Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks und Baubetrieben. Malerhandwerk. Ausführung von Putzarbeiten
Orientierungssatz
1. Putzarbeiten sind zwar gem. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 34 VTV bauliche Leistungen, gehören aber auch zum Berufsbild des Maler- und Lackiererhandwerks.
2. Führen die Arbeitnehmer eines Betriebes, der seinen Sitz in einem in § 1 Nr. 2 Abs. 7 RTV genannten Handwerkskammerbezirk hat, einschließlich der Putzarbeiten arbeitszeitlich überwiegend dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzurechnende Tätigkeiten aus, wird der Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV-Maler erfasst, sofern nicht auf die Ausführung der Putzarbeiten mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit entfällt oder ohne die Berücksichtigung der Putzarbeiten überwiegend zum Baugewerbe zu rechnende Tätigkeiten verrichtet werden.
Normenkette
ZPO § 138 Abs. 4
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 23.01.2006; Aktenzeichen 16 Sa 1249/05) |
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 26.04.2005; Aktenzeichen 1 Ca 193/04) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 23. Januar 2006 – 16 Sa 1249/05 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte im Jahr 2003 einen von den für allgemeinverbindlich erklärten Sozialkassentarifverträgen für das Maler- und Lackiererhandwerk erfassten Betrieb unterhalten und deshalb für dieses Jahr Sozialkassenbeiträge iHv. 2.936,34 Euro an den Kläger zu leisten hat.
Der Kläger ist die gemeinnützige Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk (UK-Maler). Diese ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Maler- und Lackiererhandwerks. Sie hat nach den Vorschriften des Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk (RTV) und des Tarifvertrags über das Verfahren für den Urlaub und die Zusatzversorgung im Maler- und Lackiererhandwerk (VTV-Maler) die Aufgabe, den Arbeitnehmern einen zusammenhängenden Jahresurlaub zu sichern. Zur Finanzierung ihrer Leistungen erhebt die UK-Maler von den tarifunterworfenen Arbeitgebern Beiträge. Den Beitragseinzug regelte im Anspruchszeitraum der für allgemeinverbindlich erklärte VTV-Maler vom 23. November 1992 idF vom 15. Februar 2001 und 20. Mai 2003. Nach § 1 Nr. 2 VTV-Maler werden vom betrieblichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags Betriebe erfasst, die unter den betrieblichen Geltungsbereich des RTV in der jeweils geltenden Fassung fallen. In § 1 Nr. 2 RTV vom 30. März 1992 in den für den Klagezeitraum maßgeblichen Fassungen vom 15. Juni 1999 und vom 20. Mai 2003 heißt es:
“2. Betrieblicher Geltungsbereich
(1) Alle Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks. Dies sind Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die Maler-, Lackierer-, Tüncher-, Weißbinder-, Schildermaler-, Fahrzeug- und Metalllackierer-, Gerüstbau-, Entrostungs- und Eisenanstrich-, Wärmedämmverbundsystem-, Betonschutz- und Oberflächensanierungs-, Asbestbeschichtungsarbeiten ausführen. …
…
(4) Nicht erfasst werden Betriebe des Baugewerbes. Dies gilt nicht für Betriebe bzw. selbstständige Betriebsabteilungen, die Arbeiten im Sinne der Absätze 5 bis 7 ausführen und unter den dort genannten Voraussetzungen von diesem Tarifvertrag erfasst werden.
…
(7) Putz-, Stuck- und dazugehörige Hilfsarbeiten ausführende Betriebe bzw. selbstständige Betriebsabteilungen, die ihren Sitz in den Handwerkskammerbezirken Wiesbaden, Rhein-Main, Mainz, Erfurt, Suhl, Gera, Coburg, Oberfranken, Mittelfranken und Unterfranken haben, werden dann von diesem Tarifvertrag erfasst, wenn
a) die Putz-, Stuck- und dazugehörigen Hilfsarbeiten arbeitszeitlich nicht überwiegend ausgeführt werden, und
b) ohne Berücksichtigung der Putz-, Stuck- und dazugehörigen Hilfsarbeiten von den verbleibenden Tätigkeiten der arbeitszeitliche Anteil der Tätigkeiten, die zum Geltungsbereich dieses Tarifvertrages rechnen, den Anteil der Tätigkeiten, die zum Baugewerbe rechnen, überwiegen.
…”
Die Beklagte hat ihren Sitz im Bezirk der Handwerkskammer Rhein-Main. Sie hat sich auf die Renovierung und Sanierung alten Hausbestandes spezialisiert, bezeichnet sich als Gesellschaft für Fachwerksanierung und Anstrich und führt Maler- und Lackierer-, Gerüstbau-, Putz-, Maurer-, Fliesenleger- und Schreinerarbeiten aus. Darüber hinaus betreibt die Beklagte Handel.
Die UK-Maler hat die Ansicht vertreten, der Betrieb der Beklagten sei im Jahr 2003 vom betrieblichen Geltungsbereich des RTV und damit auch des VTV-Maler erfasst worden. Die Beklagte habe in diesem Jahr nach ihrem eigenen Vorbringen einen Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks geführt. Sie habe in der ersten Instanz angegeben, im Kalenderjahr 2003 seien 38 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit auf Maler- und Lackiererarbeiten entfallen, 7 % auf Gerüstbauarbeiten, 8 % auf Putzarbeiten, 24 % auf Maurerarbeiten, 10 % auf Fliesenlegerarbeiten, 1 % auf Schreinerarbeiten und 12 % auf Tätigkeiten im Geschäftsbereich Handel. An diesen Vortrag sei die Beklagte gebunden. Gerüstbau- und Putzarbeiten gehörten jedenfalls auch zum Berufsbild des Maler- und Lackiererhandwerks und seien damit “Malerarbeiten” iSd. Tarifverträge für dieses Handwerk. Die Beklagte habe somit zu mindestens 53 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit und damit arbeitszeitlich überwiegend dem Maler- und Lackiererhandwerk zugehörige Leistungen erbracht. Aus der von der Bauberufsgenossenschaft Frankfurt am Main für das Jahr 2003 mitgeteilten Bruttolohnsumme von 16.313,00 Euro und dem tariflichen Beitragssatz errechne sich für den Klagezeitraum eine Beitragsforderung von 2.936,34 Euro.
Die UK-Maler hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.936,34 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, sie habe im Kalenderjahr 2003 keinen Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks unterhalten. Ihre Arbeitnehmer hätten nicht arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten dieses Handwerks ausgeführt. Putz- und Gerüstbauarbeiten gehörten nicht zu den Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks. Bei ihren erstinstanzlich gemachten Zahlenangaben habe es sich um Näherungswerte gehandelt. Bei der Berechnung der Zeitanteile der einzelnen Tätigkeiten sei zu Unrecht auch die Arbeitszeit ihres Geschäftsführers berücksichtigt worden. Die Überprüfung der Rechnungen und die entsprechende prozentuale Aufteilung der Umsätze hätten folgendes Bild ergeben:
“Maler- und Lackiererarbeiten: |
31,71 % |
Fliesen: |
8,46 % |
Bodenbelagsarbeiten: |
14,39 % |
Maurer: |
16,44 % |
Schreinerarbeiten: |
0,20 % |
Gerüstbau: |
4,72 % |
Putz: |
6,82 % |
Handel: |
14,76 % |
Nachunternehmer: |
2,51 %”. |
Bei diesen Zahlenangaben handele es sich um Umsatzzahlen. Es sei Sache der UK-Maler vorzutragen und zu beweisen, welche auf die betriebliche Gesamtarbeitszeit bezogenen Zeitanteile auf die einzelnen Tätigkeiten entfallen seien. Sie sei dazu weder finanziell noch zeitlich in der Lage. Aus den Umsatzzahlen könne nicht abgeleitet werden, dass im Jahr 2003 überwiegend Maler- und Lackiererarbeiten ausgeführt worden seien, selbst dann nicht, wenn die Putzarbeiten zu diesen gezählt würden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die UK-Maler die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision der UK-Maler zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der UK-Maler ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Arbeitnehmer der Beklagten entsprechend der Behauptung der UK-Maler im Jahr 2003 arbeitszeitlich überwiegend Maler- und Lackiererarbeiten sowie Gerüstbau- und Putzarbeiten ausgeführt haben. Es bedarf deshalb einer weiteren Sachverhaltsaufklärung.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, für den Beitragsanspruch fehle eine Rechtsgrundlage. § 5 Nr. 1 VTV-Maler finde keine Anwendung. Der Betrieb der Beklagten sei im Jahr 2003 nicht dem betrieblichen Geltungsbereich des RTV und damit auch nicht dem des VTV-Maler unterfallen. Ob ein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des RTV erfasst werde, richte sich danach, ob die überwiegende Arbeitszeit der beschäftigten Arbeitnehmer auf Tätigkeiten entfalle, die allein oder in ihrer Summierung zu den in diesem Tarifvertrag genannten zählten. Zu diesen Tätigkeiten gehörten nur die nach dem Vortrag der UK-Maler im Kalenderjahr 2003 von den Arbeitnehmern der Beklagten zu 38 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgeführten Maler- und Lackiererarbeiten sowie die zu 7 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit verrichteten Gerüstbauarbeiten. Diese Arbeiten machten zusammen nur 45 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit aus.
Putzarbeiten würden zwar nach Herkommen und Üblichkeit auch vom Maler- und Lackiererhandwerk durchgeführt. Aus § 1 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 RTV lasse sich jedoch nicht ableiten, dass Putzarbeiten zu den Tätigkeiten dieses Handwerks zählten. Diese Arbeiten seien in der abschließenden Aufzählung in dieser Tarifvorschrift nicht genannt und fielen weder nach dem allgemeinen Sprachgebrauch noch nach der Fachsprache des Arbeits- und Wirtschaftslebens unter den Begriff der Malerarbeiten. Gegen die Annahme, dass Putzarbeiten zu den Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks gehörten, spreche auch, dass Betriebe, die arbeitszeitlich überwiegend Putzarbeiten durchführten, Betriebe des Baugewerbes seien und damit nach dem ausdrücklichen Willen der Tarifvertragsparteien des Maler- und Lackiererhandwerks gem. § 1 Nr. 2 Abs. 4 Satz 1 RTV nicht dem betrieblichen Geltungsbereich des RTV unterfielen. Putzarbeiten seien als Tätigkeitsbeispiel in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 34 des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 ausdrücklich genannt. Damit führte die Annahme, dass zu den in § 1 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 RTV genannten Malerarbeiten auch Putzarbeiten zu rechnen seien, zu einem paradoxen Ergebnis. Denn für Betriebe, die arbeitszeitlich überwiegend derartige Tätigkeiten ausführten, liefe die Geltungsbereichsnorm des § 1 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 RTV regelmäßig leer. Derartige Betriebe wären nach § 1 Nr. 2 Abs. 4 Satz 1 RTV stets als Betriebe des Baugewerbes vom Geltungsbereich des RTV ausdrücklich ausgenommen. Etwas derartiges, letztlich Widersinniges, zu regeln, könne den Tarifvertragsparteien des Maler- und Lackiererhandwerks nicht unterstellt werden. Die ausdrückliche Erwähnung von Putzarbeiten in § 1 Nr. 2 Abs. 7 RTV widerspreche dem nicht. Vielmehr bestätige diese Vorschrift das Auslegungsergebnis. Sie schränke die Regelung in § 1 Nr. 2 Abs. 4 Satz 1 RTV ein, wonach Betriebe des Baugewerbes nicht erfasst werden. Gem. § 1 Nr. 2 Abs. 4 Satz 2 RTV gelte die Ausnahmeregelung für Betriebe des Baugewerbes nicht für Betriebe, die Arbeiten iSd. Abs. 5 bis 7 ausführten und unter den dort genannten Voraussetzungen vom Geltungsbereich des RTV erfasst würden. Das könne nichts anderes bedeuten, als dass für die in § 1 Nr. 2 Abs. 7 RTV genannten Betriebe, auch wenn sie unter den Geltungsbereich der Bautarifverträge fielen, gleichwohl der RTV gelten solle, wenn die Voraussetzungen dieser Tarifvorschrift erfüllt seien. Diese Bestimmung beziehe sich ihrem Wortlaut nach nicht auf Betriebe mit Sitz in den aufgeführten Handwerkskammerbezirken, die arbeitszeitlich überwiegend Putzarbeiten durchführten. Vielmehr sollten bei Betrieben in den genannten Handwerkskammerbezirken Putzarbeiten, soweit sie nicht arbeitszeitlich überwiegend durchgeführt würden, bei der Beurteilung unberücksichtigt bleiben, ob ein Betrieb iSv. § 1 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 RTV oder ein solcher des Baugewerbes iSv. § 1 Nr. 2 Abs. 4 Satz 1 RTV vorliegt. Daraus müsse gefolgert werden, dass die Tarifvertragsparteien des Maler- und Lackiererhandwerks Putzarbeiten nicht zu den Tätigkeiten iSv. § 1 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 RTV rechnen. Denn Putzarbeiten sollten nach ihrem Willen sogar dann bei der Abgrenzung zu Betrieben des Baugewerbes vollständig unberücksichtigt bleiben, wenn sie arbeitszeitlich nicht überwiegend ausgeführt würden.
II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern und halten den Angriffen der Revision nicht stand. Sofern die Arbeitnehmer der Beklagten im Kalenderjahr 2003 Maler- und Lackiererarbeiten sowie Gerüstbau- und Putzarbeiten mit den von der UK-Maler behaupteten Zeitanteilen ausgeführt haben, ist der Betrieb der Beklagten in diesem Jahr als Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks vom betrieblichen Geltungsbereich des RTV und damit auch des VTV-Maler erfasst worden mit der Folge, dass der UK-Maler die beanspruchten Beiträge gem. § 5 Nr. 1 VTV-Maler zustehen.
1. Hinsichtlich seines betrieblichen Geltungsbereichs verweist § 1 Nr. 2 VTV-Maler auf den betrieblichen Geltungsbereich des RTV in der jeweils geltenden Fassung. Dem betrieblichen Geltungsbereich des RTV unterfallen nach § 1 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 RTV alle Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass es für die Frage, ob die Beklagte im Jahr 2003 einen solchen Betrieb unterhalten hat, darauf ankommt, ob ihre Arbeitnehmer in diesem Jahr arbeitszeitlich überwiegend vom betrieblichen Geltungsbereich des RTV erfasste Tätigkeiten verrichtet haben und nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst, aber auch nicht auf handels- und gewerberechtliche Kriterien abzustellen ist (st. Rspr., vgl. BAG 13. November 1991 – 4 AZR 78/91 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Maler Nr. 6 = EzA TVG § 4 Malerhandwerk Nr. 2 und zum betrieblichen Geltungsbereich des VTV: BAG 23. August 1995 – 10 AZR 105/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 193 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 79; 14. Januar 2004 – 10 AZR 182/03 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 263; 27. Oktober 2004 – 10 AZR 119/04 –; 8. März 2006 – 10 AZR 392/05 –; 18. Oktober 2006 – 10 AZR 576/05 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 287 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 128; 15. November 2006 – 10 AZR 637/05 – und – 10 AZR 698/05 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 289 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 132; 20. Juni 2007 – 10 AZR 302/06 –).
2. In § 1 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 RTV haben die Tarifvertragsparteien Tätigkeiten bezeichnet, die sie dem Maler- und Lackiererhandwerk zurechnen. Sie haben in dieser Tarifvorschrift bestimmt, dass Betriebe dieses Handwerks solche sind, die Maler-, Lackierer-, Tüncher-, Weißbinder-, Schildermaler-, Fahrzeug- und Metalllackierer-, Gerüstbau-, Entrostungs- und Eisenanstrich-, Wärmedämmverbundsystem-, Betonschutz- und Oberflächensanierungs-, Asbestbeschichtungsarbeiten ausführen. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass zu diesen Tätigkeiten die nach dem Vortrag der UK-Maler im Kalenderjahr 2003 von den Arbeitnehmern der Beklagten zu 38 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgeführten Maler- und Lackiererarbeiten sowie die zu 7 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit verrichteten Gerüstbauarbeiten gehören. Diese Arbeiten machten nach dem Vorbringen der UK-Maler zwar zusammen nur 45 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit aus. Jedoch zählen entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch die von den Arbeitnehmern der Beklagten nach der Behauptung der UK-Maler zu 8 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit verrichteten Putzarbeiten zu den Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks. Mit einem Zeitanteil von insgesamt 53 % haben die Arbeitnehmer der Beklagten damit nach dem Vorbringen der UK-Maler arbeitszeitlich überwiegend dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzurechnende Tätigkeiten ausgeführt.
a) Allerdings trifft es zu, dass die Tarifvertragsparteien Putzarbeiten in § 1 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 RTV nicht genannt haben. Dies steht der Annahme, dass Putzarbeiten jedenfalls auch Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks sind, jedoch nicht entgegen.
aa) Wenn die Tarifvertragsparteien in § 1 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 RTV nicht sämtliche zum Berufsbild des Maler- und Lackiererhandwerks gehörenden Tätigkeiten aufgezählt haben, ist daraus nicht abzuleiten, dass nach ihrem Willen nur die Betriebe dieses Handwerks dem betrieblichen Geltungsbereich des RTV unterfallen sollen, die die ausdrücklich genannten Tätigkeiten arbeitszeitlich überwiegend ausführen. Nach § 1 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 RTV werden alle Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks vom betrieblichen Geltungsbereich des RTV erfasst. Mit dem Wort “alle” haben die Tarifvertragsparteien hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht nur einen Teil der Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks in den betrieblichen Geltungsbereich des RTV einbeziehen wollten. Dies schließt die Annahme des Landesarbeitsgerichts aus, die Tarifvertragsparteien des RTV hätten in § 1 Nr. 2 Abs. 1 RTV nicht allgemein auf Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks und die von diesen üblicherweise ausgeführten Arbeiten abgestellt, sondern selbstbindend festgelegt, welche Betriebe dieses Handwerks dem betrieblichen Geltungsbereich des RTV unterfallen sollen.
bb) Gegen das Auslegungsergebnis des Landesarbeitsgerichts spricht auch die Regelung in § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV, wonach Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV nicht erfasst werden, soweit nicht Arbeiten der in Abschn. IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden. Diese Regelung zeigt, dass die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes bemüht sind, Tarifkonkurrenzen zwischen den Bautarifverträgen und den Tarifverträgen für das Maler- und Lackiererhandwerk zu vermeiden (vgl. BAG 22. Januar 1997 – 10 AZR 223/96 – BAGE 85, 81, 91). § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV nimmt allgemein Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks aus, wenn der Rückausnahmetatbestand nicht erfüllt ist, und nicht nur solche, die arbeitszeitlich überwiegend die in § 1 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 RTV ausdrücklich genannten Tätigkeiten ausführen. Daraus wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, dass alle und nicht nur bestimmte Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks vom betrieblichen Geltungsbereich des RTV und damit auch des VTV-Maler erfasst werden.
b) Putzarbeiten stellen zwar gem. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 34 VTV bauliche Leistungen dar. Dies spricht jedoch entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts noch nicht dagegen, diese Arbeiten auch zu den Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks zu rechnen. In diesem Handwerk, einem Baunebengewerbe, werden in erheblichem Umfang Tätigkeiten verrichtet, die sowohl als Bautätigkeiten iSd. Bautarifverträge als auch als Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks einzuordnen sind (BAG 22. Januar 1997 – 10 AZR 223/96 – BAGE 85, 81, 91). Putzarbeiten werden auch nicht nahezu ausschließlich von Betrieben des Baugewerbes ausgeführt. Aus den Regelungen in § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV und in § 1 Nr. 2 Abs. 7 RTV wird deutlich, dass den Tarifvertragsparteien dieser Tarifverträge bewusst war, dass es Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks gibt, die Putzarbeiten ausführen. Nach der Rechtsprechung des Senats sind Putzarbeiten Tätigkeiten, die auch zum Berufsbild des Maler- und Lackiererhandwerks gehören (19. Juli 2000 – 10 AZR 918/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 232 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 98). Bereits in seiner Entscheidung vom 5. April 1995 (– 10 AZR 542/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Maler Nr. 8 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 78) hatte der Senat angenommen, dass mit 25 % Maler- und Tapezierarbeiten und 40 % Putzarbeiten überwiegend Tätigkeiten des Malerhandwerks erbracht werden.
c) Allerdings ist der Rückausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV erfüllt mit der Folge, dass ein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst wird, wenn seine Arbeitnehmer die in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 34 VTV als Tätigkeitsbeispiel genannten Putzarbeiten arbeitszeitlich überwiegend ausführen (BAG 5. April 1995 – 10 AZR 542/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Maler Nr. 8 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 78). Davon geht auch die Regelung in § 1 Nr. 2 Abs. 4 Satz 1 RTV aus, die Betriebe des Baugewerbes vom betrieblichen Geltungsbereich des RTV ausnimmt. Nach dem Vorbringen der UK-Maler haben die Arbeitnehmer der Beklagten im Jahr 2003 Putzarbeiten jedoch nicht arbeitszeitlich überwiegend, sondern nur zu 8 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit erbracht. Der Betrieb der Beklagten ist deshalb nicht nach § 1 Nr. 2 Abs. 4 Satz 1 RTV als Betrieb des Baugewerbes vom betrieblichen Geltungsbereich des RTV ausgenommen.
3. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts belegt die Regelung in § 1 Nr. 2 Abs. 7 RTV nicht den Befund, dass Putzarbeiten nicht auch zu den Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks gehören. Wenn Fertigkeiten in der Herstellung von Putzen und die Vorbereitung von Untergründen durch Aufbringen von Putzen zum Berufbild des Maler- und Lackierergewerbes gehören (§ 1 Abs. 2 Nr. 26 der im Klagezeitzeitraum gültigen Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Maler- und Lackiererhandwerk vom 15. August 1973, BGBl. I S. 1040 und II Nr. 7 Buchst. d der Anlage 1 zu § 7 der Verordnung über die Berufsausbildung im Maler- und Lackierergewerbe vom 3. Juli 2003, BGBl. I S. 1064), dann gilt dies erst recht für solche Betriebe in den in § 1 Nr. 2 Abs. 7 RTV aufgeführten Handwerkskammerbezirken, zu denen der Betrieb der Beklagten gehört, weil er seinen Sitz im Bezirk der in der Tarifvorschrift genannten Handwerkskammer Rhein-Main hat. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurden in den in der Tarifvorschrift genannten Handwerkskammerbezirken schon immer von denselben Betrieben sowohl Maler- als auch Putzarbeiten durchgeführt. Die Regelung in § 1 Nr. 2 Abs. 7 RTV ist gem. § 1 Nr. 2 Abs. 4 Satz 2 RTV eine Ausnahmebestimmung zu § 1 Nr. 2 Abs. 4 Satz 1 RTV, wonach Betriebe des Baugewerbes nicht erfasst werden. Sie dient der Abgrenzung zwischen Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks und Betrieben des Baugewerbes und will ebenso wie § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV Tarifkonkurrenzen vermeiden. Wenn die Tarifvertragsparteien des RTV bei dieser Abgrenzung festgelegt haben, dass arbeitszeitlich nicht überwiegend ausgeführte Putz-, Stuck- und dazugehörige Hilfsarbeiten nicht zu berücksichtigen sind, zwingt dies nicht dazu, die auch dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzurechnenden Putzarbeiten auch bei der Beurteilung außer Acht zu lassen, ob die Arbeitnehmer eines Betriebes arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten dieses Handwerks ausführen. Bliebe die Ausführung von Putzarbeiten nicht nur unter den Voraussetzungen des § 1 Nr. 2 Abs. 7 RTV unberücksichtigt, sondern auch bei der Frage, ob die Arbeitnehmer eines Betriebes arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks verrichten, würde ein Betrieb, in dem jeweils zur Hälfte Maler- und Putzarbeiten ausgeführt werden, weder dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV noch dem des VTV-Maler unterfallen, weil arbeitszeitlich überwiegend weder Maler- noch Putzarbeiten ausgeführt würden. Ein solches Ergebnis haben die Tarifvertragsparteien des RTV mit der Rückausnahmeregelung in § 1 Nr. 2 Abs. 7 RTV nicht bezweckt.
4. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen der UK-Maler für nicht schlüssig gehalten und hat deshalb keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, mit welchen Zeitanteilen die Arbeitnehmer der Beklagten im Kalenderjahr 2003 Maler- und Lackierer-, Gerüstbau-, Putz-, Maurer-, Fliesenleger-, Schreiner- und Handelstätigkeiten verrichtet haben. Die Angaben der UK-Maler zu den von den Arbeitnehmern der Beklagten ausgeführten Tätigkeiten und den jeweiligen Zeitanteilen beruhen zwar auf dem erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten, den sich die UK-Maler zu eigen gemacht hat. Sie sind jedoch nicht unstreitig. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren ihr erstinstanzliches Vorbringen als nicht zutreffend bezeichnet und insbesondere geltend gemacht, sie habe bei der Berechnung der Zeitanteile der genannten Tätigkeiten zu Unrecht auch die Arbeitszeit ihres Geschäftsführers berücksichtigt. Angesichts der geringen Zahl von Arbeitnehmern, die die von der UK-Maler behauptete Bruttolohnsumme iHv. 16.313,00 Euro für das gesamte Jahr 2003 und die Beitragsforderung der UK-Maler für dieses Jahr iHv. 2.936,34 Euro nahe legen, erscheint es möglich, dass im Klagezeitraum im Betrieb der Beklagten nicht arbeitszeitlich überwiegend dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzurechnende Tätigkeiten ausgeführt wurden, wenn entsprechend der Behauptung der Beklagten die von ihrem Geschäftsführer ausgeführten Tätigkeiten nicht berücksichtigt werden. Allerdings hat die Beklagte, die sich über die von der UK-Maler behaupteten Tätigkeiten nicht gem. § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen erklären kann, im Berufungsverfahren keine neuen Angaben zu den von ihren Arbeitnehmern im Jahr 2003 ausgeführten Tätigkeiten und den Zeitanteilen gemacht. Sie hat nur Umsatzzahlen genannt, auf die es nicht ankommt. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb zu prüfen haben, ob die Beklagte entsprechend der Rechtsauffassung der UK-Maler an ihr erstinstanzliches Vorbringen zu den von ihren Arbeitnehmern im Jahr 2003 ausgeführten Tätigkeiten gebunden ist. Sollte dies der Fall sein, wird es der Klage stattzugeben haben. Andernfalls wird das Landesarbeitsgericht zu ermitteln haben, ob unter Berücksichtigung von Putzarbeiten die Arbeitnehmer der Beklagten im Jahr 2003 arbeitszeitlich überwiegend dem Maler- und Lackiererhandwerk zugehörige Tätigkeiten verrichtet haben.
Unterschriften
Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Schlegel, Alex
Fundstellen