Leitsatz (redaktionell)
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Zu den Grundsätzen, die Arbeitgeber und Betriebsrat bei dem Aufstellen einer Versorgungsordnung durch Betriebsvereinbarung zu beachten haben, gehört der Grundsatz der Gleichbehandlung. |
2. |
Der Grundsatz der Gleichbehandlung gilt auch für die Ermittlung der für die Berechnung einer Betriebsrente maßgeblichen Bemessungsgrundlagen (rentenfähiger Arbeitsverdienst). |
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Einzelne Lohnbestandteile können unberücksichtigt bleiben, wenn es hierfür sachliche Gründe gibt.a) Arbeitgeber und Betriebsrat können den Versorgungsbedarf so beschreiben, daß nur das Festgehalt, nicht auch Provisionen, zum rentenfähigen Arbeitsverdienst gehören.b) Der Ausschluß von variablen Lohnbestandteilen aus der Bemessungsgrundlage kann auch durch Gründe der Klarheit und der einfachen Handhabung gerechtfertigt sein.c) Die Grenze der zulässigen Gestaltung einer Betriebsvereinbarung ist überschritten, wenn die Gruppe der Außendienstmitarbeiter tatsächlich keine oder keine angemessene Betriebsrente erhalten kann. |
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Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 22.05.1996; Aktenzeichen 8 Sa 896/95) |
ArbG Hanau (Entscheidung vom 12.04.1995; Aktenzeichen 1 Ca 422/94) |
Tatbestand
Die Kläger sind die Erben des am 13. März 1996 verstorbenen Herrn Peter Goldschmidt. Sie fordern von der Beklagten, der früheren Arbeitgeberin des Verstorbenen, eine höhere Rente für die Zeit vom Eintritt in den Ruhestand am 1. Juni 1994 bis zum 13. März 1996. Sie verlangen, daß die zuletzt im Durchschnitt angefallenen Provisionen bei der Berechnung des rentenfähigen Arbeitsverdienstes berücksichtigt werden.
Der 1936 geborene Herr Peter Goldschmidt war vom 2. Juli 1962 bis zum 31. Mai 1994 bei der Beklagten als Mitarbeiter im Außendienst angestellt. Das Arbeitsentgelt setzte sich aus einem festen Monatslohn und aus Provisionen zusammen. Das Monatsgehalt betrug zuletzt 4.350,00 DM. Daneben erzielte er eine umsatzabhängige Provision von zuletzt durchschnittlich 3.214,07 DM brutto monatlich.
Die Beklagte hatte ihren Arbeitnehmern eine Altersversorgung versprochen. Rechtsgrundlage für die Ansprüche des Klägers ist eine Betriebsvereinbarung vom 24. Oktober 1979. Nach dieser Versorgungsordnung ist die Betriebsrente nach anrechenbarer Dienstzeit und rentenfähigem Arbeitsverdienst zu ermitteln. § 5 der Versorgungsordnung beschreibt den rentenfähigen Arbeitsverdienst:
"1. Rentenfähiger Arbeitsverdienst ist das Monatsgehalt bzw. der Monatslohn, das/der im Durchschnitt der letzten 12 Beschäftigungsmonate vor Feststellung der betrieblichen Rente unter Zugrundelegung der tariflichen Arbeitszeit (zur Zeit 38,5 Std. wöchentlich) bezogen wurde. ...
Zum rentenfähigen Arbeitsverdienst gehören u.a. nicht:
Weihnachtsgratifikationen, Jahresabschlußleistungen, Erfolgsprämien, Sonderprämien, Erfindervergütungen, umsatzabhängige Leistungen, Tantiemen, Gratifikationen, Mehrarbeitsvergütungen und Mehrarbeitszuschläge, Urlaubsgelder und Urlaubsabgeltungen, Fahrgeldund Essenzuschüsse, Sozialzulagen, vermögenswirksame Leistungen und sonstige Sonderzuwendungen.
..."
Auf der Grundlage dieser Versorgungsordnung berechnete die Beklagte die Betriebsrente. Sie legte nur das Monatsgehalt des Verstorbenen zugrunde und ließ die erzielten Provisionen unberücksichtigt. Sie zahlte monatlich 687,11 DM.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, auch die Provision zähle zum rentenfähigen Arbeitsverdienst. Sie errechnen eine monatliche Betriebsrente von 1.313,99 DM. Der Ausschluß von Provisionen bei der Berechnung der Rente verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (§ 75 Abs. 1 BetrVG). Die Provisionen prägten den Lebensstandard und den Versorgungsbedarf der Mitarbeiter im Außendienst. Mit variablen Lohnbestandteilen, die Arbeitnehmer im Innendienst erzielten, seien sie nicht vergleichbar.
Die Kläger haben zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie für die Zeit vom 1. Juni 1994 bis zum 13. März 1996 rückständige Rente von insgesamt 13.427,37 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beschränkung auf das Festgehalt sei sachgerecht. Arbeitgeber und Betriebsrat hätten die Bemessungsgrundlage von Zufälligkeiten und Einflußmöglichkeiten der Arbeitnehmer freihalten wollen. Man habe sich für eine vereinfachende Berechnung entschieden. Zweck der Betriebsrente sei nicht die Aufrechterhaltung des Lebensstandards, sondern eine Grundversorgung aller Mitarbeiter im Versorgungsfall. Diesen Zwecken genüge die Berechnungsgrundlage; sie reiche auch aus, um aktiven Arbeitnehmern einen Anreiz für künftige Betriebstreue zu bieten.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist nicht begründet. Die Beklagte brauchte die Provisionen bei der Ermittlung des rentenfähigen Arbeitsverdienstes nicht zu berücksichtigen. Die Betriebsvereinbarung ist wirksam. Der Senat folgt dem Landesarbeitsgericht in dieser rechtlichen Beurteilung.
I. Nach § 5 der Betriebsvereinbarung gehören Provisionen nicht zum rentenfähigen Arbeitsverdienst. Zur Bemessungsgrundlage gehört nur das Monatsgehalt. Alle Sonderzahlungen und Leistungen, die von weiteren Umständen abhängen, bleiben bei der Berechnung der Betriebsrente außer Betracht. Dazu gehören auch umsatzabhängige Leistungen. Die dem Kläger versprochenen Provisionen sind umsatzabhängige Leistungen. Das sehen beide Parteien auch so.
II. Die unterschiedliche Behandlung einzelner Lohnbestandteile im Hinblick auf die Berechnung der Betriebsrenten verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG. Nach dieser Bestimmung haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, daß alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden.
1. Zu den von den Betriebsparteien zu beachtenden Grundsätzen gehört auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Damit gilt das Verbot der sachwidrigen unterschiedlichen Behandlung auch für die Normen einer Betriebsvereinbarung (BAG Urteil vom 20. Juli 1993 - 3 AZR 52/93 - BAGE 73, 343 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu 1 der Gründe).
2. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Unterscheidung der Arbeitnehmer eines Betriebes nach bestimmten Merkmalen. Die Gruppenbildung muß sachlichen Kriterien gerecht werden. Eine unterschiedliche Behandlung ist dann sachfremd, wenn es für sie keine billigenswerten Gründe gibt. Dabei richtet sich die Beurteilung nach dem Zweck der Leistung (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. zuletzt Beschluß vom 11. November 1986 - 3 ABR 74/85 - BAGE 53, 309 = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung; BAG Urteil vom 20. Juli 1993 - 3 AZR 52/93 - BAGE 73, 343 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung; BAG Urteil vom 22. November 1994 - 3 AZR 349/94 - BAGE 78, 288 = AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B III 2 der Gründe).
Die Gruppenbildung erfolgte im vorliegenden Fall nicht nach Merkmalen in der Person der Arbeitnehmer. Unterschieden werde nur nach der Art des Entgelts, das die Arbeitnehmer jeweils für ihre einzelnen Arbeitsleistungen erhalten. Deshalb ist zu prüfen, ob die unterschiedliche Behandlung einzelner Lohnbestandteile sachlich gerechtfertigt ist.
Nach der Versorgungsordnung werden alle Arbeitnehmer gleich behandelt. Bei allen Arbeitnehmern wird nur das Monatsgehalt berücksichtigt. Der Vortrag der Kläger läßt erkennen, daß er sich gerade gegen diese - aus ihrer Sicht ungerechtfertigte - Gleichbehandlung wendet. Nach ihrer Ansicht müssen die Außendienstmitarbeiter anders behandelt werden als die Mitarbeiter im Innendienst. Auch insoweit können sich die Kläger auf den Gleich- behandlungsgrundsatz berufen. Dieser Grundsatz gebietet auch, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart zu unterscheiden (BAG Urteil vom 23. Februar 1988 - 3 AZR 100/86 - AP Nr. 26 zu § 5 BetrAVG). Eine Ungleichbehandlung ist dann geboten, wenn dies aus sachlichen Gründen erforderlich ist. Der Prüfungsmaßstab ist mithin derselbe.
3. Für die Beschränkung auf das Monatsgehalt bei der Ermittlung des rentenfähigen Arbeitsverdienstes gibt es sachliche Gründe. Der Senat folgt auch insoweit der Beurteilung des Landesarbeitsgerichts.
a) Die Betriebsparteien haben mit der Beschränkung auf das Festgehalt den Versorgungsbedarf der Arbeitnehmer beschrieben. Der Arbeitnehmer soll als betriebliche Altersversorgung nur die Teile des Verdienstes erhalten, auf deren Bezug er sich während des bestehenden Arbeitsverhältnisses auf Dauer verlassen kann. Diese Beschreibung des Versorgungsbedarfes ist nicht unsachlich. Er betrifft alle Arbeitnehmer des Betriebes, die Mitarbeiter im Außendienst ebenso wie die Mitarbeiter im Innendienst. Der Einwand der Kläger, die Regelung in § 5 der Betriebsvereinbarung wahre den Lebensstandard nicht ausreichend, verkennt deshalb das Ziel der Versorgungsordnung, die gerade nicht am Lebensstandard ansetzt. Den Umfang des Versorgungsbedarfs können Arbeitgeber und Betriebsrat bestimmen.
b) Für die Beschränkung auf das Festgehalt sprechen auch Gründe der Klarheit und einfachen Handhabung. Braucht der Arbeitgeber nur das Monatsgehalt zu berücksichtigen, kann er seine künftigen Verpflichtungen einfach und zuverlässig berechnen. Werden variable Lohnbestandteile einbezogen, ist dies nicht oder nur eingeschränkt der Fall.
Durch die Regelung können Arbeitgeber und Betriebsrat auch die Bemessungsgrundlage freihalten von Zufälligkeiten und Einflußmöglichkeiten des Arbeitnehmers. Das ist ein berechtigtes Anliegen (BAG Urteil vom 14. August 1990 - 3 AZR 321/89 - AP Nr. 12 zu § 1 BetrAVG Berechnung). Müßten Provisionen berücksichtigt werden, käme es auf den Umsatz in den letzten zwei Jahren vor Eintritt des Versorgungsfalles an. Der Umsatz kann vom Verlauf der Konjunktur und vom Markterfolg der Produkte abhängen. Mitarbeiter, die nach zwei "guten" Jahren ausscheiden, stehen sich auf Dauer besser als diejenigen Mitarbeiter, die nach weniger guten Jahren ausscheiden müssen. Diese Schwankungen in den Verdiensten könnten von den Betroffenen als ungerecht empfunden werden. Dem beugt die Regelung in der Betriebsvereinbarung vor.
Schließlich wird die Regelung auch freigehalten von Möglichkeiten des einzelnen Arbeitnehmers, die Höhe seiner Betriebsrente beeinflussen zu können. Hängt die Höhe der Rente von Provisionen ab, könnte der Arbeitnehmer seine Rente durch besonderen Einsatz in den letzten Jahren vor Eintritt in den Ruhestand steigern. Das Anliegen einer Versorgungsordnung, solche Einflußmöglichkeiten auszuschließen, ist berechtigt. Soweit die Kläger meinen, diesen Einflußmöglichkeiten könne auf andere Weise begegnet werden, bestätigen sie im Grundsatz diese Möglichkeit einer solchen Einflußnahme. Sie können den Betriebsparteien aber nicht vorschreiben, auf welche Weise eine solche Einflußmöglichkeit verhindert werden soll.
III. Die Einschränkung der Bemessungsgrundlagen könnte allenfalls dann mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nicht vereinbar sein, wenn durch diese Regelung faktisch die Gruppe der Mitarbeiter im Außendienst keine oder keine angemessene Altersversorgung mehr erhielte. Denn dann handelte es sich um den Ausschluß einzelner Arbeitnehmergruppen und nicht nur um die Beschreibung der Bemessungsgrundlagen.
Diese Voraussetzungen sind, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, nicht erfüllt. Der Kläger erhielt ein angemessenes Festgehalt. Nach dem Gehaltsabkommen für die Angestellten der Metallindustrie in Hessen (gültig ab 1. April 1992) betrug das Tarifgehalt der kaufmännischen Angestellten ab 1. April 1993 in der zweithöchsten Gehaltsgruppe (K 5) 4.418,00 DM. Das Gehalt des Klägers lag nur unwesentlich unter diesem Gehalt. Bezogen auf die von Arbeitnehmern des Betriebes zu erwartenden Betriebsrenten (§ 10 der Versorgungsordnung) war die an den Kläger gezahlte Betriebsrente mehr als doppelt so hoch wie die nach dem Eckwert berechnete Rente. Ein Arbeitnehmer mit einem Eckwert von 10,00 DM und 32 Beschäftigungsjahren hat eine Betriebsrente von 320,00 DM monatlich zu erwarten.
Die Kläger verkennen auch die Bedeutung des Urteils des Senats vom 20. Juli 1993 (- 3 AZR 52/93 - BAGE 73, 343 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung). In dieser Entscheidung ging es um den Ausschluß der Außendienstmitarbeiter von Versorgungsleistungen, die alle übrigen Mitarbeiter des Unternehmens erhalten sollen. Durch die hier zu beurteilende Versorgungsordnung werden die Außendienstmitarbeiter nicht ausgeschlossen. Sie werden gleich behandelt wie Mitarbeiter im Innnendienst. Für beide Arbeitnehmergruppen wird der Versorgungsbedarf in gleicher Weise beschrieben. Versorgungsregelungen der hier vorliegenden Art wurden vom Senat in der genannten Entscheidung nicht ausgeschlossen.
IV. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, sich auf die Gründe für die einheitliche Behandlung der Arbeitnehmer bei der Berechnung des ruhegeldfähigen Einkommens zu berufen. Die Versorgungsordnung gilt für alle Mitarbeiter in gleicher Weise. Die Gründe, weshalb alle variablen Lohnbestandteile, insbesondere auch die umsatzabhängigen Leistungen, nicht in die Berechnung einbezogen werden, sind ohne weiteres erkennbar.
Fundstellen
Haufe-Index 438681 |
BAGE, 32 |
BB 1998, 1267 |
DB 1998, 1239 |
FA 1998, 223 |
JR 1998, 396 |
NZA 1998, 782 |
RdA 1998, 255 |
SAE 1999, 39 |
ZIP 1998, 1449 |
ArbuR 1998, 286 |
AuA 2000, 184 |
MDR 1998, 912 |
VersR 1998, 1445 |