Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung: Sozialarbeiterin mit staatl. Anerkennung. Eingruppierung einer Sozialarbeiterin mit staatlicher Anerkennung in der Tätigkeit intensiver Einzelbetreuung Jugendlicher und junger Erwachsener (vgl. § 35 KJHG)

 

Leitsatz (amtlich)

Die Tätigkeit einer Sozialarbeiterin mit staatlicher Anerkennung in der Einrichtung “Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung” (INSPE) hebt sich in der Regel nicht durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung i.S. der VergGr. IVa Fallgr. 15 aus der VergGr. IVb Fallgr. 16 der Vergütungsgruppen Sozial- und Erziehungsdienst des Tarifvertrages über die Tätigkeitsmerkmale zum Bundes-Manteltarifvertrag (BMT-AW II) für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt heraus.

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Arbeiterwohlfahrt; BMT-AW II § 22 Abs. 1 a.F., Abs. 2 i.d.F. vom 3. Februar 1992; TV-Tätigkeitsmerkmale Teil I Abschn. B Unterabschnitt 1 “Sozial- und Erziehungsdienst” VergGr. IVa Fallgr. 15, VergGr. IVb Fallgr. 16, VergGr. Vb Fallgr. 10; KJHG § 35

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 20.09.1993; Aktenzeichen 19 Sa 709/93)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 26.03.1993; Aktenzeichen 8 Ca 6341/92)

 

Tenor

  • Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. September 1993 – 19 Sa 709/93 – wird zurückgewiesen.
  • Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin nach dem Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale zum Bundes-Manteltarifvertrag (BMT-AW II) für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt, insbesondere darüber, ob der Klägerin Vergütung nach VergGr. IVa des Teils I B 1 – Sozial- und Erziehungsdienst – ab 1. Januar 1991 zu gewähren ist.

Die am 20. November 1958 geborene Klägerin ist Diplom-Sozialarbeiterin mit staatlicher Anerkennung. Sie ist seit dem 1. Januar 1985 bei dem beklagten Verein als solche beschäftigt. Seit März 1991 ist die Klägerin in der Einrichtung “Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung” (INSPE) tätig. § 35 KJHG bestimmt, daß intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung Jugendlichen gewährt werden soll, die einer intensiven Unterstützung zur sozialen Integration und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung bedürfen. Die Hilfe ist in der Regel auf längere Zeit angelegt und soll den individuellen Bedürfnissen des Jugendlichen Rechnung tragen. Die Tätigkeit der Klägerin zeichnet sich dadurch aus, daß ihr in aller Regel etwa 10 Personen im Alter von 14 – 21 Jahren zur Einzelbetreuung zugewiesen sind, die üblicherweise einen kürzeren oder längeren, meist abgebrochenen Heimaufenthalt hinter sich haben. Neben ihrer Arbeitszeit bildete sich die Klägerin durch verschiedene Zusatzkurse weiter fort.

Im “Dienstvertrag” zwischen dem beklagten Verein und der Klägerin vom 1. Januar 1985 heißt es u. a.:

“Für das Dienstverhältnis gelten die jeweiligen Bestimmungen des Tarifvertrages der Arbeiterwohlfahrt BMT-AW II.

Die Vergütung erfolgt nach den Bestimmungen des BAT Gruppe IVb.”

Die Klägerin erhielt zuletzt eine Vergütung nach VergGr. IVb Teil I Abschn. B Unterabschn. 1 TV-Tätigkeitsmerkmale. Die Klägerin begehrte gegenüber dem beklagten Verein mit Schreiben vom 22. November 1991 erfolglos ihre Höhergruppierung “auf BAT IVa”. Mit der dem beklagten Verein am 5. November 1992 zugestellten Klage verfolgt sie ihren Anspruch weiter.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Tätigkeit hebe sich aufgrund der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IVb Fallgr. 16 heraus. In Übereinstimmung mit der Protokollnotiz Nr. 13a – d sei sie in die VergGr. IVa Fallgr. 15 TV-Tätigkeitsmerkmale einzustufen. Die Personengruppen ihres Klientels seien vorwiegend durch die Problemlage der Verwahrlosung gekennzeichnet und als äußerst schwierig in der Betreuung einzuordnen. Die Bedeutung ihrer Tätigkeit drücke sich in der Entlastung der öffentlichen Haushalte aus.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

festzustellen, daß der beklagte Verein verpflichtet ist, an die Klägerin ab 1. Januar 1991 Vergütung nach VergGr. IVa des BMT für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt zu bezahlen,

festzustellen, daß der beklagte Verein verpflichtet ist, die von ihm nachzuzahlenden Beträge i. H. von 4.425,74 DM ab Antragstellung rückwirkend und die nach Klageerhebung fällig werdenden Differenzbeträge mit 4 % zu verzinsen.

Der beklagte Verein hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, bei der Tätigkeit der Klägerin handele es sich um eine schwierige, nicht jedoch um eine besonders schwierige Tätigkeit. Bereits die VergGr. IVb Fallgr. 16 fordere schwierige Tätigkeiten. So führe die einschlägige Protokollnotiz Nr. 12c unter schwierigen Tätigkeiten beispielhaft die begleitende Fürsorge für Heimbewohner und die nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohner auf. Über die so beschriebenen Anforderungen gehe die Tätigkeit der Klägerin nicht hinaus. Zwischen allgemeiner und intensiver Einzelfallbetreuung werde nicht unterschieden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter mit der Maßgabe, daß Zinsen aus den sich ergebenden Nettobeträgen verlangt werden. Der beklagte Verein beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IVa des Teils I Abschn. B Unterabschn. 1 des Tarifvertrages über die Tätigkeitsmerkmale zum Bundes-Manteltarifvertrag (BMT-AW II) für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (TV-Tätigkeitsmerkmale).

I. Die Klage ist zulässig.

1. Die Klägerin hat eine der allgemein üblichen Eingruppierungsfeststellungsklagen erhoben. Für solche Klagen besteht auch außerhalb des öffentlichen Dienstes – die Arbeiterwohlfahrt (AWO ist privatrechtlich organisiert (Urteil des Zehnten Senats vom 11. Januar 1995 – 10 AZR 180/94 –, nicht zur Veröffentlichung vorgesehen) – das nach § 256 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse (Senatsurteile vom 25. September 1991 – 4 AZR 87/91 – AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, zu I der Gründe; vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 – AP Nr. 2 zu § 12 AVR Caritasverband, zu B I der Gründe; vom 4. Mai 1994 – 4 AZR 443/93 –, n.v., zu I der Gründe).

2. Der Feststellungsantrag ist auch zulässig, soweit er Zinsforderungen zum Gegenstand hat. In Eingruppierungsstreitigkeiten ist ein Feststellungsantrag nach § 256 ZPO nicht nur für die Hauptsache, sondern ebenso für die Zinsforderung zulässig. Das ergibt sich daraus, daß die im Verhältnis zur Hauptschuld akzessorische Zinsforderung auch in prozessualer Beziehung das rechtliche Schicksal der Hauptforderung teilen soll (BAGE 22, 247, 249 = AP Nr. 30 zu §§ 22, 23 BAT).

II. Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IVa Teil I Abschn. B Unterabschn. 1 TV-Tätigkeitsmerkmale.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet jedenfalls kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der Bundes-Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (BMT-AW II) Anwendung. Auch der Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale zum Bundes-Manteltarifvertrag (BMT-AW II) für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (TV-Tätigkeitsmerkmale) ist auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Zwar heißt es im Arbeitsvertrag, “die Vergütung erfolgt nach den Bestimmungen des BAT Gruppe IVb”. Die Parteien gehen aber übereinstimmend vom TV-Tätigkeitsmerkmale aus.

2. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt mithin davon ab, ob die Klägerin i. S. von § 22 Abs. 1 BMT-AW II in der bis 31. Dezember 1991 geltenden Fassung in der Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1991 mit ihrer überwiegenden Tätigkeit, d. h. mehr als zur Hälfte ihrer Arbeitszeit Aufgaben verrichtet hat, die der VergGr. IVa Teil I Abschn. B Unterabschn. 1 TV-Tätigkeitsmerkmale entspricht, und ob ab 1. Januar 1992 die Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllende Arbeitsvorgänge i. S. der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. dazu BAGE 51, 59, 65 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.) den Tätigkeitsmerkmalen der von der Klägerin in Anspruch genommenen VergGr. IVa Teil I Abschn. B Unterabschn. 1 TV-Tätigkeitsmerkmale entsprechen (§ 22 Abs. 2 BMT-AW II i.d. Fassung vom 3. Februar 1992, gültig ab 1. Januar 1992).

Das Landesarbeitsgericht hat die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit in der intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung (INSPE) als einen Arbeitsvorgang angesehen. Diese Beurteilung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat hat in Eingruppierungsstreitigkeiten von Sozialarbeitern regelmäßig angenommen, daß die gesamte einem Sozialarbeiter übertragene Tätigkeit als einheitlicher Arbeitsvorgang anzusehen sei, da deren Tätigkeit auf ein einheitliches Arbeitsergebnis, nämlich die Betreuung des ihnen zugewiesenen Personenkreises, gerichtet sei. Demgemäß habe ihre Tätigkeit Funktionscharakter. Die einzelnen von ihnen ausgeübten Tätigkeiten seien tatsächlich nicht trennbar und tariflich einheitlich zu bewerten. Einen einheitlichen großen Arbeitsvorgang hat der Senat beispielsweise bei einem Sozialarbeiter im Sachgebiet “Sozialdienst für Nichtseßhafte und Haftentlassene” der Abteilung “Gefährdetenhilfe” (Urteil vom 4. Mai 1988 – 4 AZR 728/87 – BAGE 58, 230 = AP Nr. 143 zu §§ 22, 23 BAT 1975), einer Sozialarbeiterin im Sachgebiet “Erziehungsbeistandschaften in der Familientherapie” (Urteil vom 6. Februar 1991 – 4 AZR 343/90 – ZTR 1991, 379), eines für die “Organisation von therapeutischen Wohngemeinschaften und deren Beratung” zuständigen Diplom-Sozialarbeiters (Urteil vom 29. September 1993 – 4 AZR 690/92 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter), einer Sozialarbeiterin in der “Behindertenbetreuung” (Urteil vom 9. März 1994 – 4 AZR 288/93 –, n.v.), eines Diplom-Sozialarbeiters in der Jugendgerichtshilfe (Urteil vom 14. Dezember 1994 – 4 AZR 950/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen), einer Diplom-Sozialpädagogin im Adoptionsvermittlungsdienst (Urteil vom 14. Dezember 1994 – 4 AZR 935/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) angenommen. Das gilt auch für den vorliegenden Fall einer Sozialarbeiterin in der intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung. Auch die gesamte einer Sozialarbeiterin in der Einrichtung intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung übertragene Tätigkeit ist auf ein einheitliches Arbeitsergebnis, nämlich die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung mit den mit ihr einhergehenden Aufgaben gerichtet, bei der das Arbeitsergebnis die Betreuung i. S. des § 35 KJHG von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist. Es handelt sich um einen Arbeitsvorgang. Alle Einzelaufgaben der Klägerin dienen einem Arbeitsergebnis und sind deshalb nach tatsächlichen Gesichtspunkten nicht weiter aufteilbar. Diese Tätigkeit kann nicht in einzelne Arbeitsvorgänge, nämlich die Betreuung eines bestimmten Jugendlichen oder jungen Erwachsenen aufgegliedert werden. Es geht nicht um die entscheidungsreife Bearbeitung eines einzelnen Antrages, z. B. auf Gewährung von Leistungen, oder um die Bearbeitung eines Widerspruches gegen einen Verwaltungsakt, sondern um die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung überhaupt, die sich aus zahlreichen, zeitlich auseinanderliegenden Einzeltätigkeiten bezogen auf die unterschiedlichsten Vorgänge zusammensetzt, was für eine funktional zusammengehörende Tätigkeit spricht. Für das Vorliegen eines Arbeitsvorgangs spricht der bei den Vergütungsgruppen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst des TV-Tätigkeitsmerkmale zum Ausdruck gekommene Wille der Tarifvertragsparteien. Dort wird die Betreuung bestimmter näher bezeichneter Personengruppen insgesamt genannt, um schwierige Tätigkeiten des Sozialarbeiters zu kennzeichnen (Protokollnotiz Nr. 12 zu VergGr. IVb Fallgr. 16). Eine hiervon ausgehende Bewertung der Tätigkeiten des Sozialarbeiters muß notwendigerweise alle für den entsprechenden Personenkreis zu erledigenden Tätigkeiten zu einem Arbeitsvorgang zusammenfassen. Entsprechendes gilt auch für einen Sozialarbeiter in der intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung.

Damit steht auch fest, daß in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1991 diese Tätigkeit der Klägerin mit mehr als der Hälfte der Arbeitszeit die überwiegend auszuübende Tätigkeit i. S. des § 22 Abs. 1 BMT-AW II in der bis 31. Dezember 1991 geltenden Fassung ausmacht.

3. Für die Eingruppierung der Klägerin sind die speziellen Tätigkeitsmerkmale “Sozial- und Erziehungsdienst” des TV-Tätigkeitsmerkmale maßgebend. Diese haben, soweit sie für den Rechtsstreit von Bedeutung sind, folgenden Wortlaut:

Vergütungsgruppe Vb

  • Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

    (Hierzu Protokollnotiz Nr. 1)

Vergütungsgruppe IVb

  • Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben mit schwierigen Tätigkeiten ( [1])

    (Hierzu Protokollnotizen Nr. 1 und 12)

Vergütungsgruppe IVa

  • Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen gleichwertige Tätigkeiten ausüben, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IVb Fallgr. 16 heraushebt

    (Hierzu Protokollnotizen Nr. 1 und 13)

Die Protokollnotiz Nr. 12 lautet:

  • Schwierige Tätigkeiten sind z. B. die
  • Beratung von Suchtmittelabhängigen,
  • Beratung von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen,
  • begleitende Fürsorge für Heimbewohner und nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohner,
  • begleitende Fürsorge für Strafgefangene und nachgehende Fürsorge für ehemalige Strafgefangene,
  • Koordinierung der Arbeiten mehrerer Angestellter mindestens der VergGr. Vb,
  • Tätigkeiten, für deren Ausübung eine Zusatzqualifikation i. d. R. erforderlich ist,
  • Arbeit in Aufnahme-(Beobachtungs-)Gruppen oder in heilpädagogischen Gruppen.

Protokollnotiz Nr. 13 lautet:

  • Tätigkeiten mit besonderer Schwierigkeit und Bedeutung i. S. der VergGr. IVa sind z. B. Tätigkeiten
  • für deren Ausübung eine abgeschlossene zusätzliche Spezialausbildung (z. B. sozialtherapeutische, sozialpsychiatrische oder heilpädagogische Ausbildung) üblicherweise notwendig ist,
  • die fürsorgerische Arbeiten von mindestens 20 Sozialarbeitern/Sozialpädagogen/Jugendleitern zu koordinieren haben,
  • denen die Fachaufsicht über Tagesstätten oder Heime übertragen ist, in denen mindestens 140 Angestellte im Fachdienst tätig sind,
  • die Grundsatzfragen und schwierige Planungsaufgaben beinhalten.

Die von der Klägerin in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmale der VergGr. IVa Fallgr. 15 bauen auf der VergGr. IVb Fallgr. 16 auf, die ihrerseits die Erfüllung der Anforderungen der VergGr. Vb Fallgr. 10 TV-Tätigkeitsmerkmale Sozial- und Erziehungdienst voraussetzt. Das Landesarbeitsgericht hat der Sache nach ausgeführt, die Klägerin erfülle zwar die Voraussetzungen der VergGr. Vb Fallgr. 10 und die Voraussetzungen der VergGr. IVb Fallgr. 16, eine sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IVb Fallgr. 16 heraushebende Tätigkeit i. S. der VergGr. IVa Fallgr. 15 liege jedoch nicht vor, so daß die Klägerin nicht mit Erfolg Vergütung nach VergGr. IVa TV-Tätigkeitsmerkmale Sozial- und Erziehungsdienst verlangen könne.

Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die VergGr. Vb Fallgr. 10. Die Klägerin ist Diplom-Sozialarbeiterin mit staatlicher Anerkennung. Ihre Tätigkeit entspricht auch dem Berufsbild eines Sozialarbeiters. Die Klägerin ist in der intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung tätig. Der normale Aufgabenbereich eines Sozialarbeiters ist nach seinem Berufsbild und nach seiner Ausbildung auf Hilfeleistungen in sozialen Problemfällen ausgerichtet. Demgemäß werden üblicherweise für Sozialarbeiter folgende Tätigkeitsfelder und Aufgabenbereiche der Sozialarbeit angenommen:

Gesundheitshilfen, Jugendhilfe und Sozialhilfe.

Unter dem Bereich der Jugendhilfe fällt auch die Tätigkeit der Unterstützung und der Hilfe i. S. des § 35 KJHG.

b) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klägerin erfülle mit dem Arbeitsvorgang intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung die Voraussetzungen der VergGr. IVb Fallgr. 16. Es hat dieses Ergebnis damit begründet, die von der Klägerin wahrgenommenen Tätigkeiten entsprächen ihrer Wertigkeit den von den Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz Nr. 12 gewählten Beispielen und seien auch unter die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale zu subsumieren.

Auch das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Merkmal der schwierigen Tätigkeit i. S. der Fallgr. 16 der VergGr. IVb Sozial- und Erziehungsdienst haben die Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz Nr. 12 durch konkrete Beispiele erläutert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dann, wenn eines dieser Tätigkeitsbeispiele zutrifft, auch das Merkmal des Oberbegriffs erfüllt (Urteile des Senats vom 5. Juli 1978 – 4 AZR 795/76 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 29. April 1981 – 4 AZR 1007/78 – AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk sowie Urteil vom 12. Dezember 1990 – 4 AZR 306/90 – AP Nr. 1 zu § 12 AVR Diakonisches Werk = EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 4). Wird kein Tätigkeitsbeispiel erfüllt, ist auf den allgemeinen Begriff zurückzugreifen, wobei dann aber dessen Bestimmung von den Maßstäben der Beispielstatbestände aus zu erfolgen hat; die Tarifvertragsparteien haben mit den Beispielen Maß und Richtung für die Auslegung des allgemeinen Begriffs vorgegeben (BAGE 45, 121, 126 = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 51, 59, 87 f. = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Bei den von der Klägerin zu betreuenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen handelt es sich zwar überwiegend nicht um Angehörige der in der Protokollnotiz Nr. 12 ausdrücklich aufgeführten Problemgruppen. An die Klägerin werden aber jedenfalls ähnlich hohe Anforderungen gestellt. Wie bei den in der Protokollnotiz Nr. 12 genannten Personengruppen ist auch bei den im Rahmen der intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung zu betreuenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen typischerweise von besonders vielgestaltigen oder umfangreichen sozialen Problemen auszugehen. Die Tätigkeit der Klägerin hebt sich aus der Normal- oder Grundtätigkeit eines Sozialarbeiters dadurch heraus, daß die Klägerin im Rahmen des § 35 KJHG Hilfe für Jugendliche und junge Erwachsene in besonders gefährdeten Lebenssituationen leistet. Die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung soll für Jugendliche (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 KJHG), nicht für Kinder (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 KJHG), eine eigenverantwortliche Lebensführung zu realisieren helfen, wobei bei dieser Form der Betreuung stark auf die individuellen Bedürfnisse des Jugendlichen abzustellen ist, was mitunter eine Präsenz oder Ansprechbarkeit des Betreuers rund um die Uhr erfordert. Die Erfahrung hat gezeigt, daß Jugendlichen in besonders gefährdeten Lebenssituationen nur noch durch eine intensive Einzelbetreuung geholfen werden kann, wenn die Gesellschaft diese jungen Menschen nicht aufgeben will (so die amtliche Begründung zu § 35 KJHG, BT-Drucksache 11/5948 S. 72). Als Adressatenkreis werden die Punker-, Prostituierten-, Drogen- und Nichtseßhaftenszene genannt (Amtliche Begründung, aaO). Die Tätigkeit des Betreuers i. S. des § 35 KJHG umfaßt neben der intensiven Hilfestellung bei persönlichen Problemen und Notlagen auch die Unterstützung bei der Beschaffung und bei dem Erhalt einer geeigneten Wohnmöglichkeit, bei der Suche und Vermittlung einer geeigneten schulischen oder beruflichen Ausbildung oder bei der Arbeitssuche und -aufnahme sowie den Beistand bei der Verwaltung der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel und das Bemühen um eine sinnvolle Gestaltung der Freizeit. Die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung hat vor allem das Ziel, eine endgültige Unterbringung von Jugendlichen in Heimen oder anderen Einrichtungen zu vermeiden (vgl. nur MünchKomm-Hinz, 3. Aufl., § 35 SGB VIII KJHG Rz 1). Die Wahrnehmung der so umschriebenen Aufgabe im Rahmen der besonderen Einrichtung der intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung erscheint sonach als Aufgabe, die schwierige Tätigkeiten im Tarifsinne in rechtserheblichem Umfang aufweist. Entsprechendes gilt für die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung junger Erwachsener. Die Klägerin erfüllt daher die Voraussetzungen der VergGr. IVb Fallgr. 16. Das leugnet der beklagte Verein auch nicht.

c) Der Klägerin steht aber die von ihr geforderte Vergütung nach der VergGr. IVa TV-Tätigkeitsmerkmale Sozial- und Erziehungsdienst deswegen nicht zu, weil ihrem Vorbringen nicht entnommen werden kann, daß sich ihre Tätigkeit aus der VergGr. IVb Fallgr. 16 durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung i. S. der VergGr. IVa Fallgr. 15 heraushebt.

Die weitere Heraushebung durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung der Tätigkeit (VergGr. IVa Fallgr. 15) verlangt, was die Schwierigkeit angeht, eine beträchtliche, gewichtige Heraushebung bei den fachlichen Anforderungen gegenüber der VergGr. IVb Fallgr. 16. Bei der gesteigerten Bedeutung der Tätigkeit genügt eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung. Sie muß sich auf die Auswirkungen der Tätigkeit beziehen und kann sich aus der Bedeutung oder der Größe des Aufgabenkreises sowie der Tragweite für den innerdienstlichen Bereich und die Allgemeinheit ergeben (vgl. Urteil des Senats vom 29. Januar 1986, BAGE 51, 59, 90 ff. = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil des Senats vom 29. September 1993 – 4 AZR 690/92 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter).

Tätigkeiten mit besonderer Schwierigkeit und Bedeutung i. S. der VergGr. IVa Sozial- und Erziehungdienst haben die Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz Nr. 13 durch konkrete Beispiele erläutert. Nach der genannten ständigen Rechtsprechung des Senats ist dann, wenn eines dieser Tätigkeitsbeispiele zutrifft, auch das Merkmal des Oberbegriffs erfüllt. Wird kein Tätigkeitsbeispiel erfüllt, ist auf den allgemeinen Begriff zurückzugreifen, wobei dann aber dessen Bestimmung von den Maßstäben der Beispielstatbestände aus zu erfolgen hat; die Tarifvertragsparteien haben mit den Beispielen Maß und Richtung für die Auslegung des allgemeinen Begriffs vorgegeben.

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, die Klägerin erfülle mit ihrer Tätigkeit keines der in der Protokollnotiz Nr. 13 zu VergGr. IVa Fallgr. 15 genannten Regelbeispiele.

Es hat sich im übrigen auf den Standpunkt gestellt, die besondere Schwierigkeit und Bedeutung der Tätigkeit ergebe sich nicht daraus, daß im Rahmen der Tätigkeit der Klägerin Problemkreise aus mehreren Regelbeispielen der Protokollnotiz Nr. 12 gleichzeitig auftreten könnten. Daraus sei noch keine andere, durch besondere Schwierigkeit gekennzeichnete Qualität der Tätigkeit der Klägerin abzuleiten. Die von der Klägerin angeführte Problemlage der Verwahrlosung ihrer Klientel sei nicht geeignet, eine besondere Schwierigkeit zu begründen. Zwar möge der Klägerin zu folgen sein, wenn sie ausführe, daß sich die von ihr betreute Personengruppe aufgrund des Zustandes der Verwahrlosung in einer Gefährdungslage befinde. Andererseits habe die Klägerin nicht dargetan, warum gerade diese Personengruppe schwieriger zu integrieren sei als Strafgefangene, Heimbewohner oder HIV-Infizierte. Allen Personengruppen könne typischerweise eine schwere Störung im Sozialverhalten eigen sein. Allein schon die hohe Zahl der rückfällig werdenden Strafgefangenen zeige deutlich, wie schwierig die soziale Integration auch dieser Personengruppe sei. Daß in dieser Personengruppe sowohl HIV-Infizierte und an Aids erkrankte Personen sowie suchtmittelabhängige Personen und auch hier ehemalige Heimbewohner und/oder Strafgefangene vorhanden seien, die teilweise gleichzeitig mehrere dieser Problemkreise erfüllten, mache die Tätigkeit der Klägerin nicht zu einer besonders schwierigen Tätigkeit i. S. der qualifizierenden Merkmale des Tarifvertrages. Eine Häufung dieser Problemkreise könne ebenso bei der Beratung von Suchtmittelabhängigen oder HIV-Infizierten oder nachgehenden Betreuung von ehemaligen Heimbewohnern oder Strafgefangenen vorliegen. Wegen des Zusammenhangs zwischen Drogensucht und Straffälligkeit sowie Drogensucht und HIV-Infizierung sei ein solches Zusammenfallen mehrerer Problemkreise in einer zu betreuenden Person nicht außergewöhnlich. Die Tätigkeit der Klägerin unterscheide sich in ihrem Schwierigkeitsgrad nicht wesentlich von den Tätigkeiten, die von den Tarifvertragsparteien ausdrücklich als lediglich schwierig eingestuft worden seien. Auch daraus, daß die Klägerin auch eine beratende Funktion habe, ergebe sich eine besondere Schwierigkeit ihrer Tätigkeit nicht. Gerade das Berufsbild einer Sozialarbeiterin sei dadurch gekennzeichnet, als erste Anlaufstelle vermittelnd und helfend einzuschreiten. Beratung in diesem Sinne bedeute, zeitweilig gemeinsam überlegend die Probleme des Klienten anzugehen und einer möglichst sinnvollen Lösung zuzuführen. Auch insoweit seien die Schwierigkeiten nicht größer als in den in der Protokollnotiz Nr. 12 aufgeführten Tätigkeitsbeispielen.

Die demgegenüber erhobenen Rügen der Revision greifen nicht.

Beim Tarifbegriff der “besonderen Schwierigkeit” handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Bei der Anwendung eines solchen Rechtsbegriffs durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht nur überprüfen, ob der Begriff als solcher verkannt worden ist oder bei der Subsumtion Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände nicht berücksichtigt worden sind (Urteil des Senats vom 29. September 1993 – 4 AZR 690/92 – AP, aaO, m.w.N.).

Diesen Prüfungsansatz halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts insbesondere im Lichte der von den Tarifvertragsparteien gegebenen Tätigkeitsbeispiele stand.

Das Landesarbeitsgericht hat dem Vortrag der Klägerin wegen der schon im Normalfall relativ hohen Anforderungen an einen Sozialarbeiter nicht für die Erfüllung des Heraushebungsmerkmals der “besonderen Schwierigkeit” ausreichen lassen. Das wird durch seinen Vergleich der Tätigkeit der Klägerin mit denen der Protokollnotizen Nr. 12 und Nr. 13 deutlich. Anwendungsfehler sind dabei nicht zu erkennen.

Der Auffassung der Klägerin, das Vorliegen des qualifizierenden Merkmals der besonderen Schwierigkeit ergebe sich aus der Erfüllung mehrerer dieser Regelbeispiele der Protokollnotiz Nr. 12, kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, daß die Klägerin nicht vorgetragen hat, wie viele der von ihr zu betreuenden Jugendlichen zugleich zu den Problemgruppen gehören, die in den Tätigkeitsbeispielen der Protokollnotiz Nr. 12 genannt sind, mit der Folge, daß nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Tätigkeit der Klägerin mit Angehörigen dieser Problemgruppen einen rechtserheblichen Umfang hat, fehlt es an der Darstellung der Klägerin, was es denn im einzelnen ausmacht, daß ihre Tätigkeit mit Angehörigen der in der Protokollnotiz Nr. 12 genannten Problemgruppen im Rahmen der intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung als besonders schwierig anzusehen sein soll.

Es ist nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht bei den von der Klägerin betreuten Jugendlichen und jungen Erwachsenen keine über die typische Belastung durch Angehörige der in der Protokollnotiz Nr. 12 genannten Problemgruppen hinausgehende gesehen hat. Die Klägerin legt nicht dar, warum die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung deswegen sich aus den Tätigkeiten der Protokollnotiz Nr. 12 durch besondere Schwierigkeiten beträchtlich heraushebt, weil es sich vornehmlich um einen Personenkreis handele, dem durch andere Institutionen nicht mehr geholfen werden könne. Das gilt auch für den Vortrag, die in den Protokollnotizen erwähnten Personengruppen würden regelmäßig als bei entsprechender Hilfestellung in die Gesellschaft integrierbar angesehen, während dies bei dem von der Klägerin zu betreuenden Klientel nicht der Fall sei. Die Klägerin legt nicht dar, was deswegen bezogen auf ihre Tätigkeit, also die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung, die besondere Schwierigkeit ausmachen soll, durch die sich ihre Betreuungstätigkeit aus den in der Protokollnotiz Nr. 12 genannten Tätigkeiten heraushebt. Auch der Hinweis auf die relativ geringe Anzahl der zu Betreuenden, woraus die gesteigerte Intensität in der Betreuungstätigkeit abzuleiten sei, vermag die besondere Schwierigkeit der Tätigkeit der Klägerin nicht zu begründen. Zum einen kann eine intensive sozialpädagogische Betreuung i. S. des § 35 KJHG nur erbracht werden, wenn der Betreuer nur für einige wenige Jugendliche zuständig ist. Zum anderen handelt es sich insoweit um Arbeitsbedingungen, mit denen die besondere Schwierigkeit nicht begründet werden kann (vgl. Urteil des Senats vom 16. Mai 1979 – 4 AZR 680/77 – AP Nr. 23 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und Urteil des Senats vom 11. Dezember 1974 – 4 AZR 91/74 – AP Nr. 82 zu §§ 22, 23 BAT). Vielmehr muß sich die “besondere Schwierigkeit” direkt aus der zu bearbeitenden Materie ergeben. Soweit sich die Klägerin hinsichtlich ihrer beratenden Tätigkeit mißverstanden fühlt und darauf abstellt, wie diese beratende Tätigkeit zu intensivieren sei, fehlt der Sachvortrag, was es denn tatsächlich ausmacht, daß sich das “Wie” der beratenden Tätigkeit erheblich durch besondere Schwierigkeiten aus der Beratung von Angehörigen der unter die Protokollnotiz Nr. 12 fallenden Problemgruppen heraushebt. Desgleichen bleibt Behauptung, daß die besondere Schwierigkeit der Tätigkeit der Klägerin darin liege, daß das Vorliegen mehrerer Problemkreise zu einer gesteigerten – umfassenden – Betreuung führen müsse. Es sind auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür erkennbar, warum die besondere, für den Gesunden schwer nachempfindbare psychische Situation suchtmittelabhängiger oder Aids-infizierter oder -erkrankter Personen deutlich geringere Probleme für einen Sozialarbeiter aufwerfen sollte als die Lage Jugendlicher oder junger Erwachsener in besonders gefährdeten Lebenssituationen, denen durch eine intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung geholfen werden soll. Daß die Beratung von Angehörigen der in Nr. 12 der Protokollnotiz genannten Problemgruppen weniger intensiv sein mag, mag zum einen daran liegen, daß die Anzahl der zugewiesenen Personen zu groß ist, so daß eine intensive Betreuung nicht möglich ist, zum anderen vermag eine vorgegebene intensive Betreuung als solche das Vorliegen des Heraushebungsmerkmals nicht zu begründen. Vielmehr mußte geschildert werden, was – im Gegensatz zu den schwierigen Tätigkeiten i. S. der VergGr. IVb Fallgr. 16 – das Heraushebungsmerkmal der besonderen Schwierigkeit ausfüllen soll. Der Tatsachenvortrag muß einen wertenden Vergleich mit den unter die VergGr. IVb Fallgr. 16 fallenden nicht herausgehobenen Tätigkeiten enthalten, also Tatsachen, die dafür stehen sollen, daß gegenüber den unter die VergGr. IVb Fallgr. 16 fallenden Tätigkeiten die Klägerin Aufgaben wahrnimmt, die sich durch besondere Schwierigkeit hervorheben (vgl. Urteil des Senats vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 47/93 – AP Nr. 173 zu §§ 22, 23 BAT 1975, zum tariflichen Heraushebungsmerkmal der besonderen Leistungen). Es ist also notwendig, darzulegen, warum eine bestimmte Tätigkeit besonders schwierig ist oder wenigstens als besonders schwierig betrachtet werden kann. An einem derartigen Vortrag, der Grundlage für einen wertenden Vergleich mit der Tätigkeit der unter die VergGr. IVb Fallgr. 16 fallenden Sozialarbeiter sein könnte, fehlt es hier.

Die Klägerin verkennt, daß der Diplom-Sozialarbeiter “mit entsprechender Tätigkeit” in VergGr. Vb Fallgr. 10 eingruppiert ist und die Tätigkeit in der intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts das Tätigkeitsmerkmal “mit schwierigen Tätigkeiten” der Fallgr. 16 der VergGr. IVb erfüllt. Was demgegenüber die besondere Schwierigkeit ausmachen soll, ist mit dem Satz der Klägerin, dadurch, daß bei der Erfüllung mehrerer dieser Regelbeispiele ein entsprechend breiter gefächertes Wissen und Können, außergewöhnliche Erfahrungen und besondere Spezialkenntnisse erforderlich seien, nicht belegt. Es ist von der Klägerin nicht dargetan, was sie an Fachwissen aufweisen muß, das beträchtlich über das hinaus geht, was beispielsweise ein Sozialarbeiter in der Betreuung von Suchtmittel-Abhängigen oder HIV-Infizierten oder an Aids-Erkrankten haben muß.

Da die Tätigkeit der Klägerin schon nicht wegen der Schwierigkeit aus dem herausragt, was die VergGr. IVb Fallgr. 16 von einem Sozialarbeiter verlangt, kann dahinstehen, ob ihre Tätigkeit gegenüber der von einem in diese Vergütungsgruppe eingruppierten Sozialarbeiter verlangten in ihrer Bedeutung herausgehoben ist. Auch die Erfüllung dieses für die begehrte Eingruppierung zusätzlich erforderlichen Tätigkeitsmerkmals ist sehr zweifelhaft. Das Ziel, auf die Jugendlichen und jungen Erwachsenen derart einzuwirken, daß eine eigenverantwortliche Lebensführung möglich wird, jedenfalls aber eine Heimunterbringung vermieden wird, ist in seiner sozialen Tragweite gut vergleichbar mit der sozialen Bedeutung der Betreuung von Suchtmittel-Abhängigen, HIV-Infizierten und an Aids-Erkrankten oder Strafgefangenen oder ehemaligen Strafgefangenen. Ein wertender Gesichtspunkt, warum die Tätigkeit der Klägerin in diesem Vergleich von herausgehobener Bedeutung sein soll, ist nicht erkennbar. Daß die klägerische Tätigkeit dort einsetzt, wo sämtliche andere Institutionen/Anlaufstellen versagt haben oder nicht mehr greifen, womit ein gesteigertes Interesse für die Allgemeinheit daran bestehe, den “totalen Absturz” mit entsprechenden finanziellen Auswirkungen auf die Allgemeinheit zu verhindern, ändert nichts daran, daß auch erfolgreich betreute Suchtmittel-Abhängige und Strafgefangene künftig nicht mehr der Allgemeinheit zur Last fallen. Die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung ist zwar die letzte der in Abschn. 4 des KJHG geregelten Hilfen zur Erziehung. Das Ziel aller Hilfen zur Erziehung ist aber am Ende gleich: Die Jugendlichen sollen in die Lage versetzt werden, ihr Leben eigenverantwortlich zu führen. Deshalb vermag der Vortrag, die klägerische Arbeit bedeute einen letzten Haltepunkt vor einem nicht mehr umkehrbaren sozialen Absturz und dementsprechend sei die klägerische Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes von existenzieller Bedeutung für den Jugendlichen, die Bedeutung im Tarifsinne nicht auszumachen. Die Unterbringung in einem Heim oder in einer anderen Einrichtung mit einem sich etwa anschließenden betreuten Wohnen u. ä. bleibt allemal.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Schneider, Friedrich, Brocker, Kiefer

 

Fundstellen

Haufe-Index 870839

NZA 1996, 334

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