Tenor

Die Anträge der Klägerin werden abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat aufgrund mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 25. Juli 1989 einen Rechtsstreit der Klägerin gegen die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte entschieden. Die Klägerin war bis dahin nicht vertreten. Das Urteil ist unmittelbar an sie durch Niederlegung am 11. September 1989 zugestellt worden. Die Klägerin hat durch Rechtsanwälte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben. Die Frist zur Begründung der Beschwerde ist bis zum 13. Dezember 1989 verlängert worden. Nachdem die Rechtsanwälte kurz vor Fristablauf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und das Mandat niedergelegt hatten, eine Begründung jedoch weiterhin nicht eingegangen war, hat der Senat mit Beschluß vom 1. Februar 1990 die Anträge der Klägerin, ihr Prozeßkostenhilfe und Wiedereinsetzung zu gewähren, abgelehnt sowie gleichzeitig die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen. Der Beschluß ist der Klägerin durch Niederlegung am 12. Februar 1990 zugestellt worden.

Mit dem am 11. Februar 1991 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schreiben ihrer jetzigen Prozeßbevollmächtigten vom 8. Februar 1991 beantragt die Klägerin sinngemäß,

  1. ihr Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren,
  2. die Revision gegen das Urteil des LSG vom 25. Juli 1989 zuzulassen,
  3. ihr die Nachholung zu gestatten, soweit sie die Beschwerdebegründungsfrist habe verstreichen lassen,
  4. für die vorstehenden Anträge im Wege der Gegenvorstellung zu entscheiden,
  5. ihr Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und ihre Prozeßbevollmächtigten beizuordnen.

Die Klägerin hat ihre Anträge in dem genannten Schriftsatz begründet und ihre Ausführungen in weiteren Schriftsätzen ergänzt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Anträge der Klägerin haben keinen Erfolg.

Die Klägerin macht geltend, das Urteil des LSG sei nicht wirksam zugestellt worden, weil sich ihre früheren Bevollmächtigten nach Verkündung des Urteils am 25. Juli 1989 mit Schriftsatz vom 31. August 1989 beim LSG gemeldet hätten und deshalb das Urteil nur an die Bevollmächtigten wirksam habe zugestellt werden können. Diese Ansicht trifft nicht zu. Das Schreiben vom 31. August 1989 befindet sich nicht bei den Akten des LSG. Dennoch bedurfte es keiner Beweisaufnahme zu der Behauptung der Klägerin, es sei gleichwohl beim LSG eingegangen. Selbst wenn es eingegangen war, berührte es die Wirksamkeit der Zustellung an die Klägerin selbst nicht. Die früheren Bevollmächtigten hatten in ihrem Schreiben vom 31. August 1989 nämlich ausgeführt, die Übernahme der Prozeßvertretung im derzeitigen Verfahrensstand diene ausschließlich dem Zweck, daß das Urteil ihnen zugestellt werden möge, falls nicht die Zustellung an die Klägerin unmittelbar bereits veranlaßt sein sollte. Letzteres war jedoch ausweislich der Akten des LSG der Fall, als die früheren Bevollmächtigten ihr Schreiben unter dem 31. August 1989 verfaßten. Denn beim LSG war mit Datum vom 11. August 1989 verfügt worden, daß das Urteil der Klägerin mit Postzustellungsurkunde zuzustellen sei. Wenn es zur Ausführung dieser Verfügung durch die Kanzlei des LSG erst am 7. September 1989 gekommen und das Urteil anschließend noch unmittelbar an die Klägerin zugestellt worden ist, so ändert das nichts daran, daß diese Zustellung schon früher iS des Schreibens der Prozeßbevollmächtigten „veranlaßt” war. Von der Wirksamkeit der Zustellung an die Klägerin sind in der Folgezeit auch die früheren Bevollmächtigten ausgegangen. Denn sie haben die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision innerhalb eines Monats nach der Urteilszustellung an die Klägerin eingelegt und eine – ihnen auch bis zum 13. Dezember 1989 bewilligte – Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt. Im übrigen hätte sich die Klägerin auf die Unwirksamkeit der Zustellung auch zu spät berufen. Als der Senat nach dem dargelegten Ablauf des Beschwerdeverfahrens die Beschwerde mit Beschluß vom 1. Februar 1990 verworfen hatte, hat die Klägerin den angeblichen Zustellungsmangel nämlich erstmals im Oktober 1991 geltend gemacht. Das würde bei Unwirksamkeit der Zustellung als mißbräuchlich erscheinen.

Eine nachträgliche Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist scheidet aus, weil sie schon früher auf das nach § 160a Abs 2 Satz 1, 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) höchstzulässige Maß verlängert worden ist. Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist war der Klägerin nicht zu gewähren. Denn seit Ablauf dieser auf den 13. Dezember 1989 verlängerten Frist war mehr als ein Jahr verstrichen, als die Klägerin mit dem am 11. Februar 1991 eingegangenen Schriftsatz ihrer jetzigen Prozeßbevollmächtigten die Wiedereinsetzung beantragte. Ein unabwendbares Ereignis, das in einem solchen Fall nach § 67 Abs 3 SGG die Wiedereinsetzung allein noch zulassen würde, lag nicht vor. Darin, daß die Klägerin angeblich nicht früher einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt finden konnte, liegt kein solches Ereignis. Sie hätte sich mit dem Antrag auf Bestellung eines Notanwalts (§ 78b der Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫ iVm § 202 SGG) an das BSG wenden können. In ihrem während des Beschwerdeverfahrens gestellten Antrag, ihr unter Beiordnung eines Rechtsanwalts Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, lag ein solcher Antrag nicht. Zumindest hätte die Klägerin sich, als der Senat in dem Beschluß vom 1. Februar 1990 auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt hatte, früher als im Februar 1991 wieder melden müssen.

Der Senat kann seinen Beschluß vom 1. Februar 1990, der rechtskräftig ist, auf Antrag der Klägerin nicht ohne weiteres aufheben. Hierzu geben ihm auch die Gegenvorstellungen der Klägerin keinen Anlaß. Dabei läßt der Senat offen, ob und ggf unter welchen Voraussetzungen im einzelnen eine Änderung auf Gegenvorstellungen hin überhaupt zulässig wäre. Jedenfalls ist sie es nicht mehr, nachdem seit Zustellung des Beschlusses vom 1. Februar 1990 am 12. Februar 1990 bis zu den Gegenvorstellungen, die die Klägerin auch ohne einen Prozeßbevollmächtigten hätte anbringen können, mit dem am 11. Februar 1991 eingegangenen ersten Schriftsatz nach Abschluß des Beschwerdeverfahrens fast ein ganzes Jahr verstrichen war. Wenn selbst Entscheidungen, die Grundrechte verletzen, nur innerhalb eines Monats nach ihrer Zustellung mit der Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht angegriffen werden können, scheidet die Änderung einer Entscheidung auf Gegenvorstellungen hin jedenfalls dann aus, wenn diese erst nach einem Jahr oder in weiteren Schriftsätzen noch später erhoben worden sind.

Hiernach waren die Anträge der Klägerin zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zur Zulassung der Revision, zur Nachholung der Beschwerdebegründung und zur Entscheidung im Wege von Gegenvorstellungen abzulehnen. Dieses gilt auch für ihren Antrag auf Prozeßkostenhilfe, weil das Begehren der Klägerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 73a SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung ist entsprechend § 193 SGG ergangen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172957

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