Entscheidungsstichwort (Thema)
Bildung eines Gesamtbetriebsrats. Unternehmensbegriff
Leitsatz (redaktionell)
Ein Unternehmen im Sinne von § 47 Abs 1 BetrVG setzt einen einheitlichen Rechtsträger voraus. Deshalb können Betriebsräte von Betrieben verschiedener Rechtsträger auch dann keinen Gesamtbetriebsrat errichten, wenn die verschiedenen Rechtsträger wirtschaftlich verflochten sind oder Personengleichheit der Geschäftsführung besteht.
Normenkette
AktG § 18; BetrVG §§ 47, 54
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 11.03.1987; Aktenzeichen 3 TaBV 100/86) |
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 25.07.1986; Aktenzeichen 5 BV 10/86) |
Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die bei den Antragsgegnerinnen zu 8) bis 13) gebildeten Antragsteller (Betriebsräte) berechtigt sind, einen Gesamtbetriebsrat zu errichten.
Die Antragsgegnerinnen, die seit dem 1. Juli 1986 in der Rechtsform von örtlichen Kommanditgesellschaften (jeweils in Form einer GmbH & Co. KG) betrieben werden, sind aus einer Unternehmensaufspaltung hervorgegangen. Bis 1982 war allein die V GmbH mit Sitz in B (jetzige Komplementär-GmbH der Antragsgegnerin zu 7) Inhaberin aller von den Antragsgegnerinnen unterhaltenen Betriebe. Im Jahre 1982 kam es zur Gründung von örtlichen Kapitalgesellschaften in der Rechtsform von GmbHs, die Rechtsträger der jeweils an ihrem Sitz befindlichen Betriebe wurden. Mit Wirkung vom 1. Juli 1986 traten an die Stelle der örtlichen GmbHs jeweils Kommanditgesellschaften, die Antragsgegnerinnen, deren Komplementäre jeweils die örtlichen GmbHs wurden. Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der örtlichen Komplementär-GmbHs ist Herr Dr. H.
Die Antragsgegnerinnen zu 8) bis 13) unterhalten je einen Montagebetrieb für die Automobilindustrie, und zwar die Antragsgegnerin zu 8) in W mit 198 Arbeitnehmern, die Antragsgegnerin zu 9) in E mit 23 Arbeitnehmern, die Antragsgegnerin zu 10) in S mit 45 Arbeitnehmern, die Antragsgegnerin zu 11) in Ba mit 78 Arbeitnehmern, die Antragsgegnerin zu 12) in I mit 27 Arbeitnehmern und die Antragsgegnerin zu 13) in M mit 110 Arbeitnehmern. Vertragsarbeitgeber für die in den Montagebetrieben beschäftigten Arbeitnehmer sind jeweils die örtlichen Kommanditgesellschaften, die auch über eigene Verwaltungsabteilungen verfügen.
Die Komplementär-GmbH der Antragsgegnerin zu 7) hat ihren Sitz in B. Sie beschäftigt dort keine Arbeitnehmer. In Ha unterhält die Antragsgegnerin zu 7) einen betriebsratslosen, zentralen Verwaltungs- und Dienstleistungsbetrieb, zu dessen Aufgaben insbesondere die zentrale Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie die zentrale Personalberatung für alle Antragsgegnerinnen gehören. Die Antragsgegnerin zu 7) ist Vertragsarbeitgeberin der bei ihr in Ha beschäftigten 25 Arbeitnehmer.
Die Antragsgegnerinnen zu 8) bis 13) und die bei ihnen bestehenden Betriebsräte (Antragsteller zu 1) bis 6) schlossen in der Vergangenheit selbständige Betriebsvereinbarungen für jeden Montagebetrieb ab (z.B. über die Verteilung der Wochenarbeitszeit). Im Jahre 1986 beabsichtigten die einzelnen Betriebsräte, einen Gesamtbetriebsrat zu errichten. Zu dessen konstituierender Sitzung lud der Antragsteller zu 1) mit Schreiben vom 13. März 1986 ein. Der Geschäftsführer Dr. H teilte ihm am 9. April 1986 folgendes mit:
"Bildung eines Gesamtbetriebsrates
Sehr geehrte Herren,
wie Sie uns am 13.3.1986 mitteilten, beabsichtigen
Sie, am 15.4.1986 einen Gesamtbetriebsrat
zu bilden. Hierzu berufen Sie sich
auf § 47 (1) BetrVG und beziehen sich auf die
Organisationsstruktur der Firma V .
Wir weisen Sie darauf hin, daß es sich bei den
einzelnen V -Gesellschaften nach wie vor um
jeweils eine rechtlich selbständige GmbH handelt
und daß in keinem dieser Unternehmen mehrere
Betriebsräte bestehen. Damit sind die Voraussetzungen
des § 47 BetrVG zur Bildung eines Gesamtbetriebsrates
nicht gegeben.
Für den Fall, daß ein solches Zusammentreffen
der Betriebsräte trotzdem stattfinden sollte,
machen wir Sie hiermit darauf aufmerksam, daß
dieses nicht durch die jeweilige V -Gesellschaft
bezahlt wird. Eine Freistellung von der
Arbeit oder die Übernahme von Reisekosten durch
die einzelnen Gesellschaften wird nicht erfolgen."
Daraufhin wurde die für den 15. April 1986 anberaumte konstituierende Sitzung wieder aufgehoben, und die Antragsteller leiteten das vorliegende Beschlußverfahren ein.
Sie haben vorgetragen, sämtliche Kommanditgesellschaften (Antragsgegnerinnen zu 7) bis 13) bildeten gemeinsam ein Unternehmen der Montagebranche. Die Antragsgegnerin zu 7) leite und verwalte die Antragsgegnerinnen zu 8) bis 13) so, als handle es sich bei diesen Kommanditgesellschaften um unselbständige technische Büros/Niederlassungen, wie dies bis zum Jahre 1982 der Fall gewesen sei. Seit dieser Zeit habe sich organisatorisch und arbeitstechnisch nichts geändert. Nach wie vor würden von der Antragsgegnerin zu 7) sämtliche verwaltungstechnischen, personalpolitischen und betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten erledigt. Die übrigen örtlichen Kommanditgesellschaften besäßen keine autonome Unternehmensleitung. Diese werde allein vom Geschäftsführer Dr. H ausgeübt. Deshalb bildeten sämtliche Gesellschaften eine wirtschaftliche Einheit und erfüllten den betriebsverfassungsrechtlichen Unternehmensbegriff. Aus diesem Grund sei bei der Antragsgegnerin zu 7) ein Gesamtbetriebsrat zu bilden. Die Antragsgegnerinnen zu 7) bis 13) seien verpflichtet, dessen Errichtung zu dulden.
Die Antragsteller haben in den Vorinstanzen beantragt,
1. festzustellen, daß die Beteiligten zu
1) bis 6) berechtigt sind, einen Gesamtbetriebsrat
gemäß § 47 BetrVG zu bilden;
2. die Antragsgegnerinnen zu verpflichten, es
zu unterlassen, die Tätigkeit des Gesamtbetriebsrates
bis zum rechtskräftigen Abschluß
dieses Verfahrens zu behindern sowie
die Antragsgegnerin zu 7) als Gesamtschuldnerin
mit der jeweils beteiligten Antragsgegnerin,
aus der das jeweils entsandte Betriebsratsmitglied
entstammt, zu verpflichten, Kosten für die
Sitzungen des zu bildenden Gesamtbetriebsrates
insbesondere für die konstituierende
Sitzung zu tragen;
und hilfsweise,
festzustellen, daß die Antragsgegnerin zu 7)
als Gesamtschuldnerin derjenigen Antragsgegnerin,
aus der das jeweils entsandte Betriebsratsmitglied
entstammt, verpflichtet
ist, Kosten für die Sitzungen des zu bildenden
Gesamtbetriebsrates insbesondere für
die konstituierende Sitzung zu tragen.
Die Antragsgegnerinnen haben in den Vorinstanzen beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie halten die Bildung eines Gesamtbetriebsrats für unzulässig, weil es an dem Erfordernis der Unternehmensidentität fehle. Entgegen der Ansicht der Antragsteller gebe es einen vom zivilrechtlichen Unternehmensbegriff abweichenden betriebsverfassungsrechtlichen Begriff des Unternehmens nicht. Deshalb scheide die Errichtung eines Gesamtbetriebsrats gemäß § 47 BetrVG aus, da die Antragsgegnerinnen zu 7) bis 13) jeweils rechtlich selbständige Gesellschaften seien und ihre Unternehmen in jeder Hinsicht selbständig führten. Jeweils auf der Ebene der Montageunternehmen würden eigenverantwortlich die Personalentscheidungen (Einstellung, Entlassung, Urlaubsgewährung etc.) und die kaufmännisch/technischen Entscheidungen (Materialbeschaffung, Kalkulation, Auftragsannahme und -abwicklung etc.) getroffen. Die Antragsgegnerin zu 7) erbringe nur zentrale Dienstleistungen, wie etwa die externe Kanzlei eines Steuerberaters - bezüglich der Lohn- und Gehaltsabrechnung, der Beantwortung steuerrechtlicher Fragen - oder eine Unternehmensberatungsstelle - bezüglich arbeitsrechtlicher Fragen, Organisations- und Kalkulationsfragen -. Letztlich seien die örtlichen Leiter der Montagegesellschaften in ihrer Entscheidung autonom. Da es neben den Antragsgegnerinnen zu 8) bis 13) noch weitere acht betriebsratslose Montagegesellschaften gebe, sei die Antragsgegnerin zu 7) bei einer Mitarbeiterzahl von 25 auch gar nicht in der Lage, das von den Antragstellern behauptete einheitliche "Gesamtunternehmen" zu führen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Die von den Antragstellern hiergegen beim Landesarbeitsgericht eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde haben die Antragsteller ihr Antragsbegehren zunächst in vollem Umfange weiterverfolgt. Bei der mündlichen Anhörung vor dem Senat vom 11. Dezember 1987 haben die Antragsteller mit Zustimmung der Antragsgegnerinnen ihren Sachantrag zu Ziffer 2) einschließlich des Hilfsantrags zurückgenommen. Die Antragsteller verfolgen mit ihrer Rechtsbeschwerde nur noch ihren Sachantrag zu Ziffer 1) weiter. Die Antragsgegnerinnen beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
II. Die an sich statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der Antragsteller ist unbegründet.
Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht den in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch allein anhängigen Sachantrag zu 1) als unbegründet zurückgewiesen, denn die Antragsgegnerinnen zu 7) bis 13) sind die Rechtsträger von jeweils rechtlich selbständigen Unternehmen, die jeweils über einen Betrieb verfügen, so daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bildung eines Gesamtbetriebsrats (§ 47 Abs. 1 BetrVG) nicht vorliegen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung im wesentlichen wie folgt begründet. Die Antragsgegnerinnen zu 7) bis 13) könnten nicht als ein Unternehmen im Sinne des § 47 Abs. 1 BetrVG angesehen werden; vielmehr handle es sich bei ihnen um sieben selbständige Personengesellschaften (Kommanditgesellschaften). Bei rechtlich selbständigen Unternehmen könne ein Gesamtbetriebsrat auch dann nicht errichtet werden, wenn diese untereinander organisatorisch und wirtschaftlich verflochten seien. Dem Umstand, daß Herr Dr. H Geschäftsführer der Komplementär-Gesellschaften mit beschränkter Haftung sei, könne deshalb keine entscheidende Bedeutung zukommen. Die Antragsgegnerin zu 7) sei keine Betriebsführungsgesellschaft, die aufgrund von Betriebsführungsvereinbarungen die Betriebe der Antragsgegnerinnen zu 8) bis 13) im eigenen Namen führe und Arbeitgeberin aller dort tätigen Arbeitnehmer sei. Vielmehr nähmen auch die Antragsgegnerinnen zu 8) bis 13) - insbesondere in personellen Angelegenheiten - selbständig am Rechtsleben teil, was bereits durch den Abschluß unterschiedlicher Betriebsvereinbarungen deutlich geworden sei. Da in jedem der selbständigen Unternehmen nur ein Betriebsrat bestehe, scheide die Bildung eines Gesamtbetriebsrats aus.
2. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts hält im Ergebnis einer rechtlichen Überprüfung stand.
Für die Errichtung eines Gesamtbetriebsrats ist gemäß § 47 Abs. 1 BetrVG Voraussetzung, daß in einem Unternehmen mehrere Betriebsräte bestehen. Dies ist bei keiner der Antragsgegnerinnen der Fall, denn sie sind ihrerseits Rechtsträger von selbständigen Unternehmen mit jeweils einem Betrieb. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde bilden die Antragsgegnerinnen kein einheitliches Gesamtunternehmen. Die Vorschrift des § 47 Abs. 1 BetrVG enthält keinen von den Bestimmungen des Zivil- und Gesellschaftsrechts losgelösten normativen betriebsverfassungsrechtlichen Unternehmensbegriff, der mehrere rechtlich selbständige Unternehmensträger (Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften) umfaßt.
Das Betriebsverfassungsgesetz enthält keine eigene Definition des Unternehmensbegriffs, sondern setzt ihn voraus. Es gibt auch keinen für die gesamte Rechtsordnung allgemein verbindlichen Unternehmensbegriff. Sein Inhalt ist vielmehr für die einzelnen Rechtsgebiete jeweils nach Sinn und Zweck des betreffenden Gesetzes zu ermitteln. Wie das Bundesarbeitsgericht wiederholt ausgesprochen hat, knüpft das Betriebsverfassungsgesetz insoweit an die in den Gesetzen (AktG, GmbHG, HGB) für das Unternehmen vorgeschriebenen Rechts- und Organisationsformen an, die durchweg zwingend sind. Aus diesen gesellschaftsrechtlichen Regelungen ergibt sich, daß die Kapitalgesellschaften und die Gesamthandsgesellschaften des Handelsrechts jeweils ein einheitliches Unternehmen bilden, dessen rechtliche Selbständigkeit auch nicht dadurch verlorengeht, daß es mit einem oder mehreren anderen Unternehmen wirtschaftlich verflochten ist oder Personengleichheit der Geschäftsführung besteht (BAGE 27, 359, 362 f. = AP Nr. 1 zu § 47 BetrVG 1972, zu III 1 der Gründe; BAGE 30, 12, 19 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972, zu II 3 a der Gründe; BAG Beschluß vom 25. November 1980 - 6 ABR 108/78 - AP Nr. 2 zu § 1 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 13. Juni 1985 - 2 AZR 452/84 - AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, zu A II 2 a der Gründe).
Für das Betriebsverfassungsgesetz folgt dies aus der dort in mehreren Bestimmungen enthaltenen Unterscheidung zwischen Unternehmen und Konzern (vgl. § 8 Abs. 1, § 87 Abs. 1 Nr. 8, § 88 Nr. 2 BetrVG) und vor allem aus den Vorschriften des BetrVG über den Konzernbetriebsrat (§§ 54 ff. i. V. mit § 18 Abs. 1 AktG). Danach ist ein Konzern unabhängig von seiner Ausgestaltung trotz einheitlicher Leitung kein einheitliches Unternehmen, sondern ein Zusammenschluß rechtlich selbständiger Unternehmen, die auch durch ihre Zugehörigkeit zu einem Konzern ihre rechtliche Selbständigkeit als Unternehmen nicht einbüßen. Das Betriebsverfassungsgesetz spricht deshalb auch ausdrücklich von "den Konzernunternehmen" im Unterschied zu dem Konzern (vgl. etwa § 58 Abs. 1 BetrVG). Das Unternehmen kann sich daher nicht über den Geschäfts- und Tätigkeitsbereich seines Rechtsträgers hinaus erstrecken. Der Geschäfts- und Tätigkeitsbereich seines Rechtsträgers markiert zugleich die Grenze des Unternehmens. Das Bundesarbeitsgericht hat deshalb auch bereits entschieden, daß der Begriff des Unternehmens im Sinne von § 47 Abs. 1 BetrVG die Gemeinsamkeit des Unternehmers voraussetzt, daß mithin ein Unternehmen notwendig einen einheitlichen Rechtsträger haben muß und daß demzufolge die Errichtung eines Gesamtbetriebsrats nur möglich ist, wenn der Träger des Unternehmens eine rechtliche Einheit bildet, Unternehmer und Inhaber der zu dem Unternehmen gehörenden Betriebe identisch sind (BAGE 27, 359, 363 = AP Nr. 1 zu § 47 BetrVG 1972, zu III 1 der Gründe). Das entspricht auch der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 47 Rz 6; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 47 Rz 7; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 47 Rz 6; Fabricius/Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 47 Rz 13, 16; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 47 Rz 3; Wiedemann/Strohn in Anm. zu AP Nr. 1 zu § 47 BetrVG 1972).
Diese Auffassung wird durch die ab dem 1. August 1986 geltende Fassung des § 27 Abs. 1 Schwerbehindertengesetz - SchwbG - (BGBl. I S. 1421) bestätigt. Dort ist bestimmt, daß die Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Betriebe eine Gesamtschwerbehindertenvertretung wählen können, sofern "für mehrere Betriebe eines Arbeitgebers ein Gesamtbetriebsrat" errichtet worden ist. Damit ist klargestellt, daß es sich bei den Betrieben, deren Betriebsräte einen Gesamtbetriebsrat wählen können, um solche eines und desselben Arbeitgebers und damit auch desselben Rechtsträgers des Unternehmens handeln muß. Betriebsräte von Betrieben verschiedener Rechtsträger können mithin keinen Gesamtbetriebsrat errichten.
Die Auffassung der Rechtsbeschwerde, die für den betriebsverfassungsrechtlichen Unternehmensbegriff nicht auf die einheitliche Rechtsträgerschaft, sondern maßgeblich auf das Vorhandensein einer einheitlichen Leitungsmacht abstellen will, widerspricht der Systematik des Betriebsverfassungsgesetzes; sie würde das System der betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentationsorgane aus den Angeln heben. Die Institution des Konzernbetriebsrats wäre nämlich überflüssig, wenn es für den Unternehmensbegriff allein auf die einheitliche Leitungsmacht und nicht auf die rechtliche Einheit des Unternehmensträgers ankäme. Der Unterordnungskonzern im Sinne von § 18 Abs. 1 AktG, der dadurch gekennzeichnet ist, daß in ihm ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefaßt sind, und für den § 54 BetrVG einen Konzernbetriebsrat vorsieht, wäre dann wegen der einheitlichen Leitung stets ein einheitliches Gesamtunternehmen, und die Konzernunternehmen wären nur dessen Unternehmensteile mit der Folge, daß für den Konzern als einheitlichem Gesamtunternehmen nach § 47 Abs. 1 BetrVG zwingend ein Gesamtbetriebsrat zu errichten wäre. Für einen Konzernbetriebsrat wäre überhaupt kein Raum mehr.
Durch die Einführung der Institution des Konzernbetriebsrats hat der Gesetzgeber einerseits deutlich gemacht, daß eine einheitliche unternehmerische Leitungsmacht bei verschiedenen unternehmerischen Rechtsträgern nicht zu einem einheitlichen Gesamtunternehmen mit der Möglichkeit einer entsprechenden Gesamtrepräsentation aller von der einheitlichen Leitungsmacht erfaßten Betriebsbelegschaften durch einen Gesamtbetriebsrat führt. Andererseits hat er dadurch dem Bedürfnis Rechnung getragen, eine Repräsentation der Betriebsbelegschaften auch dort anzusiedeln, wo die für ihr Unternehmen maßgebende Leitungsmacht ausgeübt und entfaltet wird. Ein solches Bedürfnis hat der Gesetzgeber jedoch nur für den Unterordnungskonzern im Sinne von § 18 Abs. 1 AktG anerkannt, nicht dagegen für den Gleichordnungskonzern nach § 18 Abs. 2 AktG, weil bei dieser Konzernform keine Gesellschaft von einer anderen beherrscht wird, keine der anderen also ihren Willen aufzwingen kann, so daß es genügt, wenn die Arbeitnehmerinteressen bei den einzelnen Konzerngesellschaften zur Geltung gebracht werden können.
Auch bei der vorliegenden Fallgestaltung besteht kein zwingendes Bedürfnis, einen Gesamtbetriebsrat für mehrere Gesellschaften zuzulassen. Die beteiligten Unternehmen werden in der Form von Kommanditgesellschaften mit je einer GmbH als Komplementärin betrieben. Sie sind insbesondere durch die Personenidentität des geschäftsführenden Gesellschafters ihrer jeweiligen Komplementärgesellschaften miteinander verbunden. Das bedeutet aber, daß die unternehmensleitenden Entscheidungen für die einzelnen beteiligten Unternehmen nicht durch eines dieser Unternehmen bestimmt und den anderen aufgezwungen werden, sondern daß diese Entscheidungen durch den Geschäftsführer Dr. H als Geschäftsführung jedes einzelnen beteiligten Unternehmens getroffen werden. Ihm gegenüber können die Interessen der Belegschaft jedes einzelnen Unternehmens unmittelbar durch die jeweilige Betriebsvertretung geltend gemacht werden. Daß der Geschäftsführer Dr. H seine unternehmerischen Entscheidungen nicht isoliert im Hinblick nur auf das jeweilige Einzelunternehmen, sondern im Hinblick auf die Unternehmensgruppe trifft, rechtfertigt es nicht, in Durchbrechung der Systematik des Betriebsverfassungsgesetzes einen gemeinsamen Gesamtbetriebsrat für mehrere rechtlich selbständige Unternehmen zuzulassen.
Dr. Seidensticker Schliemann Dr. Becker
Dr. Johannsen Schmalz
Fundstellen
BAGE 57, 144-152 (LT1) |
BAGE, 144 |
DB 1988, 759-760 (LT1) |
AiB 1988, 186-186 (LT1) |
AiB 1988, 219-219 (LT1) |
CR 1988, 928 (L) |
RdA 1988, 128 |
ZIP 1988, 532-534 (LT1) |
AP § 47 BetrVG 1972 (LT1), Nr 7 |
AR-Blattei, Betriebsverfassung XII Entsch 14 (LT1) |
AR-Blattei, ES 530.12 Nr 14 (LT1) |
EzA § 47 BetrVG 1972, Nr 5 (LT1) |