Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewährungsaufstieg einer Lehrkraft
Normenkette
BAT 1975 §§ 22-23, 23a; Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen zum BAT/BL
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. Februar 2000 – 2 Sa 1211/99 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die vertragsgerechte Vergütung der Klägerin.
Die am 21. Dezember 1947 geborene Klägerin verfügt über das für eine Approbation als Apothekerin erforderliche pharmazeutische Staatsexamen und eine Zusatzausbildung zur Fachapothekerin für theoretische und praktische Ausbildung. Sie trat am 1. Oktober 1977 als „hauptberufliche Lehrerin” für die Fächer pharmazeutische Chemie, Arzneimittelspezialitätenkunde, Hygiene, pharmazeutische Technologie, Botanik, Drogenkunde und Gifte (Theorie und praktische Übungen) in die Dienste des Beklagten. Dieser ist Träger einer staatlich anerkannten Lehranstalt für Pharmazeutisch-Technische Assistenten in Köln. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 19. August 1977. Dessen für den Rechtsstreit vorrangig bedeutsame Bestimmungen lauten:
§ 5
Das Beschäftigungsverhältnis bestimmt sich in entsprechender Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.2.1961 und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Bestimmungen einschließlich der Nr. 2 – 6 der Sonderregelungen für Angestellte und Lehrkräfte (SR 2 l BAT), soweit nicht die Eigenart des öffentlichen Dienstes entgegensteht oder im folgenden eine Regelung getroffen ist.
§ 6
(1) Die Vergütung der Frau G. wird nach Maßgabe der tarifrechtlichen Bestimmungen errechnet, die für vergleichbare Angestellte im öffentlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen gelten.
(2) Frau G. wird in die Vergütungsgruppe II a des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) in seiner jeweils geltenden Fassung eingestuft. Die Grundvergütung wird nach den für vergleichbare Angestellte im öffentlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen geltenden Bestimmungen festgesetzt.
…
Die Klägerin erhält Vergütung nach VergGr. II a BAT. Unter dem 26. August 1996 beantragte sie beim Beklagten unter Hinweis auf § 23 a BAT vergeblich die Zahlung von Vergütung nach VergGr. I b BAT wegen Bewährungsaufstiegs.
Mit ihrer Klage erhebt die Klägerin Anspruch auf Vergütung nach dieser Vergütungsgruppe ab 1. Februar 1996. Für die Zeit bis August 1998 klagt sie auf Zahlung der Vergütungsdifferenz in rechnerisch unstreitiger Höhe von 25.081,83 DM brutto. Für die Zeit ab 1. September 1998 erstrebt sie die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten, ihr Vergütung nach VergGr. I b BAT zu zahlen.
Die Klägerin hat, soweit für die Revision noch von Interesse, die Ansicht vertreten, kraft des Arbeitsvertrages stehe ihr nach 15-jähriger Eingruppierung in die VergGr. II a BAT auf Grund Bewährungsaufstiegs Vergütung nach der VergGr. I b BAT zu.
Die Klägerin hat beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 25.081,83 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1997 (mittleres Zinsdatum) zu zahlen,
- festzustellen, daß der beklagte Verein verpflichtet ist, der Klägerin eine Bruttovergütung nach BAT I b ab 1. September 1998 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, § 23 a BAT sei nicht anwendbar, weil die Klägerin nicht nach der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert sei. Sie sei als Lehrkraft tätig, weshalb nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen die Anlage 1 a zum BAT nicht anwendbar sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage mit Recht abgewiesen.
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf die von ihr geforderte Vergütung nach der VergGr. I b BAT.
1. Da die Parteien nicht tarifgebunden sind, kommt ein tariflicher Anspruch (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) auf die von der Klägerin geforderte Vergütung nicht in Betracht.
2. Die Klägerin hat aber auch keinen vertraglichen Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. I b BAT.
a) Die Klägerin ist nicht kraft Bewährungsaufstiegs nach der Fallgr. 2 in der VergGr. I b der Anlage 1 a Teil I zum BAT eingruppiert.
aa) Dieses Eingruppierungsmerkmal lautet:
2. Angestellte, die nach mit dem Hinweiszeichen * gekennzeichneten Tätigkeitsmerkmalen in der Vergütungsgruppe II a eingruppiert sind, nach 11jähriger Bewährung in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe II a, wenn sie eine zweite Staatsprüfung abgelegt haben, im übrigen nach 15jähriger Bewährung in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe II a.
…
Hierbei handelt es sich um einen Fall des Bewährungsaufstiegs nach § 23 a BAT. Demgemäß ist zunächst erforderlich, daß die von dem Angestellten im Zeitpunkt des möglichen Aufstieges auszuübende Tätigkeit ein in der Vergütungsordnung mit dem Hinweiszeichen * gekennzeichnetes Tätigkeitsmerkmal erfüllt. Außerdem wird von den Tarifvertragsparteien verlangt, daß der Angestellte während der tariflichen Bewährungszeit eine Tätigkeit auszuüben hatte, deren tarifliche Mindestvergütung sich nach der VergGr. II a BAT bestimmte(Senat 18. September 1985 – 4 AZR 75/84 – BAGE 49, 360 mwN).
bb) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
(1) Die Parteien haben in § 5 des Arbeitsvertrages vom 19. August 1977 vereinbart, daß das Beschäftigungsverhältnis sich „bestimmt … in entsprechender Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.2.1961 und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Bestimmungen”. Damit ist auch Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden, die die Geltung der Anlage 1 a für Lehrkräfte wie die Klägerin ausschließt. Nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1 a gilt die Vergütungsordnung nicht für als Lehrkräfte beschäftigte Angestellte, soweit nicht ein besonderes Tätigkeitsmerkmal vereinbart ist.
Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, daß die Klägerin Lehrkraft in einem Schulbetrieb ist und damit die Voraussetzungen der Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen vorliegen. Dies wird von der Revision nicht angegriffen. In der Anlage 1 a ist auch kein besonderes Tätigkeitsmerkmal für Lehrkräfte mit der Tätigkeit der Klägerin vereinbart. Denn die Anlage 1 a enthält zwar in Teil II Abschnitt D – „Angestellte in medizinischen Hilfsberufen und medizinisch-technischen Berufen” – auch Tätigkeitsmerkmale für pharmazeutisch-technische Assistenten, die als Lehrkräfte an staatlich anerkannten Lehranstalten für pharmazeutisch-technische Assistenten eingesetzt sind (sog. Lehrassistenten), hingegen keine Tätigkeitsmerkmale für akademisch ausgebildete, entsprechend tätige Lehrkräfte an solchen Einrichtungen. Auch der Beklagte macht nicht geltend, ein Tätigkeitsmerkmal des Teils II Abschnitt D der Anlage 1 a zum BAT sei für die Eingruppierung der Klägerin einschlägig.
(2) Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält keine von Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen abweichende Regelung. Zwar ist es trotz des Ausschlusses der Lehrkräfte aus dem Geltungsbereich der Anlage 1 a zum BAT nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen kraft der Vertragsfreiheit unbedenklich rechtlich möglich, einzelvertraglich die Geltung der tariflich nicht geltenden Regelungen zu vereinbaren(Senat aaO mwN). Die Parteien haben jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin eine solche einzelvertragliche Anwendung der Anlage 1 a und damit die Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs nach § 23 a BAT nicht vereinbart. Dies haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt.
Das Landesarbeitsgericht vertritt die Auffassung, die Verweisung auf den BAT und die ihn ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Bestimmungen in Arbeitsverträgen angestellter Lehrer sei im allgemeinen dahin auszulegen, daß auch „die Vorbemerkung Nr. 5 zur Anlage 1 zum BAT in Bezug genommen” worden sei, „wonach die Anlage 1 auf Lehrkräfte keine Anwendung” finde (gemeint mit „Anlage 1” jeweils: Anlage 1 a). Es hat sich dabei auf die Entscheidung des Senats vom 21. Oktober 1992(– 4 AZR 28/92 – AP BAT § 23 a Nr. 26) bezogen. In dieser hat der Senat eine „pauschale” Verweisung auf den BAT und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge in Übereinstimmung mit früheren Entscheidungen dahin ausgelegt, sie solle nach dem erkennbaren Willen der Parteien nur den Sinn haben, daß der Arbeitsvertrag widerspiegeln solle, was sonst tarifrechtlich gelte. Damit hätten die Parteien für das Arbeitsverhältnis die Anwendung des BAT vereinbart, wie er nach den allgemeinen Grundsätzen des Tarifrechts auch für tarifgebundene, dem BAT unterfallende Angestellte gelte. Die Anlage 1 a sowie auch die Vorbemerkung Nr. 5 zu den Vergütungsgruppen seien Bestandteil des BAT. Nach dem umfassenden Bezugnahmewortlaut im Arbeitsvertrag ergebe sich damit auch die Anwendung der Vorbemerkung Nr. 5 auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien. Dies führe zum Ausschluß der Anlage 1 a zum BAT.
Die Klägerin wirft dem Landesarbeitsgericht vor, mit der Bezugnahme auf die vorbehandelte Entscheidung des Senats verletze das angefochtene Urteil „den zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag in Verbindung mit der Anlage 1 a BAT und § 23 a BAT”. Denn in dem jener Entscheidung zugrunde liegenden Fall sei lediglich „pauschal vereinbart” gewesen, „daß sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen richte”. Zur Vergütung des Klägers jenes Rechtsstreits habe der Arbeitsvertrag keine Regelung enthalten. Im vorliegenden Falle aber enthalte der Arbeitsvertrag der Parteien im Unterschied zu dem des vorbehandelten Falles nicht nur die Vereinbarung des BAT und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Bestimmungen, sondern außerdem ihre Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a BAT. Außerdem sei vereinbart, daß sich ihre Vergütung nach Maßgabe der tarifrechtlichen Bestimmungen für vergleichbare Angestellte im öffentlichen Dienst errechne. Da es sich bei den Eingruppierungserlassen für Lehrer nicht um tarifliche Bestimmungen handele, könne „der Inhalt des Arbeitsvertrages nur dahingehend ausgelegt werden, daß alle im Zusammenhang mit der Vergütungsgruppe II a iVm. den tarifrechtlichen Bestimmungen (§§ 22, 23, 23 a BAT) geltenden Regelungen und dementsprechend für die Klägerin geltend gemachten Anspruchsgrundlagen zum Tragen kommen”.
Diese Rüge ist unbegründet. Aus der Vereinbarung der Vergütung nach der VergGr. II a BAT neben der allgemeinen Verweisung auf den BAT und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Bestimmungen folgt nicht, daß damit die Anlage 1 a zum BAT in Bezug genommen sein muß. Auch für eine solche Vertragsgestaltung im Arbeitsvertrag einer Lehrkraft an einer Schule hat der Senat bereits durch Urteil vom 21. Oktober 1992(– 4 AZR 156/92 – AP BAT § 23 a Nr. 27) entschieden, daß mit ihr auch auf Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen verwiesen ist, worauf der Beklagte mit Recht hinweist. In jenem Fall war zwischen den Parteien neben der „pauschalen” Anwendung des BAT vereinbart worden, daß der Kläger „unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe II a weiterbeschäftigt” werde. Diesen Umstand hat der Senat nicht als Ausschluß der Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen bewertet. Daran hält der Senat nach erneuter Prüfung fest. Die Vereinbarung einer Vergütung nach einer Vergütungsgruppe des BAT im Arbeitsvertrag eines Lehrers an einer Schule enthält nicht zwingend die Abbedingung dieser Vorbemerkung, da auch Lehrer im öffentlichen Dienst nach den Vergütungsgruppen des BAT vergütet werden, die ihnen allerdings nicht von der Vergütungsordnung, sondern nach ministeriellen Eingruppierungserlassen zugeordnet werden. Die Berechnungsregelung in § 6 Abs. 1 des Arbeitsvertrages besagt nichts über die Rechtsgrundlage für die Eingruppierung, worauf das Landesarbeitsgericht mit Recht hingewiesen hat.
Für diese Auslegung der §§ 5 und 6 des Arbeitsvertrages spricht auch der übrige Vertragsinhalt. Aus diesem ergibt sich unmißverständlich, daß die Klägerin vertraglich so gestellt werden sollte wie Lehrer an öffentlichen Schulen. Denn in dem Arbeitsvertrag ist hinsichtlich verschiedener Regelungsgegenstände mehrfach auf die für „vergleichbare Angestellte im öffentlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen” oder für „hauptamtliche Lehrer an vergleichbaren öffentlichen Schulen” oä. geltenden Bestimmungen verwiesen worden (§ 2 Abs. 2, Abs. 3, § 3, §7 Abs. 1, § 8 des Arbeitsvertrages). Dieser immer wieder zum Ausdruck gebrachte Wille der Arbeitsvertragsparteien, die Klägerin vertraglich so zu stellen wie eine Lehrkraft an einer öffentlichen Schule in Nordrhein-Westfalen, spricht dafür, daß dies ihr vertraglicher Wille ebenfalls hinsichtlich der Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers, der Vergütung der Klägerin, war. Damit steht die Verweisung auch auf Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen im Einklang. Ein davon abweichender Vertragswille im Sinne des § 5 2. Halbsatz 2. Alt. des Arbeitsvertrages hätte unter diesen Umständen deutlich im Vertragstext zum Ausdruck kommen müssen. Dies ist nicht geschehen.
b) Auf ein Eingruppierungsmerkmal in den Eingruppierungserlassen für Lehrer stützt die Klägerin in der Revision ihren vertraglichen Anspruch nicht mehr.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Friedrich, Bott, Kiefer, N. Görgens
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.04.2001 durch Freitag, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
NZA 2002, 55 |
ZTR 2001, 465 |
AP, 0 |
PersR 2001, 353 |
NJOZ 2002, 138 |