1 Einleitung
Im Rahmen der Tarifrunde 2015 wurde die hessenspezifische Regelung "Freizeitausgleich bei ehrenamtlichem Engagement" eingeführt. Hintergrund dieser Regelung ist das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel der Landesregierung, das Ehrenamt zu fördern und die Anerkennungskultur weiterzuentwickeln (vgl. Koalitionsvertrag 2014-2019 zwischen CDU Hessen und Bündnis 90/Die Grünen Hessen, S. 48 "Ehrenamt und Bürgerengagement im Mittelpunkt").
§ 29a TV-H gilt seit dem 1. Januar 2015. Die Regelung gilt entsprechend für Auszubildende nach dem TVA-H BBiG und dem TVA-H Pflege sowie für Praktikanten nach dem TV Prakt-H.
2 Voraussetzungen
- Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Land Hessen am 1. Januar eines Kalenderjahres,
- zu diesem Zeitpunkt Inhaberschaft einer "hessischen" Ehrenamts-Card (E-Card) oder einer Jugendleiterin/Jugendleiter-Card (Juleica) bzw. Inhaberschaft eines den Mindestvoraussetzungen der "hessischen" Ehrenamts-Card entsprechenden Nachweises (Protokollerklärung Nr. 1 zu § 29a TV-H).
Die Voraussetzungen für die Vergabe der E-Card sind nicht bundeseinheitlich geregelt, sie variieren in den einzelnen Bundesländern. In Hessen wird die E-Card von Städten und Landkreisen für ehrenamtliche Tätigkeiten vergeben, die durchschnittlich mindestens 5 Stunden pro Woche betragen und im Land Hessen ausgeübt werden (www.ecard-hessen.de). Um nicht nur das ehrenamtliche Engagement im Land Hessen zu honorieren, sondern auch das ehrenamtliche Engagement von Beschäftigten des Landes Hessen in benachbarten Bundesländern, genügen gemäß der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 29a TV-H auch entsprechende Nachweise (anderer Bundesländer). Allerdings müssen diese Nachweise – wie die "hessische" E-Card – ein ehrenamtliches Engagement von durchschnittlich mindestens 5 Stunden pro Woche belegen. Für dieses ehrenamtliche Engagement darf keine Aufwandsentschädigung gezahlt werden, die über die Erstattung von Kosten hinausgeht, vgl. Protokollerklärung Nr. 1 zu § 29a TV-H. Ob dies der Fall ist, bedarf der Einzelfallprüfung anhand des vom Beschäftigten vorgelegten Dokuments.
Solch einer Einzelfallprüfung bedarf es bei der Juleica nicht. Es gibt zwar ebenfalls keine bundesrechtlich verbindliche Regelung zur Juleica. Aufgrund der Vereinbarung der obersten Landesjugendbehörden im Jahr 1998 gibt es jedoch bundeseinheitliche Mindeststandards (www.juleica.de) sowie die Festlegung, dass die Länder die Juleica gegenseitig anerkennen. D.h. es spielt für den Anspruch nach § 29a TV-H keine Rolle, ob die Juleica in einem anderen Bundesland ausgestellt wurde; die "nicht-hessische" Juleica und die "hessische" Juleica erfüllen gleichermaßen die Anspruchsvoraussetzungen des § 29a TV-H.
Zu den Mindeststandards der Juleica gehört insbesondere, dass der Jugendleiter
- über pädagogische und rechtliche Kenntnisse im Umgang mit Kindern und Jugendlichen verfügt, die – soweit sie nicht durch Berufsausbildung oder Studium erworben wurden – durch Teilnahme an einer mind. 30-stündigen Jugendleiterausbildung dokumentiert werden müssen,
- einen Nachweis über eine Erste-Hilfe-Ausbildung vorlegt.
Die Zuständigkeit und das Verfahren für die Antragstellung der Juleica bestimmen sich nach Landesrecht.
3 Umfang des Freizeitausgleichs
Bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen erhalten die Beschäftigten einen Tag Freizeitausgleich pro Kalenderjahr unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21 TV-H). Die Tarifvertragsparteien haben bewusst den Begriff Freizeitausgleich gewählt und den Begriff "Urlaub" vermieden. Denn der in § 29a TV-H geregelte Freizeitausgleich unterscheidet sich deutlich vom Erholungsurlaub nach § 26 TV-H oder Zusatzurlaub nach § 27 TV-H:
- Der Freizeitausgleich beträgt einen Arbeitstag pro Kalenderjahr und zwar unabhängig davon, ob der Beschäftigte in der 1-Tage-Woche oder 6-Tage-Woche arbeitet (vgl. Protokollerklärung Nr. 2 zu § 29a TV-H). Dies hat zur Folge, dass eine Umrechnung bei einer Aufstockung oder Reduzierung der Arbeitstage nicht vorzunehmen ist.
- Eine Übertragung des Freizeitausgleichs in das folgende Kalenderjahr findet nicht statt. Konnte der Freizeitausgleich in einem Kalenderjahr (z.B. krankheitsbedingt) nicht genommen werden, verfällt hat.
- Der Freizeitausgleich wird – auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – nicht finanziell abgegolten, er kann nur "in natura" genommen werden.
- Die Obergrenze des § 27 Abs. 4 TV-H gilt nicht, d.h. der Freizeitausgleich wird zusätzlich zum Urlaub gewährt und durch diesen nicht begrenzt.
Der 55-jährige übergeleitete Beschäftigte X hat einen Grad der Behinderung von 30 (minderschwerbehinderter Beschäftigter). Er ist zudem Inhaber einer "hessischen" E-Card. Welchen (Zusatz-)Urlaubsanspruch hat er? Wie verhält es sich mit seinem Anspruch auf Freizeitausgleich nach § 29a TV-H?
(Zusatz-)Urlaubsanspruch von X:
- § 26 TV-H: 30 Tage
- § 15 Abs. 5 TVÜ-H i.V.m. § 17 HUrlVO: weitere 3 Tage
- § 27 Abs. 1 TV-H i.V.m. § 13 HUrlVO: weitere 3 Tage ("Kann-Bestimmung") wegen der Minderschwerbehinderung
Der Beschäftigte hat damit insgesamt 36 Tage (Zusatz-)Urlaub. Die Obergrenze des § 27 Abs. 4...