Einführung

In der Praxis oft schwer zu beurteilen ist, wer nach den mit dem Marburger Bund geschlossenen Ärzte-Tarifverträgen Anspruch hat auf Entgelt der Entgeltgruppe III (TV-Ärzte/VKA) bzw. der Entgeltgruppe Ä 3 (Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken – TV-Ärzte) hat. Nach dem Wortlaut des § 16 TV-Ärzte/VKA ist Oberärztin/Oberarzt mit Anspruch auf Entgelt der Entgeltgruppe III

Zitat

diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.

Der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) vom 30.10.2006 enthält in § 12 hinsichtlich der Definition der Oberärztin/des Oberarztes 2 Alternativen:

Zitat

Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist. Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert.

 
Wichtig

In der Praxis bereitet die Eingruppierung der sog. "Funktionsoberärzte" erhebliche Probleme. Nach dem Wortlaut des § 16 TV-Ärzte/VKA haben nur Ärzte, denen die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden sind, Anspruch auf Entgelt der Entgeltgruppe III.

Um den 24-stündigen Facharztstandard zu sichern – der dafür notwendige Facharzt-Hintergrunddienst lässt sich nicht mit ein oder 2 Oberärzten gestalten –, haben viele Kliniken weitere Fachärzte zu "Funktionsoberärzten" bestellt. Diese Funktionsoberärzte leisten Rufbereitschaftsdienste. Ihnen ist jedoch nicht die für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III notwendige Funktion übertragen: Ihnen obliegt nicht "die medizinische Verantwortung für einen selbstständigen Teil- oder Funktionsbereich". Diese Ärzte sind in Entgeltgruppe II einzugruppieren.

Die Tarifvertragsparteien haben Letzteres in einer Niederschriftserklärung zu § 6 Abs. 2 TVÜ-Ärzte/VKA hinsichtlich der bei Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA bereits beschäftigten Ärzte ausdrücklich klargestellt: Sie gehen davon aus, dass Ärzte, die am 31.7.2006 die Bezeichnung "Oberärztin/Oberarzt" führen, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III zu erfüllen, die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III ist allein mit der Bezeichnung "Oberärztin/Oberarzt" jedoch nicht verbunden.

Die Voraussetzungen im Einzelnen

Mit den Urteilen vom 9.12.2009[1] hat das BAG erstmals den Begriff des Oberarztes im Sinne der Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA bzw. Ä 3 TV-Ärzte (Länder) konkretisiert. Von den 7 Klagen von Ärzten auf ein höheres Entgelt wurden 5 Klagen abgewiesen, eine Ärztin obsiegte.

Eine Eingruppierung in Entgeltgruppe III erfordert, dass vier Voraussetzungen erfüllt sind[2]:

a) dem Arzt ist die medizinische Verantwortung übertragen

b) für einen selbstständigen Teil- oder Funktionsbereich der Klinik bzw. Abteilung

c) die Tätigkeit wurde vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen (§ 16 Buchst. c) und

d) die Oberarzttätigkeit umfasst mindestens 50 % der Gesamttätigkeit (vgl. § 15 Abs. 2).

zu a) Medizinische Verantwortung

  • Die medizinische Verantwortung setzt voraus, dass der Oberarzt weiterhin als Arzt tätig ist und nicht lediglich organisatorische oder verwaltungstechnische Verantwortung trägt. Der Arzt muss also weiterhin spezifisch medizinisch, also im Zusammenhang mit der Behandlung von Patienten tätig sein. Verlangt wird, dass der Arzt zumindest zum Teil auch weiterhin mit dem Vorbeugen, dem Erkennen von Ursachen und Auswirkungen von Gesundheitsstörungen sowie ihrer Behandlung – also der Stellung von Indikationen und der Festlegung von Therapien – befasst ist.[3]

     
    Praxis-Beispiel

    Tätigkeiten im Patientenmanagement bzw. Casemanagement sind keine ärztlichen Tätigkeiten i. S. d. Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA. Mit der genannten Tätigkeit wurde keine "medizinische", sondern organisatorisch-administrative Verantwortung übertragen.

  • Dem Oberarzt muss Aufsichts- und (teilweise eingeschränktes) Weisungsrecht für das unterstellte medizinische und nichtärztliche Personal obliegen.[4]

    Eine anspruchsvolle medizinische Tätigkeit und der Umstand, dass der Beschäftigte für die ärztlichen Entscheidungen ebenso wie für die Untersuchungsergebnisse die Verantwortung trägt, reicht allein nicht aus. Die Eingruppierung als Oberarzt setzt zusätzlich voraus, dass eine Vorgesetztenfunktion wahrgenommen wird.

    Wurde dem Arzt vor Inkrafttreten des TV-Ärzte der Titel "Oberarzt" verliehen, ohne dass ihm auch entsprechende Tätigkeiten übertragen wurden, besteht kein Anspruch auf Eingruppierung in die Entgeltgruppe III. Die Tätigkeit, nicht der Titel ist entscheidend.

     
    Praxis-Beispiel
    • Ein Facharzt für Radi...

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