Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Lehrkraft. Gleichbehandlung
Normenkette
BGB §§ 242, 612 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 5. Mai 1997 – 5 (2) Sa 2203/94 E – aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 28. Oktober 1994 – 3 Ca 717/93 E – wird vollen Umfangs zurückgewiesen.
3. Die Anschlußrevision der Klägerin wird zurückgewiesen.
4. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Vergütung der Klägerin.
Die am 4. Dezember 1951 geborene Klägerin verfügt sowohl über die staatliche Anerkennung als Erzieherin als auch über diejenige als Sozialpädagogin (graduiert). Nachdem sie in der Zeit von 1974 bis 1976 als Lehrerin im Angestelltenverhältnis an der Christophorusschule in Göttingen, einer Sonderschule für geistigbehinderte Kinder, tätig gewesen war, nahm sie diese Tätigkeit am 7. Februar 1984 wieder auf. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtete sich zunächst nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 27. Februar 1984. In dessen § 1 ist u.a. die Eingruppierung der Klägerin in die Vergütungsgruppe V b BAT vereinbart. Nach § 2 dieses Vertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen sowie den Eingruppierungserlassen des Niedersächsischen Kultusministers in der jeweils geltenden Fassung.
Der für die Eingruppierung der Klägerin maßgebliche Erlaß des Niedersächsischen Kultusministers in der Fassung vom 11. April 1986 (Nds MBl S. 424) – nachfolgend kurz: Eingruppierungserlaß – lautet auszugsweise wie folgt:
“… |
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Lehrkräfte an Sonderschulen |
VergGr |
20. |
Lehrkräfte mit der Befähigung für das Lehramt an Sonderschulen |
II a |
21 |
Lehrkräfte mit der ersten staatlichen Prüfung für das Lehramt an Sonderschulen (…) |
III |
… |
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24. |
Lehrkräfte als Gruppen-/Klassenleiter für Geistigbehinderte |
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1. |
… |
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2 |
mit staatlicher Prüfung oder staatlicher Anerkennung als Erzieher, Kindergärtnerin oder Hortnerin |
V c |
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nach dreijähriger Bewährung |
V b |
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3. |
mit der unter Nr. 2 genannten Ausbildung und einer abgeschlossenen sonderpädagogischen Zusatzausbildung |
V b |
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nach sechsjähriger Bewährung |
IV b |
…” |
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In der Zeit vom 20. April 1985 bis 21. Februar 1987 hat die Klägerin an der Ausbildung von pädagogischen Mitarbeitern an Einrichtungen für geistigbehinderte Kinder und Jugendliche gem. Erlaß des Niedersächsischen Kultusministers vom 25. November 1970 – L 0784/70 – teilgenommen und diese am 12. März 1987 mit der erfolgreich bestandenen staatlichen Abschlußprüfung beendet.
Das mehrfach befristete Arbeitsverhältnis der Klägerin, kraft vertraglicher Vereinbarung der Parteien vom 23. März 1987 ab 7. Februar 1987 nach der VergGr. IVb BAT vergütet, wurde durch Änderungsvertrag der Parteien vom 7. Juni 1989 in ein unbefristetes umgewandelt. Durch Änderungsvertrag vom 7. Juni 1993 vereinbarten die Parteien die Zahlung von Vergütung nach der VergGr. IVa BAT ab 13. März 1993.
Mit Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 27. September 1993 beantragte die Klägerin “eine Höhergruppierung nach BAT IIb vorzunehmen, da die Tätigkeitsmerkmale der Arbeit … den Tätigkeitsmerkmalen eines Sonderschullehrers G… entsprechen”. Das beklagte Land lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 12. Oktober 1993 ab. Mit ihrer Klage erstrebt die Klägerin die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes zur Zahlung von Vergütung nach der VergGr. IIa BAT, hilfsweise nach der VergGr. III BAT ab 16. Oktober 1993 und zur Verzinsung der jeweiligen Nettodifferenzen – nunmehr – ab jeweiliger Fälligkeit.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Eingruppierungserlaß des beklagten Landes sei unwirksam, soweit er für Lehrkräfte als Gruppen-/Klassenleiter für Geistigbehinderte ohne die Befähigung für das Lehramt an Sonderschulen die Zahlung einer erheblich niedrigeren Vergütung vorsehe als für Sonderschullehrer mit dieser Befähigung. Die Tätigkeit von Lehrkräften mit der Befähigung für das Lehramt an Sonderschulen unterscheide sich nur insoweit von derjenigen der Gruppen/Klassenleiter ohne diese Befähigung, als ersteren auch die Erstattung von sonderpädagogischen Gutachten übertragen sei. Solche Gutachten seien nur in wenigen Einzelfällen zu erstellen, so daß darauf nur ein ganz geringer Teil der Arbeitszeit der Lehrkräfte mit der Befähigung für das Lehramt an Sonderschulen entfalle. Der Eingruppierungserlaß verstoße daher gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn er für die Gruppe der Lehrkräfte mit der Befähigung für das Lehramt an Sonderschulen die Zahlung einer um ein Drittel höheren Vergütung im Vergleich zu derjenigen der Gruppe der Gruppen-/Klassenleiter ohne diese Befähigung vorsehe. Außerdem verstoße die unterschiedliche Vergütung der Sonderschullehrer mit und ohne Lehramtsbefähigung gegen das Lohngleichheitsgebot des Art. 119 EG-Vertrag, da der Anteil der Frauen in der – benachteiligten – Gruppe der Gruppen-/Klassenleiter ohne Lehramtsbefähigung erheblich höher sei als in derjenigen mit dieser.
Die Klägerin hat sinngemäß beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihr ab 16. Oktober 1993 Vergütung nach der VergGr. IIa BAT zu bezahlen und den Nettodifferenzbetrag ab 16. Oktober 1993 mit 4 % zu verzinsen,
hilfsweise festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, sie ab 16. Oktober 1993 nach der VergGr. III BAT zu bezahlen und den Nettodifferenzbetrag ab 16. Oktober 1993 mit 4 % zu verzinsen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor. Zwar übten die Sonderschullehrer mit und ohne Hochschulabschluß im wesentlichen die gleiche Tätigkeit aus. Es sei jedoch sachgerecht, bei der Vergütung nach der unterschiedlichen beruflichen Ausbildung zu differenzieren. Zu berücksichtigen sei auch die Möglichkeit, den Sonderschullehrern mit Hochschulabschluß die Erstattung von sozialpädagogischen Gutachten zu übertragen. Der Eingruppierungserlaß verstoße auch deshalb nicht gegen das Gebot der Lohngleichheit nach Art. 119 EG-Vertrag, weil der Frauenanteil in den VergGrn. Vc bis IVb BAT einerseits und in der VergGr. IIa BAT andererseits fast identisch, jedenfalls nur geringfügig unterschiedlich sei; im Beamtenverhältnis stehende Sonderschullehrer dürften bei der Vergleichsgruppenbildung nicht berücksichtigt werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin unter deren Zurückweisung im übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und nach dem Hilfsantrag mit der Maßgabe erkannt, daß die Nettodifferenzbeträge ab jeweiliger Fälligkeit zu verzinsen seien. Mit seiner Revision erstrebt das beklagte Land, die Klage vollen Umfangs abzuweisen. Die Klägerin verfolgt mit ihrer – unselbständigen – Anschlußrevision ihren Hauptantrag weiter, hinsichtlich der Verzinsung dahin modifiziert, daß die Verzinsung der Nettodifferenzbeträge ab jeweiliger Fälligkeit erfolgen solle.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet, die Anschlußrevision der Klägerin ist unbegründet.
I. Für den Anspruch der Klägerin auf eine höhere Vergütung als die ihr vom beklagten Land gezahlte besteht keine Anspruchsgrundlage.
1. Die Klägerin kann nicht kraft des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes in Verbindung mit Ziff. 20 des Eingruppierungserlasses vom beklagten Land ab 16. Oktober 1993 Vergütung nach der VergGr. IIa BAT oder III BAT verlangen. Die voneinander abweichende Vergütung von Lehrkräften mit der Befähigung für das Lehramt an Sonderschulen und solchen ohne diese Befähigung ist jedenfalls durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 219/93 – (BAGE 76, 44 = AP Nr. 51 zu Art. 119 EWG-Vertrag) und – 4 AZR 218/93 – (n.v.) für zwei hinsichtlich der entscheidungserheblichen Umstände mit dem vorliegenden Fall gleichliegende Sachen mit näherer Begründung entschieden. Er hält an dieser Auffassung nach nochmaliger Überprüfung fest.
2. Der Klägerin steht gegenüber dem beklagten Land auch kein Anspruch auf die von ihr geforderte Vergütung aus § 612 Abs. 3 BGB– kurz “Lohngleichheitssatz” genannt –zu, der die Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Vergütung für gleiche oder für gleichwertige Arbeit gebietet.
Dieser Anspruch setzt hier unter anderem voraus, daß der Anteil von Männern und Frauen in der durch den Eingruppierungserlaß begünstigten Vergleichsgruppe – der Lehrkräfte mit der Befähigung für das Lehramt an Sonderschulen – wesentlich von demjenigen in der durch ihn benachteiligten Vergleichsgruppe – Lehrkräfte ohne diese Lehrbefähigung – abweicht (z.B. Urteile des Senats vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 219/93 – aaO; vom 10. Dezember 1997 – 4 AZR 264/96 – AP Nr. 3 zu § 612 BGB Diskriminierung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Das ist nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht der Fall. Dieses hat in den Entscheidungsgründen, die ebenfalls bindende Tatsachenfeststellungen i.S.v. § 561 ZPO enthalten können, festgestellt, in beiden Vergleichsgruppen, und zwar auch “in allen Untergruppen”, seien “in weit überwiegender Anzahl Frauen beschäftigt”. Dies sei “zwischen den Parteien unstreitig”. Diese Tatsachenfeststellungen sind für den Senat bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO); eine Verfahrensrüge, das Landesarbeitsgericht habe Vortrag der Parteien zu den tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs aus § 612 Abs. 3 BGB außer Acht gelassen oder falsch verstanden, hat die Klägerin nicht erhoben.
3. Nach alledem war das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat gem. § 91, § 97 Abs. 1 ZPO die Klägerin zu tragen.
Unterschriften
Schliemann, Friedrich, Bott, Jürgens, Valentien
Fundstellen