Entscheidungsstichwort (Thema)
Bohrarbeiten zur Durchführung von Sprengungen in Steinbrüchen (Feldspatbohrungen) kein Baugewerbe; Steinbruch als Urproduktion
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff des Gewerbes im VTV nicht selbst definieren, sondern in seiner allgemeinen Bedeutung als Fachbegriff des öffentlichen Rechts, insbesondere des Gewerberechts verwenden.
2. Der Begriff des Gewerbes und seine Tatbestandselemente sind gesetzlich nicht definiert, aber nach höchstrichterlicher Rechtsprechung und in der Lehre ganz unumstritten.
3. Der Ausschluss der Urproduktion aus dem Begriff des Gewerbes ist im Grundsatz bereits in der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 enthalten; die GewO erfasste nicht Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei, Bergbau, Weinbau, Tierzucht usw. Der Grund hierfür war die Abhängigkeit von Naturgegebenheiten und -ereignissen, die dem Einfluss der in diesen Bereichen Arbeitenden weitgehend entzogen sind und von daher eine grundlegend abweichende Kombination der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital vorliegt, was es u.a. rechtfertigt, dass die landwirtschaftlichen Betriebe nicht der Gewerbesteuer unterliegen.
4. Die Urproduktion ist - allgemein - die Gewinnung von rohen Naturerzeugnissen. Dazu gehören auch Mineralien aller Art, z.B. Sand und Kies. Deshalb ist das gesamte Bergwesen vom gewerberechtlichen Gewerbebegriff ausgenommen (Leitsätze nicht amtlich).
Orientierungssatz
- Erfüllt die überwiegende Tätigkeit ein Beispiel der in § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannten Tätigkeiten, so rechtfertigt dies grundsätzlich den Schluss, dass der Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst wird. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Tätigkeit nicht als “Gewerbe” anzusehen ist.
- Bohrarbeiten in Steinbrüchen zur Durchführung von Sprengungen (Feldspatbohrungen) sind der Urproduktion zuzuordnen, die nicht vom Gewerbebegriff iS der tariflichen Bestimmungen erfasst wird. Dies gilt auch bei Bohrungen im Zusammenhang mit land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit.
Normenkette
VTV § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 6; GewStG § 2
Verfahrensgang
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, für den Zeitraum von April 1999 bis November 1999 Mindestbeiträge an die Sozialkassen des Baugewerbes zu zahlen.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Die Beklagte führte von April bis November 1999 Bohrarbeiten aus. Hierbei entfielen mindestens 30 % der persönlichen Arbeitszeit der bei der Beklagten beschäftigten ein bis zwei Arbeitnehmer auf Wärmesondenbohrungen und Brunnenbohrarbeiten, die nach übereinstimmender Auffassung der Parteien dem baugewerblichen Bereich zuzuordnen sind.
Die ZVK hat behauptet, der Anteil dieser Art von Bohrarbeiten habe bei der Beklagten tatsächlich nicht nur bei 30 %, sondern bei 85 % der Arbeitszeit gelegen. Sie hat für die Zeit von April 1999 bis November 1999 Mindestbeiträge geltend gemacht.
Die ZVK hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.470,00 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, über die unstreitigen 30 % Bohrarbeiten im Bereich baugewerblicher Tätigkeit hinaus sei sie mit Feldspatbohrungen, Bohrungen für wissenschaftliche Prüfzwecke und Bodenbohrungen zur Feststellung verseuchter Böden beschäftigt gewesen. Die Feldspatbohrungen seien der Urproduktion zuzurechnen und daher nicht dem Baugewerbe. Die wissenschaftlichen Bohrungen hätten die Eignung von Bodenqualitäten für die Herstellung und Gewinnung von Baustoffen und Baumaterialien wie Betonrohstoffe usw. zum Ziel gehabt und seien im Auftrag von Baustoff- und Baumaschinenherstellern, zB Diamantwerkzeugherstellern, vorgenommen worden. Die Überprüfung der Kontaminierung von Böden sei teilweise zu dem Zweck von Feststellungen erfolgt, inwieweit das kontaminierte Erdreich in Forst- und ländlichen Gebieten gegen unbelastetes ausgetauscht werden müsse.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zusammengefasst angenommen, es komme nicht darauf an, ob die Beklagte lediglich zu 30 % oder zu 85 % Wärmesondenbohrungen und Brunnenbohrarbeiten vornehme. Denn auch die von der Beklagten eingeräumten, im Einzelnen nicht näher quantifizierten Feldspatbohrungen, wissenschaftlichen Prüfbohrungen für die Baumaterial-, Baustoff- und Baumaschinenherstellungsindustrie und die Prüfbohrungen zur Feststellung von Kontaminierungen auf land- und forstwirtschaftlichen Flächen seien baugewerbliche Tätigkeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 VTV. Es reiche aus, wenn der Betrieb überwiegend Arbeiten durchführe, die eines der Beispiele des Katalogs in § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV erfüllten, um eine baugewerbliche Tätigkeit anzunehmen. Auf den Zweck dieser Tätigkeit komme es dann nicht mehr an. Es sei allein darauf abzustellen, dass in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Bohrungen zur Entnahme von Bodenproben ausgeführt wurden. Der VTV enthalte ansonsten weder eine Einschränkung noch eine Ausnahmevorschrift.
II. Mit dieser Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden. Ob die ZVK einen Anspruch auf die begehrten Beiträge aus § 48 Abs. 1 und 2 iVm. § 50 VTV hat, bedarf weiterer Aufklärung. Das Landesarbeitsgericht durfte nicht dahinstehen lassen, ob und ggf. in welchem Umfang die Beklagte tatsächlich Feldspatbohrungen durchführt, da diese Arbeiten nicht als baugewerbliche Tätigkeiten iSd. § 1 Abs. 2 VTV anzusehen sind.
1. Für den Anspruchszeitraum ist der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 mit den Änderungen bis zum 26. Mai 1999 heranzuziehen, in dem die Tarifvertragsparteien die Bestimmungen über den betrieblichen Geltungsbereich in § 1 Abs. 2 wie folgt normiert haben:
“Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.
Abschnitt I
Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.
Abschnitt II
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
Abschnitt III
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I oder II erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen.
Abschnitt IV
Betriebe, in denen die nachstehend aufgeführten Arbeiten ausgeführt werden:
…
Abschnitt V
Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
…
6. Bohrarbeiten;
…
Abschnitt VI
Betriebe, soweit in ihnen die unter den Abschnitten I bis IV genannten Leistungen überwiegend erbracht werden, fallen grundsätzlich als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. …”
2. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, nach dem es für den betrieblichen Geltungsbereich des VTV im Allgemeinen ausreicht, wenn eine Beispielstätigkeit aus dem Katalog des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV überwiegend ausgeübt wird und es sodann auf eine weitere Darlegung des Zusammenhangs mit Bauarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. I bis III VTV nicht mehr ankommt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (18. Januar 1984 – 4 AZR 41/83 – BAGE 45, 11; 14. Juni 1989 – 4 AZR 200/89 – AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4; 13. März 1991 – 4 AZR 436/90 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 139; 22. September 1993 – 10 AZR 535/91 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 168). Nach der Neufassung des betrieblichen Geltungsbereichs in dem Tarifwerk der Bauwirtschaft im Jahre 1980 ist die bis dahin erforderliche zweistufige Prüfung dadurch abgelöst worden, dass die Tarifvertragsparteien nunmehr nicht von einem außertariflichen Begriff des Baubetriebs ausgegangen sind, sondern diesen im Tarifwerk selbst definiert und erschöpfend bestimmt haben, welche Betriebe unter den fachlichen Geltungsbereich fallen sollen. Damit konnte der Abschnitt V unmittelbar herangezogen werden, ohne dass es noch einer Prüfung bedurfte, ob der betreffende Betrieb zugleich auch unter die allgemeinen Merkmale von Abschnitt I (Erstellung von Bauten), Abschnitt II (Erbringung baulicher Leistungen zu bestimmten Tätigkeiten an Bauwerken) und Abschnitt III (Erbringung baulicher Leistungen anderer Art) fiel, in denen die allgemeinen Kriterien für Betriebe, die unter den BRTV-Bau bzw. VTV fallen sollten, bestimmt wurden (BAG 18. Januar 1984 – 4 AZR 41/83 – BAGE 45, 11, 17).
Dies gilt auch für “Bohrarbeiten” im Sinne des VTV. In der früheren Fassung des VTV waren “Spezialbetriebe für Bohrarbeiten” nicht vom VTV erfasst, wenn sie sich “weder mit der Erstellung von Bauten noch mit der Erbringung sonstiger baulicher Leistungen” befassten (§ 1 Abs. 2 Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 1. April 1971 iVm. § 1 VTV in der Fassung vom 20. Oktober 1971). Deshalb hat das Bundesarbeitsgericht am 8. Mai 1974 entschieden, dass ein Spezialbohrunternehmen für Straßen- und Bahndammdurchpressungen nicht dem VTV unterfällt (– 4 AZR 338/73 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 19). Nach der Änderung des Tarifvertrages, insbesondere der Neuordnung des betrieblichen Geltungsbereichs im Jahre 1980 dagegen war diese konkrete Verbindung mit der Erbringung baulicher Leistungen nicht mehr Tatbestandsvoraussetzung (BAG 8. Februar 1995 – 10 AZR 363/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 188).
3. Die Zuordnung der betrieblichen Tätigkeit zu einem Beispiel in § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV rechtfertigt jedoch nicht in allen Fällen den Schluss, dass der Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst wird. Die Zuordnung der betrieblichen Tätigkeit zu einem Beispielsfall aus dem Katalog des Abschnitt V ersetzt nämlich nur die Klassifizierung der Arbeiten als “bauliche Leistungen” im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt I bis III VTV. Die Ausführung baulicher Leistungen ist aber nur ein Merkmal für die Anwendbarkeit des VTV. Daneben sind noch weitere Voraussetzungen erforderlich, die die Vornahme von Feldspatbohrungen jedenfalls nicht erfüllen.
a) Zur Anwendbarkeit des VTV gehört (neben der allgemein erforderlichen Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien – vgl. dazu BAG 22. September 1993 – 10 AZR 535/91 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 168 = EzA ArbGG 1979 § 97 Nr. 1 – und der Notwendigkeit der Existenz eines Betriebes – vgl. dazu BAG 7. April 1993 – 10 AZR 506/91 –) nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 Abschn. I bis III VTV auch, dass die entsprechende Arbeit “gewerblich” geleistet wird. Systematisch wird dies bereits dadurch deutlich, dass der Begriff “Betriebe des Baugewerbes” in § 1 Abs. 2 VTV den Abschnitten I bis V vorangestellt ist. Die Gewerbsmäßigkeit der Tätigkeit ist damit ein allgemeines Tatbestandsmerkmal des betrieblichen Geltungsbereichs, das unabhängig von den Detailregelungen in den Abschnitten I bis V vorliegen muss (BAG 20. April 1988 – 4 AZR 646/87 – BAGE 58, 116, 128 f.; 7. April 1993 – 10 AZR 506/91 –; 12. August 1998 – 10 AZR 600/97 –; 3. Dezember 2003 – 10 AZR 107/03 –; 28. Juli 2004 – 10 AZR 580/03 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 268, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Auch das vom Landesarbeitsgericht zitierte Senatsurteil vom 8. Februar 1995 (– 10 AZR 363/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 188) bezieht die Bohrarbeiten nur insoweit ein, als sie “herkömmlicherweise im Baugewerbe” mittels Bohrgeräten durchgeführt werden. Aufschlussbohrungen zum Zwecke der Entnahme von Bodenproben zur Untersuchung des Baugrundes durch einen geologischen Sachverständigen seien damit “Teiltätigkeiten baugewerblicher Berufe” (8. Februar 1995 – 10 AZR 363/94 – aaO, zu I 1a der Gründe).
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff des Gewerbes im VTV nicht selbst definieren, sondern in seiner allgemeinen Bedeutung als Fachbegriff des öffentlichen Rechts, insbesondere des Gewerberechts verwenden (24. August 1994 – 10 AZR 980/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 181; 11. März 1998 – 10 AZR 220/97 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 204 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 88; 20. April 1988 – 4 AZR 646/87 – BAGE 58, 116).
Der Begriff des Gewerbes und seine Tatbestandselemente sind gesetzlich nicht definiert, aber nach höchstrichterlicher Rechtsprechung und in der Lehre ganz unumstritten. Danach umfasst der Gewerbebegriff, den auch die Bautarifvertragsparteien in Bezug genommen haben, alle erlaubten selbständigen Tätigkeiten, die auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtet sind und fortgesetzt ausgeübt werden, unter Ausschluss der Urproduktion (teilweise mit Nennung der Beispiele Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei) und der freien Berufe sowie (teilweise ausdrücklich erwähnt) des öffentlichen Dienstes (BAG 20. April 1988 – 4 AZR 646/87 – BAGE 58, 116, 125; 11. März 1998 – 10 AZR 220/97 – AP TVG § 1 Tarifveträge: Bau Nr. 204 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 88; aus der jüngeren Verwaltungsrechtsprechung BVerwG 6. November 2002 – 6 C 16/02 – GewArch 2003, 122, 123; 16. Februar 1995 – I B 205/93 – DÖV 1995, 644; Niedersächsisches OVG 8. April 2002 – 7 LA 39/02 – GewArch 2002, 293; aus der gewerberechtlichen Literatur Tettinger/Wank GewO 7. Aufl. § 1 Rn. 2; Landmann/Rohmer/Kahl GewO Stand Oktober 2004 Einl. Rn. 32; Friauf GewO Stand Juli 2005 § 1 Rn. 17; Robinski/Sprenger-Richter Gewerberecht 2. Aufl. S. 19; Stober Lexikon des Rechts: Gewerberecht S. 222). Dementsprechend unterfallen – auch bei Erfüllung einer Beispielstätigkeit des § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV – Bautätigkeiten nicht dem Bautarifwerk, wenn sie nicht der Gewinnerzielung dienen (BAG 11. März 1998 – 10 AZR 220/97 – aaO; vgl. auch 12. August 1998 – 10 AZR 600/97 –).
c) Der Ausschluss der Urproduktion aus dem Begriff des Gewerbes ist im Grundsatz bereits in der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 enthalten; die GewO erfasste in diesem Bereich nur solche Betriebe, die durch die Bearbeitung von Rohstoffen wertvollere Güter herstellten, nicht dagegen Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei, Bergbau, Weinbau, Tierzucht usw. (v. Ebner GewArch 1983, 1; Robinski/Sprenger-Richter Gewerberecht 2. Aufl. S. 34). Der Grund hierfür war die Abhängigkeit von Naturgegebenheiten und -ereignissen (Witterung, Jahreszeiten, Grund und Boden), die dem Einfluss der in diesen Bereichen Arbeitenden weitgehend entzogen sind (Stober Lexikon des Rechts: Gewerberecht S. 224) und von daher eine grundlegend abweichende Kombination der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital vorliegt, was es ua. rechtfertigt, dass die landwirtschaftlichen Betriebe nicht der Gewerbesteuer unterliegen (BVerfG 25. Oktober 1977 – 1 BvR 15/75 – BVerfGE 46, 224, 240; vgl. auch Friauf GewO Stand Juli 2005 § 1 Rn. 82).
d) Die Urproduktion ist – allgemein – die Gewinnung von rohen Naturerzeugnissen (Friauf GewO aaO Rn. 83). Dazu gehören auch Mineralien aller Art, zB Sand und Kies (Landmann/Rohmer/Schönleiter GewO Stand Oktober 2004 § 67 Rn. 17). Deshalb ist das gesamte Bergwesen vom gewerberechtlichen Gewerbebegriff ausgenommen (Friauf aaO Rn. 92a; Landmann/Rohmer/Marcks aaO § 6 Rn. 44), was in § 6 Abs. 1 Satz 2 GewO auch zum Ausdruck gebracht wird. Zum Bergbau und damit dem Anwendungsbereich des Bundesberggesetzes ist auch das Aufsuchen und Gewinnen und Aufbereiten von bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen (§ 2 Abs. 1 Ziff. 1 BBergG) zu zählen. Unter Aufsuchen im Sinne dieses Gesetzes ist nach der Legaldefinition in § 4 Abs. 1 BBergG die mittelbar oder unmittelbar auf die Entdeckung oder Feststellung der Ausdehnung von Bodenschätzen gerichtete Tätigkeit (mit bestimmten Ausnahmen) zu verstehen, unter Gewinnen nach § 4 Abs. 2 BBergG das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen einschließlich der damit zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten; ausgenommen ist das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen ua. in einem Grundstück aus Anlass oder im Zusammenhang mit dessen baulicher oder sonstiger städtebaulicher Nutzung.
Zu Urproduktion gehört damit auch der Betrieb eines Steinbruchs (Koch Die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes Rn. 98, im Ergebnis – “Bereich der Mineralgewinnung” – auch LAG Frankfurt am Main 27. Mai 1991 – 16 Sa 1244/90 –). Zu den in § 4 Abs. 2 BBergG genannten vorbereitenden Tätigkeiten gehören damit auch Feldspatbohrungen, wie sie von der Beklagten vorgenommen werden, sowohl als Bohren von Sprenglöchern in Steinbrüchen, in die dann der Sprengstoff eingelassen wird, mit dem die Steine aus dem Fels gesprengt werden und somit der weiteren Verarbeitung zugeführt werden, als auch bereits Probebohrungen, die dem Zweck dienen, die Verwendbarkeit der dann im Wege der Urproduktion herzustellenden Materialien festzustellen.
Die dem Bergbau danach zuzurechnenden Tätigkeiten können auch dann nicht als bauliche Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 2 VTV angesehen werden, wenn sie sich isoliert betrachtet begrifflich möglicherweise unter eine der in Abschnitt V genannten Arbeiten fassen lassen, da ansonsten die von den Tarifvertragsparteien gewollte und im Wortlaut des Tarifvertrages zum Ausdruck kommende Abgrenzung des eigenen (Bau-)Gewerbezweigs zu dem nicht gewerblichen Bereich des Bergbaus konterkariert würde (so zutreffend Hessisches LAG 23. August 2004 – 16/10 Sa 510/03 –).
4. Da die Einbeziehung von Arbeitszeiten für Feldspatbohrungen in die Berechnung der für baugewerbliche Tätigkeit aufgewendeten betrieblichen Gesamtarbeitszeit nicht den tariflichen Bestimmungen des VTV entspricht, ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, so dass der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen ist.
a) Der arbeitszeitliche Umfang der Feldspatbohrungen ist zwischen den Parteien streitig. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb entsprechende Feststellungen zu treffen haben.
b) Entsprechendes gilt, soweit die Beklagte vorträgt, sie nehme Bohrungen für die Land- und Forstwirtschaft vor, um evtl. vorhandene ökologische Altlasten und sonstige Kontaminierungen festzustellen. Es spricht einiges dafür, dass auch eine solche Tätigkeit nicht dem baugewerblichen Bereich zugeordnet werden kann, weil Zusammenhangstätigkeiten zur Land- und Forstwirtschaft gleichfalls der Urproduktion zuzurechnen sind und nicht als Gewerbe im Sinne der tariflichen Bestimmungen gelten.
III. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.
Unterschriften
Dr. Freitag, Brühler, Creutzfeldt, Thiel, Petri
Fundstellen
Haufe-Index 1442737 |
BFH/NV Beilage 2006, 105 |