Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. Asbestose. Lungenkrebs. Minimalasbestose. herrschende medizinische Lehrmeinung. Beweiswürdigung. Beweismittel. Privatgutachten
Orientierungssatz
1. Zur Frage, ob die Diagnose einer Minimalasbestose an den histologischen Nachweis von eiweißumhüllten Asbestkörperchen im Lungengewebe gebunden ist oder ob auf das Vorliegen einer Minimalasbestose zu schließen ist, wenn bei elektronenmikroskopischer Auswertung erhöhte Asbestfaserzahlen feststellbar sind.
2. Nach § 128 Abs 1 S 1 entscheidet das Tatsachengericht aufgrund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (vgl BSG vom 10.12.1987 9a RV 36/85 = SozR 1500 § 128 Nr 31), ohne festen Beweisregeln unterworfen zu sein. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist keine Rangfolge iS einer unterschiedlichen Beweiskraft der vorhandenen Beweismittel zu beachten.
3. Ein sogenanntes Privatgutachten ist bei der Überzeugungsbildung des Gerichts zu berücksichtigen (vgl BSG vom 30.10.1963 2 RU 62/58 = SozR Nr 68 zu § 128 SGG) und kann gegebenenfalls allein als Entscheidungsgrundlage dienen (vgl BSG vom 23.9.1957 2 RU 113/57 = SozR Nr 3 zu § 118 SGG).
4. Privatgutachten sind keine Beweismittel iS des Beweises durch Sachverständige (§§ 402ff ZPO), sie sind in erster Linie Bestandteile des Parteivorbringens und wie diese zu würdigen.
5. Eine Entschädigung iS von § 551 Abs 2 RVO für ein Bronchialkarzinom ohne Asbestose ist nach dem heutigen medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht möglich.
Normenkette
RVO § 551 Abs 1; RVO § 551 Abs 2; BKVO Anl 1 Nr 4104; SGG § 128 Abs 1 S 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere, ob der Ehemann der Klägerin wahrscheinlich an den Folgen einer Berufskrankheit verstorben ist.
Der Ehemann der Klägerin (Versicherter) war während seiner 37-jährigen Tätigkeit als Betriebselektriker einer erhöhten Asbeststaubgefährdung ausgesetzt. Nach den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten arbeitete er auch unter einer höheren Teerdampfexposition als die übrige Bevölkerung. Im April 1981 wurde bei ihm ein Lungenkrebsleiden diagnostiziert, an dessen Folgen er am 20. August 1982 verstarb. Nachdem Prof. Dr. D. und Prof. Dr. H. vom Pathologischen Institut der Universität H. am 12. Oktober 1982 berichtet hatten, bei der histologischen Untersuchung des am 14. April 1981 entnommenen Operationspräparates hätten sich Gebilde gefunden, bei denen es sich nach der beruflichen Anamnese des Versicherten möglicherweise um Asbestosekörperchen handeln könne, veranlaßte die Beklagte die Exhumierung der Leiche. Der Pathologe des Städtischen Krankenhauses K. , Dr. W. erstattete am 10. Januar 1983 einen Obduktionsbericht und regte an, Prof. Dr. O. vom Pathologischen Institut der Städtischen Kliniken D. zu der Frage zu hören, ob beim Versicherten eine Asbestose vorgelegen habe. Prof. Dr. O. berichtete am 21. März 1983, bei seinen Untersuchungen seien keine Asbestkörperchen und keine Asbestnadeln nachweisbar gewesen. Im Auftrag der Beklagten erstattete Dr. W. am 22. April 1983 ein Gutachten, in welchem er zusammenfassend ausführte, er habe bei der Obduktion weder makroskopisch noch mikroskopisch anatomische Veränderungen finden können, die für eine Silikose oder Asbestose sprechen würden. Prof. Dr. D. teilte der Beklagten am 27. Juni 1984 mit, nach erneuter Untersuchung der Operationspräparate sei er zu der Überzeugung gelangt, daß keine echten Asbestkörperchen erkennbar seien.
Mit Bescheid vom 27. September 1984 lehnte die Beklagte eine Entschädigung ab: Der Versicherte habe nicht an einer Berufskrankheit gelitten (§ 551 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO-). Am 26. September 1986 erließ sie einen weiteren Bescheid, mit dem sie es auch ablehnte, das Lungenkrebsleiden wie eine Berufskrankheit iS von § 551 Abs 2 RVO anzuerkennen.
Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) auf Antrag der Klägerin den Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität G. , Prof. Dr. Wo. , zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 27. Dezember 1985 zusammenfassend ausgeführt, bei dem Versicherten habe eine durch Asbest, Teerdämpfe und Quarz multiplikativ wirkende, zumindest wesentlich teilursächlich verursachte Berufskrebserkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorgelegen. Hierzu hat die Beklagte Stellungnahmen des Leitenden Arztes des Arbeitsmedizinischen Zentrums B. , Prof. Dr. R. , vorgelegt, in denen dieser darauf hinwies, daß auch von Prof. Dr. Wo. keine anatomischen Anzeichen für eine Asbeststaubeinlagerung gefunden worden seien; im übrigen lägen keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse für ein erhöhtes Bronchialkrebsrisiko bei vergleichbarer beruflicher Schadstoffexposition vor. Im Hinblick auf diese Stellungnahmen hat das SG Prof. Dr. Wo. um eine gutachterliche Äußerung zu der Frage gebeten, ob - ausgehend von seiner Untersuchungsmethode - die Diagnose einer Asbestose (im Sinne einer Minimalasbestose) als gesichert angesehen werden könne, oder ob insoweit lediglich der Nachweis einer beruflichen Asbeststaubgefährdung gelungen sei. In seinem Ergänzungsgutachten vom 26. Januar 1987 hat Prof. Dr. Wo. hierzu im wesentlichen ausgeführt: Der Begriff Minimalasbestose sei bislang nicht streng eingegrenzt. Dennoch bleibe festzuhalten, daß es nach Prof. Dr. O. eines quantitativen Nachweises von Asbestkörperchen bedürfe, um eine sogen Minimalasbestose zu diagnostizieren. Andererseits bilde sich in der Arbeitsmedizin zunehmend der Konsens, daß erhöhte Faserzahlen ihrerseits regelmäßig auch mit der Ausbildung von mikroskopisch faßbaren Strukturveränderungen im Sinne einer Minimalasbestose einhergingen. Darauf habe Prof. Dr. V. in einem einen vergleichbaren Erkrankungsfall betreffenden Gutachten hingewiesen. Daraus leite er - Prof. Dr. Wo. - ab, daß der Befund einer Minimalasbestose entweder an den Nachweis einer erhöhten Zahl von eiweißhaltig umhüllten Asbestfasern (sogen Asbestkörperchen) oder an das Vorhandensein einer erhöhten Zahl von nicht umhüllten Asbestfasern gebunden sei.
Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren (Urteil vom 23. Februar 1987). Es ist aufgrund der Ausführungen von Prof. Dr. Wo. zu der Überzeugung gelangt, daß beim Versicherten eine beruflich bedingte Asbestose iS von Nr 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) vorgelegen habe, die ihrerseits als wesentliche Mitursache für das Lungenkrebsleiden anzusehen sei. Von mehreren Wissenschaftlern (zB O. , U. , Ha. ) werde das Vorliegen einer Minimalasbestose zwar an den lichtmikroskopischen Nachweis einer bestimmten Zahl von Asbestkörperchen im Lungengewebe geknüpft, doch sei Prof. Dr. Wo. zu folgen, wonach auch ein elektronenmikroskopischer Nachweis einer erhöhten Zahl von Asbestfasern als Beweismittel einer Minimalasbestose dienen könne.
Die Beklagte hat in ihrer Berufungsbegründung dagegen eingewandt, nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft könne auf den histologischen Nachweis von Asbestkörperchen nicht verzichtet werden. Zum Beweis ihrer Behauptung hat sie das Gutachten von Prof. Dr. U. und Prof. Dr. M. vorgelegt, das diese im Auftrag der Beklagten am 25. Mai 1987 erstellt haben. Darin haben diese ua ausgeführt, die Minimalasbestose sei ausschließlich nach pathologisch-anatomischen Kriterien definiert. Wenn weder in der Lungenstaubanalyse noch in den histologischen Schnittpräparaten Asbestkörper nachweisbar seien, müsse nach dem heutigen Stand des Wissens davon ausgegangen werden, daß die stattgefundene Asbestexposition nicht ausgereicht habe, krankhafte Gewebeveränderung im Sinne einer Asbestose oder Minimalasbestose auszulösen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. Oktober 1988). Die Klägerin habe keinen Entschädigungsanspruch, weil der Versicherte nicht an den Folgen einer Berufskrankheit verstorben sei. Im Gegensatz zur Auffassung des SG sei keine Asbestose oder Minimalasbestose iS von Nr 4104 BKVO nachweisbar gewesen. Denn nach den Ausführungen der Professoren W. , O. und D. seien in den Gewebsproben weder makros- noch mikroskopisch histologische Veränderungen gefunden worden, insbesondere keine Asbestkörperchen, die für die Diagnose einer Minimalasbestose nach herrschender medizinischer Meinung erforderlich seien. Prof. Dr. Wo. vertrete eine Mindermeinung, wenn er allein aus einer erhöhten Zahl von Asbestfasern auf das Vorhandensein einer Minimalasbestose schließe. Insofern komme seiner analytischen Rastertransmissions-Elektronenmikroskopie auch keine entscheidende Bedeutung zu. Mit Prof. Dr. U. /Prof. Dr. M. sei vielmehr davon auszugehen, daß es sich bei der lichtmikroskopischen Ermittlung von Asbestkörperchen im Lungenstaubfiltrat um eine effiziente und bewährte Methode handele. Auch wenn nicht ausgeschlossen sei, daß Asbestfasern selbst Bronchialkrebs hervorrufen könnten, fehlten bis heute noch fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse, die diese Annahme wahrscheinlich machen könnten. Die Lungenerkrankung des Versicherten könne auch nicht gemäß § 551 Abs 2 RVO "wie" eine Berufskrankheit anerkannt werden, weil keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorhanden seien, die eine Anerkennung des Lungenkrebsleidens nach entsprechender Asbeststaubexposition auch ohne den Nachweis einer Minimalasbestose zuließen. Dasselbe gelte auch für die Annahme von Prof. Dr. Wo. , nach der die gesicherte berufliche Einwirkung von Asbest, Teer und Quarz als "komplexes Schadstoffgemisch" im Hinblick auf die multiplikative Wirkung während einer fast 37-jährigen Einwirkungsdauer nach Art und Umfang geeignet gewesen seien, den tödlichen Lungenkrebs zumindest teilursächlich hervorzurufen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 551 RVO iVm der BKVO sowie eine Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dem LSG sei darin zuzustimmen, daß für die Bejahung eines entschädigungspflichtigen Lungenkrebsleidens nach Nr 4104 der BKVO-Liste zumindest eine Minimalasbestose nachgewiesen sein müsse. Ob eine solche vorgelegen habe, könne als diagnostisches Problem der Medizinwissenschaft aber nur von einem Sachverständigen beantwortet werden. Das LSG habe die Grenzen seines Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) und das Amtsermittlungsprinzip (§ 103 SGG) insofern verletzt, als es keinen entsprechenden Beweis erhoben, sondern die entscheidungserhebliche Beweisfrage selbst beantwortet habe, ohne seine eigene Sachkunde darzulegen. Auf das Gutachten von Prof. Dr. U. /Prof. Dr. M. habe es sich nicht stützen dürfen, weil es sich dabei nicht um ein Beweismittel, sondern lediglich um ein Parteigutachten gehandelt habe (vgl Urteil des 2. Senats des Bundessozialgerichts -BSG- vom 8. Dezember 1988 - 2/9b RU 66/87 -). Zumindest komme den schriftlichen Äußerungen dieser Ärzte nicht die Beweiskraft eines vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens zu. Seine Zweifel an dem Gutachten des erfahrenen Sachverständigen Prof. Dr. Wo. hätte das LSG deshalb nur durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens ausräumen können. Auch habe das LSG das in einem vergleichbaren Streitfall von Prof. Dr. V. erstattete Gutachten vom 6. März 1986 bei seiner Beweiswürdigung nicht berücksichtigt.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 23. Februar 1987 zurückzuweisen;
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Oktober 1988 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet.
Zu Recht hat das LSG den auf §§ 589 ff RVO gestützten Anspruch der Klägerin mit der Begründung verneint, daß der Versicherte nicht an den Folgen einer Berufskrankheit verstorben ist.
Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs 1 Satz 2 RVO). Die Bundesregierung ist durch § 551 Abs 1 Satz 3 RVO ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
Das LSG hat die haftungsbegründende Kausalität bejaht, weil der Versicherte während seiner beruflichen Tätigkeit als Betriebselektriker 37 Jahre lang asbestgefährdet gearbeitet hatte. Dagegen hat es die haftungsausfüllende Kausalität - insbesondere den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Asbeststaubgefährdung und der Asbestose in Verbindung mit Lungenkrebs - verneint, weil der Versicherte nicht an einer der in Anlage 1, Nrn 4101, 4103 oder 4104 der BKVO genannten Berufskrankheiten gelitten hatte (BKVO vom 20. Juni 1968 - BGBl I S 721 - in der hier maßgeblichen Fassung der Änderungsverordnung vom 8. Dezember 1976 - BGBl I S 3329 -, zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. März 1988 - BGBl I S 400 -). Dieses Ergebnis ist von seinem rechtlichen Ausgangspunkt nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht angegriffen. Die Klägerin stimmt dem LSG auch insoweit zu, als es für die Entschädigungspflicht eines Lungenkrebsleidens iS von Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO auf den Nachweis einer Minimalasbestose ankommt. Mit ihrer Revision wendet sie sich lediglich gegen die tatsächliche Feststellung des LSG, eine Minimalasbestose habe nicht vorgelegen. Sie meint, das LSG habe die Auffassung von Prof. Dr. Wo. , bereits die erhöhte Asbestfaserkonzentration lasse auf eine Minimalasbestose schließen, nur mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens widerlegen können; auf das Parteigutachten von Prof. Dr. U. /Prof. Dr. M. habe es sich insoweit nicht stützen dürfen.
Die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Verfahrensrügen sind nicht begründet. Das LSG hat bei seiner Beweiswürdigung nicht gegen § 128 Abs 1 Satz 1 SGG verstoßen. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Tatsachengericht aufgrund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (vgl BSG SozR 1500 § 128 Nr 31), ohne festen Beweisregeln unterworfen zu sein (vgl Müller, Anm zu BSG aaO in SGb 1988, 506 ff, 507). Im Rahmen der Beweiswürdigung ist keine Rangfolge im Sinne einer unterschiedlichen Beweiskraft der vorhandenen Beweismittel zu beachten. Das LSG war deshalb im vorliegenden Fall nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, das Gutachten von Prof. Dr. U. /Prof. Dr. M. in die Würdigung des Gesamtergebnisses einzubeziehen. Dem steht nicht entgegen, daß dieses von der Beklagten in das gerichtliche Verfahren eingebracht worden ist. Das BSG hat entschieden, daß auch ein sogenanntes Privatgutachten bei der Überzeugungsbildung des Gerichts zu berücksichtigen ist (BSG SozR Nr 68 zu § 128 SGG) und ggfs allein als Entscheidungsgrundlage dienen kann (BSG SozR Nr 3 zu § 118 SGG). Auf das Urteil des erkennenden Senats vom 9. Dezember 1988 (2/9b RU 66/87) kann sich die Revision in diesem Zusammenhang nicht berufen. Dort hat sich der Senat der zitierten Rechtsprechung angeschlossen und ergänzend ausgeführt, bei der Bewertung solcher Gutachten dürfe nicht außer Acht gelassen werden, daß Privatgutachten keine Beweismittel im Sinne des Beweises durch Sachverständige (§§ 402 ff der Zivilprozeßordnung -ZPO-) sind, vielmehr in erster Linie Bestandteile des Parteivorbringens und wie diese zu würdigen. Allein in der Berücksichtigung dieses Gutachtens kann daher kein Verfahrensmangel erblickt werden. Anders wäre es nur, wenn das LSG bei der Abwägung der Gutachten verkannt hätte, daß es sich bei dem Gutachten von Prof. Dr. U. /Prof. Dr. M. nicht um ein Gutachten iS von §§ 402 ff ZPO gehandelt hat. Dies wird jedoch von der Revision nicht behauptet und ist auch nicht aus den Akten ersichtlich.
Das LSG hat seine Überzeugung, eine Minimalasbestose habe nicht vorgelegen, auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten gutachterlichen Äußerungen von Prof. Dr. O. und Prof. Dr. W. , dessen Obduktionsbericht, die histologischen Befundberichte von Prof. Dr. D. sowie auf das Gutachten von Prof. Dr. U. /Prof. Dr. M. gestützt und im einzelnen dargelegt, weshalb es der Meinung von Prof. Dr. Wo. nicht gefolgt ist. Dabei ist es unter Berufung auf die von Prof. Dr. U. /Prof. Dr. M. als gültig bezeichnete, herrschende medizinische Lehrmeinung davon ausgegangen, daß die Diagnose einer Minimalasbestose an den histologischen Nachweis von eiweißumhüllten Asbestkörperchen im Lungengewebe gebunden sei. Es hat in nachvollziehbarer Weise dargelegt, daß auch Prof. Dr. Wo. diesen Nachweis nicht habe erbringen können, sondern in Abweichung von der herrschenden Lehrmeinung auf das Vorliegen einer Minimalasbestose schließt, wenn bei elektronenmikroskopischer Auswertung erhöhte Asbestfaserzahlen feststellbar sind. Das LSG hat diesen Schluß unter Hinweis auf die unterschiedliche Reaktionsweise der individuellen Organismen auf eine gleichstarke Asbeststaubbelastung für unzulässig erklärt und sich zur Begründung auf die Ausführungen von Prof. Dr. U. /Prof. Dr. M. berufen. Diese Auseinandersetzung mit den gegensätzlichen medizinischen Lehrmeinungen läßt keinen Verstoß gegen das Recht auf freie richterliche Beweiswürdigung erkennen. Das LSG hat gerade nicht, wie die Revision meint, entscheidungserhebliche Beweisfragen ohne eigene Sachkunde selbst beantwortet.
Das LSG hätte sich auch nicht gedrängt fühlen müssen, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären. Soweit die Revision einen Verstoß gegen § 103 SGG rügt, beruht dieser Vorwurf auf der unzutreffenden Meinung, das LSG habe sich bei seiner Überzeugungsbildung nicht auf die gutachterlichen Ausführungen von Prof. Dr. U. /Prof. Dr. M. stützen dürfen. Die Revision behauptet nicht, Prof. Dr. Wo. vertrete die herrschende medizinische Lehrmeinung, so daß sich dem LSG Zweifel an dem von Prof. Dr. U. /Prof. Dr. M. geforderten histologischen Nachweis einer Minimalasbestose hätten aufdrängen müssen. Auch mußte es nicht das von Prof. Dr. V. in einem anderen Streitfall erstattete Gutachten beiziehen; denn darin hat Prof. Dr. V. - nach dem von Prof. Dr. Wo. angegebenen wörtlichen Zitat - lediglich ausgeführt, daß erhöhte Faserzahlen regelmäßig auch mit mikroskopisch faßbaren Bindegewebsveränderungen einhergingen. Dagegen hat Prof. Dr. V. bezüglich des im Einzelfall erforderlichen Nachweises einer Minimalasbestose keine von der herrschenden Meinung abweichende Lehrmeinung vertreten. Darauf hat das LSG unter Bezugnahme auf das Standardwerk - Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 4. Aufl, S 875 - hingewiesen.
Im übrigen läßt das angefochtene Urteil keine Rechtsfehler erkennen. Das LSG hat die Frage, ob der Versicherte wegen der gesundheitsgefährdenden Einwirkungen an einer Pleuraasbestose oder an einer Silikose gelitten hat, ebenso geprüft wie die Frage, ob die Lungenerkrankung nach § 551 Abs 2 RVO "wie" eine Berufskrankheit entschädigt werden kann. Es hat beide Fragen unter Darlegung der für seine Überzeugungsbildung leitenden Gründe verneint. Hierbei hat es die vom BSG zu § 551 Abs 2 RVO entwickelten Rechtsgrundsätze beachtet (vgl BSGE 44, 90, 92; BSG SozR 5670 Anl 1 Nr 4302 BKVO Nr 1; SozR 2200 § 551 Nr 18). Das Berufungsgericht ist auch auf die von Prof. Dr. Wo. beschriebene krebserzeugende, multiplikative Wirkung des komplexen Schadstoffgemischs eingegangen und hat unter Würdigung des Beweisergebnisses dargelegt, es lägen keine neuen, fundierten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vor, nach denen die Krankheit des Versicherten als durch dessen berufliche Exposition verursacht angesehen werden könnte. Gegen diese Feststellungen hat die Revision keine Rügen vorgebracht.
Die Revision der Klägerin ist daher unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen