Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung - Packerin im Versandhandel
Orientierungssatz
Eine Packtätigkeit erfüllt wegen Fehlens eines allgemein anerkannten Begriffes "Packer" im Einzelhandel nur dann das Tätigkeitsbeispiel "Packerin" im Sinne der Lohngruppe L3 und des § 3 des Tarifvertrages über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzelhandel im Freistaat Sachsen, wenn daneben auch noch die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe L3 vorliegen.
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen
Landesarbeitsgerichts vom 23. Juni 1998 - 7 Sa 1056/97 -
aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des
Arbeitsgerichts Leipzig vom 31. Juli 1997 - 18 Ca 3126/97 -
abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Entlohnung der Klägerin.
Die am 19. September 1956 geborene Klägerin ist seit dem 16. Januar 1995 bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt ein Versandhandelsunternehmen. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 12. Januar 1995 zugrunde, der u.a. folgende Vereinbarungen enthält:
"§ 1 Anstellung und Probezeit
Der/die Arbeitnehmer/-in wird mit Wirkung vom 16.01.1995 im
Versandzentrum L als Lager- und Versandarbeiter/-in eingestellt.
Die ersten 3 Monate gelten als Probezeit. Während dieser kann das
Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von 2 Wochen jeweils
zum Schluß der Kalenderwoche gekündigt werden.
... § 3 Arbeitszeit und Entgelt
Der Arbeitseinsatz erfolgt entsprechend den betrieblichen
Erfordernissen. Dies schließt einen Einsatz in Schichtarbeit und
auch an Samstagen ein.
Der/die Arbeitnehmer/-in wird auf der Basis einer
Wochenstundenrichtzahl von 31 Std., jährlich mit 1612 Std.
beschäftigt.
Für das Jahr 1995 sind dies noch 1550 Stunden.
Entgelt:
Tarif nach Gruppe L1/L2 DM 11,88/Std.
Sonstiges:
Freiwillige Zulage DM 0,47/Std.
Brutto DM 12,35/Std.
... § 7 Vertragsbestandteile
Für das Arbeitsverhältnis gelten die gesetzlichen Bestimmungen,
die Tarifverträge des Einzelhandels in Sachsen, die
Betriebsordnung, die Betriebsvereinbarungen, die
Gesamtbetriebsvereinbarungen, die Unfallverhütungsvorschriften und
die Richtlinien des Unternehmens in der jeweils gültigen Fassung.
..."
Die Tarifverträge für den Einzelhandel im Freistaat Sachsen finden auch auf Grund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Parteien auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
Die Klägerin wird überwiegend an den sog. Warenrutschen beschäftigt. Über diese Rutschen werden Waren entsprechend vorher erstellter Lieferpapiere zugeführt. Die Klägerin liest die auf dem Lieferschein vorgegebene Kartongröße ab, faltet den Karton auf und stabilisiert ihn durch Aufbringen eines Klebebandes. Sodann entnimmt sie die Ware der Rutsche, kontrolliert, ob die Artikelnummer auf der Ware mit derjenigen auf dem Lieferschein übereinstimmt und legt dann die Ware in den Karton. Zum Schluß wird der Karton - soweit nötig - mit Füllpapier und Werbematerial aufgefüllt, mit einem Klebestreifen verschlossen, der Adreßaufkleber aufgebracht und der fertige Karton auf ein Förderband zum Weitertransport gestellt. Bei auftauchenden Fehlern wird je nach Art des Fehlers entweder ein sog. "Fehlerpaket" erstellt oder die defekte bzw. falsche Ware in eine bereitstehende Wanne gelegt.
Am 25. Oktober 1996 richtete die Klägerin folgendes Schreiben an die Beklagte:
"...
seit dem 16.1.1995 bin ich als Lager- und Versandarbeiterin bei
Ihnen beschäftigt und bin nicht entsprechend der Arbeitsaufgabe in
die Gehaltsgruppe L1/2 des Tarifvertrages Einzelhandel Sachsen
eingruppiert.
Ich möchte Sie bitten zu überprüfen, ob eine Eingruppierung in die
L 3 ab/seit L 3 gerechtfertigt ist.
Zur Begründung meines Antrages habe ich meine überwiegend
ausgeübte Tätigkeit über einen längeren Zeitraum als Anlage
beigefügt.
..."
Mit Schreiben vom 8. November 1996 lehnte die Beklagte eine Höhergruppierung der Klägerin ab. Daraufhin erwiderte diese am 21. November 1996:
"...
hiermit erhebe ich Einspruch zu Ihrer Antwort vom 8. 11. 96 auf
meinen Antrag auf Höhergruppierung in die L 3.
Ihre Beschreibung der Arbeit als Lager- und Versandarbeiter
widerspricht der tatsächlichen Tätigkeit der Arbeit einer
Packerin, welche im Tarifvertrag Einzelhandel Sachsen eindeutig in
die Lohngruppe L 3 eingestuft ist.
..."
Am 10. Februar 1997 schrieb die Klägerin nochmals an die Beklagte:
"...
auf ihre Ablehnung des Antrags auf Höhergruppierung von L1/2 auf
L3 vom 8. 11. 97, legte ich Widerspruch ein. Eine Antwort
Ihrerseits darauf steht noch aus.
Mit dem heutigen Schreiben fordere ich die Höhergruppierung,
entsprechend meinem Antrag, rückwirkend ab dem 1. 10. 96 ein.
..."
Mit ihrer am 4. März 1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Feststellung beantragt, daß die Beklagte verpflichtet ist, sie gemäß der Lohngruppe 3 des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel im Freistaat Sachsen zu vergüten. Außerdem hat sie die Zahlung von Restlohn für die Zeit vom 1. August 1996 bis zum 31. Januar 1997 beantragt.
Sie ist der Meinung, sie sei Packerin und erfülle damit das entsprechende Tarifbeispiel für eine Eingruppierung in die Lohngruppe 3 des Tarifvertrages über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzelhandel im Freistaat Sachsen (im folgenden nur: LohnTV). Für ihre Tätigkeit sei eine etwa dreiwöchige Einarbeitungszeit erforderlich gewesen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, sie gemäß
der Lohngruppe L 3 "nach vollendetem 21. Lebensjahr" des Lohn-
und Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel im Freistaat
Sachsen zu vergüten,
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 765,36 DM brutto
Restlohn für die Zeit vom 1. Oktober 1996 bis 31. März 1997
nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag
seit Klagezustellung zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 255,12 DM brutto
Restlohn für die Monate April und Mai 1997 nebst 4 % Zinsen
aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit
Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie meint, die Klägerin übe keine Tätigkeit als Packerin im Sinne des Tätigkeitsbeispiels der Lohngruppe L 3 des LohnTV aus. Vielmehr sei sie Lager- und Versandarbeiterin.
Die der Klägerin übertragene Aufgabe "Lager- und Versandarbeiterin" enthalte unterschiedliche Arbeitsaufgaben, welche jeweils nur "die Fähigkeit, deutsch zu lesen und zu schreiben sowie Gesundheit" voraussetzten. Zu diesen Aufgaben gehörten:
- Arbeiten in der Kommissionierung
- Arbeiten im Single-Versand
- Arbeiten im Sortierversand.
Die Klägerin sei neben ihrer Haupttätigkeit in der Versandvorbereitung in folgendem Umfange auch anderweitig eingesetzt worden, so z.B.
im Februar 1997 zweimal im Kartonlager
im März 1997 einmal im Kartonlager
im Juni 1997 siebenmal im Single-Versand
im Juli 1997 viermal im Single-Versand
und im August 1997 einmal in der Kommissionierung.
Außerdem beruft sich die Beklagte darauf, daß etwaige Lohnansprüche der Klägerin für die Zeit vor dem 1. November 1996 gemäß § 18 Nr. 1 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel im Freistaat Sachsen (MTV) verfallen seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und im Urteil die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entlohnung nach der Lohngruppe L 3 LohnTV.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet. Die Klägerin werde überwiegend mit der Arbeitsaufgabe "Versandfertigmachen von Waren und Auflegen" betraut. Damit erfülle sie das Tätigkeitsbeispiel "Packerin" der Lohngruppe L 3 des auf das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifbindung anzuwendenden LohnTV. Dies ergebe eine Auslegung des im LohnTV verwendeten Begriffes "Packerin".
Der Senat kann dem Landesarbeitsgericht nicht folgen.
II.1. Für die Eingruppierung der Klägerin enthält der MTV folgende allgemeine Regelungen:
"§ 9
Gehalts- und Lohnregelungen
... 2. Für die Eingruppierung werden Gehalts- und Lohngruppen
gebildet. Bei der Eingruppierung kommt es auf die tatsächlich
ausgeübte Tätigkeit an. Übt ein/e Arbeitnehmer/in mehrere
Tätigkeiten gleichzeitig aus, die in verschiedene Gehalts- und
Lohngruppen fallen, so erfolgt die Eingruppierung entsprechend
der zeitlich überwiegenden Tätigkeit.
..."
Da beide Parteien Mitglieder der Tarifvertragsparteien sind, richtet sich die Eingruppierung der Klägerin zwingend nach den Tarifverträgen für den Einzelhandel im Freistaat Sachsen, §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG und nicht nach den einzelvertraglichen Vergütungsvereinbarungen, sofern diese für die Klägerin nicht günstiger sind als die tarifliche Eingruppierung.
Wie das Landesarbeitsgericht für das Revisionsgericht bindend festgestellt hat, arbeitet die Klägerin arbeitszeitlich überwiegend an den sog. Warenrutschen. Anderes trägt auch die Beklagte nicht vor. Sie hat nämlich lediglich beispielhaft darauf verwiesen, daß die Klägerin in den Monaten Februar bis August 1997 insgesamt fünfzehnmal auch mit anderen Arbeitsaufgaben betraut war.
Damit ist diese vom Landesarbeitsgericht festgestellte Tätigkeit an den Warenrutschen für die Eingruppierung der Klägerin maßgeblich. § 9 Nr. 2 MTV bestimmt nämlich, daß dann, wenn ein Arbeitnehmer mehrere Tätigkeiten ausübt, die in verschiedene Lohngruppen fallen, die Eingruppierung entsprechend der zeitlich überwiegenden Tätigkeit erfolgt.
2. Die für die Eingruppierung der Klägerin in Frage kommenden Regelungen des LohnTV lauten wie folgt:
"...
B. Gruppeneinteilung
L 1/ L 2
Tätigkeitsmerkmale:
ArbeitnehmerInnen für einfache Arbeiten, auch mit erschwerten
körperlichen Belastungen oder erschwerenden Umgebungseinflüssen.
Beispiele:
AuszeichnerInnen,
RaumpflegerInnen, Reinigungspersonal,
Spülhilfen,
Küchenhilfspersonal,
Hof-, Platz- und KellerarbeiterInnen,
LagerarbeiterInnen mit einfacheren Arbeiten,
HandelshilfsarbeiterInnen.
L 3
Tätigkeitsmerkmale:
ArbeitnehmerInnen für Arbeiten, die eine mindestens 3-monatige
Einarbeitungszeit oder gewisse Fertigkeiten, besondere
Geschicklichkeit, Übung oder Erfahrung erfordern, sowie Arbeiten
mit erschwerenden Umgebungseinflüssen.
Beispiele:
NäherInnen ohne Ausbildungszeit,
Putzmacherhilfskräfte,
Modistenhilfskräfte,
PackerInnen,
LagerarbeiterInnen mit qualifizierteren Arbeiten,
ElektrokarrenfahrerInnen,
Kalte Mamsells,
Küchenhilfspersonal mit Tätigkeit am Herd oder beim Anrichten,
FahrstuhlführerInnen,
PersonalpförtnerInnen,
BeifahrerInnen.
..."
Dieser Aufbau der Lohngruppen des LohnTV entspricht dem Aufbau von Vergütungsgruppen in vielen anderen Tarifverträgen. Danach sind den einzelnen Lohngruppen allgemeine Tätigkeitsmerkmale zugeordnet, die durch Beispiele erläutert werden. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß bei Vergütungsgruppen, in denen allgemein gefaßten Tätigkeitsmerkmalen konkrete Beispiele beigefügt sind, die Erfordernisse der Tätigkeitsmerkmale regelmäßig dann erfüllt sind, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt. Auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale ist dann zurückzugreifen, wenn ein einzelnes Tätigkeitsbeispiel seinerseits unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die nicht aus sich heraus ausgelegt werden können, wenn dasselbe Tätigkeitsbeispiel in mehreren Vergütungsgruppen vorkommt und damit als Kriterium für eine bestimmte Vergütungsgruppe ausscheidet oder wenn es um eine Tätigkeit geht, die in den tariflichen Tätigkeitsbeispielen nicht aufgeführt ist (BAGE 45, 121, 126 = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Urteil vom 3. Dezember 1985 - 4 AZR 314/84 - n.v.). Soweit die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, sind die Tätigkeitsbeispiele im Rahmen der Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe als Richtlinien für die Bewertung mitzuberücksichtigen (vgl. BAG Urteil vom 25. September 1991 - 4 AZR 87/91 - AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, m.w.N.).
3. Der Streit der Parteien geht vor allem darum, ob die Klägerin das Tätigkeitsbeispiel "Packerin" der Lohngruppe L 3 LohnTV erfüllt oder ob sie Lager- und Versandarbeiterin ist und damit - wie die Beklagte meint - in die Lohngruppe L 1/2 LohnTV eingruppiert ist.
a) Zunächst ist festzustellen, daß die Klägerin - auch wenn sie als Lagerarbeiterin zu betrachten wäre - nicht zwingend in die Lohngruppe L 1/2 LohnTV eingruppiert wäre, da unter diese lediglich "LagerarbeiterInnen mit einfacheren Arbeiten" fallen, während "LagerarbeiterInnen mit qualifizierteren Arbeiten" als Tätigkeitsbeispiel in der Lohngruppe L 3 LohnTV aufgeführt sind. Die Eingruppierung der Klägerin hinge somit auch hier von der Art der auszuübenden Tätigkeiten ab.
b) "VersandarbeiterInnen" sind in den einzelnen Lohngruppen des LohnTV als Tätigkeitsbeispiele überhaupt nicht erwähnt, so daß insoweit die zutreffende Eingruppierung nur anhand der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der einzelnen Lohngruppe des LohnTV festgestellt werden könnte.
c) Damit würde auch die Annahme, die Klägerin sei Lager- und Versandarbeiterin, nicht dazu führen, daß sie - wie die Beklagte meint - automatisch in die Lohngruppe L 1/2 LohnTV eingruppiert wäre.
d) Die Tätigkeit der Klägerin kann auch nicht ohne weiteres dem Tätigkeitsbeispiel "Packerin" der Lohngruppe L 3 LohnTV zugeordnet werden.
Dies würde voraussetzen, daß es im Berufsleben, insbesondere im Bereich der den Einzelhandelstarifverträgen unterfallenden Betriebe einen allgemein anerkannten Begriff des "Packers" gäbe. Dies ist aber - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht der Fall.
Zwar gibt es den Beruf des "Handelsfachpackers", der einen anerkannten Ausbildungsberuf darstellt (Ausbildungsordnung vom 17. Juli 1956 gemäß Erlaß BMWi-II A 4 - 1950/56; vgl. Bundesanzeiger vom 9. Juli 1998). Diesen Ausbildungsberuf haben die Tarifvertragsparteien jedoch mit dem Tätigkeitsbeispiel "Packerin" in Lohngruppe L 3 LohnTV nicht gemeint, da es sich beim Handelsfachpacker um einen anerkannten Ausbildungsberuf handelt und Arbeitnehmer mit abgeschlossener Berufsausbildung in die Lohngruppen L 5 oder L 6 LohnTV und damit nicht in die Lohngruppe L 3 LohnTV eingruppiert sind.
Deshalb geht der Senat ebenso wie die Beklagte davon aus, daß es wegen der vielfältigen Arten von Pack- und Verpackungstätigkeiten im Bereich des Einzelhandels eine allgemein anerkannte Berufsbezeichnung "Packer", die für alle Zweige des Einzelhandels einschlägig ist, nicht gibt. Damit ist nicht jeder Arbeitnehmer, der etwas "packt" Packer im Sinne des Tätigkeitsmerkmals der Lohngruppe L 3 LohnTV.
e) Vielmehr ist für die Auslegung des Begriffes "Packerin" im Sinne der Lohngruppe L 3 LohnTV auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppen L 1/2 und L 3 LohnTV zurückzugreifen.
Zunächst "packt" die Klägerin - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Sachen in Kartons. Diese Packtätigkeit erfüllt aber wegen des Fehlens eines allgemein anerkannten Begriffes "Packer" im Einzelhandel nur dann das Tätigkeitsbeispiel "Packerin" im Sinne der Lohngruppe L 3 LohnTV, wenn daneben auch noch die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe L 3 LohnTV vorliegen.
Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht gegeben, weil die von der Klägerin an den Warenrutschen ausgeübte Packtätigkeit keine Tätigkeit ist, die auch den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen der Lohngruppe L 3 LohnTV unterfällt. Nach diesen ist es für eine Eingruppierung in die Lohngruppe L 3 LohnTV ausreichend, wenn die Arbeiterin Arbeiten ausübt, die "gewisse Fertigkeiten, besondere Geschicklichkeit, Übung oder Erfahrung" erfordern. Aus der Verwendung des Wortes "oder" in dieser Auflistung wird klargestellt, daß es genügt, wenn ein einziges der dort genannten Erfordernisse vorliegt.
Nach der Systematik des LohnTV erfüllt die Klägerin aber keines dieser allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe L 3.
Grundsätzlich ist dann, wenn ein Tarifvertrag alternativ mehrere Eingruppierungsmerkmale aufführt, die sich auf Kenntnisse, Fertigkeiten oder die Qualifikationen eines Arbeitnehmers beziehen, davon auszugehen, daß diese einzelnen Eingruppierungsmerkmale von ihrer Wertigkeit her vergleichbar sein müssen.
Legt man diese Überlegung der Lohngruppeneinteilung des LohnTV zugrunde, so läßt sich daraus folgendes Eingruppierungssystem ableiten.
In die Lohngruppe L 1/2 sollen Arbeiter eingruppiert werden, die einfache Arbeiten verrichten, ohne daß für diese Arbeiten eine Einarbeitungszeit von nennenswerter Dauer erforderlich ist. In die Lohngruppe L 3 sind diejenigen Arbeiter eingruppiert, die über eine mindestens dreimonatige Einarbeitungszeit verfügen bzw. Arbeiten verrichten, für die gewisse Fertigkeiten, besondere Geschicklichkeit, Übung oder Erfahrung erforderlich ist. Dabei müssen aber wegen der Vergleichbarkeit der alternativ genannten Eingruppierungsmerkmale diese zuletztgenannten solche sein, wie sie regelmäßig durch eine dreimonatige Einarbeitungszeit erworben werden. Dies folgt auch bereits aus dem Wortsinn der tariflichen Eingruppierungsmerkmale. So sind "Fertigkeiten" die praktische Handhabung des Erlernten (BAG Urteil vom 27. Januar 1999 - 4 AZR 88/98 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Auch "Geschicklichkeit" und "Erfahrung" erwirbt man regelmäßig auf Grund einer über einen längeren Zeitraum ausgeübten Tätigkeit. Gleiches gilt unzweifelhaft auch für das Eingruppierungsmerkmal "Übung".
In die Lohngruppe L 4 sind dann die Arbeiter eingruppiert, welche eine sechsmonatige Einarbeitungszeit hinter sich haben bzw. solche Geschicklichkeit, Übung, Erfahrung und Verantwortung für ihre Arbeit benötigen, wie sie regelmäßig durch eine sechsmonatige Einarbeitungszeit erworben wird. In die Lohngruppen L 5 und L 6 sind Arbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung eingruppiert.
Lediglich, wenn die Arbeiten mit erschwerenden oder mit besonders erschwerenden Umgebungseinflüssen verbunden sind, kommt eine Eingruppierung in die Lohngruppe L 3 oder L 4 LohnTV in Frage, ohne daß auf Einarbeitungszeiten oder Fertigkeiten, Geschicklichkeit, Übung, Erfahrung oder Verantwortung abgestellt wird. Der offensichtliche Widerspruch zwischen der Lohngruppe L 1/2 und der Lohngruppe L 3 kann in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben. Während nämlich für eine Eingruppierung in die Lohngruppe L 1/2 Arbeiten mit erschwerenden Umgebungseinflüssen außer Betracht bleiben und zu keiner höheren Eingruppierung führen, genügen nach dem Wortlaut der Lohngruppe L 3 alleine "Arbeiten mit erschwerenden Umgebungseinflüssen" für eine Eingruppierung in diese Lohngruppe, ohne daß darauf abgestellt wird, ob es sich um "einfache" Arbeiten oder um qualifiziertere Arbeiten handelt.
Da die Klägerin selbst vorgetragen hat, für die von ihr zu verrichtenden Arbeiten sei eine Einarbeitungszeit von lediglich ca. drei Wochen ausreichend gewesen und da sie sich auch nicht auf besondere Vorkenntnisse bzw. zuvor bereits erworbene Fertigkeiten, wie sie regelmäßig durch eine dreimonatige Einarbeitungszeit erworben werden, beruft, ist davon auszugehen, daß die Fertigkeiten, Geschicklichkeit, Übung oder Erfahrung, die sie für ihre Tätigkeit benötigt, nicht das Gewicht haben, um eine Eingruppierung in die Lohngruppe L 3 LohnTV zu rechtfertigen.
Demnach hat die Klägerin keinen Anspruch auf Entlohnung nach Lohngruppe L 3 LohnTV.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Dr. Jobs Hauck
Zugleich für den erkrankten
Vorsitzenden Richter Dr. Freitag
Lindemann Schlaefke
Fundstellen