Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechtigte betriebliche Bedürfnisse i.S.d. § 1 III S. 2 KSchG. Sozialauswahl. Herstellung einer ausgewogenen Altersstruktur im Betrieb. Abwägung sozialer und betrieblicher Belange
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 3 Sätze 1-2
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 17.12.1993 – Az.: 2c Ca 1160/93 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 28.06.1993 aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zum 31.12.1993 aufgelöst worden ist.
Wegen des Sach- und Streitstandes, wie er in erster Instanz zur Entscheidung vorgelegen hat, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 17.12.1993 nebst seinen Verweisungen Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Es hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß soziale Gesichtspunkte bei der Auswahl des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt worden sind und der Sozialauswahl entgegenstehende berechtigte betriebliche Bedürfnisse i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG die Kündigung nicht gerechtfertigt haben.
Im übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
Gegen das ihr am 19.01.1994 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.02.1994 eingelegte und am 16.03.1994 begründete Berufung der Beklagten.
Die Beklagte greift das Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründung (Bl. 96 bis 106 d. A.) und ihres Schriftsatzes vom 30.06.1994 (Bl. 131 bis 136 d. A.) unter Vertiefung und Erweiterung ihres bisherigen Vortrages insbesondere zu den berechtigten betrieblichen Bedürfnissen i. S. d. § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG an.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 17.12.1993 – Az.: 2c Ca 1160/93 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 13.04.1994 (Bl. 119 bis 130 d. A.).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der vorbereitend gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
Ergänzend wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Berufung konnte jedoch in der Sache keinen Erfolg haben.
Der Entscheidung des Arbeitsgerichts ist durchgehend beizupflichten. Das Berufungsgericht verweist deshalb gemäß § 543 Abs. 1 ZPO auf die ausführlichen und wohl abgewogenen Entscheidungsgründe, die es sich vollinhaltlich zu eigen macht.
Mit dem Arbeitsgericht hält auch die Berufungskammer die im Streit befindliche Kündigung für sozial nicht gerechtfertigt, da die Beklagte bei der Auswahl des gekündigten Klägers soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt hat (§ 1 Abs. 3 S. 1 KSchG) und entgegenstehende berechtigte betriebliche Bedürfnisse, die der Sozialauswahl entgegenstehen könnten, im konkreten Fall nicht anzuerkennen sind. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, daß tatsächlich in der Produktion insgesamt 16 Arbeitsplätze, davon 7 in der sog. Eingreiftruppe, durch Personalabbau aufgrund notwendiger Rationalisierungsmaßnahmen in Wegfall gekommen sind. Dennoch ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt und somit rechtsunwirksam, da die Beklagte, wie sie selbst eingeräumt hat, eine Sozialauswahl innerhalb aller vergleichbaren Arbeitnehmer der Eingreiftruppe nach den allgemein anerkannten Kriterien (insbesondere Betriebs Zugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltsverpflichtungen) nicht vorgenommen, sondern sämtlichen Arbeitnehmern der Eingreiftruppe ab 55 Jahren Unterschieds- und ausnahmslos gekündigt hat.
Zutreffend hat das Arbeitsgericht in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung ausgeführt, daß das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze für sich allein kein ausreichender personen- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund i. S. d. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist (vgl. Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Auflage, § 1 Rdn. 194 m. w. N.). Etwas anderes gilt lediglich bei Kündigungen aus Anlaß des Erreichens des Rentenalters, wenn der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt das gesetzliche Altersruhegeld beanspruchen kann und die Kündigung erfolgt, um einen vernünftigen Altersaufbau der Belegschaft zu erhalten und Aufstiegschancen innerhalb des Unternehmens zu eröffnen. In diesen Fällen kann in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Festlegung von Altersgrenzen für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen in Betriebsvereinbarungen (vgl. BAG vom 20.11.1987, AP Nr. 2 zu § 620 BGB „Altersgrenze” Nr. 1) eine Kündigung aus betrieblic...