Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkursausfallgeld. Arbeitsentgelt. Urlaubsabgeltung. Urlaubsabgeltungsverbot. Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens. Masselosigkeit. Masseschulden. zeitliche Zuordnung. Insolvenzereignis. Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz. Heuerverhältnis. Beendigung des Heuerverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
- Die Insolvenz des Reeders rechtfertigt keine weitere Ausnahmeregelung von dem in § 60 SeemG und § 65 MTV-See enthaltenen grundsätzlichen Verbot der Urlaubsabgeltung.
- Steht bei Beendigung des Heuerverhältnisses fest, daß eine bereits bestehende oder bei Beginn der Verlängerung des Heuerverhältnisses um den noch nicht gewährten Urlaub eintretende Erkrankung des Besatzungsmitgliedes den gesamten Verlängerungszeitraum andauern wird, ist eine Abgeltung des Urlaubs zulässig.
Normenkette
AFG § 141b Abs. 1, 3 Nr. 1; KO § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a; SeemG § 53 Abs. 1, §§ 60, 64; MTV-See § 65
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Urteil vom 06.02.1992; Aktenzeichen V ARBf 21/91) |
SG Hamburg (Urteil vom 29.11.1990; Aktenzeichen 14 AR 1857/89) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 1992 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger Konkursausfallgeld (Kaug) für einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung zu gewähren hat, wenn das Heuerverhältnis erst nach dem Insolvenzzeitpunkt endet.
Der Kläger war ab dem 31. Mai 1987 bei der Reederei MS P.…- (P) als Decksmann beschäftigt. Auf Betreiben der Schiffshypothekenbank zu L.… AG (K.… ) als Gläubigerin wurde das MS “P.… ” am 22. Januar 1988 in Rotterdam an die Kette gelegt und am 16. März 1988 zwangsversteigert. Das Amtsgericht Hamburg (Az: 65b N 35/88) lehnte den am 22. Januar 1988 gestellten Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Reederei mangels Masse durch Beschluß vom 24. März 1988 ab.
Am 16. Januar 1988 mußte der Kläger krankheitshalber abmustern. Er befand sich bis zum 25. Januar 1988 in stationärer Behandlung und war bis zum 30. Oktober 1989 arbeitsunfähig erkrankt, anschließend bis Mai 1990 seeuntauglich.
Mit Schreiben vom 31. März 1988 kündigte er das Heuerverhältnis zur Reederei P…. Zugleich forderte er die Abgeltung seines Resturlaubs – die Heuerforderungen für die Zeit vom 1. Dezember 1987 bis 28. Februar 1988 in Höhe von DM 4.802,07 waren von der Schiffshypothekenbank zu L.… AG beglichen worden –.
Seinen Antrag vom 29. März 1988 auf Gewährung von Kaug wegen Urlaubsabgeltung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. August 1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. November 1989 ab.
Die dagegen auf Gewährung von Kaug wegen einer Urlaubsabgeltungsforderung in Höhe von DM 12.098,56 für 91,37 Urlaubstage, entsprechend 128 Kalendertagen, gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. November 1990): Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach den Bestimmungen des Seemannsgesetzes (SeemG) und dem Manteltarifvertrag für die Deutsche Seeschiffahrt (MTV-See) nicht zu. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch habe, solange der Kläger arbeitsunfähig gewesen sei, ohnehin nicht entstehen können. Der Arbeitnehmer müsse in der Lage sein, den Urlaub zu nehmen. Das sei beim Kläger nicht der Fall gewesen.
Auf die vom SG zugelassene Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, an den Kläger Kaug in Höhe der Urlaubsabgeltung für drei Monate zu gewähren (Urteil vom 6. Februar 1992). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, nach dem Sinn und Zweck der Kaug-Regelung sei die Urlaubsabgeltung den letzten Tagen des Arbeitsverhältnisses zuzuordnen, die der Dauer des noch ausstehenden Urlaubs entsprechen. Das habe zur Folge, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch, soweit er von der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses an gerechnet auf die Zeit vor Konkurseröffnung fällt, einen Anspruch auf Kaug begründet. Der Kläger habe einen Gesamturlaubsanspruch von 91,37 Urlaubstagen gehabt, was nach dem anzuwendenden Tarifvertrag einem Urlaubsanspruch von 128 Kalendertagen entsprochen habe. Die Zeit von 128 Kalendertagen umfasse auch den Kaug-Zeitraum vom 24. Dezember 1987 bis 23. März 1988. Insoweit, also für 90 Kalendertage, stehe auch Kaug für die Urlaubsabgeltung zu. Die Abgeltung der Urlaubsansprüche des Klägers sei auch nicht nach § 60 SeemG, § 65 MTV-See unzulässig. Denn der Zweck dieser Regelung, die Gewährung des Urlaubs in Form bezahlter Freizeit zu garantieren und gegebenenfalls zu erzwingen, werde nicht nur in den geregelten Ausnahmen unerreichbar, sondern auch dann, wenn der Reeder insolvent geworden sei und die Pflichten aus dem Heuerverhältnis nicht mehr erfüllen könne. Andernfalls würde sich das Abgeltungsverbot bei Konkurs des Arbeitgebers zuungunsten des Besatzungsmitglieds auswirken: Einerseits wäre der Reeder nicht in der Lage, ihm bei Verlängerung des Heuerverhältnisses wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Insolvenz bezahlte Freizeit zu gewähren, andererseits würde das Besatzungsmitglied für das während der Freistellung geschuldete Urlaubsentgelt kein Kaug erhalten, weil die Freistellung in die Zeit nach Eintritt des Insolvenzereignisses fiele; die Abgeltung der in den Kaug-Zeitraum fallenden Urlaubstage wäre wegen des Abgeltungsverbots ausgeschlossen.
Der Kaug-Anspruch des Klägers scheitere auch nicht daran, daß er bei Beendigung des Heuerverhältnisses arbeitsunfähig und in der Folgezeit bis Mai 1990 seedienstuntauglich gewesen sei. Denn § 7 Abs 3 Satz 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sei auf die Urlaubsregelung der See-Arbeitsverhältnisse nicht anwendbar.
Der Urlaubsanspruch des Klägers sei auch nicht wegen Rechtsmißbrauchs ausgeschlossen und im Zeitpunkt der Wiedererlangung der Seediensttauglichkeit entfallen gewesen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Beklagte unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 15. Mai 1987 (DB 1987, 2212) geltend, ein Kaug-Anspruch gemäß § 141b Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei nicht gegeben, weil der Urlaubsabgeltungsanspruch keine Masseschuld iS des § 59 Abs 1 Nr 3a Konkursordnung (KO), sondern iS des § 59 Abs 1 Nr 2 KO sei. Selbst wenn entgegen dieser Rechtsprechung ein Urlaubsabgeltungsanspruch Masseschuld im Sinne dieser Vorschrift sei, würde eine Abgeltung der restlichen Urlaubstage nach den Vorschriften des SeemG und MTV-See unzulässig sein, nachdem die Ausnahmetatbestände nicht vorlägen. Ferner scheitere ein Anspruch auf Kaug daran, daß ein Urlaubsabgeltungsanspruch, selbst wenn er entstanden wäre, nicht schon zur Zeit des Insolvenzereignisses bestanden habe, sondern frühestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 1992 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. November 1990 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 1992 zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Im Einverständnis der Beteiligten hat der Senat ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.
Die im angefochtenen Urteil festgestellten Tatsachen lassen eine abschließende Entscheidung des Senats, ob dem Kläger Kaug für einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung zusteht, nicht zu.
Nach § 141b Abs 1 AFG hat Anspruch auf Kaug ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Der Eröffnung des Konkursverfahrens steht bei Anwendung der Vorschriften über das Kaug die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse gleich (§ 141b Abs 3 Nr 1 AFG). Dieser Fall liegt hier vor. Denn das Amtsgericht Hamburg hat den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Reederei P… mangels Masse durch Beschluß vom 24. März 1988 abgewiesen.
Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die unabhängig von der Zeit, für die sie geschuldet werden, Masseschulden nach § 59 Abs 1 Nr 3a KO sein können (§ 141b Abs 2 AFG). Hierzu zählen auch – wie hier streitig – die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung (BSG 12. Senat vom 30. November 1977, BSGE 45, 191 = SozR 4100 § 141b Nr 5; BSG 8b Senat vom 18. Dezember 1980, BSGE 51, 102 = SozR 4100 § 141b Nr 16; BSG 10. Senat vom 14. März 1989, ZIP 1989, 1415; BSG 10. Senat vom 26. Juli 1991, SozR 3-4100 § 117 Nr 4). Die Urlaubsabgeltung steht in unlösbarem Zusammenhang mit der Beschäftigung, denn sie wird nur gezahlt, wenn ein Urlaubsanspruch während der Beschäftigung erworben worden ist, der Urlaub (zB nach der allgemeinen Regelung des § 7 Abs 4 BUrlG) wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß der Anspruch auf Kaug für den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht bereits daran scheitert, daß das Heuerverhältnis erst nach dem Insolvenzzeitpunkt endete. Denn ein Urlaubsabgeltungsanspruch ist dem Zeitraum vor der rechtlichen Beendigung des Arbeits-, hier Heuerverhältnisses zuzuordnen. Der Senat hat sich insoweit wieder die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ (BSGE 45, 191 = SozR 4100 § 141b Nr 5; BSGE 51, 102 = SozR 4100 § 141b Nr 16) fortgeführt (BSG 10. Senat vom 27. September 1994, 10 RAr 6/93, 10 RAr 7/93 ≪zur Veröffentlichung vorgesehen≫). Danach ist der kaug-rechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch, welcher arbeitsrechtlich zu einem bestimmten Zeitpunkt geschuldet wird, dessen Voraussetzungen aber über einen längeren Zeitraum entstanden sind, der Zeit zuzuordnen, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unmittelbar vorausgeht (BSG SozR 4100 § 141b Nrn 5, 16; BSG 10. Senat vom 27. September 1994, 10 RAr 6/93, 10 RAr 7/93). Dadurch wird hinreichend berücksichtigt, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch kein Anspruch für einen Zeitpunkt, sondern für einen (Urlaubs-) Zeitraum ist. Nur eine solche Zuordnung berücksichtigt angemessen den Sinn und Zweck der drei einschlägigen Rechtsgebiete – Arbeitsrecht, Konkursrecht und Kaug-Recht – (BSG SozR 4100 § 141b Nr 16). Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG (BSG SozR 4100 § 141b Nr 5) hat sich auch der 5. Senat des BAG dieser zeitlichen Zuordnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs angeschlossen (BAG 5. Senat vom 21. Mai 1980, AP Nr 10 zu § 59 KO = NJW 1981, 79). Für die Zahlung von Kaug ergibt sich nach dieser Rechtsprechung, daß Urlaubstage, die in die Zeit vor Eröffnung oder Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens fallen, beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen einen Anspruch auf Kaug begründen, während die Tage, die mit dem Tag des Insolvenzereignisses zusammenfallen oder danach liegen, nicht kaug-fähig sind.
Wie der Senat (Urteile vom 27. September 1994, 10 RAr 6/93 und 10 RAr 7/93) bereits entschieden hat, ist seine hiervon abweichende Rechtsprechung in den Urteilen vom 20. August 1986 (ZIP 1986, 1580) und vom 20. Mai 1987 (NZA 1987, 718) im Hinblick auf die eingetretene Rechtsentwicklung überholt. Diese Rechtsprechung hatte sich an § 168 Abs 1 Satz 2 AFG idF des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) orientiert. Durch dieses Gesetz war der Urlaubsabgeltung für das Beitragsrecht des AFG übereinstimmend mit dem Recht der Mitgliedschaft zur Krankenversicherung sowie der Beitragspflicht zur Rentenversicherung mit Wirkung ab 1. Januar 1982 eine Sonderstellung eingeräumt worden. Personen, die wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen haben, wurden den entgeltlich Beschäftigten gleichgestellt; insoweit galt das bisherige Beschäftigungsverhältnis als fortbestehend. Hieraus hatte der Senat hergeleitet, daß der Urlaubsabgeltungszeitraum sich entsprechend der Zahl der abzugeltenden Urlaubstage unmittelbar an das Ende des Arbeitsverhältnisses im arbeitsrechtlichen Sinne anschließt (BSG ZIP 1986, 1580; BSG NZA 1987, 718). Die Regelungen des AFKG, durch welche das Beschäftigungsverhältnis für einen entsprechenden Zeitraum als fortbestehend fingiert worden war, sind mit Wirkung ab 1. Januar 1986 durch das 7. Änderungsgesetz zum AFG (≪7. ÄndG-AFG≫ vom 20. Dezember 1985, BGBl I 2484) wieder aufgehoben worden (ua Streichung des § 168 Abs 2 AFG). Urlaubsabgeltungen sind hiernach in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung als einmal gezahltes Arbeitsentgelt zu behandeln (vgl Begründung zum Entwurf des 7. ÄndG-AFG, BT-Drucks 10/3923 S 27 und zu Nr 37; hierzu ferner BSG 1. Senat vom 1. April 1993, SozR 3-2200 § 182 Nr 16; mit Darstellung der Rechtsentwicklung). Damit wurde der vor 1982 bestehende Rechtszustand wieder hergestellt.
Der Senat hält daher für die Zeit nach Geltung des AFKG an der früheren Rechtsprechung zur kaug-rechtlichen Behandlung der Urlaubsabgeltung fest. Daraus ergibt sich, daß – entgegen der Ansicht der Beklagten – ein Anspruch auf Kaug für den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht schon daran scheitert, daß das Arbeitsverhältnis erst nach dem Insolvenzzeitpunkt endet.
Entgegen der Behauptung der Beklagten hat das BAG (BAG 8. Senat vom 15. Mai 1987, DB 1987, 2212) nicht entschieden, ein Urlaubsabgeltungsanspruch sei Masseschuld iS des § 59 Abs 1 Nr 2 KO. Das BAG hat vielmehr in dieser Entscheidung die Frage gerade offengelassen, ob eine Unterscheidung bei der zeitlichen Zuordnung des Urlaubsanspruchs, je nachdem ob er vor oder nach der Konkurseröffnung hätte erfüllt werden können, möglich ist. Im übrigen kann ein Urlaubsabgeltungsanspruch auch Masseschuld iS von § 59 Abs 1 Nr 2 KO sein. Wie das BAG im Urteil vom 21. Mai 1980 (BAG AP Nr 10 zu § 59 KO) unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG (BSGE 45, 191) ausführt, ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung im Konkurs den der abzugeltenden Urlaubsdauer entsprechenden letzten Tagen vor der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzuordnen. Soweit dieser Zeitraum nach dem Insolvenzereignis liegt, ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung Masseschuld iS von § 59 Abs 1 Nr 2 KO. Soweit dieser Zeitraum innerhalb der letzten sechs Monate davor liegt, ist die Urlaubsabgeltung rückständiges Arbeitsentgelt iS von § 59 Abs 1 Nr 3a KO.
Dem Kläger stand gegen die Reederei P… noch ein Urlaubsanspruch zu. Auf das Heuerverhältnis war gemäß dem eingereichten Heuerschein kraft beiderseitiger Tarifbindung der MTV-See vom 17. April 1986 gültig ab 1. Mai 1986 anzuwenden (§ 1 MTV-See). Wie das Berufungsgericht festgestellt hat, hatte der Kläger am 31. März 1988 gemäß § 57 Abs 2 und 3 MTV-See einen sich aus dem Jahresurlaub, dem Ausgleich für Sonnabende, Sonn- und Feiertage während der Dienstzeit an Bord, der An- und Abreise sowie der Rufbereitschaft zusammensetzenden tariflichen Gesamturlaubsanspruch von 128 Kalendertagen erworben, der vor der Insolvenz der Reederei noch nicht erfüllt worden war.
Der Urlaubsanspruch des Klägers war auch noch nicht erloschen bzw verfallen.
In der Seeschiffahrt gilt abweichend von § 1 BUrlG sowohl nach § 53 Abs 1 SeemG wie nach dem inhaltlich übereinstimmenden § 57 Abs 1 MTV-See nicht das Kalenderjahr, sondern das Beschäftigungsjahr als Urlaubsjahr. Der Beginn des Beschäftigungsjahres fällt mit dem Tag des Anfangs des Heuerverhältnisses zusammen.
Die erworbenen tariflichen Gesamturlaubsansprüche sind nicht mit Ablauf des jeweiligen Beschäftigungsjahres verfallen. Dies ergibt sich aus der Auslegung der §§ 57 Abs 2 und 9, 58 Abs 1, 59 Abs 1 und 2, 61 MTV-See. Danach sind die Urlaubsansprüche nach dem MTV-See nicht befristet. Sie können auch nach Ablauf des Beschäftigungsjahres durchgesetzt werden (BAG vom 19. Januar 1993, NZA 1993, 1129). Die Vorschriften über die Urlaubsgewährung in § 58 MTV-See enthalten keine Formulierung wie beispielsweise § 7 Abs 3 Satz 1 BUrlG und § 55 Abs 2 Satz 1 SeemG über eine Befristung der Ansprüche auf Urlaubsgewährung bis zum Schluß des Kalender- bzw Beschäftigungsjahres. Die Regelungen des MTV-See gelten nicht nur für den den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigenden Tarifurlaub, sondern auch für den vom Gesetz gesicherten Anteil (BAG aaO).
Entgegen der Auffassung des LSG gilt für den Fall der Insolvenz des Reeders keine Ausnahme vom Urlaubsabgeltungsverbot der § 60 SeemG und § 65 MTV-See. Das Heuerverhältnis eines Seemanns verlängert sich nach § 60 SeemG und § 65 Abs 2 MTV-See von selbst um die Zeit des noch nicht gewährten Urlaubs (BAG aaO; Tarifschiedsgericht für die deutsche Seeschiffahrt ≪TSchG≫ AP Nr 1, 2 zu § 60 SeemG). Zweck des Abgeltungsverbots ist es, die Erfüllung des Urlaubsanspruchs durch Freizeitgewährung bei gleichzeitiger Fortzahlung der Heuer zu sichern. Der Grund für diese Sonderregelung ist, daß der Einsatz der Besatzungsmitglieder zumeist von den Schiffsreisen abhängig und dadurch häufig die Urlaubsgewährung bis zum Ende des Heuerverhältnisses nicht möglich ist, dieses vielfach sogar zum Zweck der Urlaubsgewährung beendet wird. Ohne eine urlaubsbedingte Verlängerung des Heuerverhältnisses würde es vielfach zu Urlaubsabgeltungen mit der unerwünschten Folge kommen, daß das betreffende Besatzungsmitglied alsbald ohne sozialversicherungsrechtlichen Schutz dastehen würde. Dies würde insbesondere dann eine Härte sein, wenn das Besatzungsmitglied den Abgeltungsbetrag für die Gestaltung einer urlaubsähnlichen Freizeit verwenden würde (vgl Bemm-Lindemann, SeemG und Tarifverträge für die Deutsche Seeschiffahrt, 3. Aufl 1991, RdNr 2 zu § 60 SeemG). Die Ausnahmen vom Urlaubsabgeltungsverbot des § 60 SeemG und § 65 MTV-See für den Fall, daß eine Verlängerung des Heuerverhältnisses infolge Eingehens eines neuen Heuer- oder sonstigen Arbeitsverhältnisses nicht möglich ist, treffen nicht zu. Auch die weiteren in § 65 Abs 2 MTV-See geregelten Ausnahmefälle einer zulässigen Abgeltung des Urlaubs, wenn eine Verlängerung des Heuerverhältnisses wegen Antritts eines Studiums bzw Schulbesuchs sowie – in ungünstiger Abweichung (§ 10 SeemG) zu § 60 SeemG (Bemm/Lindemann aaO RdNr 15) – wegen einer außerordentlichen Kündigung durch den Reeder nach § 64 SeemG nicht möglich ist, kommen nicht in Frage.
Auch eine entsprechende Anwendung der Ausnahmeregelung des § 65 Abs 2, 3. Alt MTV-See (bei außerordentlicher Kündigung des Besatzungsmitglieds durch den Reeder gemäß § 64 SeemG) scheidet im hier vorliegenden Fall der außerordentlichen Kündigung durch das Besatzungsmitglied nach § 67 SeemG aus. Dies legt schon der Wortlaut der Bestimmung nahe; diese stellt ausdrücklich nur auf eine außerordentliche Kündigung des Besatzungsmitgliedes nach § 64 SeemG ab und nicht etwa auf eine außerordentliche Kündigung gegenüber dem Besatzungsmitglied aus anderen Gründen (§§ 65, 66 SeemG) sowie auch nicht auf eine außerordentliche Kündigung durch das Besatzungsmitglied (§ 67, 68 SeemG). Nichts anderes ergibt sich aber auch aus dem Zweck der Vorschrift: Es liegt zwar nahe, einem Besatzungsmitglied, dem eine grobe Pflichtverletzung gegenüber dem Reeder zur Last gelegt werden kann (§ 64 SeemG), die Rechtswohltat der Verlängerung des Heuerverhältnisses zu versagen; hingegen kann in einer groben Pflichtverletzung des Reeders gegenüber dem Besatzungsmitglied kein Grund liegen, den Reeder von seiner Pflicht zu befreien, das Heuerverhältnis um den aufgelaufenen Urlaub fortzusetzen.
Es besteht kein Grund, eine zusätzliche – weder im SeemG noch im MTV-See geregelte Ausnahme – vom Urlaubsabgeltungsverbot für den Fall der Insolvenz des Reeders anzunehmen. Denn von einem insolventen Arbeitgeber kann der Arbeitnehmer eine Urlaubsabgeltung ebensowenig erwarten wie Urlaubsentgelt, während der sozialversicherungsrechtliche Schutz auch während des Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses mit einem insolventen Arbeitgeber weiterbesteht.
Es besteht für den Kläger aber möglicherweise auf einer anderen Grundlage ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Nach den Feststellungen des LSG war der Kläger im Zeitpunkt seiner außerordentlichen Kündigung (Ende März 1988) bereits, und zwar seit Mitte Januar 1988 und bis zum 30. Oktober 1989, arbeitsunfähig krank; am 21. April 1988 – also im recht nahem zeitlichen Zusammenhang zur Kündigung durch den Kläger – wurde er für eine noch nicht absehbare Zeit als seedienstuntauglich eingestuft.
Damit ist wahrscheinlich, daß der Kläger im Zeitpunkt der Beendigung seines Heuerverhältnisses zwar nicht dauernd, wohl aber voraussehbar für den gesamten Verlängerungszeitraum arbeitsunfähig bzw seedienstuntauglich war. In einem solchen Fall, wenn bei Beendigung des Heuerverhältnisses feststeht, daß eine bereits bestehende bzw mit Beginn des Verlängerungszeitraumes eintretende Erkrankung des Besatzungsmitglieds den gesamten Verlängerungszeitraum andauern wird (Bemm-Lindemann, RdNr 11 zu § 60 SeemG mwN; Dersch/Neumann, BUrlG, 7. Aufl 1990, RdNr 50 zu § 60 SeemG mwN), kommt eine Verlängerung des Heuerverhältnisses um den noch nicht gewährten Urlaub nicht zum Zuge. In derartigen Fällen ist das mit dem Verbot der Urlaubsabgeltung verfolgte Ziel der bezahlten Freizeitgewährung nicht erreichbar (vgl auch BAG AP Nr 3 zu § 60 SeemG für den Fall einer während des verlängerten Heuerverhältnisses eintretenden Arbeitsunfähigkeit).
Ob aber im Zeitpunkt der Kündigung feststand, daß die Erkrankung des Klägers voraussichtlich im gesamten Verlängerungszeitraum andauern würde, kann den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden. Das LSG wird daher noch zu ermitteln und zu entscheiden haben, ob der Kläger im Zeitpunkt der Kündigung voraussichtlich für den gesamten Verlängerungszeitraum arbeitsunfähig bzw seeuntaublich gewesen wäre.
Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens befinden.
Fundstellen