Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage wegen unrichtiger Eingruppierung oder Diskriminierung. Eingruppierung einer Prüferin in Vorprüfungsstelle eines Landesversorgungsamtes. Anspruch auf höhere Vergütung wegen Frauendiskriminierung
Leitsatz (amtlich)
- Die Parteien können die vom Gericht vorzunehmende Rechtsprüfung nicht auf eine Anspruchsgrundlage beschränken, weil die Rechtsanwendung grundsätzlich nicht zur Disposition der Parteien steht.
- Der Kläger als Rechtsmittelführer kann jedoch die Streitgegenstände nach zulässig eingelegtem Rechtsmittel beschränken.
- Eine Eingruppierungsfeststellungsklage hat einen anderen Streitgegenstand als eine Klage auf Feststellung des Anspruchs auf Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe wegen Frauendiskriminierung.
Normenkette
ZPO §§ 260, 537; ArbGG § 46 Abs. 2, § 64 Abs. 6
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 13.10.1995; Aktenzeichen 13 Sa 629/94) |
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.11.1993; Aktenzeichen 12 Ca 781/93) |
Tenor
- Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Oktober 1995 – 13 Sa 629/94 – wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
- Der Streitwert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 15.000,12 DM festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten um die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin, insbesondere darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe IVa der allgemeinen tariflichen Tätigkeitsmerkmale für den allgemeinen Verwaltungsdienst hat. Außerdem hat sich die Klägerin in ihrer Erwiderung auf die Klagebeantwortung erstmals darauf berufen, ihr werde eine Gleichstellung mit ihren männlichen Kollegen verwehrt. Einen Grund für die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber ihren männlichen Kollegen gebe es nicht.
Die am 30. April 1959 geborene Klägerin ist seit dem 1. August 1975 bei dem beklagten Land beschäftigt. Nach ihrer Ausbildung zur Verwaltungsangestellten im Versorgungsamt Frankfurt war sie dort zunächst als Bearbeiterin und später als Sachbearbeiterin in verschiedenen Sachgebieten eingesetzt. Ab 1. Oktober 1991 – zunächst zur Einarbeitung – und danach ab 5. Juni 1992 auf Dauer ist sie als Prüferin in der Vorprüfungsstelle des Landesversorgungsamtes Hessen tätig. Die Parteien haben einzelvertraglich vereinbart, daß auf ihr Vertragsverhältnis die Bedingungen des BAT sowie die der diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträge anzuwenden sind.
Mit Schreiben vom 7. Februar 1992 beantragte das Landesversorgungsamt beim zuständigen Ministerium die Umwandlung und Anhebung einer im Landeshaushalt 1990/1991 zuvor von Besoldungsgruppe A 13 nach A 10 abgewerteten Planstelle nach Vergütungsgruppe IVa BAT, um die Klägerin daraus nach dauernder Übertragung der Vorprüfertätigkeit entsprechend vergüten zu können. Das lehnte das hessische Ministerium des Innern und für Europaangelegenheiten mit dem Hinweis darauf ab, die Klägerin sei in Vergütungsgruppe IVb BAT zutreffend eingruppiert. Aus der vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung ergebe sich nicht, daß sie sich mit ihrer Tätigkeit aus Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 1a BAT heraushebe. Es handele sich um einen “begrenzten Prüfsektor auf den Rechtsgebieten Bundesversorgungs- und Bundeserziehungsgeldgesetz beim Landesversorgungsamt”.
Mit ihrer am 2. Februar 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie erfülle mit ihrer Tätigkeit die Tarifmerkmale der Vergütungsgruppe IVa Fallgruppe 1a BAT. Sie hebe sich insbesondere auch durch “besondere Schwierigkeit und Bedeutung” ihrer Tätigkeit aus der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 1a BAT heraus. Zwischenzeitlich seien ihr weitere Prüfertätigkeiten zugewiesen.
Alle anderen männlichen Prüfer in der Vorprüfungsstelle des Landesversorgungsamtes seien mindestens nach Besoldungsgruppe A 11 BBesG oder nach Vergütungsgruppe IVa BAT vergütet. Sie werde vergütungsmäßig bei vergleichbarer Tätigkeit gegenüber den männlichen Kollegen ohne sachlichen Grund ungleich behandelt, mithin diskriminiert. Nach der Vorprüfungsordnung des Landes (Nr. 3.3) “sollen Prüfungsbeamte grundsätzlich dem gehobenen Dienst angehören”. Auch “können mit den Aufgaben eines Prüfungsbeamten …” Angestellte in vergleichbarer Vergütungsgruppe betraut werden”.
Das Arbeitsgericht hat die Klage der Klägerin auf Feststellung, daß das beklagte Land verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 1. Juni 1992 nach Vergütungsgruppe IVa BAT zu vergüten, die monatlichen Nettodifferenzbeträge zwischen den Vergütungsgruppen IVb und IVa BAT mit 4 % beginnend ab dem 16. Juni 1992 und dann jeweils ab dem 16. jeden Monats zu verzinsen sind, abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe IVa BAT, da sie die Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe nicht erfülle. Aus der Besoldung der Beamten der Vorprüfungsstelle könne die Klägerin mit Erfolg Ansprüche nicht herleiten. Dafür, daß der Klägerin eine höhere Eingruppierung vorenthalten werde, weil sie eine Frau sei, lägen genügende Anhaltspunkte nicht vor. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein. In ihren Schriftsätzen in der Berufungsinstanz hat sie die erstinstanzlich vorgebrachte Benachteiligung wegen ihres Geschlechts nicht aufgegriffen. Im Protokoll vom 3. Februar 1995 über die Verhandlung vor der Berufungskammer heißt es u.a.:
“Die Berufungsklägerin erklärte auf Befragen, das Ersturteil werde lediglich unter dem Aspekt einer unrichtigen Eingruppierung angegriffen und nicht unter dem der Ungleichbehandlung der Klägerin bzw. einer vergütungsrechtlichen Diskriminierung.”
Es heißt dann weiter:
“Das Gericht wies den Klägervertreter darauf hin, daß möglicherweise die eingereichte Klage unter Eingruppierungsgesichtspunkten weniger erfolgreich sein könnte. Zur Vermeidung einer weiteren Klage, die auf Gleichbehandlungsgesichtspunkte primär gestützt sein könnte, wird den Parteien ein Vergleichsvorschlag unterbreitet.
- Deshalb weil:
- In der Vorprüfungsstelle, abgesehen vom Leiter, zwei Beamte (männlich) mit A 12, zwei weitere Beamte (männlich) mit A 11, ein Angestellter mit IVa BAT und lediglich die Klägerin mit IVb BAT besoldet bzw. vergütet werden.
- Möglicherweise ist ferner im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum “Gleichberechtigungsgebot” (BVerfGE 85, 191, 207 ≪C I 1 der Gründe≫) sowie ferner nach dem Urteil des BAG vom 22.06.1993 (– 1 AZR 590/92 – AP Nr. 193 zu Art. 3 GG) geboten, insoweit “für die Zukunft die Gleichberechtigung der Geschlechter durchzusetzen”. Im Hinblick auf das Hess. Gleichberechtigungsgesetz könnte dann deshalb das beklagte Land gehalten sein, die Sachgründe für die abweichende Eingruppierung der Klägerin darzulegen. Dazu mag auch gehören, darzulegen, warum die angeblich irrtümliche Zu-Hoch-Eingruppierung des weiteren angestellten männlichen Prüfungsbeamten unter Eingruppierungsgesichtspunkten bislang unkorrigiert geblieben ist.”
Diesen Vergleichsvorschlag, nach dem die Klägerin ab 1. Juli 1994 nach Vergütungsgruppe IVa BAT vergütet werden sollte, nahm die Klägerin an; das beklagte Land lehnte ihn ab. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Es hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Klägerin habe keinen tarifrechtlichen Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe IVa BAT. Ob ein solcher ggf. aus dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Vergütungsdiskriminierung der Klägerin als Frau bestehe, sei nicht zu entscheiden. Die Klägerin habe im Berufungstermin auf gerichtliches Befragen ausdrücklich klarstellen lassen, daß eine Überprüfung der erstgerichtlichen Entscheidung nur unter eingruppierungsrechtlichen Gesichtspunkten und nicht (mehr) unter dem der vergütungsmäßigen Ungleichbehandlung als Frau begehrt werde. An diese Beschränkung des Streitgegenstandes im Berufungsverfahren seien die Berufungsrichter gebunden. Es stehe einer Partei frei, über ein solches Eingrenzen des Gegenstandes des Rechtsmittelverfahrens unter Umständen befürchteten Schwierigkeiten am Arbeitsplatz – etwa mit männlichen Kollegen – oder im Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber vorzubeugen. Von daher hätten die Berufungsrichter nur im Wege eines Vergleichsvorschlages versuchen können, eine eventuelle weitere streitige Auseinandersetzung der Parteien über diese Frauendiskriminierungs-Fragestellung überflüssig zu machen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer auf Divergenz zu der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Dezember 1984 – 3 AZR 125/84 – BAGE 47, 355 = AP Nr. 8 zu § 17 BetrAVG und zu der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Februar 1994 – 9 AZR 591/93 – BAGE 75, 355 = AP Nr. 23 zu § 72 ArbGG 1979 gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die fristgerecht eingelegte und begründete Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Die Divergenzbeschwerde ist begründet, wenn sich der angegriffenen und angezogenen Entscheidung tatsächlich die behaupteten Rechtssätze entnehmen lassen, diese Rechtssätze voneinander abweichen und die angegriffene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
2. Eine Divergenz liegt nicht vor.
Die Beschwerde entnimmt den Entscheidungsgründen des Landesarbeitsgerichts den Rechtssatz, daß der Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens dergestalt einschränkbar sei, daß der begehrte Anspruch nur unter einem rechtlichen Gesichtspunkt zu überprüfen sei, und zwar mit Bindungswirkung für das Gericht. Der Beschwerde ist zwar zuzugeben, daß ein divergenzfähiger abstrakter Rechtssatz sich auch aus scheinbar nur fallbezogenen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Begründung seiner Entscheidung ergeben kann (BAG Beschluß vom 4. August 1981 – 3 AZR 107/81 – AP Nr. 9 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz). Indes kann der von der Beschwerde behauptete Rechtssatz den fallbezogenen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts schlechterdings nicht entnommen werden. Denn das Landesarbeitsgericht geht erkennbar nicht von konkurrierenden Anspruchsgrundlagen aus, nämlich von einer tarifvertraglichen und von – verkürzt – § 612 BGB, sondern von zwei Klagebegehren, nämlich von einer Eingruppierungsfeststellungsklage, deren Erfolg einen schlüssigen Sachvortrag voraussetzt, der die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe IVa BAT als gegeben erscheinen läßt, und von einer Vergütungsfeststellungsklage wegen Diskriminierung, deren Erfolg von einem Tatsachenvortrag abhängt, der ausmacht, daß ein Verstoß gegen § 612 Abs. 3 BGB vorliegt mit der Folge, daß der benachteiligten Arbeitnehmerin auch Anspruch auf die Leistung zusteht, die der bevorzugten Gruppe gewährt wird. Das macht der Hinweis des Landesarbeitsgerichts darauf deutlich, das Gericht sei an die Beschränkung des Streitgegenstandes im Berufungsverfahren gebunden. Es liegen zwei Klagebegehren vor in der Form der eventuellen Klagehäufung. Der Sache nach entspricht der vorliegende Fall der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. Dezember 1967 – II ZR 91/65 – NJW 1968, 396 f. zugrunde liegenden Situation: In der ersten Instanz war die Zahlung einer bestimmten Gehaltssumme aus § 615 BGB durch einen GmbH-Geschäftsführer, hilfsweise derselbe Betrag aus einer Karenzvereinbarung verlangt worden. Beide Ansprüche wurden abgewiesen. In der Berufungsinstanz hatte der Kläger das Urteil nur insoweit angefochten, als er mit dem Gehaltsanspruch abgewiesen worden war. Es ging um die Frage, ob das Berufungsbegehren im Nachhinein auch auf die Karenzvereinbarung erstreckt werden durfte.
Geht es um die Anwendung verschiedener Normen auf verschiedene Sachverhalte – Tätigkeit, die bestimmte Qualifikationsmerkmale erfüllt, oder Diskriminierung von Frauen wegen Beschäftigung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer mit gleicher Arbeit, wobei nur die Männer übertariflich bezahlt werden –, die beide für sich betrachtet zu derselben Vergütungsfeststellung zu führen vermögen, so liegen zwei verschiedene Streitgegenstände oder Ansprüche im Sinne der ZPO vor. Um konkurrierende Anspruchsgrundlagen, also um verschiedene Streitpunkte im Rahmen eines Anspruchs im Sinne des § 537 ZPO handelt es sich dabei nicht.
Schon deswegen liegt keine Divergenz zu den angezogenen Entscheidungen vor, die sich dazu verhalten, daß die Beschränkung der Zulassung der Revision auf eine von mehreren Anspruchsgrundlagen unzulässig ist, selbst wenn die Grundsätze des Revisionsrechts auf das Berufungsverfahren sollten ohne weiteres übertragen werden können, soweit es um die Beschränkung des Rechtsmittels durch die Parteien geht. Das sieht die Klägerin letztlich selbst so. Denn sonst hätte sie nicht, wie vom beklagten Land von der Klägerin unwidersprochen vorgetragen, den Diskriminierungsstreitstoff erneut zum Gegenstand einer Klage – 12 Ca 1075/95 ArbG Frankfurt – gemacht, zumal nicht davon ausgegangen werden kann, daß sie sich sehenden Auges in eine doppelte Rechtshängigkeit begeben oder sich des Einwandes der Rechtskraft aussetzen will.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Der festgesetzte Streitwert entspricht der dreijährigen Vergütungsdifferenz zwischen der Vergütungsgruppe IVb und der Vergütungsgruppe IVa BAT. Gegen die so beabsichtigte Wertfestsetzung haben die Parteien im Rahmen ihrer Anhörung Bedenken nicht erhoben.
Unterschriften
Schaub, Schneider, Friedrich, Jansen, Kiefer
Fundstellen
Haufe-Index 875290 |
NZA 1997, 282 |
AP, 0 |