerzeit nur auf den Hauptantrag beschränkte Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein zweitinstanzliches Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen.
Die Klage ist weder hinsichtlich des Hauptantrags noch hinsichtlich der Hilfsanträge begründet.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. I BAT ab 1. Januar 2000.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es könne dahinstehen, ob die Tätigkeit des Klägers ab 1. Januar 2000 den Anforderungen der VergGr. I BAT entsprochen habe und entspreche. Denn durch den gerichtlichen Vergleich hätten sich die Parteien darauf verständigt, dass der Kläger rückwirkend ab dem 25. Januar 2002 Vergütung nach VergGr. Ib (Fallgr. 1a) unabhängig davon erhalte, ob die von ihm verrichtete Tätigkeit auf der Basis der Stellenbeschreibung vom 24. Januar 2002 den Tätigkeitsmerkmalen dieser Vergütungsgruppe unter Beachtung der Regelung in § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT entspreche. Demzufolge könne der Kläger auch nicht unter Berufung auf die vorgenannte Tarifvorschrift verlangen, ab dem 1. Oktober 2001 – die zeitlich davor liegenden streitbefangenen Ansprüche hat das Landesarbeitsgericht als verfallen angesehen – nach VergGr. I vergütet zu werden. Da der BAT auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mangels beiderseitiger Tarifgebundenheit nicht unmittelbar (normativ) einwirke, hätten die Parteien die Vertragsfreiheit, die Bezugnahmeklausel des § 2 des Arbeitsvertrages vertraglich zu ändern. Dies sei mit dem gerichtlichen Vergleich geschehen.
b) Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts enthalten keinen Rechtsfehler.
aa) Der Kläger zieht nicht in Zweifel, dass es nicht tarifgebundenen Parteien, die die Anwendung des BAT arbeitsvertraglich vereinbart haben, freisteht, eine – gemessen an den Eingruppierungsnormen der Vergütungsordnung zum BAT – untertarifliche Vergütung zu vereinbaren. Er macht lediglich geltend, der gerichtliche Vergleich enthalte keine Vereinbarung dieses Inhalts. Er habe nicht die Vorstellung gehabt, sich unabhängig von der von ihm auf Grund seiner langen Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst bekannten Tarifautomatik mit einer bestimmten Vergütungsgruppe einzelvertraglich einverstanden zu erklären. Damit rügt er der Sache nach die fehlerhafte Auslegung des Vergleichs durch das Landesarbeitsgericht.
bb) Diese Rüge ist unbegründet.
(1) Die Auslegung des Vergleichs richtet sich nach den allgemeinen Regeln (§§ 133, 157 BGB). Vergleiche sind grundsätzlich nichttypische Verträge (Münch-KommBGB/Habersack 4. Aufl. § 779 Rn. 45 mwN). Dies ist auch bei dem Vergleich der Parteien vom 25. Februar 2002 der Fall. Die Einigung der Parteien über die Übertragung einer anderen, in der im Vergleichstext in Bezug genommenen Stellenbeschreibung dargestellten Tätigkeit auf den Kläger und die rückwirkende Regelung seiner Vergütung enthält keine regelhaften typischen Vertragserklärungen. Die Auslegung des Prozessvergleichs kann daher vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das angefochtene Urteil auf einem Verstoß gegen allgemeine Auslegungsregeln, Erfahrungssätze oder Denkgesetze beruht und nicht alle für die Auslegung wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind (zB BAG 26. Mai 1992 – 9 AZR 27/91 – AP HGB § 74 Nr. 63 = EzA HGB § 74 Nr. 54; 5. September 2002 – 8 AZR 702/01 – AP BGB § 280 nF Nr. 1 = EzA BGB § 615 Nr. 109; BGH 21. März 2000 – IX ZR 39/99 – NJW 2000, 1942, 1943). Das gilt auch für die Auslegung des materiellrechtlichen Inhalts eines als Prozessvergleich zu Protokoll des Gerichts geschlossenen Vergleichs (zB BAG 17. April 1970 – 1 AZR 302/69 – AP BGB § 133 Nr. 32; BGH 4. April 1968 – VII ZR 152/65 – LM § 133 [D] BGB Nr. 4; Münch-KommBGB/Habersack aaO).
(2) Von der Revision wird – jedenfalls der Sache nach – allein ein Verstoß gegen den Erfahrungssatz gerügt, der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes wolle regelmäßig die tarifgerechte Vergütung zahlen. Auf diesen Erfahrungssatz kann sich der Kläger nicht stützen. Zwar ist von einem solchen insbesondere dann auszugehen, wenn die Vertragsparteien unter allgemeiner Bezugnahme auf den BAT und dessen Vergütungsordnung in Vollzug der Regelung des § 22 Abs. 3 BAT die Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag des Angestellten lediglich “angeben”, also etwa bestimmen: “Der Angestellte ist in der VergGr. … eingruppiert.” Der Vergleich der Parteien enthält keine solche Regelung. Die Parteien haben sich in ihm nicht darauf beschränkt, lediglich eine Einigung über die vom Kläger auszuübende – neue – Tätigkeit zu treffen und die Bestimmung der tariflichen Vergütung derselben entweder ganz offen zu lassen oder die aus ihrer damaligen Sicht zutreffende Vergütungsgruppe lediglich “anzugeben”. Vielmehr haben die Parteien in dem Vergleich eine konstitutive Vergütungsvereinbarung getroffen. Denn sie haben im Anschluss an die Festlegung der vom Kläger auszuübenden neuen Tätigkeit bestimmt: insbesondere “erhält” der Kläger Vergütung nach Vergütungsgruppe Ib BAT (Fallgruppe 1a). Der Wille der Parteien, damit nicht lediglich die zutreffende Vergütung des Klägers zu benennen, ergibt sich zudem auch daraus, dass sie den aus § 615 BGB – Arbeitgeberannahmeverzug – folgenden Anspruch des Klägers auf Vergütung nach VergGr. Ia ausdrücklich für die Zeit ab 25. Januar 2002 bis 24. Februar 2002 abbedungen haben. Daraus folgt zudem, dass der Vergleich die Vergütung des Klägers für die gesamte Zeit vor Vergleichsabschluss regelt und damit auch einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. I für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 24. Januar 2002 ausschließt, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat. Nach der Interessenlage kommt in Betracht, dass die Parteien in dem Vergleich die Höhe der Vergütung des Klägers für den gesamten zurückliegenden Zeitraum regeln wollten. So versteht das Landesarbeitsgericht den Vergleich. Eine solche Auslegung ist nach dem Wortlaut des Vergleichs möglich. Sie war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Der Kläger hat diesbezüglich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht angegriffen.
c) Der Vergleich der Parteien ist auch nicht unwirksam, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat.
aa) Nach § 779 BGB ist ein Vergleich unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Diese Voraussetzungen für die Unwirksamkeit des Vergleichs liegen nach dem eigenen Sachvortrag des Klägers nicht vor. Der Kläger macht geltend, als feststehender Sachverhalt habe dem Vergleich zugrunde gelegen, dass sich auf Grund der polizeilichen Ermittlungsergebnisse “die Möglichkeit” einer von ihm begangenen “strafbaren Handlung” ergeben habe. Dieser Sachverhalt habe jedoch objektiv bereits zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht der Wirklichkeit entsprochen. Damit sind die Parteien bei Abschluss des Vergleichs gerade nicht übereinstimmend von einem feststehenden Sachverhalt ausgegangen. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den vorausgesetzten “Sachverhalt” auch die von den Parteien aus einem unstreitigen Tatbestand gezogenen und als feststehend betrachteten Rechtsfolgen einzubeziehen (zB 6. November 2003 – III ZR 376/02 – MDR 2004, 441; 8. Juli 2003 – VI ZR 274/02 – BGHZ 155, 342). Von einer als feststehend betrachteten Rechtsfolge aus einem unstreitigen Tatbestand – strafbare Handlung des Klägers – sind die Parteien gerade nicht ausgegangen, sondern nach der eigenen Behauptung des Klägers nur von der Möglichkeit einer strafbaren Handlung, also von einer ungeklärten Rechtslage. Genau diese Ungewissheit der Rechtsfolgen sollte im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt werden. Auf einen Irrtum der Vertragsschließenden über ungewisse Umstände, seien sie tatsächlicher oder rechtlicher Art, die der Vergleich gerade beheben will, findet die Unwirksamkeitsregel des § 779 BGB keine Anwendung (BGH 14. Januar 1998 – XII ZR 113/96 – BGHR BGB § 779 Abs. 1 Schiedsgutachtenvergleich 1).
bb) Der Anspruch auf Vergütung nach VergGr. I lässt sich auch nicht aus den – neben § 779 BGB geltenden (zB BGH 18. November 1993 – IX ZR 34/93 – NJW-RR 1994, 434) – Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage herleiten.
Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass gem. Art. 229 § 5 EGBGB auf den gerichtlichen Vergleich die bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 geltende Fassung des BGB anzuwenden ist. Die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage waren danach bei § 242 BGB angesiedelt. Geschäftsgrundlage sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts die bei Abschluss eines Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein, Fortbestehen oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (zB BAG 28. Juni 2000 – 7 AZR 904/98 – BAGE 95, 171 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 5 mwN; BGH 23. Oktober 1957 – V ZR 219/55 – BGHZ 25, 390, 392). Entfällt die Geschäftsgrundlage infolge späterer Ereignisse oder wird sie wesentlich erschüttert, kann ein Anspruch auf Anpassung der Vertragsbedingungen entstehen. Das kommt in Betracht, wenn der betroffenen Partei das Festhalten an der vereinbarten Regelung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann. Bei einem Vergleich ist allerdings zu beachten, dass dieser gerade zu den Geschäften gehört, die ihrem Typus nach die vertragliche Übernahme gewisser Risiken beinhalten sollen (BAG 28. Juni 2000 – 7 AZR 904/98 – aaO).
Das Landesarbeitsgericht hat danach zutreffend angenommen, dass eine Anpassung des im Kündigungsschutzprozess der Parteien geschlossenen Vergleichs wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Sinne der Auffassung des Klägers – Anspruch auf Vergütung nach VergGr. I – nicht in Betracht kommt. Der Kläger hat bereits die präzise Darlegung versäumt, was gemeinsame, später entfallene Geschäftsgrundlage im Sinne der vorstehenden Rechtsprechung gewesen sei. Er hat diesbezüglich ausgeführt, der Vergleich sei “im Hinblick auf einen bestimmten Kündigungssachverhalt abgeschlossen worden”, dieser habe sich “zu einem späteren Zeitpunkt als unzutreffend dargestellt”. Dieses Vorbringen besteht ausschließlich aus abstrakten Begriffen. Er lässt die Darlegung konkreter Tatsachen dafür vermissen, dass – und welche – gemeinsame unzutreffende Vorstellung der Parteien bezüglich des Kündigungssachverhalts bestanden hat. Nach dem Sachvortrag des Klägers zur Unwirksamkeit des Vergleichs nach § 779 BGB kommt als gemeinsame Vorstellung der Parteien bei Abschluss des Vergleichs und damit als dessen Geschäftsgrundlage nach der Interessenlage allein die übereinstimmende Einschätzung der Ergebnisse von Strafverfahren und Kündigungsrechtsstreit als ungewiss in Betracht. Gerade diese Ungewissheit haben die Parteien bei dem Vergleich berücksichtigt. Es verstößt daher nicht gegen Treu und Glauben, wenn der Kläger an der vereinbarten Regelung festgehalten wird. Eine – später entfallene – sich etwa aus den Begleitumständen ergebende davon abweichende gemeinsame Vorstellung der Parteien über die Vergleichsgrundlage hätte der substantiierten Darlegung bedurft. Daran fehlt es.
d) Die Frage des teilweisen Verfalls des Anspruchs auf Vergütung nach VergGr. I wegen Versäumung der Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 BAT stellt sich damit nicht. Auf die diesbezügliche Verfahrensrüge des Klägers – Verletzung von § 286 ZPO – kommt es folglich nicht an.
2. Der gerichtliche Vergleich steht damit auch dem Anspruch des Klägers auf Vergütung nach VergGr. Ia ab dem 25. Februar 2002 entgegen, dessen Feststellung der Kläger mit dem ersten Hilfsantrag erstrebt.
3. Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch nach § 242 BGB auf den von ihm mit dem zweiten Hilfsantrag erstrebten Abschluss eines Vertrages mit Vergütung nach VergGr. Ia.
Die Parteien haben ihren Streit um die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung durch den Vergleich beigelegt, nach welchem der Kläger eine andere nach VergGr. Ib BAT bezahlte Tätigkeit auszuüben hat. Der Kläger hat mit diesem Vergleich das Risiko übernommen, auch bei einem für ihn günstigen Ausgang des Ermittlungsverfahrens wegen Vorteilsannahme mit niedrigerer Vergütung als vorher weiterbeschäftigt zu werden. Bei Verwirklichung eines vertraglich übernommenen Risikos besteht kein Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 242 BGB, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat. Dies würde der Kläger ebenso sehen, wenn die Beklagte nach einer Bestrafung des Klägers wegen Vorteilsannahme trotz des Vergleichs erneut gekündigt oder die Verurteilung des Klägers zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages erstrebt hätte.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schmidt, Wolter, Bott, Rupprecht, Ohnesorg
Fundstellen
Haufe-Index 1288484 |
BAGE 2006, 50 |
BB 2005, 446 |
DB 2005, 840 |
NJW 2005, 524 |
EBE/BAG 2005, 2 |
NZA 2005, 691 |
SAE 2005, 219 |
ZAP 2005, 447 |
AP, 0 |
EzA |
MDR 2005, 456 |
AUR 2005, 166 |
AUR 2005, 79 |
BAGReport 2005, 350 |