Entscheidungsstichwort (Thema)
Arztbesuche während der Gleitzeit
Leitsatz (amtlich)
Nimmt ein Arbeitnehmer an einer im Betrieb geltenden Gleitzeitregelung teil, so kann er – wenn einzelvertraglich oder tarifvertraglich keine Regelung besteht – für Arztbesuche während der Gleitzeit keine Zeitgutschrift verlangen.
Normenkette
BUB § 616; MTV f. Angestellte Druckindustrie NRW § 13
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 09.07.1992; Aktenzeichen 14 (6) Ca 1306/92) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.07.1992 – 14 (6) Ca 1306/92 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin, die an einer im Betrieb der Beklagten geltenden Gleitzeitregelung teilnimmt, 5 Zeiteinheiten für einen Arztbesuch auf ihrem Zeitkonto gutschreiben muß.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 22.03.1972 als Sachbearbeiterin zu einem monatlichen Bruttogehalt von DM 3.817,00 beschäftigt. Auf das Beschäftigungsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für Angestellte der Druckindustrie im Land Nordrhein-Westfalen vom 24.04.1989 Anwendung (folgend: MTV).
Am 18.06.1974 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit. Der Gleitzeitraum liegt von 7.00 Uhr bis 9.00 Uhr und von 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr; die Kernarbeitszeit wurde für die Zeit von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr festgelegt. Diese Betriebsvereinbarung wurde von der Beklagten fristgerecht zum 31.12.1987 gekündigt und ist noch nicht durch eine neue Regelung ersetzt worden.
Ziffer 7 dieser Betriebsvereinbarung regelt die Zeiterfassung. Unter Ziffer 72 wird geregelt, in welchen Fällen handschriftliche Erfassungen auf der Zeitwertkarte vorzunehmen sind. Ziffer 723 lautet wie folgt:
„Arbeitsunterbrechungen aus tariflichen und gesetzlichen Gründen. Hierunter fallen:
Krankheit, Arztbesuch aus akutem Anlaß oder wenn der Arztbesuch zu einem anderen Termin nicht möglich ist, Vorladung zur Behörde, Urlaub und Sonderurlaub, Erfüllung gesetzlich geregelter Pflichten aus öffentlichen Ehrenämtern. Im Zweifelsfall entscheidet die Personalabteilung unter Hinzuziehung des Betriebsrates, ob es sich um bezahlte Freizeit handelt.”
Unter dem Datum des 19.07.1979 hat der Personalleiter LS der Beklagten eine Aktennotiz verfaßt. Darin heißt es, die Geschäftsleitung habe, um eine einheitliche Regelung zu treffen, wie folgt entschieden: Arbeitnehmer, die auf Anordnung des Arztes oder aus akutem Anlaß vor der Kernzeit ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müßten, würden auf der Zeitwertkarte die Einheiten gutgeschrieben, die sich aus dem Schnitt der letzten zehn Tage ergäben. Diese Aktennotiz trägt den Eingangsstempel des Betriebsrates vom 24.06.1979 und ist handschriftlich mit „Regelungsabsprache” überschrieben. Sie ist unterzeichnet „i.A. BS”, der Sekretärin des nach Diktat verreisten Personalleiters. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Aktennotiz wird auf Bl. 15 d. A. ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin begab sich am 27.01.1992 in der Zeit von 8.15 Uhr bis 8.45 Uhr in zahnärztliche Behandlung. Die für diesen Arztbesuch aufgewendete Zeit von insgesamt fünf Zeiteinheiten (1/2 Stunde) wurde ihr von ihrem Vorgesetzten Herrn Berg auf der Stempelkarte gutgeschrieben. Wegen der Eintragungen auf der Stempelkarte der Klägerin für den Zeitraum vom 16.01.1992 bis 28.01.1992 wird auf Bl. 6 d. A. ergänzend Bezug genommen.
Da die Beklagte die vorgenommene Zeitgutschrift nicht anerkannte, hat die Klägerin Klage erhoben und die Gutschrift von fünf Zeiteinheiten begehrt.
Sie hat unter Hinweis auf die tarifliche Regelung, die Betriebsvereinbarung vom 18.06.1974 und die Aktennotiz vom 19.07.1979 die Auffassung vertreten, daß die Beklagte zur Gutschrift von 5 Zeiteinheiten verpflichtet sei.
Sie hat behauptet, sie habe am 27.01.1992 unter akuten Zahnschmerzen gelitten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr fünf Zeiteinheiten gutzuschreiben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, daß die Klägerin ihren Anspruch weder auf § 616 BGB, noch auf einschlägige tarifliche Vorschriften oder auf die Betriebsvereinbarung stützen könne. Die Klägerin schulde ihre Arbeitsleistung erst mit Beginn der Kernarbeitszeit ab 9.00 Uhr und sei deshalb auch nicht an der Erbringung ihrer Arbeitsleistung gehindert gewesen.
Die Klägerin könne ihren Anspruch auch nicht auf die Aktennotiz vom 19.07.1979 stützen, da der Personalleiter LS keine Vollmacht gehabt habe, entsprechende Regelungen zu treffen. Es handele sich auch nicht um eine Regelungsabsprache, da weder sie noch der Betriebsrat ihr wirksam zugestimmt habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 09.07.1992 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen (Bl. 66 bis 73 d. A.).
Die Klägerin hat gegen das ihr am 18.09.1992 zugestellte Urteil am 19.10.1992 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung am 23.11.1992 begründet.
Sie vertritt weiterhin die Auff...