Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsrechtlicher Status eines Rundfunkmitarbeiters
Leitsatz (amtlich)
Ein programmgestaltender Rundfunkmitarbeiter ist nicht deshalb Arbeitnehmer, weil er zur Herstellung seines Beitrags auf technische Einrichtungen und Personal der Rundfunkanstalt angewiesen ist und aus diesem Grunde in Dispositions- und Raumbelegungspläne aufgenommen wird.
Normenkette
BGB § 611; HGB § 84 Abs. 1 S. 2; GG Art. 5 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12. Juni 1998 – 4 Sa 139/98 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Arbeitnehmerstatus des Klägers.
Der Beklagte ist eine öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalt. Der Kläger ist Journalist auf dem Gebiet der Kunst- und Filmkritik. Er war seit Juni 1986 für den Beklagten tätig. Bis auf einige wenige Ausnahmen war der Kläger ausschließlich mit der Herstellung und seit 1991 außerdem mit der Moderation der Sendung „Filmtip” befaßt. In dieser Sendung werden Kinofilme vorgestellt und besprochen. Aufgrund eines entsprechenden Redaktionsbeschlusses wurde im Jahr 1991 das Konzept der Sendung geändert. Bis dahin wurde in unregelmäßigen Abständen immer nur ein Film behandelt; gesprochen wurde aus dem „off”. Nunmehr bekam die Sendung einen festen wöchentlichen Platz im Rahmen der Vorabendsendung „Aktuelle Stunde”. In der vorgesehenen Zeit von etwa fünf Minuten stellte der Kläger jeden Mittwochabend zwei oder drei aktuelle Filme vor. Zunächst geschah dies live. Seit Ende 1992 wurde die Sendung am Nachmittag des Sendetages vorproduziert. Auch ihr Äußeres wurde geändert. Der Kläger sprach sowohl aus dem „off” als auch vor der Kamera. Eine weitere Änderung erfolgte im Mai 1996, als die Redaktion beschloß, die bisher zusätzlich zum Text eingeblendeten Bewertungsnoten von 1 bis 6 wegfallen zu lassen.
Die gesprochenen Texte stammten stets vom Kläger selbst. Auch in der Auswahl der Filme war der Kläger frei. Vorgegeben war ihm von seiten der Redaktion nur, daß es sich nicht um „Programmfilme”, sondern um „Publikumsfilme” handeln sollte. Für die Auswahl griff der Kläger auf Filmmaterial zurück, welches die Verleiher entweder von sich aus oder auf seine Bitten hin an den Beklagten gesandt hatten. Wenn von der Redaktion Studiogäste eingeladen wurden, so geschah dies ausschließlich auf Anregung und nach den Vorstellungen des Klägers. Vertreten wurde der Kläger in den Sendungen nur in wenigen Krankeits- und Urlaubsfällen. Er hatte teilweise auch dann Anregungen für die zu besprechenden Filme gegeben.
Über die wöchentlichen Beiträge wurden seit 1991 je zwei Verträge geschlossen: ein „Urhebervertrag (Sendevertrag)” für ein Honorar von stets 1.400,00 DM und ein „Mitwirkendenvertrag (Beschäftigungsvertrag)” für ein gleichbleibendes Honorar von 1.284,00 DM. Seit 1991 beliefen sich die jährlichen Bezüge des Klägers auf Beträge zwischen 120.000,00 DM bis 145.000,00 DM. Im „Urhebervertrag” wurden das Sendedatum und der meist mit diesem Datum identische Ablieferungstermin für das Manuskript festgelegt, im „Mitwirkendenvertrag” war die befristete „Vertragszeit” aufgeführt, die in aller Regel der Woche vor dem Sendetermin entsprach. Die Verträge wurden regelmäßig erst im nachhinein unterzeichnet. Ab November 1995 verzichteten die Parteien darauf, daß der Kläger jeden Honorarvertrag einzeln unterschreibe. Er erklärte stattdessen sein generelles Einverständnis mit der Geltung des Tarifvertrags über die Urheberrechte arbeitnehmerähnlicher Personen und der „Allgemeinen Bedingungen für die Beschäftigungsverträge mit auf Produktionsdauer Beschäftigten (Mitwirkungsverträge)”.
Zur Herstellung des „Filmtip” benutzte der Kläger die Ansichts- und Schneideräume des Beklagten. Für die Ansichtsräume wurden wöchentliche Belegungspläne erstellt, in denen die Wünsche der Nutzer zeitlich koordiniert wurden. Der Kläger meldete dementsprechend von Woche zu Woche seinen Bedarf bei der dafür zuständigen Mitarbeiterin an. In den Räumen sichtete er sodann das von ihm ausgesuchte Filmmaterial, um es zu analysieren und erste Schnittideen zu entwickeln. Jeweils am Dienstag vor der Sendung standen dem Kläger von 10.30 Uhr bis 17.00 Uhr ein sog. Schnittplatz und ein fachkundiger Mitarbeiter des Beklagten – ein „Cutter” – zur Verfügung. Die Belegung durch den Kläger war in dem Plan für „Cutter-Dienste” eingetragen.
Die Produktion selbst fand am Sendetag in einem der Studios des Beklagten statt. Für deren Belegung wurden jeweils am Vortag „Studioablaufdispositionen” erstellt. Für den „Filmtip” standen die entsprechenden Studiozeiten meist schon lange im voraus fest, da sie sich nur selten änderten. So fand im Jahr 1996 die Produktion stets von 14.30 Uhr bis 15.30 Uhr statt. Der Kläger wurde nur bei Änderungen informiert. Die Parteien waren sich dabei einig, daß zur Produktion nur der Sendetag selbst in Frage kam, weil die jeweils aktuellsten Filme noch berücksichtigt werden sollten. Der Kläger erschien meistens schon am Vormittag, um noch Moderationstexte zu schreiben und sich mit Maske und Regie zu besprechen. Außerdem mußten seine fertig gemischten Einspielbeiträge (Bild, Geräusch, off-Kommentar) und seine Moderation vom zuständigen Redakteur noch abgenommen werden. Das führte gelegentlich zu Änderungen an der Vorlage des Klägers, etwa weil der Redakteur auf inhaltliche oder sprachliche Widersprüche und Unstimmigkeiten hinwies oder jugendschutzrechtliche Bedenken gegen die Ausstrahlung bestimmter Filmausschnitte anmeldete. Ferner bemerkte bespielsweise der Redaktionsleiter nach der Sendung vom 14. August 1996, daß ein bestimmter Film wohl eher ein „Szenefilm” sei und nicht in das gewünschte Genre passe.
Während der Woche wertete der Kläger vom Beklagten bezogene Fachzeitschriften aus, benutzte das Archiv, besuchte von den Verleihern organisierte Film- und Pressevorführungen und arbeitete zu Hause an Kommentartexten. Er behauptet, alles in allem habe er wöchentlich etwa 42 Stunden für die Erstellung einer Sendung aufgewendet.
Ab Mitte des Jahres 1996 gab es Gespräche über eine neue Konzeption des „Filmtip”. Der Redaktionsleiter wünschte eine Ausrichtung weg von der Kolumne hin zur Reportage und eine andere Präsentation. Der Kläger wurde gebeten, mit Hilfe einer außenstehenden Grafikfirma einen Pilotfilm zu erstellen. Dies und eine grundlegende Änderung der Sendung überhaupt lehnte der Kläger ab. Am 18. Dezember 1996 erschien der Filmtip ein letztes Mal in der bisherigen Form. Anschließend fanden weitere Gespräche zwischen den Parteien über die Bereitschaft des Klägers zur Umsetzung des neuen Konzepts statt, ohne daß der Kläger sich abschließend geäußert hätte. Daraufhin wurde eine andere Mitarbeiterin mit dem Filmtip betraut. Der Kläger wurde nach dem 18. Dezember 1996 nicht mehr eingesetzt. Nach Ansicht des Beklagten ist das Vertragsverhältnis der Parteien beendet.
Der Kläger hat demgegenüber die Auffassung vertreten, er sei Arbeitnehmer gewesen und sein Arbeitsverhältnis bestehe unbefristet fort. Seine Arbeitnehmerstellung ergebe sich aus seiner Weisungsabhängigkeit. Zeitlich komme diese in der Einbindung in Dienstpläne zum Ausdruck, wie sie in den Belegungsplänen für die Ansichtsräume, den Plänen für die Cutter-Dienste und den Studioablaufdispositionen zu erblicken seien. Inhaltlich komme sie in den diversen konzeptionellen Änderungen des „Filmtip” und darin zum Ausdruck, daß er Tätigkeiten wie das Auswerten von Fachzeitschriften und den Besuch von Filmvorführungen auftragsgemäß habe vornehmen müssen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß er sich bei dem Beklagten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befinde.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, der Kläger sei programmgestaltender Mitarbeiter gewesen, mit dem er einzelne, jeweils befristete Verträge über freie Mitarbeit geschlossen habe. Der Kläger sei in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht unabhängig gewesen und habe die Erstellung des „Filmtip” jederzeit ablehnen können. Dienstpläne im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung hätten für ihn nicht gegolten. Im übrigen bestehe ein Vertragsverhältnis auch dann nicht mehr, wenn der Kläger als Arbeitnehmer anzusehen sei. Die Verträge seien in jedem Fall befristet gewesen. Nach Ablauf des letzten Vertrags am 18. Dezember 1996 sei ein neuer Vertrag wegen der Weigerung des Klägers nicht mehr zustande gekommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht eine Arbeitnehmerstellung des Klägers verneint. Der Kläger unterlag keinem Weisungsrecht des Beklagten. Er war freier Mitarbeiter entweder im Sinne des Dienst- oder des Werkvertragsrechts.
A. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Revision zulässig. Auf ihren letzten vier Seiten setzt sich die Revisionsbegründung mit dem angefochtenen Urteil in einer der Vorschrift des § 554 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO genügenden Weise auseinander.
B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist zulässig aber nicht begründet.
I. Der Klageantrag bedarf der Auslegung. Er nennt keinen Zeitpunkt, von dem ab der Kläger festgestellt wissen will, daß er Arbeitnehmer war. Der Kläger wurde ab dem 18. Dezember 1996 nicht mehr eingesetzt. Der Antrag ist deshalb dahin zu verstehen, es möge festgestellt werden, daß er seit diesem Zeitpunkt Arbeitnehmer des Beklagten ist. Für ein Interesse an einer weitergehenden Rückwirkung besteht kein Anhaltspunkt.
II. Mit diesem Inhalt ist der Antrag zulässig. Er ist nicht auf eine abgeschlossene Zeitpanne in der Vergangenheit gerichtet, sondern gegenwartsbezogen. Für einen solchen Antrag ist das besondere Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO regelmäßig gegeben.
III. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger war nicht als Arbeitnehmer für den Beklagten tätig.
1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters – sei es auf Dienst-, sei es auf Werkvertragsbasis – aufgestellt hat. Beide unterscheiden sich durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet.
a) Arbeitnehmer ist derjenige, der seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, daß der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die tatsächlichen Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben, oder eine von ihnen gewünschte Rechtsfolge (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 22. April 1998 – 5 AZR 342/97 – BAGE 88, 263 mwN).
Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalles an. Arbeitnehmer ist insbesondere der Mitarbeiter, der im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB enthält insoweit eine über seinen unmittelbaren Anwendungsbereich hinausgehende gesetzliche Wertung.
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind diese Grundsätze auch im Bereich Funk und Fernsehen maßgebend (BAG 30. November 1994 – 5 AZR 704/93 – BAGE 78, 343; BAG 16. Februar 1994 – 5 AZR 402/92 – BAGE 76, 21).
In diesem Bereich ist zu unterscheiden zwischen programmgestaltenden Tätigkeiten und solchen, denen der Zusammenhang mit der Programmgestaltung fehlt. Auch programmgestaltende Tätigkeit ist nicht nur im Rahmen freier Mitarbeit, sondern ebenso auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses möglich. Wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, erstreckt sich aber der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in den Schranken der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG) gewährleistete verfassungsrechtliche Schutz der Freiheit des Rundfunks auf das Recht der Rundfunkanstalten, dem Gebot der Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte auch bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Mitarbeiter Rechnung zu tragen, die bei der Gestaltung der Programme mitwirken sollen. Dies haben die Fachgerichte bei der Entscheidung darüber zu beachten, ob die Rechtsbeziehungen zwischen den Rundfunkanstalten und ihren in der Programmgestaltung tätigen Mitarbeitern als unbefristete Arbeitsverhältnisse einzuordnen sind (BVerfGE 64, 256, 260; BVerfGE 59, 231, 256 f.; BAGE 88, 263). Wenn die für das Arbeitsrecht allgemein entwickelten Merkmale abhängiger Arbeit dafür sprechen, daß ein Arbeitsverhältnis vorliegt, so kann es ausreichen, dem Einfluß der Rundfunkfreiheit dadurch Rechnung zu tragen, daß einzelne gegen eine Befristung sprechende Merkmale zurückzutreten haben. Die Rundfunkfreiheit verlangt nicht den Verzicht auf jeden Sozialschutz programmgestaltender Mitarbeiter. Sie steht nur arbeitsrechtlichen Regelungen und einer Rechtsprechung entgegen, welche den Rundfunkanstalten die zur Erfüllung ihres Programmauftrags notwendige Freiheit und Flexibilität nehmen würden (BVerfGE 59, 231, 267 f.). Rundfunk- und Fernsehanstalten können demnach ihr Programm durch freie Mitarbeiter, befristet beschäftigte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer in unbefristeten Arbeitsverhältnissen gestalten lassen. Die Rechtsprechung des Senats verbietet den Sendern lediglich widersprüchliches Verhalten; das bedeutet, daß die Sender Mitarbeiter, die sie als freie Mitarbeiter eingestellt haben, auch als solche behandeln müssen(BAGE 88, 263).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen war der Kläger kein Arbeitnehmer.
a) Der Kläger war programmgestaltender Mitarbeiter. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehören zu den programmgestaltenden Mitarbeitern diejenigen, die „typischerweise ihre eigene Auffassung zu politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen oder anderen Sachfragen, ihre Fachkenntnisse und Informationen, ihre individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft in die Sendung einbringen, wie dies bei Regisseuren, Moderatoren, Kommentatoren, Wissenschaftlern und Künstlern der Fall ist”. Nicht zu den programmgestaltenden Mitarbeitern gehören das betriebstechnische und das Verwaltungspersonal sowie diejenigen, die zwar bei der Verwirklichung des Programms mitwirken, aber keinen inhaltlichen Einfluß darauf haben (BVerfGE 64, 256, 260; BVerfGE 59, 231, 260 ff., 271).
Der Kläger brachte in die Sendung „Filmtip” seine eigenen journalistischen, künstlerischen und kunstkritischen Befähigungen und Auffassungen ein. Er gab der Sendung durch Auswahl, Bildausschnitt und Bewertung der dargestellten Filme ihr Gepräge. Daß die Studioausstattung und die Grafik in Vor- und Abspann festlagen, ist demgegenüber nebensächlich.
b) Bei programmgestaltenden Mitarbeitern kann ein Arbeitsverhältnis vorliegen, wenn der Mitarbeiter zwar an dem Programm gestalterisch mitwirkt, dabei jedoch weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterliegt, ihm also nur ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbständigkeit verbleibt. Ein Arbeitsverhältnis kann auch dann zu bejahen sein, wenn der Sender innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung verfügen kann. Das ist dann der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich „zugewiesen” werden. Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben. Es ist ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft, wenn der Mitarbeiter in Dienstplänen aufgeführt wird, ohne daß die einzelnen Einsätze im voraus abgesprochen werden (BAG 22. April 1998 – 5 AZR 191/97 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 96; BAGE 78, 343).
aa) Der Kläger wirkte an der Gestaltung des Programms „Filmtip” nicht nur mit, sondern unterlag bei dessen Herstellung und Moderation keinerlei inhaltlichen Weisungen des Beklagten. Allein der Kläger wählte die vorzustellenden Filme aus. Nur er entschied darüber, welche Ausschnitte gezeigt werden sollten. Er selbst verfaßte die kommentierenden Texte und nahm ohne Absprache mit der Redaktion die Bewertung des Films vor. Die dabei angelegten Maßstäbe waren ausschließlich seine eigenen. Der Kläger entschied frei darüber, wen er als Studiogast empfangen wollte. Daß er die Einladung sodann im Namen des Beklagten aussprach, ändert daran nichts.
Mit der Vorgabe des Beklagten, bei den präsentierten Filmen solle es sich um „Publikumsfilme” handeln, geht keine inhaltliche Einflußnahme einher. Der Beklagte hat auf diese Weise nur eine Abgrenzung und Bestimmung der vom Kläger geschuldeten Leistung vorgenommen. Dies ist auch im Rahmen eines freien Dienst- oder Werkvertragsverhältnisses ohne weiteres möglich und üblich. Zu diesem Leistungsbestimmungsrecht des Beklagten gehört es auch, die Art der Produktion und Präsentation der Sendung festzulegen. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Es bedeutet deshalb keine Weisungsabhängigkeit des Klägers im arbeitsrechtlichen Sinne, wenn die Redaktion darüber befand, wie viele Filme pro Sendung vorgestellt, ob die Kommentare „off” oder vor der Kamera gesprochen, wie der Vor- und Abspann gestaltet werden sollte, ob die Sendung live ausgestrahlt oder vorproduziert wurde und ob sie Kolumnen- oder aber Reportagecharakter besitzen sollte. Die Gestaltungsfreiheit des Klägers wurde auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß es im Rahmen der Abnahme durch den verantwortlichen Redakteur gelegentlich zu geringfügigen Änderungen gekommen ist. Durch den Hinweis auf jugendschutzrechtliche Vorgaben und in sich widersprüchliche Textpassagen nahm der Beklagte lediglich ihm als Sender obliegende Pflichten bzw. ihm als Dienst- oder Auftraggeber zustehende Rügerechte war. Mit einer Kontrolle der Qualität seiner Arbeit muß auch der freie Mitarbeiter rechnen(BAG 13. Mai 1992 – 5 AZR 434/91 – nv. unter IV 2 der Entscheidungsgründe).
bb) Der Kläger unterlag bei der Gestaltung seiner Tätigkeit auch keinen sonstigen Weisungen des Beklagten. Der Kläger hat insoweit vorgetragen, es sei für die Herstellung der Sendung unerläßlich gewesen, daß er Fachzeitschriften studiert, das Archiv des Beklagten aufgesucht und Pressevorführungen der Verleihfirmen besucht habe. Die Notwendigkeit dieser Tätigkeit kann zugunsten des Klägers unterstellt werden. Dennoch beruhen seine Aktivitäten nicht auf entsprechenden Anweisungen des Beklagten. Es war allein Sache des Klägers darüber zu entscheiden, ob und in welcher Weise er sich fachkundig und auf dem laufenden halten und sich das nötige Wissen für die Erfüllung der von ihm übernommenen Aufgabe verschaffen wollte.
cc) Der Kläger war als programmgestaltender Mitarbeiter nicht deshalb in den Betrieb des Beklagten eingegliedert und damit persönlich abhängig, weil er zur Herstellung seiner Sendung auf technische Einrichtungen und Mitarbeiter des Beklagten angewiesen war. Er unterlag auch in diesem Bereich seiner Arbeit keiner Weisung des Beklagten. Dieser hatte weder vorgegeben, daß der Kläger die vorhandenen Einrichtungen überhaupt zu nutzen habe, noch in welcher Weise das zu geschehen habe. Auch in einem freien Mitarbeiterverhältnis tätige Filmhersteller und Moderatoren müssen sich des Personals und der Einrichtungen des Senders bedienen, um ihre Beiträge technisch sendereif fertigzustellen. Zwar wäre es denkbar, daß ein freier Filmhersteller eigene Mitarbeiter beschäftigte und selbst den erforderlichen technischen Apparat unterhielte. In der Praxis dürfte das jedoch kaum vorkommen, weil die anfallenden Kosten zu hoch wären. Das Angewiesensein auf Mitarbeiter und Einrichtungen des Senders kann daher nicht als Umstand gewertet werden, der auf eine Eingliederung und persönliche Abhängigkeit schließen läßt(BAGE 78, 343, 352; BAG 13. Mai 1992 – 5 AZR 434/91 – nv. unter IV 5 der Entscheidungsgründe).
dd) Der Kläger konnte über seine Arbeitszeit und den Arbeitsort im wesentlichen frei bestimmen. Über beide hat der Beklagte nicht verfügt. Vom Kläger wurde weder Dienstbereitschaft zu bestimmten Zeiten erwartet noch wurde er zu irgendwelchen Arbeiten ohne vorherige Vereinbarung herangezogen.
(1) Es stand im Belieben des Klägers, wann und wo er die geistigen und konzeptionellen Vorarbeiten für den „Filmtip” erledigte. Er hatte nicht etwa an bestimmten Wochentagen oder zu bestimmten Tageszeiten im Hause des Beklagten anwesend zu sein und zu bestimmten Zwecken zur Verfügung zu stehen.
(2) Der Kläger war entgegen seiner Ansicht in Dienstpläne im Sinne der Rechtsprechung nicht eingeteilt. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht mit zutreffenden Erwägungen ausgegangen. Dienstpläne, die für eine Weisungsabhängigkeit des Mitarbeiters sprechen, sind nur solche, die den Mitarbeiter einseitig zu bestimmten Zeiten, in einem bestimmten Umfang und zu bestimmten Tätigkeiten heranziehen. Für den Kläger existierten solche Pläne nicht. Soweit es um die Benutzung der technischen Einrichtungen des Beklagten ging, hatte er sich lediglich gewissen zeitlichen Sachzwängen anzupassen. Sie ergaben sich aus der Notwendigkeit, die nur in begrenzter Anzahl vorhandenen Ansichtsräume, Schneideplätze und Studios auf die verschiedenen Benutzer zu verteilen. Auch dabei wurde aber entweder von Fall zu Fall auf die entsprechenden Wünsche des Klägers möglichst Rücksicht genommen, so bei der Verteilung der Ansichtsräume, oder es standen die Nutzerzeiten für den Kläger langfristig und nach zweiseitiger Absprache fest – so für die Schneidepläne und Cutter-Dienste und für das Aufnahmestudio. Der Umstand, daß der Kläger in die betreffenden Dispositions- und Raumbelegungspläne aufgenommen wurde, bedeutete nicht, daß er zu diesen Zeiten aufgrund von Weisungen des Beklagten hätte zur Verfügung stehen müssen und „Dienst” gehabt hätte. Die Pläne gaben nur das Ergebnis der Koordinierung der Nutzerwünsche wieder. Organisationspläne solcher Art sind bei einem begrenzten Angebot der benötigten technischen Einrichtungen eines Senders auch für freie Mitarbeiter unumgänglich. Sie machen den Kläger nicht zum Arbeitnehmer.
Daß es für den „Filmtip” ein wöchentlich wiederkehrendes festes Sendedatum gab und die Produktion wegen der gewünschten Aktualität erst zu feststehenden Zeiten am Nachmittag des Sendetages erfolgen sollte, führte ebenfalls nicht zu einer persönlichen Abhängigkeit des Klägers. Auch mit freien Mitarbeitern ist die Vereinbarung fester Zeiten zur Abgabe des Manuskripts und für die Moderation einer Sendung üblich oder gar unerläßlich. Das Versprechen, eine Leistung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fertigzustellen, macht den Leistenden im arbeitsrechtlichen Sinne nicht weisungsabhängig(BAG 13. Mai 1992 – 5 AZR 434/91 – nv. unter IV 3 der Entscheidungsgründe; BAG 11. Dezember 1985 – 5 AZR 435/84 – nv. unter B II 1 b der Entscheidungsgründe).
(3) Die vertraglich einbezogenen Regelungen in den „Allgemeinen Bedingungen für Beschäftigungsverträge mit auf Produktionsdauer Beschäftigten” begründen im Streitfall keine weitergehenden Rechte für den Beklagten. Zwar hat der Beschäftigte nach Nr. 4.2 der Bedingungen „zu den Zeiten und an den Orten, die ihm einzeln, in Dienst-/Produktionsplänen oder in mündlichen Dispositionsabsprachen mitgeteilt worden sind, zu erscheinen oder sich zu den festgelegten Abrufzeiten erreichbar zur Verfügung zu halten”. Für den Kläger gab es solche Vorgaben aber gerade nicht.
Nach Nr. 4.3 hat der Beschäftigte ggf. „die von ihm vertraglich übernommene Tätigkeit in der Vertragszeit ersatzweise auch für eine andere Produktion zu erbringen oder eine andere, gleichartige Tätigkeit in derselben Produktion zu übernehmen, soweit (er) sein Einverständnis nicht aus künstlerisch-berechtigten Erwägungen versagt”. Auf den Kläger treffen die Voraussetzungen für ein solches Weisungsrecht des Beklagten nicht zu. Er hat vertraglich keine Tätigkeit übernommen, die er ersatzweise für eine andere Produktion hätte erbringen können. Er konnte auch keine andere gleichartige Tätigkeit in derselben Produktion erbringen. Der Kläger schuldete die Herstellung des Manuskripts für die Präsentation von ihm selbst ausgesuchter Kinofilme und die Realisierung der entsprechenden Sendung. Dieser werkvertragliche Charakter seiner Leistung schließt die Anwendung von Nr. 4.3 der Allgemeinen Bedingungen aus. Im übrigen würde an seiner inhaltlichen und zeitlichen Weisungsunabhängigkeit auch Nr. 4.3 nichts ändern können.
Aus Nr. 5.1 der Allgemeinen Bedingungen folgt nichts anderes. Danach haben Beschäftigte „für den Zeitraum, für den sie verpflichtet sind, dem (Beklagten) ausschließlich zur Verfügung zu stehen”. Auch dies setzt voraus, daß der Beschäftigte sich überhaupt zur Verfügung des Beklagten zu halten hat. Dies ist beim Kläger vertraglich nicht der Fall.
c) Zwischen den Parteien ist nicht deshalb ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, weil ihre vertraglichen Beziehungen insgesamt über zehn Jahre bestanden haben. Auch wenn es sich bei den Rechtsbeziehungen der Parteien um ein einheitliches Dauerrechtsverhältnis gehandelt haben sollte, steht allein damit nicht fest, daß es sich nur um ein Arbeitsverhältnis und nicht um ein freies Mitarbeiterverhältnis gehandelt haben kann. Beide Rechtsformen sind sowohl mit als auch ohne Dauerverpflichtung denkbar(BAG 13. Mai 1992 – 5 AZR 434/91 – nv. unter IV 4 der Entscheidungsgründe mwN; BAG 11. Dezember 1985 – 5 AZR 435/84 – nv. unter B II 5 der Entscheidungsgründe).
Ebensowenig macht allein ein bestimmter zeitlicher Tätigkeitsumfang einen Mitarbeiter zum Arbeitnehmer. Der Kläger hat behauptet, er habe wöchentlich insgesamt 42 Stunden für die sendereife Herstellung des „Filmtip” aufgewendet. Auch wenn dies zu seinen Gunsten unterstellt wird, so führt doch nicht schon das Ausmaß der zeitlichen Inanspruchnahme durch die übernommene Aufgabe zur persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit(BAG 13. Mai 1992 – 5 AZR 434/91 – nv. unter IV 3 der Entscheidungsgründe; BAG 27. Februar 1991 – 5 AZR 107/90 – nv. unter III 3 der Entscheidungsgründe).
IV. Mangels Weisungsabhängigkeit war der Kläger kein Arbeitnehmer des Beklagten. Die Klage ist damit insgesamt unbegründet. Auf der Grundlage des gestellten Antrags war nicht darüber zu entscheiden, ob der Kläger, wenn nicht in einem Arbeitsverhältnis, so doch in einem anderen unbefristeten Rechtsverhältnis zum Beklagten steht.
Unterschriften
Griebeling, Müller-Glöge, Kreft, Ackert, Buschmann
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.01.2000 durch Metze, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 507984 |
BAGE, 218 |
BB 2000, 1358 |
DB 2000, 1520 |
NWB 2000, 2514 |
ARST 2000, 234 |
FA 2000, 329 |
NZA 2000, 1102 |
RdA 2000, 360 |
SAE 2000, 263 |
ZAP 2000, 831 |
AP, 0 |
MDR 2000, 1918 |
PersR 2000, 297 |
PersV 2001, 83 |
ZUM-RD 2000, 462 |
AUR 2000, 275 |