Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdachtskündigung
Leitsatz (redaktionell)
Hinweise des Senats:
Bestätigung der ständigen Senatsrechtsprechung zur Verdachtskündigung (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26. März 1992 – 2 AZR 519/91 – AP Nr. 23 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung)
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 29.04.1993; Aktenzeichen 3 Sa 1673/91) |
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.08.1991; Aktenzeichen 9 Ca 76/91) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 29. April 1993 – 3 Sa 1673/91 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger ist Student. Er wurde von der Beklagten seit dem 15. April 1986 aushilfsweise auf Abruf auf dem Frankfurter Flughafen beim Be- und Entladen von Flugzeugen beschäftigt. Sein Monatsverdienst betrug ca. 500,00 DM.
Am 8. Februar 1991 hatte der Kläger zusammen mit seinem Kollegen A. den Auftrag, ein Flugzeug der Olympic Airways zu entladen. Zur Durchführung der Entladearbeiten wurde ein Hubwagen der Beklagten an das Flugzeug angedockt. In dem Flugzeug befand sich unter anderem ein sogenannter Bordverkaufstrolley, der Ware für den zollfreien Verkauf im Flugzeug enthielt. Diese Trolleys werden nach Abschluß des zollfreien Verkaufs von der Kabinencrew verschlossen und nach der Landung zusätzlich durch den zuständigen Zollbeamten mit einer Zollplombe versehen. Als der Kläger und sein Kollege zur vorgesehenen Zeit mit der Entladung des Flugzeugs noch nicht fertig waren, kam ihr Vorgesetzter, der Zeuge P. in das Flugzeug, um nach dem Stand der Arbeiten zu sehen. Er schöpfte Verdacht, der Kläger und sein Kollege hätten aus dem Bordverkaufstrolley Zollware entwendet. Die Beklagte verdächtigt den Kläger, er habe eine original verpackte Herrenuhr der Marke Dior aus dem Trolley mit der Zollware entwendet, eingesteckt und dann später in dem Hubwagen der Beklagten in einer Abfallbox zu verstecken versucht.
Die Beklagte stützt ihren Verdacht auf folgende Umstände: Eine Arbeiterin einer Reinigungsfirma, die gleichzeitig in dem Flugzeug Reinigungsarbeiten durchgeführt habe, die Zeugin M., habe beobachtet, wie der Kläger und sein Kollege vor dem offenen Trolley gesessen und in den darin befindlichen Zollartikeln gekramt hätten. Als der Vorgesetzte des Klägers in das Flugzeug gekommen sei, seien der Kläger und sein Kollege erschrocken und hätten sich an ihren Kleidern zu schaffen gemacht. Der Parka des Klägers sei dabei auf der linken Seite ausgebeult gewesen und der Zeuge habe eine Verpackung herausstehen sehen. Auf Befragen habe der Kläger erklärt, in dem Parka befänden sich nur Zeitungen, habe aber abgelehnt, seine Kleidung zu öffnen und diese Zeitungen zu zeigen. Der Zeuge sei immer mißtrauischer geworden und habe angeordnet, der Kläger und sein Kollege sollten in den hinteren Teil des Flugzeugs gehen und dort warten. Beide hätten diese Anordnung zunächst befolgt, dann sei aber der Kläger plötzlich wieder in den Hubwagen gegangen, während sein Kollege in den vorderen Passagierraum geeilt sei. Der Vorgesetzte sei dem Kläger nachgegangen und habe nunmehr in dem Hubwagen in einem Abfallbehälter obenauf die original verpackte Herrenuhr der Marke Dior gefunden. Der Parka des Klägers sei danach nicht mehr ausgebeult gewesen. Eine andere Mitarbeiterin des Reinigungsunternehmens habe in einem von ihr in den hinteren Sitzreihen des Flugzeugs abgelegten Plastikbeutel obenauf eine Armbanduhr, Marke Longines, ein Feuerzeug Marke Dunhill und eine Flasche Parfum Marke Benetton, jeweils in Originalverpackung, gefunden. Am nächsten Tag sei festgestellt worden, daß genau diese Gegenstände in dem Trolley, dessen Plomben äußerlich unversehrt gewesen seien, gefehlt hätten.
Mit Schreiben vom 11. Februar 1991 hörte die Beklagte den in ihrem Betrieb bestehenden Betriebsrat unter ausführlicher Darlegung des Sachverhalts zu einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung wegen des Verdachts der Entwendung von Zollartikeln an. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung mit der Begründung, eine Verdachtskündigung komme einer Vorverurteilung gleich, die Beklagte könne den auf den Verdienst angewiesenen Kläger auf einer anderen Arbeitsstelle einsetzen.
Mit Schreiben vom 18. Februar 1991 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. Juni 1991.
Der Kläger, der mit seiner Klage die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und seine Weiterbeschäftigung begehrt, bestreitet die Entwendung der Uhr und hält auch die von der Beklagten vorgebrachten Verdachtsmomente nicht für stichhaltig. Er hat behauptet, der Trolley hätte ohne Verletzung der Zollplombe nicht geöffnet werden können. Jedenfalls hätten weder er noch sein Arbeitskollege gewußt, wie man mit dem unstreitig später unter den Sitzen des Flugzeugs gefundenen verbogenen Messer einen derartigen Trolley ohne Hinterlassung von Spuren öffnen könne.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 18. Februar 1991 noch sonstwie aufgelöst ist
und
die Beklagte zu verpflichten, ihn zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen unverändert weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme nach den Klageanträgen erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat nach Erhebung zahlreicher weiterer Beweise die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Umstände des Falles begründeten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit einer fast an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit die Annahme, – so auch den dringenden Verdacht – daß der Kläger begonnen habe, die aus dem Trolley des Kunden der Beklagten stammende Uhr zu entwenden. Nach den Zeugenaussagen bleibe vernünftigerweise nur die Feststellung, daß die Uhr, die in dem tags darauf geöffneten Trolley gefehlt habe, vom Kläger in dem Abfallbehälter abgelegt worden sei, wo sie der Zeuge P. gefunden habe. Die Beweisaufnahme habe bis fast an die Grenze der vollen Überzeugung von der Täterschaft des Klägers den dringenden Verdacht ergeben, daß der Kläger an dem fraglichen Tag bei der Ausführung seiner Arbeit und unter Ausnutzung der sich durch die Arbeit ergebenden Möglichkeit einen Kunden der Beklagten zu bestehlen versucht habe, wobei offenbleiben könne, ob dies in der erschwerenden Form des Einbruchsdiebstahls mittels Erbrechens eines verschlossenen Behältnisses erfolgt sei. Die Zeugin M., der die Kammer glaube, habe gesehen, daß der Kläger in den mit Feuerzeugen, Uhren usw. gefüllten Trolley gegriffen habe. Auch der Zeuge P., der einen klaren und vernünftigen Eindruck hinterlassen habe, ohne daß sich Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, daß er die Wahrheit verfälscht oder teilweise zurückgehalten habe, habe im wesentlichen die Sachdarstellung der Beklagten bestätigt. Danach sei der Kläger beim Erscheinen dieses Zeugen erschrocken gewesen, aus seinem Parka habe der Rest einer Verpackung einer Uhr herausgeguckt und er habe auf Befragen geäußert, er habe unter dem Parka Zeitungen, habe sich aber geweigert, diese zu zeigen. Nachdem er in den Hubwagen zurückgegangen sei, habe er plötzlich dem Zeugen erklärt, er werde ihm jetzt seine „Zeitungen” zeigen. In dem Abfallbehälter habe der Zeuge dann die von ihm vorher nicht gesehene Uhr bemerkt. Die Behauptung des Klägers, der Trolley sei ohne Verletzung der Plombe nicht zu öffnen gewesen, sei durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt, denn die Aussage der Zeugin M. habe ergeben, daß dies tatsächlich gelungen sei. Jedenfalls sei der Verdacht gegen den Kläger erdrückend und das Verhalten des Klägers, insbesondere seine Weigerung, seinen Parka zu öffnen, habe die Verdachtskette bis an die Grenze der Gewißheit verstärkt.
Damit sei der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten gewesen. Bei der Stärke und Bedeutung des dringenden Verdachts gegen den Kläger hätten auch die für den Kläger sprechenden sozialen Gesichtspunkte, insbesondere seine lange Betriebszugehörigkeit keinen entscheidenden Einfluß mehr auf die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung.
Die Kündigung scheitere auch nicht an § 102 BetrVG, da die Beklagte den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über alle ihre Gründe für die beabsichtigte Kündigung informiert habe.
B. Dem ist im Ergebnis und überwiegend auch in der Begründung zu folgen.
I. Die Prüfung, ob ein bestimmter Sachverhalt die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes erfüllt, ist vorrangig Sache des Tatsachengerichts. Es handelt sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Diese kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 626 BGB Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen eine außerordentliche Kündigung sprechen, beachtet hat (ständige Senatsrechtsprechung, z.B. Urteil vom 6. August 1987 – 2 AZR 226/87 – und Urteil vom 2. April 1987 – 2 AZR 418/86 – AP Nr. 97 und 96 zu § 626 BGB).
II. Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs ist das angefochtene Urteil, das die streitbefangene Kündigung als wirksame Verdachtskündigung ansieht, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigten Arbeitnehmer sein. Eine Verdachtskündigung liegt dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAGE 16, 72 = AP Nr. 13 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; Senatsurteile vom 3. April 1986 – 2 AZR 324/85 – AP Nr. 18, aaO und vom 26. März 1992 – 2 AZR 519/91 – AP Nr. 23, aaO). Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluß maßgebend, daß der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist (Senatsurteil vom 26. März 1992, aaO, zu B II 1 der Gründe).
2. Der vorliegende Fall bietet dem Senat keinen Anlaß, sich erneut grundsätzlich mit den teilweise in der Literatur (vgl. zuletzt Schütte, NZA Beil. 2/1991, S. 17 ff., Dörner, NZA, 1992, 865) gegen das Rechtsinstitut der Verdachtskündigung erhobenen Bedenken auseinanderzusetzen (vgl. zur Zulässigkeit der Verdachtskündigung eingehend Belling, Festschrift für Otto Rudolf Kissel zum 65. Geburtstag, 1994, S. 11 ff.). Die Revision räumt selbst ein, jedes Arbeitsverhältnis setze als personenbezogenes schuldrechtliches Verhältnis einen gewissen Vertrauenstatbestand voraus. Dann kann aber auch der Verlust dieses Vertrauens einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen. Der Hinweis der Revision auf die in Art. 6 Abs. 2 MRK verankerte Unschuldsvermutung verfängt nicht; diese bindet unmittelbar nur den Richter, der über die Begründetheit der Anklage zu entscheiden hat (so zutreffend Belling, aaO, S. 25, m.w.N.). Würde man mit der Anwendung des Art. 6 Abs. 2 MRK im Privatrecht ernst machen, so bliebe zudem bis zu einer strafrechtlichen Verurteilung überhaupt keine Kündigungsmöglichkeit und der Arbeitgeber könnte auf den begründeten Verdacht einer strafbaren Handlung nur mit einer sicherlich zulässigen Suspendierung des Arbeitnehmers reagieren, was dem Arbeitnehmer im Ergebnis eine bezahlte Freistellung bis zum Abschluß des Strafverfahrens verschaffen würde. Selbst wenn aus der Sicht des Arbeitgebers die Verdachtsmomente gegen den Arbeitnehmer „erdrückend” sind, bleibt es ihm unbenommen, lediglich eine Verdachtskündigung auszusprechen, etwa weil er den Arbeitnehmer schonen oder vor Abschluß des Strafverfahrens nicht einer Straftat bezichtigen möchte. Auch die Gegner des Rechtsinstituts der Verdachtskündigung vertreten in letzterem Fall nicht ernsthaft die Ansicht, der Klage des Arbeitnehmers auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung sei stattzugeben, wenn im Prozeß die Begehung der Straftat nachgewiesen ist, der Arbeitgeber die Kündigung aber nur auf den Verdacht einer Straftat gestützt hatte (vgl. Dörner, aaO, 871).
3. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß die Beklagte nicht wegen einer erwiesenen Straftat, sondern wegen des Verdachts einer Straftat gekündigt hat. Die Auslegung des Kündigungsschreibens, die als Auslegung einer atypischen Willenserklärung vom Revisionsgericht ohnehin nur eingeschränkt überprüfbar ist darauf, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln, Erfahrungssätze oder Denkgesetze verletzt hat oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (BAGE 27, 218, 227 = AP Nr. 1 zu § 105 BetrVG 1972, zu II 3 der Gründe), ist zutreffend. Da der Zeuge P. den Kläger nicht auf frischer Tat ertappt hat, hat die Beklagte nur aus den festgestellten Indizien den „dringenden Verdacht” hergeleitet, der Kläger habe Zollartikel aus dem Trolley entwendet, und darauf ihre Kündigung gestützt.
4. Es ist auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht den gegen den Kläger bestehenden dringenden Tatverdacht als begründet angesehen hat. Das Berufungsgericht hat sogar mehr als den dringenden Tatverdacht einer Entwendung der Uhr durch den Kläger festgestellt. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich deutlich, daß das Landesarbeitsgericht den Nachweis der Begehung der Straftat durch den Kläger als geführt angesehen und daraus lediglich gefolgert hat, damit sei jedenfalls ein dringender Tatverdacht i.S. der Senatsrechtsprechung zur Verdachtskündigung anzunehmen.
a) Nach § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht für wahr zu erachten sei. Damit wird mehr als eine subjektive Überzeugung nicht gefordert. Absolute Gewißheit zu verlangen, hieße die Grenze menschlicher Erkenntnisfähigkeit zu ignorieren (Zöller/Greger, ZPO, 18. Aufl., § 286 Rz 19; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 59 ff., insbesondere S. 65). Rechtsfehlerhaft ist es daher, einen Beweis allein deswegen nicht als erbracht anzusehen, weil keine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewißheit gewonnen werden konnte. Der Richter muß sich vielmehr mit einer persönlichen Gewißheit begnügen, die den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245, 256; BGHZ 61, 165, 169).
b) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht von diesem Prüfungsmaßstab ausgegangen und hat angenommen, die von ihm festgestellten Tatsachen begründeten mit einer fast an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit die Annahme – und damit auch den dringenden Verdacht –, daß der Kläger begonnen hatte, jedenfalls die aus dem Trolley des Kunden der Beklagten stammende Uhr zu entwenden. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Würdigung des Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme sind für die Revisionsinstanz gemäß § 561 ZPO bindend. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob die Würdigung des Berufungsgerichts möglich ist, nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt und die Revision zulässige und begründete Verfahrensrügen erhoben hat (BAG Urteil vom 20. März 1958 – 2 AZR 60/55 – AP Nr. 3 zu § 580 ZPO). Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe begonnen, jedenfalls die Uhr zu entwenden, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Zu Recht hat es das Landesarbeitsgericht als ein gewichtiges Indiz zu Lasten des Klägers gewertet, daß dieser von der Zeugin M. nach deren Aussage gesehen worden ist, wie er in den mit „Feuerzeugen, Uhren usw.” gefüllten Trolley gegriffen hat. Die Überlegungen des Klägers, die Richtigkeit der Zeugenaussage unterstellt, könne es auch sein, daß der Trolley längst offen gewesen sei und er nur nachgeschaut habe, ob etwas entwendet worden sei, und sich bemüht habe, den Trolley wieder zu schließen, paßt nicht zu den anderen vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen. Sollte ein Dritter den Zolltrolley geöffnet und versucht haben, die Uhr zu entwenden, so hätte er sicherlich nicht versucht, die Uhr dadurch zu verbergen, daß er sie in den Hubwagen der Beklagten offen auf einen Abfallbehälter gelegt hätte, denn dann wäre die Uhr nach Abkoppeln des Hubwagens seinem Zugriff entzogen gewesen. Die Würdigung des Berufungsgerichts, vernünftigerweise bleibe nur die Feststellung, daß der Kläger die Uhr auf dem Abfallbehälter abgelegt habe, ist jedenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, unabhängig davon, ob sich außer dem Kläger, seinem Kollegen und den Reinigungskräften noch andere Personen in dem Flugzeug befunden haben.
bb) Die Revision rügt auch zu Unrecht, daß das Landesarbeitsgericht das eigene Verhalten des Klägers mitberücksichtigt hat. Es mag zwar sein, daß der Kläger nur dem Werkschutz gegenüber verpflichtet war, seine Kleidung zu öffnen. Hat der Arbeitgeber konkrete Anhaltspunkte, seinen Arbeitnehmer einer Straftat zu verdächtigen, so obliegt es dem Arbeitnehmer, im Rahmen des Zumutbaren an der Aufklärung des Verdachts mitzuwirken. Verweigert er ohne ausreichenden Grund seine Mitwirkung bei der Aufklärung, so kann dies als Indiz für die Richtigkeit des Verdachts zu werten sein (Belling, aaO, S. 45). Darüber hinaus hat sich der Kläger hier nicht auf die Weigerung beschränkt, den Gegenstand vorzuzeigen, den er unter der Jacke hatte; das Gesamtverhalten des Klägers, vor allem sein späteres Angebot, die Jacke zu öffnen, war vielmehr nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts so verdächtig, daß es entscheidend zu seinen Lasten mitbewertet werden mußte.
cc) Die Verfahrensrüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht hätte durch Inaugenscheinnahme und sachverständige Begutachtung des Originaltrolleys Beweis erheben müssen, ob ein solcher Trolley der Olympic Airways überhaupt bzw. nach der von der Beklagten dargestellten Methode geöffnet werden konnte, ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht durfte die entsprechende Beweiserhebung ablehnen, ohne §§ 286, 371 ZPO zu verletzen. Der Originaltrolley war als Beweismittel ohnehin nicht mehr erreichbar, da er sich nicht im Besitz der Beklagten befand und auch von der Olympic Airways ausweislich des Schreibens vom 2. Februar 1993 weder dieser noch ein baugleicher Trolley beschafft werden konnte. Außerdem ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht aufgrund des bereits eingenommenen Augenscheins und des übrigen Ergebnisses der Beweisaufnahme es als erwiesen angesehen hat, daß eine Öffnung des Trolleys möglich war, weil es sonst nicht erklärbar wäre, daß ohne Verletzung der Zollplombe die Gegenstände, die in dem Trolley fehlten, in dem Abfallbehälter bzw. im Flugzeug gefunden wurden. Schließlich hat das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung tragend gar nicht darauf abgestellt, der Kläger habe die Uhr in der erschwerenden Form des Einbruchsdiebstahls mittels Erbrechens eines verschlossenen Behältnisses entwendet bzw. zu entwenden versucht.
5. Auch die Interessenabwägung durch das Landesarbeitsgericht ist nicht zu beanstanden. Angesichts der Schwere des Vorwurfs bzw. Verdachts gegen den Kläger hat das Landesarbeitsgericht zu Recht auch unter Berücksichtigung der langen Beschäftigungszeit des Klägers und der Tatsache, daß der Kläger auf sein Entgelt aus
dem Arbeitsverhältnis angewiesen ist, das Interesse der Beklagten, sich mit sofortiger Wirkung vom Kläger zu trennen, überwiegen lassen und einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung nach § 626 BGB angenommen.
6. Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Kündigung scheitere auch nicht an § 102 BetrVG, weil der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend inbesondere über die Kündigungsgründe informiert worden sei, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden und die Revision hat insoweit auch keine Rügen erhoben.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Bitter, Bröhl, Bepler, Frey, Dr. Bobke-von Camen
Fundstellen