Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 08.12.1989)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 1989 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung der Kosten, die er für eine Entgiftungsbehandlung des Beigeladenen in der Zeit vom 16. November bis 6. Dezember 1981 in Höhe von 2.592,45 DM aufgewendet hat.

Der 1935 geborene Beigeladene war zuletzt 1974 versicherungspflichtig beschäftigt. Danach lebte er als alkoholabhängiger Stadtstreicher ohne festen Wohnsitz und erhielt mehrfach stationäre Krankenhausbehandlung zur Entgiftung und anschließend Entzugsbehandlung. Da er nicht krankenversichert war, wurden die Kosten jeweils vom Kläger als überörtlicher Träger der Sozialhilfe übernommen.

Am 3. Juli 1981 bewilligte die Westfälische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (WAfR) zu Lasten der Beklagten als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation eine stationäre Heilbehandlung bis zu sechs Monaten in der Klinik S. … in B. … Die am 24. Juli 1981 begonnene Maßnahme brach der Beigeladene am 2. September 1981 ab.

Am 16. November 1981 wurde der Beigeladene in das W. … Landeskrankenhaus St. … in W. … aufgenommen. Er war hierhin vom Evangelischen Krankenhaus in N. … verlegt worden. Als Diagnose wurde chronischer Alkoholismus mit schweren hirnorganischen Schäden gestellt und eine Entgiftungsbehandlung wegen Abstinenzunfähigkeit in der Zeit vom 16. November bis 6. Dezember 1981 durchgeführt. Mit einem am 17. November 1981 von ihm unterschriebenen, am 28. Dezember 1981 bei der WAfR eingegangenen Formular beantragte der Beigeladene bei der WAfR Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation, wobei als erforderliche Maßnahme eine Entwöhnungsbehandlung genannt wurde. Ab 7. Dezember 1981 schloß sich diese Entwöhnungsbehandlung (bis 6. Juni 1982) an, aus der der Beigeladene mit gebessertem Zustand entlassen wurde. Die Kosten dieser Entwöhnungsbehandlung wurden von der WAfR zu Lasten der Beklagten übernommen (Bescheid vom 21. Januar 1982).

Die Kosten für die Entgiftungsbehandlung bis zum 6. Dezember 1981 trug der Kläger vorläufig als Eingliederungshilfe für Behinderte. Mit Schreiben vom 30. März 1982 lehnte die WAfR gegenüber dem Kläger die Erstattung dieser Kosten ab, da es sich bei der Entzugsbehandlung um eine Leistung gehandelt habe, für deren Kosten die Krankenkassen aufzukommen hätten. Wenn der Versicherte keiner Krankenkasse angehöre, könne dies nicht zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung gehen. Auf Gegenvorstellung des Klägers blieb die WAfR bei ihrer Ablehnung.

Die auf Kostenerstattung gerichtete Klage wies das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 9. März 1988 ab. Die Berufung des Klägers gegen diese Entscheidung wies das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 8. Dezember 1989 zurück. Ein Erstattungsanspruch des Klägers sei nicht gegeben. Mit Rücksicht auf die durch § 1236 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aufrechterhaltene konkurrierende Zuständigkeit der Träger anderer Zweige der Sozialversicherung sei für das Bestehen des Erstattungsanspruches entscheidend, ob die streitige stationäre Behandlung eine medizinische Rehabilitationsleistung iS von §§ 1236 Abs 1, 1237 RVO gewesen sei, die die Beklagte hätte erbringen müssen, oder ob es sich um eine Krankenhauspflege nach § 184 RVO bzw § 37 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) gehandelt habe. Beim Aufenthalt des Beigeladenen im W. … Landeskrankenhaus St. … habe die stationäre Heilbehandlung (Entgiftung) im Vordergrund gestanden. Bis zum 6. Dezember 1981 habe eine Kurfähigkeit nicht bestanden. Der Auffassung, daß in Fällen, in denen der Sozialhilfeempfänger nicht krankenversichert sei, der Rentenversicherungsträger auch die Kosten der der Entwöhnungsbehandlung vorausgegangenen stationären Entzugsbehandlung zu tragen habe, sei nicht zuzustimmen. Die Einheitlichkeit der Rehabilitationsmaßnahme bzw des Rehabilitationszwecks könne nicht dazu führen, hier zu Lasten der Beklagten auch eine Leistungszuständigkeit für eine originäre und nach dem gegliederten Sozialleistungssystem allein in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung fallende Krankenkassenleistung zu begründen.

Der Kläger hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Er rügt eine Verletzung der §§ 1236 ff RVO, der §§ 2, 5 und 10 des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes (RehaAnglG), des § 2 BSHG sowie eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), ferner einen Verstoß gegen die Grenzen der freien Beweiswürdigung iS von § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Beklagte sei nicht im Rahmen einer Auffangzuständigkeit, sondern aufgrund eigener gesetzlicher Bestimmungen verpflichtet, die Kosten der Entgiftung zu übernehmen. Der Kläger sei hingegen immer nur als letzte mögliche Stelle leistungspflichtig und dürfe nicht eintreten, wenn die vorrangige Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers gegeben sei. Der Beigeladene sei während der Entgiftung auch rehabilitationsfähig gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 1989 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die in der Zeit vom 16. November bis 6. Dezember 1981 im W. … Landeskrankenhaus St. … entstandenen Kosten für die Behandlung des Beigeladenen, D. … M., … in Höhe von 2.592,45 DM zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und tritt der Rechtsauffassung des Klägers entgegen.

Der Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit auch zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die vom LSG bisher getroffenen Feststellungen lassen eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits noch nicht zu. Das Gericht wird weitere Ermittlungen zu den Fragen der Antragstellung gemäß § 1545 Abs 1 Nr 2 RVO, der Zustimmung nach § 4 Abs 1 Satz 1 RehaAnglG und der Erfolgsaussicht der streitigen Behandlung als Rehabilitationsmaßnahme iS von § 1236 Abs 1 Satz 1 RVO anzustellen haben.

Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht darin, daß Grundlage für den Erstattungsanspruch des Klägers § 104 des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – (SGB X) ist (BSG 3. Senat SozR 3-2200 § 184a Nr 1, 4a. Senat SozR 2200 § 1237 Nr 21, 5. Senat SozR 3-2200 § 1237 Nr 1). Nach § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X muß ein Leistungsträger, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger erbrachte Sozialleistungen erstatten, sofern nicht die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 SGB X (nachträglicher Wegfall einer Leistungspflicht) vorliegen oder der Leistungsträger bereits selbst ohne Kenntnis von der Leistung des anderen Leistungsträgers geleistet hat. Als Träger der Sozialhilfe war der Kläger gemäß § 2 Abs 1 BSHG lediglich nachrangig verpflichtet, dem Beigeladenen Eingliederungshilfe gemäß §§ 39, 40 BSHG in Form einer stationären Entgiftungsbehandlung zu gewähren. Ein Fall des Wegfalls der Leistungsverpflichtung oder der eigenen Leistung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers lag nicht vor.

Aufgrund des engen Zusammenhanges zwischen Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers und Sozialleistungsanspruch des Berechtigten gegen den vorrangig verpflichteten Leistungsträger ist weiterhin erforderlich (s BSG SozR 1300 § 104 Nr 6 und SozR 2200 § 1237 Nr 21), daß die wesentlichen Voraussetzungen eines Anspruchs des Beigeladenen gegen die Beklagte auf gleichartige Sozialleistung erfüllt waren. Rechtsgrundlage für die Erbringung einer Maßnahme der streitigen Art durch einen Träger der Rentenversicherung ist § 1236 Abs 1 und 1a RVO iVm §§ 1237 bis 1237b RVO. Nach § 1236 Abs 1 Satz 1 RVO kann der Träger der Rentenversicherung in dem Fall, daß die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist, Leistungen zur Rehabilitation erbringen, wenn die Erwerbsfähigkeit durch diese Leistungen wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder wenn bei einer bereits geminderten Erwerbsfähigkeit durch diese Leistungen der Eintritt von Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit abgewendet werden kann. Gemäß § 1236 Abs 1 Sätze 4 und 5 RVO richtet sich der Umfang der Leistungen zur Rehabilitation nach den §§ 1237 bis 1237b RVO, bestimmt der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Leistungen zur Rehabilitation sowie die Rehabilitationseinrichtung unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach pflichtgemäßem Ermessen. Gemäß § 1545 Abs 1 Nr 2 RVO und § 4 Abs 1 Satz 1 RehaAnglG bedürfen die Leistungen eines Antrages und der Zustimmung des Versicherten/Behinderten. Ob alle in diesen Vorschriften aufgestellten Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs des Beigeladenen gegen die Beklagte erfüllt waren, läßt sich auf der Grundlage der bisher festgestellten Tatsachen noch nicht endgültig beantworten.

Zwar lagen nach den mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit gemäß § 163 SGG für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts sowohl die allgemeine Leistungsvoraussetzung des § 1236 Abs 1a RVO als auch eine Beeinträchtigung des Befindens des Beigeladenen vor, wie sie § 1236 Abs 1 Satz 1 RVO als Ausgangssituation für eine Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger vorsieht. Aus den Gründen des angefochtenen Urteils läßt sich aber nicht erkennen, was für den Antrag iS von § 1545 Abs 1 Nr 2 RVO und die Zustimmung gemäß § 4 Abs 1 Satz 1 RehaAnglG zu gelten hat.

Nach § 1545 Abs 1 RVO in der bis 31. Dezember 1991 geltenden Fassung sind die „Leistungen aus der Reichsversicherung festzustellen, und zwar 1. auf dem Gebiet der Unfallversicherung von Amts wegen, 2. im übrigen auf Antrag”. Zu dem mit Nr 2 der Vorschrift gemeinten Teil der Reichsversicherung zählt auch der Versicherungszweig der Rentenversicherung. Leistungen der Träger der Rentenversicherung iS des § 1235 RVO setzen mithin einen Antrag des Berechtigten voraus. Als eine Sparte dieser „Regelleistungen” sind in § 1235 Nr 1 RVO ausdrücklich „medizinische, berufsfördernde und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation” aufgeführt. Ob für die streitbefangene Entgiftungsbehandlung des Beigeladenen ein Antrag in diesem Sinne vorlag, wird das Berufungsgericht als ersten Punkt zu klären haben.

Zum Verständnis des Begriffes Antrag ist dabei folgendes zu beachten: Rehabilitation läßt sich als reale Erfüllung der in § 1226 RVO an erster Stelle den Trägern der Rentenversicherung übertragenen Aufgabe zutreffend nur als Herbeiführung des Gesamterfolges verstehen, wie ihn § 1 RehaAnglG mit dem Begriff der „Wiedereingliederung” charakterisiert. Je nach Lage des Einzelfalles kann für diesen Gesamterfolg schon eine einzige Maßnahme aus dem Gesamtkatalog von spezifischen Rehabilitationsmaßnahmen, den das Gesetz in §§ 1237 ff RVO aufgestellt hat, notwendig und ausreichend sein. In nicht wenigen Fällen wird allerdings ein derartiges singulär bestimmtes Vorgehen nicht genügen, vielmehr eine Kombination (ein ‚Bündel’) von Einzelmaßnahmen des Katalogs erforderlich sein. Auf die letzte Fallvariation stellt § 5 Abs 3 RehaAnglG ab und fordert als Richtschnur und Koordinationsgrundlage von dem zuständigen Rehabilitationsträger einen Gesamtplan zur Rehabilitation. Zugleich wird durch § 5 Abs 2 Satz 1 RehaAnglG der notwendige Umfang des einzuleitenden Rehabilitationsverfahrens dahin bestimmt, daß der einzelne Träger unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die nach Lage des Einzelfalles erforderlichen Leistungen so vollständig und umfassend zu erbringen hat, daß Leistungen eines anderen Trägers nicht erforderlich werden „Grundsatz der Einheit des Rehabilitationsträgers und des Rehabilitationsverfahrens”, Jung/Preuß, Rehabilitation 2. Aufl 1975 S 216).

Für den Antrag auf Rehabilitation folgt hieraus zum einen, daß er inhaltlich nicht auf eine bestimmte Rehabilitationsleistung oder eine bestimmte Art von Rehabilitationsleistungen konkretisiert werden muß (in diesem Sinn schon 5. Senat des BSG im Urteil vom 16. November 1989 – 5 RJ 3/89 –, BSGE 66, 87 = SozR 2200 § 1237 Nr 23). Zum anderen ergibt sich für seinen Geltungsumfang, daß er prinzipiell nicht einzelne Rehabilitationsmaßnahmen aus dem Katalog der §§ 1237 bis 1237b RVO anstrebt, sondern Rehabilitation als Verfahren im bezeichneten gesamtheitlichen Sinn bezweckt. Es wird in ihm mit anderen Worten vom Versicherten der Wille zum Ausdruck gebracht, ein auf Erhaltung oder Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit zielendes Verwaltungshandeln überhaupt erst einmal „dem Grunde nach”) in Gang zu setzen; Einzelausgestaltung und Dauer des Verfahrens sind dabei grundsätzlich noch offen und bedürfen gesonderter, gemäß § 1236 Abs 1 Satz 5 RVO in das pflichtgemäße Ermessen des Rentenversicherungsträgers gestellter Bestimmung.

Als derartiger Initiativakt ist der Antrag auf Rehabilitation in zeitlicher Beziehung dem beantragten Rehabilitationsverfahren naturgemäß vorgeordnet, eine Einzelleistung aus dem Katalog der §§ 1237 bis 1237b RVO in der Zeit vor einem Antrag nicht vom Rehabilitationsauftrag des § 1236 Abs 1 Satz 1 RVO an den Rentenversicherungsträger gedeckt. Maßgebend für die Frage, ab wann ein Antrag in diesem Sinn rechtswirksam vorliegt, ist in entsprechender Anwendung von § 130 Abs 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), da der Antrag empfangsbedürftige Willenserklärung ist, der Zugang beim zuständigen Rentenversicherungsträger, bei einem nach § 16 Abs 1 Satz 2, Abs 2 Satz 2 des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – (SGB I), § 4 Abs 2 Satz 3 RehaAnglG gleichgesetzten oder auch gemäß §§ 164 Abs 1 und 3, 167 Abs 1 BGB zur Entgegennahme der Erklärung bevollmächtigten Empfänger.

Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen durch das Berufungsgericht ist es möglich, daß es hier für den erforderlichen (Gesamt-)Antrag nicht auf den Antrag des Beigeladenen vom 17. November 1981 ankommt, der erst am 28. Dezember 1981 – also bereits nach Ende der streitigen Entgiftungsbehandlung – bei der WAfR als empfangsermächtigte Stelle einging. Wie das LSG unangegriffen und damit bindend festgestellt hat, hatte die WAfR 1981 zu Lasten der Beklagten als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation eine stationäre Heilbehandlung des Beigeladenen in der Klinik S. … in B. … bewilligt. Die Maßnahme begann am 24. Juli 1981 und wurde am 2. September 1981 vom Beigeladenen abgebrochen. Je nach den näheren Umständen der Einleitung und der Beendung dieser Behandlung kann es sein, daß der für die Bewilligung der Maßnahme durch die WAfR vorausgesetzte Antrag des Beigeladenen nach §§ 1236, 1545 RVO über den Abbruch des Klinikaufenthalts Anfang September 1981 hinaus bis zur Wiederaufnahme der Behandlung Mitte November 1981 fortbestand und -wirkte und damit auch die streitige Entgiftungsbehandlung mittrug.

Ob dies der Fall war, hängt zum einen davon ab, wie der Rehabilitationsantrag des Beigeladenen aus der ersten Hälfte des Jahres 1981 zu verstehen ist, insbesondere, ob er als Initiierung eines Rehabilitationsverfahrens überhaupt „dem Grunde nach”) im bezeichneten allgemeinen, noch undetaillierten Sinn aufgefaßt werden kann. Zum anderen kommt es darauf an, welche Bedeutung der „Abbruch” der Behandlung durch den Beigeladenen für das begonnene Rehabilitationsverfahren hatte. Die Tatsache, daß eine konkrete Einzelmaßnahme der Rehabilitation rein faktisch endet, besagt für sich allein noch nicht, daß damit auch schon die Rehabilitation als gesamtheitliches Verfahren ihr Ende findet. Notwendig ist hierzu vielmehr ein darauf bezogener Endigungstatbestand. Prototyp eines Endigungstatbestandes ist entsprechend der Zwecksetzung des Rehabilitationsverfahrens der Eintritt des angestrebten Rehabilitationserfolges – beim Beigeladenen im September 1981 allerdings wenig wahrscheinlich. Für die Zeit vor Erfolgseintritt kann Endigungstatbestand auch – als actus contrarius zur Antragstellung – die Erklärung des in Behandlung stehenden Berechtigten sein, die Rehabilitation insgesamt nicht mehr fortsetzen zu wollen. Das Berufungsgericht wird festzustellen haben, ob der Beigeladene mit seiner Verweigerung weiterer Mitwirkung am 2. September 1981 zumindest schlüssig einen solchen inhaltlich weitreichenden Willen kundtat oder nicht bloß augenblicksbedingt seine aktive Teilnahme an der konkreten Einzelmaßnahme in der Klinik S. … vorübergehend einstellte.

Im Einzelfall kann sich allerdings ergeben, daß der ursprüngliche Antrag durch weitere Erklärungen des Versicherten konkretisiert werden muß. Dies ist uU erforderlich, bevor der Versicherte in eine von dem Plan des Rehabilitationsträgers abweichende Maßnahme eintritt oder eine solche von einer anderen Stelle durchgeführt wird oder wenn anstelle einer abgebrochenen Maßnahme eine andere eingeleitet wird. Der (Gesamt-)Antrag, mit dem das Verfahren eingeleitet wird, bedeutet, daß der Versicherte das Rehabilitationsverfahren in die Verantwortung des betreffenden Rehabilitationsträgers legt und bereit ist, an der Aufstellung dieses Plans und den einzelnen Schritten mitzuwirken. Mit eigenmächtig oder in Zusammenarbeit mit anderen Rehabilitationsträgern eingeleiteten Maßnahmen (die nicht durch unzureichende Angebote oder sonstige Mängel des Rehabilitationsverfahrens bedingt sind) löst sich der Versicherte aus diesem Verfahren und kann deshalb einen Anspruch auf Übernahme der Kosten dieser Maßnahme erst dann erwerben, wenn er den zuständigen Rehabilitationsträger durch einen entsprechenden Antrag einbezieht und ihm die Möglichkeit der Einwirkung gibt.

Hier sind insofern noch weitere Feststellungen erforderlich. Ein einfacher, ohne ausdrückliche Einbeziehung des Versicherten gestellter Kostenübernahmeantrag eines Krankenhauses reicht zur Fortführung oder Wiederaufnahme des ursprünglichen Rehabilitationsverfahrens jedenfalls regelmäßig nicht aus. Auch dürfte der Antrag vom 17. November 1981 schon deshalb als ein derartiger Ergänzungsantrag nicht in Betracht kommen, weil er erst nach dem Ende der streitigen Entgiftungsbehandlung bei der Beklagten, dh hier der WAfR, eingegangen ist.

Davon zu unterscheiden ist die nach § 4 Abs 1 Satz 1 RehaAnglG erforderliche Zustimmung des Beigeladenen zu den einzelnen konkreten Maßnahmen. Hierbei geht es nicht um die Erklärung eines Willens, das Rehabilitations-(Gesamt-)verfahren in Gang zu setzen, sondern um die Bereitschaft, an den Maßnahmen zur Rehabilitation teilzunehmen, die der Rehabilitationsträger aus dem Katalog der in Betracht kommenden Maßnahmen ausgewählt hat. Ihrem Charakter nach stellt sie die Grundlage für eine Mitwirkung des Versicherten am Rehabilitationserfolg sicher. Dieser Zusammenhang ergibt sich unmittelbar aus § 4 Abs 1 RehaAnglG, der die Zustimmung in Verbindung mit der Mitwirkung regelt.

Aus dieser Bedeutung der Zustimmung folgt, daß sie nicht unbedingt vor der Maßnahme vorliegen muß, wohl aber während der Maßnahme und ihrerseits keinen Träger zu bestimmten Leistungen veranlaßt, sondern nur dem Träger gegenüber, der eine Leistung erbringt, die Mitwirkungsbereitschaft manifestiert.

Sofern sich im vorliegenden Fall ergibt, daß eine ausreichende Antragstellung vorliegt, käme es weiterhin darauf an, ob während der Zeit, in der die Beklagte für die Durchführung der Maßnahme zuständig war, die Zustimmung des Beigeladenen zu dieser konkreten Maßnahme vorlag.

Führen die neuen Ermittlungen des Berufungsgerichts zu dem Ergebnis, daß für die streitige Entgiftungsbehandlung Antrag gemäß §§ 1236, 1545 RVO und Zustimmung gemäß § 4 RehaAnglG vorlagen, so wird das Berufungsgericht noch weitere Ermittlungen zur Frage der Erfolgsaussicht der Rehabilitation anzustellen haben. Ausdrücklich hat es sich hierzu bisher noch nicht erklärt. Seine Äußerung auf S 17 der Urteilsgründe zur Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1236 Abs 1 Satz 1 RVO könnte möglicherweise in diese Richtung gemeint sein. Sie reicht jedoch inhaltlich dazu nicht aus. Welche Einzelaspekte in diesem Sachzusammenhang zu beachten sind, hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 23. April 1992 im Rechtsstreit 13 RJ 25/91, der zwischen denselben Parteien wie hier anhängig war, näher ausgeführt. Hierauf wird verwiesen.

Auf das genannte Urteil wird gleichfalls dafür verwiesen, wie der Leistungskatalog der §§ 1237 bis 1237b RVO im gesetzes- und rechtssystematischen Zusammenhang allgemein und die Vorschrift des § 1237 RVO in ihrer Aufzählung der „medizinischen Leistungen zur Rehabilitation” im besonderen – namentlich bezogen auf Alkoholsuchtkranke – zu verstehen sind. Im Hinblick darauf, daß das Berufungsgericht seine bisherige Beurteilung des Rechtsstreits im wesentlichen auch damit begründet hat, daß die streitige Entgiftungsbehandlung stationär erfolgt sei und derartige Behandlungen als originär zum Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung gehörende Leistungen nicht vom Rentenversicherungsträger gemäß § 1236 RVO zu erbringen seien, ist an dieser Stelle ergänzend hinzuzufügen:

Der Umstand, daß die streitige Entgiftungsbehandlung des Beigeladenen in einem Krankenhaus durchgeführt wurde, hat entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zur Folge, daß damit eine Einordnung der Maßnahme in den Leistungskatalog des § 1237 RVO entfällt. Zwar wird in dieser Vorschrift die Krankenhausbehandlung als medizinische Leistung zur Rehabilitation nicht ausdrücklich genannt. Das schließt jedoch im Blick auf die Abfassung der Vorschrift insgesamt und unter Berücksichtigung des Wortlautes von § 10 RehaAnglG nicht aus, die Krankenhausbehandlung sachlich zu den medizinischen Leistungen zur Rehabilitation zu rechnen, die ein Rentenversicherungsträger gemäß § 1236 Abs 1 Satz 4 RVO als Rehabilitationsmaßnahme durchführen darf. Denn zum einen ist die Aufzählung einzelner spezifischer Leistungsarten in § 1237 RVO, wie die Worte „insbesondere” und „vor allem” deutlich machen, nur als beispielhafter Katalog zu verstehen, der nicht geschlossen ist, sondern um andere, nicht ausdrücklich genannte medizinische Maßnahmen erweitert werden kann. Daß Krankenhausbehandlung im Sinne der Rechtsprechung des BSG (= ein Vorgang, der im wesentlichen unter der aktiven und fortdauernden behandelnden Einwirkung des Arztes und der ständigen Assistenz, Betreuung und Beobachtung fachlich geschulten Pflegepersonals erfolgt und bei dem typischerweise Apparaturen des Krankenhauses in Anspruch genommen werden, BSGE 46, 41; 51, 44, 56; BSG SozR 2200 § 184a Nr 5) eine derartige medizinische Maßnahme ist, kann nicht zweifelhaft sein. Zum anderen wird in § 10 RehaAnglG die Anordnung zu Beginn der Vorschrift, daß „alle Hilfen …” umfaßt sein sollen, am Schluß dahin exemplifiziert, daß medizinische Leistungen „auch in Krankenhäusern …” zu erbringen sind. Aus der rechtssystematischen Zusammengehörigkeit und funktionalen Übereinstimmung beider Vorschriften ist es gerechtfertigt, die Anordnungen, auch was die Tragweite ihres Regelungsgehaltes anbelangt, einheitlich zu verstehen und in den Abweichungen der sprachlichen Fassung bloß redaktionelle Unzulänglichkeiten zu sehen (so zutreffend BSG 5. Senat Urteil vom 16. November 1989, BSGE 66, 87 = SozR 2200 § 1237 Nr 23).

Für die streitige Behandlung des Beigeladenen im W. … Landeskrankenhaus St. … war eine derartige Krankenhausbehandlung als Teil eines Gesamtkonzepts zur Rehabilitation des Versicherten unumgänglich. Der Begriff „Entgiftung” hat sich für die Phase der Behandlung eingebürgert, bei der zunächst der Abbau des Giftes im Körper erreicht werden soll. In dieser Phase sind – zum Teil gefährliche – Erscheinungen zu befürchten, die eine intensive ärztliche und pflegerische Betreuung notwendig machen (vgl § 4 der Empfehlungsvereinbarung über die Zusammenarbeit der Krankenversicherungsträger und der Rentenversicherungsträger bei der Rehabilitation Abhängigkeitskranker vom 2. November 1978 = sogenannte Empfehlungsvereinbarung Sucht, abgedruckt in Amtl. Mitteil. LVA Rheinprovinz 1979, 204). Eine Entgiftung ohne eine solche medizinische Absicherung durchzuführen, hieße daher, das Risiko in Kauf zu nehmen, daß der Versicherte durch eine Rehabilitationsmaßnahme in seiner Erwerbsfähigkeit schlechter- statt bessergestellt wird. Da dies dem Gesetzeszweck offenkundig zuwiderliefe, kann allein die Art und Form der Behandlung als vorschriftsmäßig angesehen werden, die eine einwandfreie medizinische Sorge um den Patienten im genannten Umfang gewährleistet. Das aber ist in aller Regel nur bei Aufnahme des Versicherten in ein Krankenhaus oder eine ausstattungsmäßig gleich befähigte andere Einrichtung zu bejahen. Außergewöhnliche Umstände, die eine Ausnahme hiervon trügen, sind vom LSG nicht festgestellt worden.

Die Zuständigkeit der Beklagten wird auch nicht dadurch überlagert, daß eine gesetzliche Krankenkasse Leistungen zu erbringen hätte (§ 1236 Abs 3 RVO); denn für den Beigeladenen bestand in der streitigen Zeit kein Krankenversicherungsschutz.

Der Kostenausspruch bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173077

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