Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei vorübergehender Änderung des Schichtplans. Ausschluss der Mitbestimmung durch tarifliche Regelungen
Orientierungssatz
- Die vorübergehende Verkürzung der in einem Schichtplan vorgesehenen täglichen Arbeitszeit unterfällt auch dann dem Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 BetrVG, wenn die Höhe der Vergütung unverändert bleibt.
- Eine die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG ausschließende tarifliche Regelung liegt nur vor, wenn diese die betreffende Angelegenheit selbst zwingend und abschließend regelt. Dabei dürfen die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber für bestimmte Fälle ein Alleinentscheidungsrecht im gleichen Umfang einräumen, in welchem dies auch die Betriebsparteien wirksam hätten tun können.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Einleitungssatz, Abs. 1 Nrn. 2-3; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10. November 2004 – 10 TaBV 1/04 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht bei der Änderung des Schichtbeginns.
Die Arbeitgeberin ist die Deutsche Post AG. Der antragstellende Betriebsrat ist die für die Niederlassung BRIEF F… gewählte Arbeitnehmervertretung. Von den rd. 2000 Mitarbeitern der Niederlassung sind etwa 500 in der sog. stationären Bearbeitung tätig. Zu diesen zählen die Beschäftigten in der Briefeingangs- und Briefabgangsverteilung (BZE/BZA). Für beide Gruppen wurden zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Dienstpläne vereinbart, die Beginn und Ende der Arbeitsschichten für die einzelnen Wochentage festlegen.
Bei der Arbeitgeberin findet der zwischen ihr und der Deutschen Postgewerkschaft abgeschlossene “Tarifvertrag Nr. 37b” über “Regelungen zur Arbeitszeit” vom 2. April 1998 (TV Arbeitszeit) Anwendung. Er enthält ua. folgende Regelungen:
“Zweiter Abschnitt: Flexibilisierung der Arbeitszeit
…
§ 2 Bezahlungsgrundsätze
Die Bezahlung erfolgt unabhängig von dem tatsächlichen Umfang der monatlich geleisteten Arbeitsstunden in Form eines konstanten Monatsentgelts auf der Grundlage der tarifvertraglich … bzw. einzelarbeitsvertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit.
§ 3 Grundsätze für die Gestaltung der Arbeitszeit
(1) Es sind für alle Arbeitnehmer Dienstpläne aufzustellen.
Grundlage für die Verteilung der Arbeitszeit in Dienstplänen ist die tarifvertraglich … bzw. einzelarbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit. …
§ 4 Einführung von Arbeitszeitkonten
(1) Zur Dokumentation der täglichen Abweichungen von den dienstplanmäßigen Arbeitszeiten (Mehr- und Minderleistungen) sind Arbeitszeitkonten IT-gestützt zu führen. …
(3) Die maximal zulässige Schwankungsbreite der Abweichungen beträgt jeweils das 3fache der tarifvertraglich … bzw. einzelarbeitsvertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit.
§ 5 Steuerung der Arbeitszeitkonten
(1) Die Arbeitszeitkonten sind nach dem Ampelprinzip zu führen und entsprechend zu steuern. Im “grünen” Bereich liegt eine Schwankungsbreite von bis zum 1fachen der Wochenarbeitszeit, im “gelben” Bereich liegt eine Schwankungsbreite von mehr als dem 1fachen bis zum 2fachen der Wochenarbeitszeit. Der “rote” Bereich beginnt bei einer Über- bzw. Unterschreitung von mehr als dem 2fachen der Wochenarbeitszeit bis zum maximal 3fachen der Wochenarbeitszeit.
(2) Das Volumen der Mehr- und Minderleistungen bewegt sich grundsätzlich im “grünen” Bereich.
Soweit keine besonderen Formen der Arbeitszeitgestaltung, z.B. Gruppenarbeit, eingeführt sind, liegt die Steuerung der im “gelben” Bereich befindlichen Arbeitszeitkonten in der Zuständigkeit des Arbeitgebers; der Arbeitnehmer hat jedoch die Möglichkeit, gemäß § 8 und § 9 dieser Regelung einen Zeitausgleich herbeizuführen. Der Arbeitgeber ist gehalten, diese Arbeitszeitkonten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten in den “grünen” Bereich zu steuern. …
§ 6 Abweichungen vom Dienstplan
(1) Aus betrieblichen Gründen notwendig werdende Abweichungen von der dienstplanmäßigen Arbeitszeit hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer rechtzeitig anzukündigen.
(2) Abweichungen vom Dienstplan dürfen nur bei Berücksichtigung der betrieblichen und der persönlichen Interessen des Arbeitnehmers vorgenommen werden. …
§ 7 Beteiligung des Betriebsrates
(1) Innerhalb des “grünen” und des “gelben” Bereichs kann eine Steuerung des Arbeitszeitkontos durch Abweichungen vom Dienstplan in Höhe von einer Stunde arbeitstäglich ohne Beteiligung des Betriebsrates vorgenommen werden. Der Betriebsrat ist hierüber im “grünen” Bereich unverzüglich zu unterrichten und im “gelben” Bereich in jedem Einzelfall vorher zu unterrichten. …
Abweichungen vom Dienstplan, die dazu führen, dass der “rote” Bereich erreicht wird oder die sich im “roten” Bereich bewegen, bedürfen in jedem Einzelfall der vorherigen Zustimmung des Betriebsrates.
Näheres wird durch die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung geregelt.
(2) Kriterien für die Auswahl der Arbeitnehmer, die abweichend vom Dienstplan eingesetzt werden sollen, können in einer Betriebsvereinbarung festgelegt werden. …”
Im Betrieb gilt ferner eine am 24. Juli 1998 geschlossene “Betriebsvereinbarung zum Tarifvertrag 37b Flexibilisierung der Arbeitszeit” (BV). Darin ist ua. festgelegt:
“§ 1 Grundsätze
1. Diese Betriebsvereinbarung regelt die Verfahrensweise bei der örtlichen Umsetzung des TV 37b. …
3. Das Abweichen von der dienstplanmäßigen Arbeitszeit soll von den Beschäftigten grundsätzlich freiwillig geleistet werden. …
§ 2 Geltungsbereich
1. Diese Betriebsvereinbarung gilt:
… sachlich für das Verkürzen oder Verlängern der dienstplanmäßigen Arbeitszeit i. S. des § 3 dieser Betriebsvereinbarung …
§ 3 Abweichungen vom Dienstplan
1. Abweichungen vom Dienstplan im Sinne des TV 37b sind die Änderung entweder des dienstplanmäßigen Arbeitsbeginns oder des dienstplanmäßigen Arbeitsendes, in dem die dienstplanmäßige Arbeitszeit entweder verkürzt oder verlängert wird.
2. Der Umfang der Abweichung ist konkret zu planen und den Beschäftigten rechtzeitig bekanntzugeben. …
§ 4 Voraussetzungen für Abweichungen vom Dienstplan durch den Arbeitgeber
1. In den unten genannten Notfällen, in denen eine Zustimmung des BR im Sinne des TV 37b herbeigeführt werden muss, gilt die Zustimmung als erteilt bei …
§ 5 Informationen des Betriebsrates
1. Der Betriebsrat wird über jede Form der Abweichung vom Dienstplan gemäß § 7 TV 37b schriftlich gem. Anlage 1 dieser BV unterrichtet. …”
Mit Schreiben vom 3. Juli 2003 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat darüber, dass “im Bereich der … BZA- und BZE-Schicht … auf Grund der Prognoseplanung der zu erwartenden Verkehrsmengen Abweichungen vom Dienstplan gem. TV 37b in Form von Minderleistungen notwendig” würden. Diese Maßnahme erstrecke sich für die BZE-Mitarbeiter auf die Zeit vom 21. Juli bis 23. August 2003, für die BZA-Mitarbeiter auf die Zeit vom 28. Juli bis 29. August 2003. Mit den Beschäftigten habe darüber Einvernehmen erzielt werden können. Die “Minderleistungen” sollten für die BZA-Mitarbeiter wöchentlich 2,5 Stunden, für die BZE-Beschäftigten zwischen einer und zwei Stunden betragen. Sie sollten sich durch eine Verschiebung des täglichen Schichtbeginns um eine halbe Stunde ergeben. Mit Schreiben vom 9. Juli 2003 stimmte der Betriebsrat den für den BZA-Bereich vorgesehenen Änderungen zu. Für die Mitarbeiter im BZE-Bereich schlug er stattdessen vor, nicht den Schichtbeginn hinauszuschieben, sondern das Schichtende um eine halbe Stunde vorzuverlegen. Dessen ungeachtet führte die Arbeitgeberin die Schichtänderungen auch im BZE-Bereich wie von ihr geplant durch.
Der Betriebsrat leitete daraufhin das vorliegende Beschlussverfahren ein. In dessen Verlauf führte die Arbeitgeberin in der Zeit vom 19. Juli bis zum 21. August 2004 für Beschäftigte in den Bereichen BZE und BZA ein weiteres Mal einseitig eine täglich bis zu einer Stunde verkürzte Arbeitszeit ein. Der Betriebsrat hat begehrt, die Arbeitgeberin zu verpflichten, Dienstplanänderungen der geschilderten Art zu unterlassen, solange er ihnen nicht zugestimmt hat. Er hat die Auffassung vertreten, die einseitige Verlegung des Schichtbeginns verletze sein Mitbestimmungsrecht insbesondere aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Dieses sei weder durch § 7 Zweiter Abschnitt TV Arbeitszeit ausgeschlossen noch durch die BV verbraucht. Die Tarifnorm sei unwirksam. Sie räume der Arbeitgeberin unzulässigerweise ein einseitiges Gestaltungsrecht ein.
Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,
1. der Arbeitgeberin aufzugeben, die Anordnung von Arbeitsleistungen oder die Reduzierung von Arbeitsleistungen, die zu Abweichungen von dem dienstplanmäßigen Arbeitsbeginn oder dem dienstplanmäßigen Arbeitsende im Umfang von arbeitstäglich bis zu einer Stunde führen, gegenüber Arbeitnehmern der Niederlassung F…, die weder ganz noch teilweise Zustelltätigkeiten verrichten und deren Arbeitszeitkonten sich im gelben oder grünen Bereich gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Nr. 37b befinden, zu unterlassen, wenn nicht seine vorherige Zustimmung erteilt oder die fehlende Zustimmung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist;
2. der Arbeitgeberin bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung aus Nr. 1 für jeden Tag und jeden Beschäftigten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,00 Euro anzudrohen;
hilfsweise
festzustellen, dass die Anordnung von Arbeitsleistungen oder die Reduzierung von Arbeitsleistungen, die zu Abweichungen von dem dienstplanmäßigen Arbeitsbeginn oder dem dienstplanmäßigen Arbeitsende im Umfang von arbeitstäglich bis zu einer Stunde führen, gegenüber Arbeitnehmern der Niederlassung F…, die weder ganz noch teilweise Zustelltätigkeiten verrichten und deren Arbeitszeitkonten sich im gelben oder grünen Bereich gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 TV Nr. 37b befinden, seiner vorherigen Zustimmung oder des die Zustimmung ersetzenden Spruchs der Einigungsstelle bedarf.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Dem sind die Vorinstanzen gefolgt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Haupt- und Hilfsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Dieser hat bei der vorübergehenden, arbeitstäglich eine Stunde nicht überschreitenden Verlängerung oder Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit nicht mitzubestimmen. Die Angelegenheit ist tariflich geregelt. Ein verbleibendes Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat bereits ausgeübt.
I. Der Unterlassungsantrag des Betriebsrats ist zulässig.
Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein Antrag im Beschlussverfahren unterliegt denselben Bestimmtheitsanforderungen wie ein solcher im Urteilsverfahren (BAG 29. September 2004 – 1 ABR 29/03 – BAGE 112, 87, zu B I 1 der Gründe). Dementsprechend muss der Verfahrensgegenstand so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann (BAG 3. Juni 2003 – 1 ABR 19/02 – BAGE 106, 188, zu B I 1 der Gründe). Unterlassungsanträge müssen deshalb für den in Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennen lassen, welcher Handlungen er sich enthalten soll. Die Prüfung, welche Handlungen er unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen entsprechend ungenauen gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG 25. August 2004 – 1 AZB 41/03 – AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 41 = EzA ArbGG 1979 § 78 Nr. 7, zu B II 2c bb der Gründe).
Diesen Anforderungen wird der Antrag gerecht. Die Arbeitgeberin kann diejenigen Handlungen erkennen, welche sie gegenüber bestimmten Arbeitnehmern unterlassen soll. Sie soll daran gehindert werden, die Arbeitszeit ohne Änderung des regulären Dienstplans einseitig um täglich bis zu einer Stunde zu verlängern oder zu verkürzen. Der Antrag erfasst demnach Maßnahmen der Arbeitgeberin, die den Umfang und die Lage der betriebsüblichen Arbeitszeit vorübergehend ändern. Maßnahmen, die zu größeren oder dauerhaften Abweichungen vom Dienstplan führen, sind nicht Gegenstand des Verfahrens. Wegen der Definitionen in § 5 Abs. 1 TV Arbeitszeit steht fest, wann sich die Arbeitszeitkonten der Arbeitnehmer im “grünen” oder “gelben” Bereich befinden. Hinreichend bestimmt ist auch der Ausdruck “Reduzierung von Arbeitsleistungen”. Die Arbeitgeberin soll gegenüber den Arbeitnehmern Erklärungen des Inhalts unterlassen, sie werde deren Arbeitsleistungen für einen bestimmten Zeitraum nur in einem – bis zu einer Stunde – geringeren Umfang entgegennehmen als im regulären Dienstplan vorgesehen und werde die Arbeitszeitkonten entsprechend führen.
Als Leistungsantrag bedarf der Antrag keines besonderen Rechtsschutzinteresses. Die Frage, ob durch die betreffende Handlung der Arbeitgeberin Rechtspositionen des Betriebsrats tatsächlich verletzt sein können, betrifft die Begründetheit des Antrags.
II. Der Unterlassungsantrag ist unbegründet. Zwar kann sich der Betriebrat gegen zu erwartende – erstmalige oder wiederholte – Verstöße des Arbeitgebers gegen ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 BetrVG unabhängig von den in § 23 Abs. 3 BetrVG vorgesehenen Anforderungen an die Schwere des Verstoßes im Wege eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs wehren (dazu grundlegend BAG 3. Mai 1994 – 1 ABR 24/93 – BAGE 76, 364, zu B III der Gründe und seitdem in ständiger Rechtsprechung, vgl. nur 26. Oktober 2004 – 1 ABR 31/03 (A) – BAGE 112, 227, zu B III 1 der Gründe). Durch die Vornahme der im Antrag angeführten Handlungen werden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aber nicht verletzt.
1. Ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats besteht weder nach § 23 Abs. 3 BetrVG noch als allgemeiner Unterlassungsanspruch nach § 87 Abs. 1 BetrVG iVm. § 2 BetrVG. Mit der einseitigen Änderung des Schichtbeginns im Bereich BZE in der Zeit vom 21. Juli bis 23. August 2003 und im Bereich BZE/BZA in der Zeit vom 19. Juli bis 21. August 2004 hat die Arbeitgeberin nicht gegen ein Mitbestimmungsrecht verstoßen.
a) Allerdings fallen die Maßnahmen der Arbeitgeberin in den Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 BetrVG. Danach hat der Betriebrat mitzubestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und über die vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit.
aa) Die für einen Zeitraum von jeweils etwa einem Monat vorgenommenen halbstündigen Verschiebungen des täglichen Schichtbeginns bei gleich bleibendem Schichtende stellen eine vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG dar.
Eine vorübergehende Veränderung – Verlängerung oder Verkürzung – der betriebsüblichen Arbeitszeit liegt vor, wenn es sich um eine Abweichung von dem für einen bestimmten Wochentag regulär festgelegten Zeitvolumen mit anschließender Rückkehr zur betriebsüblichen Dauer der Arbeitszeit handelt (BAG 26. Oktober 2004 – 1 ABR 31/03 (A) – BAGE 112, 227, zu B III 2b aa der Gründe). Das ist bei der auf einen Monat begrenzten Verkürzung der Schichtdauer um täglich eine halbe Stunde der Fall. Dabei kommt es auch bei einer Verkürzung des Zeitvolumens nicht darauf an, ob sich diese Veränderung in einer entsprechend verringerten Vergütung oder nur im Stand des Arbeitszeitkontos niederschlägt. Eine Änderung der betriebsüblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG setzt nicht voraus, dass sich zugleich auch die Vergütung ändert (BAG 1. Juli 2003 – 1 ABR 22/02 – BAGE 107, 9, zu B II 1a der Gründe). Das folgt aus Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts. Es dient bei der vorübergehenden Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit nicht nur der Vergütungssicherung der von der Verkürzung betroffenen Arbeitnehmer. Vielmehr geht es ebenso um die angemessene Verteilung der mit der vorübergehenden Änderung der Arbeitszeit verbundenen Belastungen und/oder Vorteile. Diese ist auch betroffen, wenn die Vergütung während der vorübergehenden Verkürzung der Arbeitszeit ganz oder teilweise fortgezahlt wird. Der Betriebsrat hat deshalb mitzubestimmen, in welchem Umfang bei welchen Arbeitnehmern die Verkürzung der Arbeitszeit stattfinden soll (BAG 1. Juli 2003 – 1 ABR 22/02 – aaO).
bb) Die tägliche halbstündige Reduzierung oder Erweiterung des Arbeitszeitvolumens betrifft außerdem die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Nach dieser Vorschrift ist mitbestimmungspflichtig nicht nur die Frage, ob im Betrieb in einer oder mehreren Schichten gearbeitet werden soll, sondern auch die Festlegung der zeitlichen Lage jeder einzelnen Schicht. Mitbestimmungspflichtig ist der gesamte Schichtplan und dessen nähere zeitliche Ausgestaltung bis hin zur Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Schichten. Der Betriebsrat hat deshalb auch darüber mitzuentscheiden, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise von bereits aufgestellten Schichtplänen und dem darin vorgesehenen Beginn und Ende der Arbeitszeit abgewichen werden kann (BAG 1. Juli 2003 – 1 ABR 22/02 – BAGE 107, 9, zu B II 1b der Gründe). Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien und für die Gestaltung ihres Privatlebens nutzbaren Zeit zur Geltung zu bringen (BAG 26. Oktober 2004 – 1 ABR 31/03 (A) – BAGE 112, 227, zu B III 3a der Gründe). Diese Interessen sind nicht nur bei einer Verlängerung, sondern auch bei der Verkürzung der Arbeitszeit berührt. So kann der Betriebsrat in einem solchen Fall – wie hier – geltend machen, den Interessen der Arbeitnehmer entspreche nicht die Verkürzung durch einen späteren Beginn, sondern die Verkürzung durch ein früheres Ende der Schicht.
b) Im Streitfall ist ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der vorübergehenden halbstündigen Verkürzung der Schichten im BZE- und BZA-Bereich nach Maßgabe des Einleitungssatzes zu § 87 Abs. 1 BetrVG gleichwohl größtenteils ausgeschlossen und, soweit es doch besteht, bereits ausgeübt.
aa) Nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG besteht ein Mitbestimmungsrecht gemäß dieser Vorschrift nur insoweit, wie die betreffende Angelegenheit nicht schon gesetzlich oder tariflich geregelt ist. Dies beruht auf der Erwägung, dass der Mitbestimmungszweck – die Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer – objektiv bereits erreicht ist, wenn insoweit eine den Arbeitgeber bindende Regelung durch Gesetz oder Tarifvertrag vorliegt. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass mit der gesetzlichen oder tariflichen Regelung den berechtigten Interessen und dem Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer Rechnung getragen worden ist. Für einen weiteren Schutz durch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats besteht dann kein Bedürfnis (BAG 28. Mai 2002 – 1 ABR 37/01 – BAGE 101, 203, zu B II 2c cc der Gründe).
bb) Die Tarifvertragsparteien haben im Zweiten Abschnitt des TV Arbeitszeit Regelungen getroffen, die die vom Antrag erfassten Maßnahmen der Arbeitgeberin – die Anordnung einer um bis zu einer Stunde erhöhten oder einer reduzierten Arbeitszeit bei Kontoständen im “grünen” oder “gelben” Bereich – dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entziehen. Dieser ist auf Unterrichtungsansprüche beschränkt.
(1) Solche Regelungen sind nicht schon in § 6 Zweiter Abschnitt TV Arbeitszeit enthalten. Die dort vorgesehenen Möglichkeiten einer Abweichung vom geltenden Dienstplan betreffen allein das Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eine Regelung auf kollektivrechtlicher Ebene ist mit ihnen nicht verbunden.
Einschränkungen des Mitbestimmungsrechts ergeben sich aber aus § 7 Zweiter Abschnitt TV Arbeitszeit. Nach Abs. 1 Unterabs. 1 der Vorschrift kann “eine Steuerung des Arbeitszeitkontos durch Abweichungen vom Dienstplan in Höhe von einer Stunde Arbeit täglich” ohne Beteiligung des Betriebsrats vorgenommen werden, wenn sich das Arbeitszeitkonto im “grünen” oder im “gelben” Bereich bewegt. Befindet sich das Konto im “grünen” Bereich, ist der Betriebsrat über eine solche Abweichung (nachträglich) unverzüglich zu unterrichten. Befindet es sich im “gelben” Bereich oder erreicht es diesen, ist er zwar über eine Abweichung “in jedem Einzelfall vorher zu unterrichten”. Seiner Zustimmung bedarf es aber auch in diesem Fall nicht. Vielmehr ist nach Abs. 1 Unterabs. 2 der Bestimmung die vorherige Zustimmung des Betriebsrats nur erforderlich, wenn die Abweichungen vom Dienstplan dazu führen, dass der “rote” Bereich erreicht wird oder das Konto sich bereits im “roten” Bereich befindet.
(2) § 7 Abs. 1 Unterabs. 3 Zweiter Abschnitt TV Arbeitszeit steht dazu nicht im Widerspruch. Zwar heißt es dort, “Näheres” werde durch die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung geregelt. Dadurch wird aber nicht das Zustimmungserfordernis für Dienstplanabweichungen von bis zu einer Stunde wieder eingeführt. Ein solches Verständnis ließe die Bedeutung des Wortes “Näheres” außer Acht. Einer Betriebsvereinbarung, die “Näheres” zu regeln hat, ist lediglich die konkretisierende Ausgestaltung eines bestimmten Grundsatzes aufgetragen. Eine inhaltliche Abkehr von diesem Grundsatz ist ihr dagegen nicht gestattet. Die gegenteilige Auffassung wäre im Übrigen sinnwidrig; durch sie würde die Regelung in Abs. 1 Unterabs. 1 gänzlich entwertet.
cc) Aus der zum TV Arbeitszeit geschlossenen BV vom 24. Juli 1998 folgt nichts anderes. Sie lässt die Vorgaben des § 7 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 Zweiter Abschnitt TV Arbeitszeit unberührt und gestaltet diese in ihrem § 3 entsprechend dem tariflichen Auftrag lediglich näher aus. Die Betriebsparteien haben mit den Regelungen in § 1 zudem von der Befugnis des § 7 Abs. 2 Zweiter Abschnitt TV Arbeitszeit Gebrauch gemacht. Danach können in einer Betriebsvereinbarung Kriterien für die Auswahl der Arbeitnehmer festgelegt werden, die entsprechend § 6 Zweiter Abschnitt TV Arbeitszeit abweichend vom Dienstplan eingesetzt werden sollen. Laut § 4 BV gilt überdies die Zustimmung des Betriebsrats für bestimmte Fälle sogar in dem Bereich als erteilt, in welchem es auch nach dem TV Arbeitszeit seiner Zustimmung bedarf.
Auch die übrigen Regelungen der BV nehmen die tariflichen Vorgaben in § 7 Abs. 1 Unterabs. 1 Zweiter Abschnitt TV Arbeitszeit inhaltlich nicht zurück. Auf die Frage, ob die Betriebsparteien dies angesichts von § 77 Abs. 3 BetrVG überhaupt wirksam hätten vereinbaren können, kommt es damit nicht an.
dd) Anders als der Betriebsrat gemeint hat, sind die Regelungen des § 7 Abs. 1 Unterabs. 1 Zweiter Abschnitt TV Arbeitszeit nicht deshalb unwirksam, weil die Tarifvertragsparteien der Arbeitgeberin auf diese Weise in einer Angelegenheit des § 87 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 BetrVG ein uneingeschränktes Alleinentscheidungsrecht eingeräumt hätten.
(1) Allerdings ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG gemäß dem Einleitungssatz durch eine tarifliche Vorschrift nur insoweit ausgeschlossen, wie diese selbst eine zwingende und abschließende inhaltliche Regelung enthält und damit dem Schutzzweck des verdrängten Mitbestimmungsrechts genügt. Die Tarifvertragsparteien können das Mitbestimmungsrecht nicht ausschließen, ohne die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst zu regeln. Die Tarifnorm darf sich deshalb nicht darauf beschränken, die notwendige Mitbestimmung des Betriebsrats lediglich auszuschließen, indem sie dem Arbeitgeber ein einseitiges Bestimmungsrecht zuweist (BAG 17. November 1998 – 1 ABR 12/98 – BAGE 90, 194, zu B II 2a der Gründe mwN).
(2) Gleichwohl muss eine solche Tarifnorm die betreffende Angelegenheit nicht in jeglicher Hinsicht selbst regeln. Die Tarifvertragsparteien haben in diesem Zusammenhang denselben Spielraum wie die Betriebsparteien selbst. Etwas anderes wäre mit dem Zweck des § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG nicht zu vereinbaren und widerspräche überdies der Wertung des Art. 9 Abs. 3 GG, wonach die Tarifautonomie, nicht aber die Betriebsautonomie Grundrechtsschutz genießt (BAG 17. November 1998 – 1 ABR 12/98 – BAGE 90, 194, zu B II 2a bb der Gründe mwN). Die Betriebsparteien wiederum dürfen für bestimmte Fälle ein Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers vorsehen, sofern dadurch das Mitbestimmungsrecht nicht in seiner Substanz beeinträchtigt wird. Wird das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats durch eine Betriebsvereinbarung ausgeübt, kann diese deshalb vorsehen, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, unter bestimmten Voraussetzungen eine Maßnahme allein zu treffen. Das Gesetz fordert nicht, dass zu jeder einzelnen mitbestimmungspflichtigen Anordnung jeweils die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt wird, wenn dieser seine Zustimmung im Voraus erteilt hat (BAG 3. Juni 2003 – 1 AZR 349/02 – BAGE 106, 204, zu II 2 der Gründe mwN).
(3) Die Bestimmung in § 7 Abs. 1 Unterabs. 1 Zweiter Abschnitt TV Arbeitszeit wird den inhaltlichen Anforderungen an eine tarifliche Regelung iSv. § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG gerecht. Sie räumt dem Arbeitgeber die Befugnis zur einseitigen Anordnung von Mehr- oder Kurzarbeit im Umfang von täglich bis zu einer Stunde ein, solange sich das Arbeitszeitkonto der betreffenden Mitarbeiter auch danach noch im “grünen” oder “gelben” Bereich bewegt. Damit nimmt das Maß der täglichen Schwankungsbreite auf die Belange der Arbeitnehmer ausreichend Rücksicht. Sie ist in ihrem Gesamtumfang zudem auf das Zweifache der regelmäßigen tariflichen Wochenarbeitszeit beschränkt. Abs. 2 der Regelung bindet die Anordnung des Arbeitgebers überdies an eine gleichmäßige Inanspruchnahme der Beschäftigten und überträgt die Festlegung der Kriterien zur Auswahl der von Dienstplanabweichungen betroffenen Arbeitnehmer den Betriebsparteien. Außerdem ist der Betriebsrat von jeder Dienstplanabweichung zu unterrichten, bei Abweichungen im “gelben” Bereich in jedem Einzelfall und vorweg.
Angesichts dessen läuft § 7 Abs. 1 Zweiter Abschnitt TV Arbeitszeit dem Schutzzweck des § 87 Abs. 1 BetrVG nicht zuwider. Der Arbeitgeberin wird kein uneingeschränktes einseitiges Gestaltungsrecht eingeräumt. Die Bestimmung hält sich im Rahmen dessen, was auch die Betriebsparteien als eine inhaltlich vollständige Regelung im Bereich des § 87 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 BetrVG hätten ansehen dürfen. Das gilt zumal dann, wenn zugleich die Regelungen berücksichtigt werden, die die Betriebsparteien in §§ 1, 3 BV zusätzlich getroffen haben.
Der Unterlassungsantrag des Betriebsrats ist deshalb schon mangels Mitbestimmungsrechts in vollem Umfang unbegründet. Darauf, ob die Arbeitgeberin in der Vergangenheit nicht nur eine vorübergehende Reduzierung, sondern auch eine vorübergehende Verlängerung der Schichtzeiten – wie vom Antrag erfasst – je einseitig angeordnet hat, kommt es nicht mehr an.
III. Der Antrag zu 2, mit dem der Betriebsrat die Androhung eines Ordnungsgeldes begehrt, ist nicht zur Entscheidung angefallen. Er ist erkennbar nur für den Fall des Obsiegens mit dem Unterlassungsantrag gestellt.
IV. Über den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag musste ebenfalls nicht entschieden werden. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ihn dahin verstanden, er sei nur für den Fall gestellt, dass sich der Unterlassungsantrag als unzulässig erweisen sollte. Dies folgt aus dem Schriftsatz des Betriebsrats vom 12. Januar 2004, mit dem er den Hilfsantrag ins Verfahren eingeführt hat. Der Betriebsrat hat die Richtigkeit dieses Verständnisses seines Hilfsantrags in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt.
Unterschriften
Schmidt, Linsenmaier, Kreft, Wohlgemuth, Frischholz
Fundstellen
Haufe-Index 1585522 |
DB 2007, 60 |