Leitsatz (redaktionell)
(Betriebsbedingte Kündigung - soziale Auswahl) Muß in einem Betrieb des Baugewerbes eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen ausgesprochen werden, dann sind - im übrigen vergleichbare - Arbeitnehmer, die für eine Arbeitsgemeinschaft freigestellt worden sind, nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen.
Normenkette
ZPO § 286; KSchG § 1 Abs. 2-3
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 13.12.1985; Aktenzeichen 3 Sa 98/85) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 14.08.1985; Aktenzeichen 14 Ca 349/84) |
Tatbestand
Der am 3. Juli 1929 geborene, verheiratete und fünf in der Ausbildung stehenden Kindern unterhaltspflichtige Kläger war bei der Beklagten seit dem 9. November 1971 als Schweißer beschäftigt. Er verdiente monatlich ca. 3.000,-- DM brutto. Der Kläger war bei der Hauptniederlassung H dem sogenannten "Maschinenbetrieb-Regie" zugeordnet. Dieser auch als "Montagebetrieb" oder "Montagebetrieb-Regie" bezeichnete Betriebsteil war wiederum der Betriebsstätte "Lagerplatz B" angegliedert. Schwergewicht des Betätigungsbereiches der Hauptniederlassung H war der Tiefbau. Bedienung, Wartung und Reparatur des Maschinenparks wurde vom "Lagerplatz B" bzw. dem angegliederten "Maschinenbetrieb-Regie" aus vorgenommen. Letzterer beschäftigte insbesondere Personal für den jeweiligen Spitzenbedarf. Der Kläger wurde teilweise stationär im "Maschinenbetrieb-Regie" und nach Bedarf auf Großbaustellen für Schweißarbeiten an den eingesetzten Maschinen beschäftigt.
Seit 1980 entwickelten sich die Umsätze der Hauptniederlassung H bei der Beklagten rückläufig. Sie betrugen
1980 135,4 Mio DM
1981 117,0 Mio DM
1982 110,2 Mio DM
1983 94,0 Mio DM
1984 (hochgerechnet) 76,7 Mio DM.
Für 1982 hatte die Beklagte in ihrer Hauptniederlassung H einen Verlust von ca. 10 %, für 1983 in Höhe von ca. 20 % des Umsatzes. Seit 1981 fielen im Betriebsteil "Maschinenbetrieb-Regie" 19.140,5 Kurzarbeiterstunden und 67.800 Arbeitsstunden an. Im Frühjahr 1984 sah sich die Beklagte wegen dieser Entwicklung zu umfangreicheren personellen Maßnahmen veranlaßt. Unter dem 3. Mai 1984 unterrichtete sie ihren Betriebsrat im Rahmen von § 111 BetrVG über ihre Absicht, den dem Lagerplatz B angegliederten Montagebetrieb "Maschinenbetrieb-Regie" aufzulösen, Geräteführer, Schlosser und Schweißer nur noch für den laufenden Betrieb zu disponieren und kein Personal für zusätzlichen Spitzenbedarf vorzuhalten. Der daraufhin am 24./25. Mai 1984 vereinbarte Interessenausgleich sieht unter Ziffer II 3 für die auf dem Lagerplatz B und im Bereich "Montagebetrieb- Regie" beschäftigten Arbeitnehmer vor, daß von den insgesamt 107 Beschäftigten 62 Arbeitnehmer weiterbeschäftigt und 45 gekündigt werden sollte. Der "Maschinenbetrieb-Regie" wurde im Zuge der Betriebseinschränkung als eigenständige Betriebsabteilung aufgelöst.
Am 18. Juli 1984 teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige, dem Kläger zum 30. September 1984 zu kündigen. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung am 25. Juli 1984. Mit Schreiben vom 27. Juli 1984 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. September 1984. Das Kündigungsschreiben wurde am 27. Juli 1984 zur Post gegeben. Nicht gekündigt wurde dem Schweißer F, der von der Beklagten zur Arbeitsgemeinschaft (ARGE) "S" abgestellt war. Außerdem beschäftigte die Beklagte drei Schweißer-Vorarbeiter (Berufsgruppe II) weiter, der Kläger gehört der Berufsgruppe IV an.
Mit seiner am 21. August 1984 bei Gericht erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewehrt. Er hat vorgetragen, das Kündigungsschreiben habe er erst am 1. August 1984 auf dem Postwege erhalten. Die Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt, da für ihn als Schweißer noch andere Einsatzmöglichkeiten bei der Beklagten bestanden hätten. Auf die Auflösung der Abteilung "Maschinenbetrieb-Regie" komme es nicht an, da er auch zuvor schon überwiegend auf Baustellen eingesetzt worden sei. Insbesondere habe für ihn eine Einsatzmöglichkeit auf der Baustelle "S" bestanden, dort sei er auch schon früher eingesetzt worden. Zu Unrecht habe die Beklagte den zur ARGE "S" abgestellten Schweißer F nicht in die Sozialauswahl einbezogen. Auch wenn dieser andere, im übrigen sozial stärkere Arbeitnehmer zur ARGE abgestellt sei, bestehe sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten weiter. Die Beklagte könne sich nicht, ohne tragende Grundsätze des Kündigungsschutzrechtes zu umgehen, auf die Abstellung des Arbeitnehmers F zur ARGE berufen. Sie könne diesen Arbeitnehmer wieder in den Stammbetrieb zurückrufen, zumindest hätte sie sich eine solche Rückrufmöglichkeit gegenüber der ARGE vorbehalten müssen. Auch habe die Beklagte nicht geprüft, ob er, der Kläger, als gelernter Maurer anderweitig hätte beschäftigt werden können. Da er auch schon als Betonbauer für die Beklagte tätig gewesen sei, hätte die Prüfung einer anderweitigen Beschäftigung oder gegebenenfalls Umschulung sich auch auf eine solche Tätigkeit erstrecken müssen, das sei jedoch nicht geschehen.
Der Kläger hat beantragt
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis
der Parteien nicht durch die Kündigung
der Beklagten vom 27. Juli 1984
zum 30. September 1984 aufgelöst wird,
sondern fortbesteht,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten
Arbeitsbedingungen als
Schweißer weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, mit der Auflösung des Betriebsteiles "Maschinenbetrieb-Regie" sei der Arbeitsplatz des Klägers entfallen. Die drei weiterbeschäftigten Schweißer-Vorarbeiter seien mit dem Kläger nicht vergleichbar. Daß gleiche gelte für den Schweißer F, der zur ARGE "S" abgestellt sei. Dieser habe ein Arbeitsverhältnis zur ARGE begründet, dies sei weder aus Gründen des betrieblichen Geschehens bei der Beklagten aufkündbar, noch könne die Beklagte die ARGE zum Ausspruch einer Kündigung veranlassen. Dem Kläger habe auch keine Beschäftigung als Maurer angeboten werden können, da Gegenstand des Interessenausgleichs vom Mai 1984 auch die Kündigung sämtlicher Maurer gewesen sei. Über einen freien Arbeitsplatz für Betonbauer verfüge sie, die Beklagte, ebenfalls nicht, außerdem fehle dem Kläger hierfür die Qualifikation.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
A. Das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, ob die Kündigungsschutzklage verspätet erhoben worden ist, weil die Kündigung jedenfalls sozial gerechtfertigt sei. Die Beklagte habe ihren "Maschinenbetrieb-Regie", bei dem der Kläger seit 1971 als Schweißer tätig war, stillgelegt. Hierdurch sei auch der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen. Zwischen den Parteien sei unstreitig, daß andere Einsatzmöglichkeiten für Schweißer bei der Beklagten nicht bestanden hätten.
Bei der Sozialauswahl seien die Arbeitsplätze von Maurern und Betonbauern schon deswegen nicht mit einzubeziehen gewesen, weil sie mit dem Arbeitsplatz des Klägers als Schweißer im "Maschinenbetrieb-Regie" nicht vergleichbar seien. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, den zur ARGE abgestellten Schweißer F in die soziale Auswahl miteinzubeziehen. Dadurch, daß F am 9. Januar 1984 zur ARGE abgestellt worden sei und er dort seine Tätigkeit als Schweißer aufgenommen habe, sei ein Arbeitsverhältnis zur ARGE begründet worden, während sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten nach § 9 Ziff. 2.1 des BRTV für gewerbliche Arbeitnehmer des Baugewerbes geruht habe. Zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers habe F daher nicht mehr demselben Betrieb angehört wie der Kläger. Die soziale Auswahl sei aber betriebsbezogen. Für die Beklagte habe auch keine Möglichkeit bestanden, auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses von F bei der ARGE hinzuwirken. Dabei sei zu berücksichtigen, daß F in seinem Arbeitsverhältnis zur ARGE nach dem sechsmonatigen Bestehen dieses Arbeitsverhältnisses bereits Kündigungsschutz erworben habe (§ 1 Abs. 1 KSchG).
B. Der Senat ist den Ausführungen des Berufungsgerichts im Ergebnis und im wesentlichen auch in der Begründung gefolgt.
I. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die revisionsrechtlich nur darauf überprüfbar ist, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Subsumtion des Sachverhaltes unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 42, 151, 157 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, m.w.N.).
II. Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabes halten die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Betriebsbedingtheit der Kündigung einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Unstreitig ist die Abteilung "Maschinenbetrieb-Regie", der der Kläger zugeordnet war, von der Beklagten aufgelöst worden.
a) Das Landesarbeitsgericht hat darüberhinaus festgestellt, daß hierdurch der bisherige Arbeitsbereich des Klägers weggefallen sei. An diese Feststellung ist das Revisionsgericht gemäß § 561 Abs. 2 ZPO gebunden.
b) Außerdem hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, die Beklagte habe andere Einsatzmöglichkeiten für Schweißer nicht gehabt. Das Berufungsgericht hat diese Feststellung als zwischen den Parteien unstreitig bezeichnet.
Soweit die Revision demgegenüber hervorhebt, die Frage eines anderweitigen Einsatzes des Klägers sei strittig gewesen, erhebt sie erkennbar die Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe § 286 ZPO verletzt. Diese Rüge ist unstatthaft, weil die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen insoweit nur mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 Abs. 1 ZPO hätten angegriffen werden können. Die Feststellung eines unstreitigen Parteivorbringens gehört zum Tatbestand im Sinne des § 314 ZPO, auch wenn sie nicht im formellen Tatbestand (§ 313 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), sondern in den Entscheidungsgründen eines Urteils getroffen wird (BAGE 19, 342 = AP Nr. 13 zu § 91 a ZPO).
2. Rechtlich nicht zu beanstanden ist es auch, daß sich das Landesarbeitsgericht nicht näher mit dem Vortrag des Klägers auseinandergesetzt hat, er könne in seinem Lehrberuf als Maurer eingesetzt werden, denn der Kläger hat die Behauptung der Beklagten, sie habe alle Maurer entlassen, nicht bestritten. Entgegen der Auffassung der Revision hatte das Landesarbeitsgericht auch keine Veranlassung, näher auf den Vortrag des Klägers einzugehen, er sei bereit, in einer anderen Hauptniederlassung zu arbeiten, denn nach der Feststellung des Landesarbeitsgerichts ist zwischen den Parteien unstreitig, daß bei der Beklagten eine andere Beschäftigungsmöglichkeit für einen Schweißer nicht bestanden hat.
III. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der Frage, ob die Kündigung rechtsunwirksam ist, weil die Beklagte bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt hat, unterliegen nur einer beschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung, weil der Begriff der ausreichenden Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte ebenso wie der der Sozialwidrigkeit ein unbestimmter Rechtsbegriff ist (BAGE 42, 151, 159 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B III der Gründe, m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht von der Betriebsbezogenheit der sozialen Auswahl ausgegangen (BAGE 41, 72 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; BAG Urteil vom 22. Mai 1986 - 2 AZR 612/85 - EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 22; Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 1 Rz 215; Weller, AuR 1986, 225 ff.).
2. Besonderheiten ergeben sich vorliegend aus der Tatsache, daß der vom Kläger benannte weniger schutzbedürftige Schweißer F zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung in einer sogenannten Arbeitsgemeinschaft (ARGE) beschäftigt wurde.
a) Da die Erstellung größerer, komplexer Objekte - z. B. der Bau von großen Verkehrsanlagen, Industrieprojekten oder von der öffentlichen Hand vergebener Aufträge zur Erstellung von Universitäten oder Krankenhäusern - häufig die Leistungskraft eines einzelnen Unternehmens übersteigt, schließen sich immer häufiger die an der Ausführung eines solchen Projektes interessierten Unternehmen zu Arbeitsgemeinschaften zusammen, um das Objekt gemeinsam zu erstellen. Die Unternehmen, die sich zur Ausführung eines ihnen gemeinsam erteilten Auftrages verbunden haben, bilden regelmäßig eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes (§ 705 BGB). Die gegenseitigen Rechte und Pflichten werden in aller Regel aufgrund sogenannter Musterverträge vereinbart, die die Verbände der Deutschen Bauindustrie und des Deutschen Baugewerbes ausarbeiten. Danach stellen u.a. die beteiligten Unternehmen entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis Personal an die ARGE ab.
b) Für kürzere Einsätze bei der ARGE werden Arbeitnehmer von ihrem Stammbetrieb abgeordnet. In diesem Falle wird kein neues Arbeitsverhältnis des abgeordneten Arbeitnehmers zur ARGE begründet, vielmehr bleibt das bisherige zum abordnenden Unternehmen bestehen. Der abgeordnete Arbeitnehmer schuldet auch nach wie vor seine Arbeitsleistung nur dem abordnenden Arbeitgeber, dieser behält sein Direktionsrecht und schuldet das Arbeitsentgelt. Die einzige Besonderheit besteht darin, daß der abgeordnete Arbeitnehmer nur mit Zustimmung der ARGE zurückgerufen werden kann.
c) Für längere Einsätze bei der ARGE können Arbeitnehmer von ihren Stammarbeitgebern auch freigestellt werden. Die Freistellung ist in § 9 BRTV für gewerbliche Arbeitnehmer des Baugewerbes geregelt. Mit der Arbeitsaufnahme wird zwischen dem freigestellten Arbeitnehmer und der ARGE ein Arbeitsverhältnis begründet. Daneben besteht das Arbeitsverhältnis zum freistellenden Arbeitgeber fort, das aber während der Dauer der Freistellung ruht (vgl. die detaillierte rechtliche Regelung in § 9 BRTV). Erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur ARGE lebt das Arbeitsverhältnis zum Stammarbeitgeber wieder auf, der den gewerblichen Arbeitnehmer aber nur mit Zustimmung der Bauleitung zurückrufen kann.
d) Nach diesen Regelungen und dem unstreitigen Sachverhalt war der Schlosser F für die ARGE "S" freigestellt.
aa) Die Beklagte hat hierzu substantiiert vorgetragen, der Arbeitnehmer F sei zur Zeit der angefochtenen Kündigung gemäß § 9 BRTV zur ARGE "S " abgestellt gewesen. Der Arbeiter F habe in der Zeit vom 9. Januar 1984 bis 3. Februar 1985 in den Diensten dieser ARGE gestanden, während sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten geruht habe. Mit dem Hinweis auf § 9 BRTV hat die Beklagte klarstellen wollen, daß der Arbeitnehmer F freigestellt gewesen ist. Sie hat nämlich an anderer Stelle ausgeführt, "eine arbeitsrechtlich für alle Teile befriedigende Lösung stellt übrigens die ebenfalls teilweise praktizierte Abordnung zu Arbeitsgemeinschaften dar, bei der kein Arbeitsverhältnis zur Arbeitsgemeinschaft besteht. Im vorliegenden Falle geht es jedoch hinsichtlich des Arbeitnehmers F ausschließlich um die Abstellung im Sinne des § 9 BRTV." Hat die Beklagte behauptet, der Arbeitnehmer F sei nicht abgeordnet, sondern nach § 9 BRTV abgestellt worden, hat sie damit vorgetragen, der Arbeitnehmer F sei freigestellt worden. Diese Behauptung hat der Kläger nicht bestritten.
bb) Aus der Freistellung ergibt sich, daß der Arbeitnehmer F mit dem Kläger nicht vergleichbar und deshalb nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen war. Der Arbeitnehmer F war vor seiner Freistellung im selben Betrieb wie der Kläger beschäftigt, sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten besteht auch noch, ruht aber. Die Einbeziehung in die soziale Auswahl scheitert daher nicht bereits an der Betriebsbezogenheit der sozialen Auswahl.
Die Einbeziehung des Arbeitnehmers F in die soziale Auswahl scheidet aber vorliegend aus, weil die Beklagte gegenüber dem Arbeitnehmer F kein dringendes betriebliches Bedürfnis für eine Kündigung hatte. Insoweit ist die Rechtslage ähnlich wie bei der längerfristigen Beurlaubung. Wird ein Arbeitnehmer beispielsweise für zwei Jahre beurlaubt und muß der Arbeitgeber kurze Zeit danach betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, um die Belegschaft dem zurückgegangenen Auftragsvolumen anzupassen und auch die Lohnkosten der veränderten Auftragslage anzugleichen, erreicht er dieses Ziel nicht mit der Kündigung des beurlaubten Arbeitnehmers, weil die gegenseitigen Hauptpflichten ruhen und deshalb dieses Arbeitsverhältnis den Arbeitgeber nicht mit Lohnkosten belastet und er diesen Arbeitnehmer auch nicht beschäftigen muß. Wäre der Arbeitgeber gezwungen, zunächst dem beurlaubten Arbeitnehmer zu kündigen, stünde er nicht besser als vor der Kündigung, er müßte einem weiteren Arbeitnehmer kündigen, um sein Ziel zu erreichen, die Belegschaft dem zurückgegangenen Auftragsvolumen anzupassen und die Lohnkosten der veränderten Auftragslage anzugleichen. Umgekehrt wäre die Kündigung gegenüber dem beurlaubten Arbeitnehmer sozialwidrig, weil nicht feststeht, ob der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der vereinbarten Wiederaufnahme der Arbeit die Belegschaft reduzieren muß.
Ähnlich ist die Situation bei einem für eine Arbeitsgemeinschaft freigestellten Arbeitnehmer. Auch hier ruht das Arbeitsverhältnis zu dem freistellenden Arbeitgeber, dieser muß den Arbeitnehmer nicht beschäftigen und ihm keinen Lohn zahlen. Ein Unterschied zur Beurlaubung besteht nur insofern, als die Freistellung, die ein weiteres Arbeitsverhältnis zur Arbeitsgemeinschaft begründet, durch unternehmerische Aktivitäten des Stammarbeitgebers ermöglicht wird. Für die betriebsbezogene soziale Auswahl kann der gekündigte Arbeitnehmer sich aber nur auf das ruhende Arbeitsverhältnis des freigestellten Arbeitnehmers berufen, weil das weitere Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber begründet worden ist.
Dementsprechend hatte auch vorliegend die Beklagte keinen Kündigungsgrund gegenüber dem Arbeitnehmer F, aus diesem Grunde war dieser nicht in den Kreis der Arbeitnehmer einzubeziehen, zwischen denen eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten zu erfolgen hatte.
Vorliegend hatte der Arbeitnehmer F bei der ARGE zudem schon Kündigungsschutz erworben, da das Arbeitsverhältnis bei ihr länger als sechs Monate bestand. Auch die ARGE hätte dem Arbeitnehmer F nicht aus dringenden betrieblichen Gründen kündigen können, weil ein Bedürfnis für seine Beschäftigung nach wie vor vorhanden war. Konnte die Beklagte die Rückkehr des Arbeitnehmers F in den Stammbetrieb zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers nicht erreichen, war auch aus diesem Grunde der Arbeitnehmer F in die soziale Auswahl nicht einzubeziehen.
3. Weil auch die drei Schweißer-Vorarbeiter mit dem Kläger nicht vergleichbar und im übrigen auch nicht weniger schutzbedürftig als er waren, ist die Rüge der nicht ausreichenden sozialen Auswahl insgesamt unbegründet.
C) Dementsprechend war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Hillebrecht Dr. Weller Ascheid
Mauer Dr. Bobke
Fundstellen
Haufe-Index 437575 |
DB 1987, 2158-2159 (LT) |
JR 1988, 88 |
NZA 1987, 775-776 (LT) |
RdA 1987, 313 |
RzK, I 5d Nr 21 (LT1) |
AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl (LT), Nr 15 |
AR-Blattei, Baugewerbe VI Entsch 2 (LT1) |
AR-Blattei, ES 1020 Nr 282 (LT1) |
AR-Blattei, ES 370.6 Nr 2 (LT1) |
AR-Blattei, Kündigungsschutz Entsch 282 (LT1) |
EzAÜG, KSchG Nr 7 (LT1) |
EzAÜG, Nr 276 (LT1) |
EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl, Nr 24 (LT) |