Entscheidungsstichwort (Thema)
Job-Ticket – Gleichbehandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Der öffentliche Arbeitgeber ist aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gehindert, durch eine sachfremde Gruppenbildung Arbeitnehmer von der Ausgabe eines Job-Tickets auszuschließen.
2. Sind die in den Außenstellen einer Dienststelle beschäftigten Bediensteten nur zu einem geringen Teil bereit, sich an den Kosten eines Job-Tickets zu beteiligen, ist es nicht sachfremd, das Job-Ticket nur an Beschäftigte in der Hauptstelle auszugeben, wenn sich dort eine bedeutend größere Anzahl beteiligt als in den Außenstellen.
Normenkette
BGB §§ 242, 306; LPVG NRW § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 6. November 1996 – 8 Sa 892/96 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin für 1996 ein Job-Ticket zur Verfügung stellen mußte.
Die Beklagte hat 1995 mit dem Regionalen Verkehrsverbund eine Tarifkooperation „Job-Ticket” zum Umsteigen auf die öffentlichen Verkehrsmittel des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg (VRS) vereinbart. Nach der Präambel dient der Vertrag dazu,
Aufgrund dieser Tarifkooperation räumt der VRS den Beschäftigten von Arbeitgebern mit Arbeitsstätten in T. das Recht ein, alle fahrplanmäßig verkehrenden Busse und Bahnen des VRS mit einem Job-Ticket benutzen zu können. Der vertragschließende Arbeitgeber entrichtet als Gegenleistung einen Jahrespauschalpreis für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Arbeitsstätte.
Die Beklagte führte im Herbst 1995 eine Umfrage durch. Danach bekundeten ca. 50 % der 335 Bediensteten mit Arbeitsplatz in dem als Hauptverwaltungsgebäude genutzten Rathaus und nur ca. 10 % der 621 in Außenstellen Beschäftigten Interesse am Job-Ticket. Die Beklagte schloß daraufhin mit der Verkehrsgesellschaft nur für die im Hauptverwaltungsgebäude beschäftigten Arbeitnehmer einen Job-Ticket-Jahresvertrag für 1996. Sie bot den im Rathaus Beschäftigten am 12. Dezember 1995 nach deren Wahl Jahres-, Halbjahres- oder Vierteljahreskarten zum monatlichen Preis von 45,00 DM sowie ein mit dem Job-Ticket verbundenes Jahresparkticket zum Preis von 625,00 DM an. Sie wies dabei daraufhin, daß der in den Außenstellen beschäftigte Personenkreis ebenfalls die Möglichkeit habe, ein Job-Ticket zu erwerben, sofern dort mindestens 75 % der Beschäftigten ein Job-Ticket in Anspruch nehmen wollen.
Die Klägerin war 1996 mit weiteren sieben Bediensteten in der Außenstelle Kinderhort R straße beschäftigt. Außer der Klägerin war dort nur eine weitere Mitarbeiterin am Job-Ticket interessiert. Die Klägerin verlangte Ende Dezember 1995 Gleichbehandlung mit den im Rathaus Beschäftigten. Die Beklagte lehnte die Ausgabe eines Job-Tickets mit der Begründung ab, eine Ausdehnung der mit der Verkehrsgesellschaft getroffenen Job-Ticket-Vereinbarung auf Außenstellenmitarbeiter führe zu einem Defizit von ca. 100.000,00 DM. Das sei wegen des geringen Kosten-Nutzen-Verhältnisses nicht vertretbar.
Mit der am 1. Februar 1996 erhobenen Klage hat die Klägerin den Anspruch auf Ausgabe eines Job-Tickets gerichtlich geltend gemacht und später den Ausgleich der Mehrkosten verlangt, die ihr von Januar bis März 1996 durch das im Vergleich zum Job-Ticket höhere reguläre Beförderungsentgelt entstanden sind. Sie hat beantragt,
- an die Klägerin ein Job-Ticket nach Wahl der Klägerin als Jahres-, Halbjahres- oder Vierteljahresticket auszugeben;
- an die Klägerin 309,60 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 3. April 1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin weiterhin ihr erstinstanzliches Prozeßziel.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch darauf, daß die Beklagte ihr nachträglich ein Job-Ticket für 1996 ausgibt noch daß sie ihr 309,60 DM zuzüglich Verzugszinsen als Ersatz für erhöhte Aufwendungen im ersten Quartal 1996 zahlt.
1. Der Klageantrag zu 1) ist auf Ausgabe eines Job-Tickets für die kostenlose Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg im Jahre 1996 gerichtet. Diese Klage ist spätestens mit Ablauf des Jahres 1996 unzulässig geworden, weil sie auf unmögliche Leistung gerichtet ist (BAG Urteil vom 18. Dezember 1986 – 8 AZR 502/84 – BAGE 54, 63 ff. = AP Nr. 10 zu § 7 BUrlG). Für eine auf eine unmögliche Leistung gerichtete Klage fehlt es an Rechtsschutzinteresse.
Nach Ablauf des Jahres 1996 ist die Erfüllung dieses Leistungsverlangens nicht mehr möglich. Dabei kann hier offen bleiben, ob im Jahr 1996 ein Anspruch bestanden hat. Mit Ablauf des Jahres 1996 ist er gegenstandslos geworden. Denn mit einer Karte, deren Gültigkeit auf das Jahr 1996 beschränkt ist, kann der öffentliche Personennahverkehr nach Ablauf des Jahres 1996 nicht mehr benutzt werden.
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Ausgleich der Mehraufwendungen für die Benutzung der Verkehrsmittel des VRS ohne Job-Ticket. Entgegen der Auffassung der Revision war die Beklagte 1996 nämlich nicht verpflichtet, der Klägerin in gleicher Weise wie den im Rathaus Beschäftigten ein Job-Ticket auszugeben.
a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmer gleichzubehandeln. Ausgeschlossen ist nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern vor allem eine sachfremde Gruppenbildung. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerte Gründe gibt. Liegt ein solcher Grund nicht vor, kann der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden (BAG Urteil vom 10. März 1998 – 1 AZR 509/97 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; BAG Urteil vom 23. August 1995 – 5 AZR 293/94 – BAGE 80, 354 = AP Nr. 134 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAG Urteil vom 17. Dezember 1992 – 10 AZR 306/91 – AP Nr. 105 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAG Urteil vom 30. November 1982 – 3 AZR 214/80 – AP Nr. 54 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
b) Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte als öffentliche Arbeitgeberin auch im Verhältnis zur Klägerin den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten mußte. Soweit das Landesarbeitsgericht den Gleichbehandlungsgrundsatz unter Bezugnahme auf das Urteil des Zehnten Senats vom 17. Dezember 1992 (– 10 AZR 306/91 – AP Nr. 105 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) dienststellenübergreifend angewandt hat, besteht dazu kein Anlaß. Der Arbeitsplatz der Klägerin befindet sich zwar außerhalb des Hauptverwaltungsgebäudes in der Außenstelle Kinderhort R straße, die Klägerin ist jedoch Angehörige ein und derselben Dienststelle.
Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt, indem es von der Zuordnung zu unterschiedlichen Dienststätten darauf geschlossen hat, daß die Klägerin einer anderen Dienststelle angehöre. Das ist unzutreffend. Nach dem maßgeblichen § 1 Abs. 2 LPVG NRW bilden die Verwaltungen, die Eigenbetriebe und die Schulen der Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gemeinsam eine Dienststelle.
Der von der Klägerin geleitete Kinderhort R straße war deshalb Teil der einheitlichen Dienststelle Stadtverwaltung. Der gesetzliche Vertreter der Beklagten war als Dienststellenleiter nach § 62 LPVG NRW verpflichtet, den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Ausgabe des Job-Tickets auch auf die Angehörigen der Außenstelle Kinderhort R straße anzuwenden. Darauf, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz auch überbetrieblich und dienststellenübergreifend anwendbar ist (vgl. dazu BAG Urteil vom 26. Mai 1998 – 1 AZR 704/97 – zur Veröffentlichung vorgesehen), kommt es nicht an.
c) Bei der Ausgabe der Job-Tickets für 1996 ist die Gruppe der in Außenstellen Beschäftigten, zu der die Klägerin gehört, im Verhältnis zu der Gruppe der im Rathaus Beschäftigten schlechter gestellt worden. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß diese Gruppenbildung nicht aus sachfremden, sondern aus billigenswerten Gründen erfolgt ist.
Die Revision geht von einem falschen Ausgangspunkt aus. Die Beklagte hat mit dem Angebot des Erwerbs von Job-Tickets nicht das Ziel verfolgt, ihren Arbeitnehmern durch die Einräumung von Sonderkonditionen im öffentlichen Personennahverkehr einen geldwerten Vorteil zu verschaffen. Aus dem Rundschreiben vom 12. Dezember 1995 und aus der Präambel des mit dem Verkehrsverbund geschlossenen Vertrages ergibt sich die Zielsetzung, die Beschäftigten zu motivieren, vom Pkw auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, um den Straßenverkehr zu entlasten, die Parkplatzsituation zu entspannen und einen Beitrag zum Umweltschutz zu erreichen. Gemessen daran war es nicht willkürlich, wenn die Beklagte das geringere Interesse der außerhalb des Rathaus Beschäftigten zum Anlaß genommen hat, diese Gruppe von der Möglichkeit des Erwerbs eines Job-Tickets auszunehmen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben sich 50 % der im Rathaus Beschäftigten in der Umfrage bereiterklärt, die mit einem Job-Ticket verbundenen Kosten zu tragen. Tatsächlich haben dann auch 167 der 335 dort Beschäftigten ein Job-Ticket erworben. Demgegenüber hatte die Umfrage bei den Außenstellen nur ein Interesse von 10 % der Beschäftigten erbracht. In der Außenstelle Kinderhort R straße waren nach dem eigenen Vortrag der Klägerin auch nur zwei von den dort acht Beschäftigten, das sind 25 %, bereit, das Job-Ticket-Angebot anzunehmen.
Wenn in dieser Situation die Beklagte auf das erheblich bessere Kosten-Nutzen-Verhältnis für den Einsatz ihrer beschränkten finanziellen Mittel abstellt, kann das nicht als sachfremd beanstandet werden. Verfolgt der Arbeitgeber mit einer Vergünstigung das Anliegen, Verkehr und Umwelt zu entlasten, so ist eine Bedingung, daß sich mindestens die Hälfte der begünstigten Arbeitnehmer daran beteiligen. Denn bei einer geringeren Beteiligung steigt der finanzielle Aufwand und schwindet der Nutzen für Verkehr und Umwelt.
Ob wegen der günstigeren Parkplatzsituation an den Außenstellen die Beklagte berechtigt war, für die dort Beschäftigten die höhere Mindestbeteiligung von 75 % vorauszusetzen, bedarf hier keiner Entscheidung. Die Klägerin hat verlangt, nach der für die im Rathaus Beschäftigten geltenden Regelung behandelt zu werden. Ihre Nebenstelle hat mit 25 % bei weitem nicht die Teilnahmequote des Rathauses von 50 % erreicht. Deshalb war die Beklagte nicht verpflichtet, die Klägerin wie eine im Rathaus Beschäftigte zu behandeln.
d) Entgegen der Ansicht der Revision ist dieser Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung auch nicht im Verlaufe des Rechtsstreits verspätet nachgeschoben worden (vgl. dazu BAG Urteil vom 5. März 1980 – 5 AZR 881/78 – BAGE 33, 57 = AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung und Urteil vom 20. Juli 1993 – 3 AZR 52/93 – BAGE 73, 343, 350 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu 3 d der Gründe). Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, war der Grund der Ungleichbehandlung der Klägerin bereits vor der Klageerhebung erkennbar. Mit dem Ablehnungsschreiben vom 4. Januar 1996 hat die Beklagte deutlich auf das bei einer Ausweitung der Job-Ticket-Regelung zu erwartende Haushaltsdefizit hingewiesen und sich zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung auf das bei der Umfrage ermittelte unterschiedlich starke Interesse der Beschäftigten im Hauptverwaltungsgebäude und in den Außenstellen berufen.
II. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Leinemann, Friedrich, Düwell, Dr. Weiss, Benz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.08.1998 durch Brüne, Reg. Obersekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 295 |
BB 1998, 1796 |
DB 1998, 1717 |
DB 1999, 695 |
BuW 1998, 720 |
ARST 1999, 98 |
FA 1998, 326 |
FA 1999, 100 |
JR 1999, 396 |
NZA 1999, 474 |
RdA 1999, 291 |
SAE 1999, 160 |
ZAP 1998, 848 |
ZTR 1999, 227 |
AP, 0 |
AuA 1998, 355 |
MDR 1999, 616 |
PersR 1999, 182 |
GV/RP 1999, 541 |
FuBW 1999, 366 |
FuHe 1999, 488 |