Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristlose personen-/verhaltensbedingte Änderungskündigung während nachwirkenden Kündigungsschutzes
Leitsatz (amtlich)
Bei einer fristlosen personen-/verhaltensbedingten Änderungskündigung während des nachwirkenden Kündigungsschutzes ist zu prüfen, ob die Weiterbeschäftigung dem Arbeitgeber für die Dauer der fiktiven Kündigungsfrist (nicht: der gesamten restlichen Schutz- und Kündigungsfrist) unzumutbar ist.
Leitsatz (redaktionell)
Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 2 AZR 487/00.
Normenkette
KSchG § 15 Abs. 1; BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 05.01.1998; Aktenzeichen 8 Ca 324/97) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 15. Januar 1998 – 8 Ca 324/97 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Der 43jährige, verheiratete Kläger, der zum Kündigungszeitpunkt drei Kinder hatte, war seit Januar 1991 bei der Beklagten beschäftigt. Zum Kündigungszeitpunkt war die Ehefrau des Klägers schwanger. Sein Sohn A. wurde am 12. Aug. 1987 geboren. Auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 1. April 1995, wegen dessen Inhalts auf Bl. 8 ff. d.A. verwiesen wird, wurde der Kläger ab diesem Zeitpunkt als Assistent (Schichtführer) beschäftigt. Ziffer 5.3 des Arbeitsvertrags sieht für das Arbeitsverhältnis die Geltung des Manteltarifvertrags für den Bereich der Systemgastronomie vor.
Die Beklagte hat als Franchisenehmerin der Firma M. ein Schnellrestaurant im D. Hauptbahnhofsgebäude betrieben. Sie beschäftigte im Betrieb in D. mehr als 5 Arbeitnehmer; es bestand dort kein Betriebsrat. Bis 30. Juni 1997 betrieb sie auch ein M. Schnellrestaurant am G. in F. mit zuletzt 47 Mitarbeitern. Bis zur Schließung des F. Restaurants war der Kläger dort zu einem Bruttomonatsverdienst von 3.370 DM als Schichtführer tätig. Im Betrieb in F. hatten am 25. November 1996 Betriebsratswahlen stattgefunden. Der Kläger wurde in der Folgezeit zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt. Die Beklagte hat ein Beschlußverfahren eingeleitet, in welchem sie die Nichtigkeit der Betriebsratswahl geltend macht hat. Der Antrag wurde durch Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Jan. 1998 – 14 Bv 456/96 – zurückgewiesen. Die Beschwerde wurde durch Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25. März 1999 – 12 Ta Bv 44/98 – zurückgewiesen, die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen. Mit Schreiben vom 8. April 1997 (Bl. 50, 51 d. A.) sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber ohne Zustimmung des Betriebsrats eine außerordentliche Kündigung aus, die vom Arbeitsgericht Frankfurt am Main im Eil- und Hauptsacheverfahren für unwirksam angesehen wurde. Unter dem 11. April 1997 (Bl. 61 ff. d. A.) leitete die Beklagte ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG ein.
Der Betriebsrat des F. Betriebs vereinbarte am 9. Juni 1997 aus Anlass der bevorstehenden Schließung des Betriebs mit der Beklagten einen Interessenausgleich und Sozialplan (Bl. 76 ff. d. A.). Der Kläger nahm als Betriebsratsvorsitzender an den Verhandlungen teil. Die Betriebspartner vereinbarten eine „Liste der vorrangig nach D. zu versetzenden Mitarbeiter” (Bl. 82 d. A.), auf der auch der Kläger eingetragen war.
Ab 1. Juli 1997 sollte der Kläger, ebenso wie ein Teil seiner Arbeitskollegen aus dem F. Betrieb, die Arbeit in D. aufnehmen. Zu diesem Zeitpunkt führte die Beklagte in D. neue Schichtzeiten ein. Danach begann die Frühschicht montags bis samstags um 5.00 Uhr und die Spätschicht endete freitags und samstags um 3.00 Uhr. Wegen der Einzelheiten der neuen Schichtzeiten wird auf die Aufstellung „Neue Schichtzeiten ab 01.07.1997!!!” (Bl. 13 d. A.) Bezug genommen. Vor dem 1. Juli 1997 wurde im Betrieb in D. im Dreischichtbetrieb gearbeitet. Mit der Änderung der Schichtzeiten ging eine Änderung der Öffnungszeiten einher. Das Restaurant in D. war vor dem 1. Juli 1997 montags bis samstags um 6.00 Uhr und sonntags sowie an Feiertagen um 7.00 Uhr geöffnet sowie sonntags bis donnerstags um 24.00 Uhr und freitags und samstags um 1.00 Uhr geschlossen worden. Ab 1. Juli 1997 wurde das Restaurant montags bis samstags um 5 Uhr und sonntags sowie an Feiertagen um 6.00 Uhr geöffnet und sonntags bis donnerstags um 1.00 Uhr und freitags und samstags um 3.00 Uhr geschlossen.
Unter Ziffer 3.1 des Arbeitsvertrags hat sich der Kläger verpflichtet, „in Wechsel-Schichtdienst (jeweils festgelegt durch, den Restaurantleiter unter Berücksichtigung der Öffnungszeiten des Restaurants)” zu arbeiten. Der Kläger wohnte in F.. Er besaß keinen Führerschein und war auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen. Bei einem Arbeitszeitbeginn um 5.00 Uhr hätte der Kläger vor Beginn der Arbeit eine Wartezeit von 3 Stunden und 43 Minuten in Kauf nehmen müssen, wenn er pünktlich zur Arbeit hätte erscheinen wollen. Ein Arbeitszeitende um 3.00 Uhr hätte zur Folge gehabt, dass der Kläger 1 Stunde 35 ...