Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögenslose GmbH. Abwickler. Prozesspfleger
Orientierungssatz
1. Wird das Verfahren wegen Verlustes der Prozessfähigkeit unterbrochen, weil eine GmbH wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht wird, stehen der anderen Partei mehrere Möglichkeiten offen, das Verfahren fortzusetzen:
a) Sie kann, jedenfalls soweit noch Vermögen vorhanden sein sollte, als “Beteiligte” die Ernennung von Liquidatoren durch das Gericht durchsetzen.
b) Zu erwägen ist zudem die Bestellung eines Liquidators in entsprechender Anwendung von § 273 Abs. 4 AktG.
c) Schließlich kommt in entsprechender Anwendung von § 57 ZPO die Bestellung eines Prozesspflegers in Betracht.
2. Die Bestellung eines Prozesspflegers ist unabhängig davon, ob der Verlust der Prozessfähigkeit erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens eintritt oder bereits vorher eingetreten ist. Sie ist nicht grundsätzlich nachrangig gegenüber der Möglichkeit, einen Liquidator zu bestellen, da es sich um eine einfachere und praktikablere Möglichkeit handelt.
3. Die Bestellung eines Prozesspflegers setzt eine “Gefahr” voraus. Eine solche besteht nach dem Rechtsgedanken des § 114 Satz 1 ZPO nicht, wenn die Rechtsverfolgung der anderen Partei keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint. Das folgt daraus, dass die Kosten des Prozesspflegers ebenso wie die eines im Wege der Beiordnung im Prozesskostenhilfeverfahren bestellten Vertreters notfalls von der Staatskasse zu tragen sind.
Normenkette
ZPO § 57 Abs. 1, § 114 S. 1, § 241 Abs. 1; GmbHG § 66 Abs. 5; AktG § 273 Abs. 4; RVG § 45
Verfahrensgang
LAG Hamm (Beschluss vom 27.02.2007; Aktenzeichen 1 Ta 862/06) |
ArbG Bochum (Beschluss vom 19.12.2006; Aktenzeichen 5 Ca 3647/04) |
Tenor
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. Februar 2007 – 1 Ta 862/06 – wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Tatbestand
I. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss, mit dem das Landesarbeitsgericht die Behandlung des Verfahrens als unterbrochen durch das Arbeitsgericht gebilligt hat.
Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen eine Kündigung. Im Laufe des Verfahrens wurde ein Antrag auf Insolvenzeröffnung über das Vermögen der beklagten GmbH abgelehnt und diese wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht. Im Kammertermin, in dem für die Beklagte niemand erschien, gab die Vorsitzende zu Protokoll, das Verfahren sei gem. § 241 Abs. 1 ZPO unterbrochen. Es sei zunächst auf die Bestellung von Nachtragsliquidatoren hinzuwirken. Dagegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt. Diese hat das Arbeitsgericht als Untätigkeitsbeschwerde gedeutet und ihr nicht abgeholfen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen und angenommen, das Verfahren sei nach § 241 Abs. 1 ZPO unterbrochen. Es hat in seinem Beschluss die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die auf grundsätzliche Bedeutung gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unstatthaft und deshalb als unzulässig zu verwerfen.
1. Gegen Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts außerhalb des Beschlussverfahrens ist die Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft. § 78 Satz 2 ArbGG verweist für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 574 Abs. 1 ZPO zwar auf § 72 Abs. 2 ArbGG. Das Landesarbeitsgericht hat also bei seiner Entscheidung, ob die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist, die dort genannten Gründe für die Zulassung der Revision zu beachten. § 78 Satz 2 ArbGG verweist dagegen nicht auf § 72a ArbGG. Die Möglichkeit, eine nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde auf Beschwerde hin zu erreichen, ist damit nicht eröffnet. Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 ZPO findet eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht statt (BAG 19. Dezember 2002 – 5 AZB 54/02 – BAGE 104, 239). Das entspricht einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers (BT-Drucks. 14/4722 S. 69).
2. Dahingestellt kann bleiben, ob das Arbeitsgericht nicht hätte durch Zwischenurteil entscheiden müssen (so BGH 28. Oktober 1981 – II ZR 129/80 – BGHZ 82, 209, zu II 3c der Gründe). Selbst wenn man davon ausginge, würde der Grundsatz der Meistbegünstigung (vgl. nur BAG 26. März 1992 – 2 AZR 443/91 – AP ArbGG 1979 § 48 Nr. 7 = EzA ArbGG 1979 § 48 Nr. 5, zu II 3a der Gründe) nicht dazu führen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig wäre. Auch in diesem Fall hätte der Kläger nämlich kein Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts erstreiten können, so dass dagegen auch keine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a ArbGG möglich gewesen wäre:
Ein Zwischenurteil, mit dem festgestellt wird, dass wegen des Verlustes der Prozessfähigkeit einer Partei die Unterbrechung des Verfahrens eingetreten ist, ist nämlich nicht selbständig anfechtbar, da es nicht über die Zulässigkeit der Klage insgesamt entscheidet und somit die Voraussetzungen des § 280 ZPO nicht vorliegen. Das ist für den Fall, dass die Prozessfähigkeit eines nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen prozesskostenhilfeberechtigten Klägers in Frage steht, anerkannt (vgl. BGH 29. Mai 1991 – IV ZA 5/91 –). Es rechtfertigt sich daraus, dass ein derartiges Urteil auch nicht die Wirkung einer Rechtsverweigerung hat, weil in diesen Fällen durch anderweitige Maßnahmen – nämlich die Bestellung eines Prozesspflegers nach § 121 Abs. 4 ZPO – sichergestellt ist, dass das Verfahren letztlich fortgeführt werden kann (vgl. zu diesem Aspekt BGH 21. Oktober 2004 – IX ZB 205/03 – NJW 2005, 290, zu II 4 der Gründe).
Dieser Gesichtspunkt ist auf das vorliegende Verfahren übertragbar. Dem Kläger ist es möglich, als “Beteiligter” die Ernennung von Liquidatoren durch das Gericht durchzusetzen. Das gilt jedenfalls, soweit noch Vermögen vorhanden sein sollte (§ 66 Abs. 5 GmbHG). Zu erwägen ist zudem in entsprechender Anwendung von § 273 Abs. 4 AktG deshalb, weil weitere Abwicklungsmaßnahmen, nämlich die Führung des anhängigen Verfahrens nötig sind, einen Liquidator zu bestellen. Sollte sich dies nicht ohne weiteres durchsetzen lassen, wäre schließlich in entsprechender Anwendung von § 57 ZPO die Bestellung eines Prozesspflegers möglich (vgl. BFH 26. März 1980 – I R 111/79 – DB 1980, 2068).
Die Möglichkeit der Bestellung eines Prozesspflegers in entsprechender Anwendung von § 57 Abs. 1 ZPO ist unabhängig davon, ob der Verlust der Prozessfähigkeit – wie hier – erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens oder bereits vorher eingetreten ist. Die Notwendigkeit effektiven Rechtsschutzes unterscheidet sich in beiden Verfahrenssituationen nicht. Die Regelungen über die Unterbrechung nach § 241 Abs. 1 ZPO sind schon deshalb keine Sonderregelungen, weil sie die Möglichkeit für den Gegner vorsehen, das Verfahren fortzusetzen. Dies steht hinsichtlich der Entscheidung, den Rechtsstreit zu betreiben, der Klageerhebung und damit genau der Situation gleich, in der nach § 57 ZPO die Bestellung eines Prozesspflegers vorgesehen ist. Die Bestellung ist im Übrigen auch nicht grundsätzlich nachrangig gegenüber der Möglichkeit der Bestellung eines Nachtragsliquidators, da es sich um eine einfachere und praktikablere Möglichkeit handelt, das Verfahren fortzusetzen (im Ergebnis wie hier: OLG Köln 27. Juli 2005 – 19 W 32/05 – OLGR Köln 2005, 684).
Allerdings ist die Bestellung eines Prozesspflegers nur dann vorgesehen, wenn eine “Gefahr” besteht. Bei der Auslegung dieses Begriffes ist zu berücksichtigen, dass die Kosten des Prozesspflegers notfalls von der Staatskasse zu tragen sind (§ 45 RVG). Eine Gefahr in diesem Sinne besteht deshalb nicht, wenn die durch den Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint (Rechtsgedanke aus § 114 Satz 1 ZPO).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Unterschriften
Reinecke, Zwanziger, Schlewing
Fundstellen
Haufe-Index 1887702 |
DB 2008, 416 |