Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Sonderschullehrerin. Eingruppierung einer Lehrkraft an einer Sonderschule mit einer Ausbildung zum Freundschaftspionierleiter und einem zweijährigen Fernstudium in der Fachrichtung Pädagogik der Sprachgeschädigten, das zur Führung der Berufsbezeichnung “Lehrer für Sprachgeschädigte” berechtigt
Leitsatz (amtlich)
Unter einer mindestens zweijährigen sonderpädagogischen Zusatzausbildung im Sinne der VergGr. IVb Fallgruppe 4 der TdL-Richtlinien in der Fassung des Abschnitts I Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. dd der ersten Änderung dieser Richtlinien vom 23. Januar 1992 ist ein zweijähriges Direktstudium zu verstehen. Ein zweijähriges Fernstudium reicht als sonderpädagogische Zusatzausbildung nicht aus.
Normenkette
Zweite Verordnung ü. besoldungsrechtliche Übergangsregelungen n. d. Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21.06.1991 Anl. 1 Besoldungsgruppe A 10; Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 § 2 Nr. 3; Sonderregelung für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 1 I BAT-O) Nr. 3a; Richtlinien der Tarifgemeinschaft dt. Länder (TdL) ü. d. Eingruppierung der nicht von der Anl. 1a BAT-O erfaßten Angest. v. 24.06.1991 (TdL-Richtlinien) in den Fassungen der ersten Änderung vom 23.01.1992 u. der zweiten Änderung vom 16.07.1993 Abschn. E
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin schloß im Jahr 1976 ein Fachschulstudium am Institut für Lehrerbildung in Potsdam ab. Sie erhielt damit die Befähigung zur Arbeit als Freundschaftspionierleiter sowie die Lehrbefähigung für die Fächer Deutsch/Wahlfach Musik der unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule und war berechtigt, die Berufsbezeichnung “Freundschaftspionierleiter” zu führen. Von 1976 bis 1979 war sie als Freundschaftspionierleiterin und Lehrerin an einer polytechnischen Oberschule in Potsdam tätig. Nach einer Unterbrechung ihrer beruflichen Tätigkeit wegen familiärer Verpflichtungen arbeitete sie seit 1981 als Lehrerin an der Bezirkssprachheilschule in Potsdam. Nach einem zweijährigen Fernstudium von 1987 bis 1989 an der Humboldt-Universität zu Berlin, Sektion Rehabilitationspädagogik und Kommunikationswissenschaft, in der Fachrichtung Pädagogik der Sprachgeschädigten war sie berechtigt, die Berufsbezeichnung “Lehrer für Sprachgeschädigte” zu führen.
Das beklagte Land beschäftigt die Klägerin weiterhin als Lehrerin an der Förderschule für Sprachgeschädigte in Potsdam. Die Klägerin erteilt Unterricht in den Fächern Sprachtherapie, Deutsch, Mathematik, Sport, Bewegungserziehung und Musik. Nach dem Arbeitsvertrag vom 6. Mai 1991 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990. Seit dem 1. Juli 1991 erhielt die Klägerin Vergütung nach VergGr. IVa BAT-O. Unter dem Datum vom 28. Februar 1992 erhielt die Klägerin vom Staatlichen Schulamt für die Stadt Potsdam folgendes Schreiben:
“…
im Rahmen der Festsetzung und Zahlbarmachung Ihres Gehaltes habe ich der Zentralen Bezügestelle des Landes Brandenburg bei der OFD Cottbus (ZBB) mitgeteilt, daß Ihre Gehaltsgruppe mit Wirkung
vom 01.03.92 in VGr. Vc korrigiert wird.
In Kürze erhalten Sie einen neuen Arbeitsvertrag, in dem Ihre Eingruppierung endgültig arbeitsvertraglich vereinbart wird.
…”
Nachdem die Klägerin dieser Eingruppierung mit Schreiben vom 6. März 1992 widersprochen hatte, schlossen die Parteien am 7. April 1993 einen “Änderungsvertrag für Lehrkräfte”. Dort heißt es in § 3:
“Für die Eingruppierung gilt § 2 Nr. 3 Änderung TV Nr. 1 vom 8. Mai 1991 zum BAT-O i.V.m. Abschnitt E (6) der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der nicht von der Anlage 1a zum BAT-O erfaßten Angestellten vom 24. Juni 1991 in der jeweiligen Fassung. Danach ist der/die Angestellte in der Vergütungsgruppe IVa ab 1.7.91, IVb ab 1.3.92 eingruppiert.”
Mit Schreiben vom 14. Juni 1993 teilte das Staatliche Schulamt für die Stadt Potsdam der Klägerin mit, daß in dem Änderungsvertrag für die Zeit ab dem 1. März 1992 offensichtlich die falsche VergGr. IVb eingetragen worden sei, der Änderungsvertrag für nichtig erklärt werde und die Klägerin weiterhin in VergGr. Vc BAT-O eingruppiert sei. Einen weiteren ihr von dem beklagten Land angebotenen Änderungsvertrag unterzeichnete die Klägerin nicht mehr.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe seit dem 1. März 1992 einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IVa BAT-O, hilfsweise nach VergGr. IVb BAT-O. Sie erfülle die Voraussetzungen der Besoldungsgruppen A 11 und A 10 der Anlage 1 zur zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach der Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991, die nach § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O i.V.m. § 11 Satz 2 BAT für ihre Eingruppierung in die VergGr. IVa, hilfsweise IVb BAT-O maßgebend seien. Sie sei Lehrerin mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung für untere Klassen im Unterricht der Klassen 1 bis 4 an einer allgemeinbildenden Schule und habe aufgrund ihres Fernstudiums eine zweijährige sonderpädagogische Zusatzausbildung nachgewiesen. Die Klägerin hat gemeint, ihre Eingruppierung richte sich entgegen der Ansicht des beklagten Landes nicht nach den Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder über die Eingruppierung der nicht von der Anlage 1a zum BAT-O erfaßten Angestellten vom 24. Juni 1991 i.d.F. der Ersten Änderung vom 23. Januar 1992 (TdL-Richtlinien). Aber auch bei Zugrundelegung der TdL-Richtlinien habe sie einen Anspruch auf die geltendgemachte Vergütung.
Die Klägerin beantragt:
- Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin nach der Vergütungsgruppe IVa des BAT-O ab dem 1. März 1992 zu bezahlen,
- hilfsweise,
- es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin nach der Vergütungsgruppe IVb des BAT-O ab dem 1. März 1992 zu bezahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen der Besoldungsgruppe A 10 nach der 2. BesÜV, da sie aufgrund ihrer Ausbildung zur Freundschaftspionierleiterin keine Lehrerin für untere Klassen i.S. dieser Besoldungsgruppe sei. Das sonderpädagogische Fernstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin könne nicht der pädagogischen Fachschulausbildung zum Lehrer für untere Klassen gleichgesetzt werden. Sei eine Eingruppierung unter Anwendung der 2. BesÜV nicht möglich, seien nach den tariflichen Bestimmungen die TdL-Richtlinien zur Eingruppierung heranzuziehen. Da ein zweijähriges Fernstudium nicht mit einem für die Eingruppierung nach VergGr. IVa, hilfsweise IVb BAT-O erforderlichen mindestens zweijährigen Direktstudium gleichgestellt werden könne, komme nur ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. Vc BAT-O in Betracht.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet sei, die Klägerin ab dem 1. März 1992 nach VergGr. IVb BAT-O zu vergüten. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin hat mit Zustimmung des beklagten Landes die Klage zurückgenommen, soweit sie die Zeit ab dem 1. Juli 1995 betrifft; im übrigen bittet sie um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts zur Abweisung der Klage.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß die Klägerin die Voraussetzungen für die Besoldungsgruppe A 10 erfülle, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der VergGr. IVb BAT-O entspricht. Es könne dahingestellt bleiben, ob die am Institut für Lehrerbildung absolvierte Ausbildung zum Freundschaftspionierleiter der Ausbildung zum Unterstufenlehrer entspreche, jedenfalls verfüge die Klägerin nach dem Zeugnis über den Hochschulabschluß der Humboldt-Universität zu Berlin über eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung im Sinne der Fußnote 1 zur Besoldungsgruppe A 10 der Anlage 1 zur 2. BesÜV. Als Lehrerin für Sprachgeschädigte besitze die Klägerin nicht nur die allgemeine Qualifikation als Lehrerin, sondern habe darüber hinaus eine für den Unterricht an der Sonderschule spezielle Qualifikation nachgewiesen. Auch nach den TdL-Richtlinien habe die Klägerin Anspruch auf die VergGr. IVb BAT-O.
Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen.
II. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Vergütung nach VergGr. IVb BAT-O.
1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund vertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 Anwendung. Damit richtet sich die Eingruppierung der Klägerin nach folgenden Bestimmungen:
a) § 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991
“…
3. Die Anlage 1a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die
…
als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 1 I fallen,
beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. …”
b) Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte
(SR 2 1 I BAT-O)
“Nr. 1
Zu §§ 1 und 2 – Geltungsbereich –
Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte als Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen).
…
Protokollnotiz:
Lehrkräfte im Sinne dieser Sonderregelungen sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt.
Nr. 3a
Zu §§ 22 bis 25 – Eingruppierung –
Die Lehrkräfte werden nach § 11 Satz 2 in die Vergütungsgruppen eingruppiert, die sich bei Anwendung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ergeben.
Soweit in der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung Ämter für entsprechende Lehrkräfte nicht ausgebracht sind, ist die Vergütung unter Berücksichtigung der Ausbildung der Lehrkraft auf der Grundlage der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung arbeitsvertraglich zu regeln.
…”
c) Zweite Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach der Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991 (BGBl. I S. 1345)
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Besoldungsordnungen
(1) Für Beamte an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie an Sonderschulen gilt ergänzend Anlage 1 dieser Verordnung. Nimmt ein Beamter die Funktion des Leiters einer Schule oder des ständigen Vertreters des Leiters einer Schule wahr, erhält er für die Dauer der Wahrnehmung eine Zulage. Die Zulage wird in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Grundgehalt für seine Besoldungsgruppe und dem Grundgehalt für die Besoldungsgruppe gewährt, der das höherwertige Amt zugeordnet ist. Die Zulage gehört unter den Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 des Bundesbesoldungsgesetzes zu den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen. …
…
Anlage 1
Besoldungsgruppe A 10
Lehrer
…
– als Lehrer im Unterricht an einer Sonderschule –
…
1) mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung.
2) Als Eingangsamt.
3) Soweit nicht in der Besoldungsgruppe A 11.”
d) In den Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der nicht von der Anlage 1a BAT-O erfaßten Angestellten vom 24. Juni 1991 in der Fassung der Ersten Änderung vom 23. Januar 1992 (TdL-Richtlinien) heißt es:
“E. Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis:
I. Eingruppierung
Die Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis sind nach den nachstehenden Tätigkeitsmerkmalen einzugruppieren. Soweit in den Tätigkeitsmerkmalen auf Lehrbefähigungen abgestellt wird, entscheiden die Länder darüber, ob eine in der ehemaligen DDR erworbene Lehrbefähigung als solche im Sinne dieses Abschnitts anerkannt werden kann.
a) Allgemeinbildende Schulen
…
Vergütungsgruppe IVb
1. …
2. …
3. Lehrer mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung als Lehrer für untere Klassen, die Unterricht an einer Sonderschule erteilen
4. Angestellte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung als Erzieher, Kindergärtnerin, Hortnerin, Kinderdiakon oder mit erfolgreich abgeschlossener entsprechender Ausbildung und mit einer mindestens zweijährigen sonderpädagogischen Zusatzausbildung
in der Tätigkeit von Lehrern an Sonderschulen
…
4) Hierunter fallen auch Lehrer mit mindestens zweijähriger sonderpädagogischer Ausbildung mit dem Abschluß “Diplomlehrer für Hilfsschulen”.”
2. Die Klägerin ist Lehrkraft i.S.d. tariflichen Bestimmungen, da sie an einer Sonderschule des beklagten Landes Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes vermittelt. Deshalb ist für ihre Eingruppierung nach § 2 Nr. 3 Satz 1 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O die Anlage 1a zum BAT-O nicht anzuwenden.
Die Eingruppierung erfolgt gem. § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 vielmehr in die Vergütungsgruppe, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingruppiert wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Dabei verweisen die Tarifvertragsparteien in Nr. 3a Unterabs. 1 SR 2 1 I BAT-O auf die Vorschriften der 2. BesÜV.
a) Diese tarifliche Verweisung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften ist zulässig. Die Tarifvertragsparteien tragen damit dem Umstand Rechnung, daß Angestellte und Beamte als Lehrer oft nebeneinander an derselben Schule und unter weitgehend gleichen äußeren Arbeitsbedingungen tätig sind. Dies rechtfertigt, Lehrkräften, die nach ihrer fachlichen Qualifikation und den Tätigkeitsmerkmalen als gleichwertig anzusehen sind, annähernd die gleiche Vergütung unabhängig davon zu gewähren, ob sie Beamte oder Angestellte sind. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Vierten Senats (BAG Urteil vom 24. November 1993 – 4 AZR 16/93 – AP Nr. 1 zu § 2 BAT-O; Urteile des erkennenden Senats vom 13. Juni 1996 – 6 AZR 972/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen und – 6 AZR 360/95 – nicht veröffentlicht).
b) Nach den aufgrund der tariflichen Verweisung anzuwendenden Vorschriften der 2. BesÜV kommt ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach VergGr. IVb BAT-O ab 1. März 1992 nicht in Betracht.
Der Vergütung nach VergGr. IVb BAT-O entspricht nach § 11 Satz 2 BAT-O eine Besoldung nach Besoldungsgruppe A 10. In diese Besoldungsgruppe können als Lehrer im Unterricht an einer Sonderschule nur Lehrer eingruppiert werden, die über eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung verfügen. Diese besitzt die Klägerin nicht, da sie ihr Fachschulstudium am Institut für Lehrerbildung in Potsdam als Freundschaftspionierleiter abgeschlossen hat. Die Klägerin ist deshalb nicht als “Lehrer” i.S.d. Vorschriften der 2. BesÜV anzusehen.
Freundschaftspionierleiter mit der Lehrbefähigung in einem Hauptfach und einem Wahlfach unterschieden sich nach ihrer Bezeichnung, den Einstellungsvoraussetzungen, den Ausbildungsinhalten und -zielen sowie ihren Aufgaben von den Lehrern für untere Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule in der ehemaligen DDR. Dies hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 26. April 1995 (– 4 AZR 905/93 – AP Nr. 6 zu § 11 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) unter Berücksichtigung des Ausbildungsziels, des Inhalts der Ausbildung in den Fächern Pädagogik, Erziehungstheorie, Psychologie und diagnostische Tätigkeit, insbesondere auch im Hinblick auf die Ausbildung für den Unterricht im Fach Mathematik und im Fach berufspraktische Ausbildung sowie den unterschiedlichen Voraussetzungen für die Bewerbung und Zulassung zum Studium im einzelnen ausgeführt. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an (vgl. Urteil vom 13. Juni 1996 – 6 AZR 972/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Sie wird dadurch bestätigt, daß in der ehemaligen DDR auch nach der Berufsbezeichnung zwischen “Lehrern für die unteren Klassen” einerseits und “Freundschaftspionierleitern” andererseits unterschieden wurde.
c) Ob die von der Klägerin als Freundschaftspionierleiterin erworbene Qualifikation in Verbindung mit ihrer langjährigen praktischen Erfahrung in der Unterrichtserteilung an der Förderschule für Sprachgeschädigte in Potsdam mit der in der Besoldungsgruppe A 10 geforderten Ausbildung gleichwertig ist, kann dahinstehen. Die für die Eingruppierung maßgebenden beamtenrechtlichen Vorschriften sehen Ämter für Lehrer, die über die geforderte Ausbildung nicht verfügen, aber gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen besitzen, nicht vor.
d) Für die Einstufung in die Besoldungsgruppe A 10 ist das von der Klägerin an der Humboldt-Universität zu Berlin absolvierte Fernstudium ohne Bedeutung. Die Klägerin könnte aufgrund dieser Ausbildung, wäre sie Beamtin, nicht in Besoldungsgruppe A 10 eingestuft und damit in die Vergütungsgruppe IVb BAT-O eingruppiert werden.
3. Die Klägerin hat auch nach den TdL-Richtlinien keinen Anspruch auf die begehrte VergGr. IVb BAT-O.
a) Die Richtlinien sehen Vergütung nach VergGr. IVb BAT-O für Lehrer, die, wie die Klägerin, Unterricht an einer Sonderschule erteilen, nur bei abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung vor (Fallgruppe 3). Wie oben ausgeführt, fehlt der Klägerin eine solche Ausbildung.
Unter Fußnote 4 zur Vergütungsgruppe IVb Fallgr. 3 der TdL-Richtlinien i. d. F. der Ersten Änderung vom 23. Januar 1992 fallen zwar auch Lehrer mit mindestens zweijähriger sonderpädagogischer Ausbildung mit dem Abschluß “Diplom-Lehrer für Hilfsschulen”. Einen solchen Abschluß weist die Klägerin jedoch ebenfalls nicht auf. Das Zeugnis über den Hochschulabschluß vom 24. August 1989 berechtigt die Klägerin nur, die Berufsbezeichnung “Lehrer für Sprachgeschädigte” zu führen. Den Abschluß “Diplomlehrer für Hilfsschulen” besitzt sie nicht.
b) Die Klägerin fällt auch nicht unter die Fallgr. 4 der VergGr. IVb der TdL-Richtlinien. Zu dieser Fallgruppe gehören Angestellte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung als Erzieher, Kindergärtnerin, Hortnerin, Kinderdiakon oder mit erfolgreich abgeschlossener entsprechender Ausbildung und mit einer mindestens zweijährigen sonderpädagogischen Zusatzausbildung in der Tätigkeit von Lehrern an Sonderschulen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ausbildung zur Freundschaftspionierleiterin eine im Sinne der TdL-Richtlinien “erfolgreich abgeschlossene entsprechende Ausbildung” darstellt (der Vierte Senat neigt dazu, vgl. BAG-Urteil vom 26. April 1995 – 6 AZR 905/93 – AP Nr. 6 zu § 11 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen), denn die Klägerin verfügt nicht über eine mindestens zweijährige sonderpädagogische Zusatzausbildung im Sinne der TdL-Richtlinien. Ihr zweijähriges Fernstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin von 1987 bis 1989 erfüllt dieses Tätigkeitsmerkmal nicht. Soweit in den Tätigkeitsmerkmalen eine sonderpädagogische Zusatzausbildung gefordert wird, bezieht sich diese auf die Zeiten eines Direktstudiums bzw. einer Ausbildung in Vollzeit, bei einem Fernstudium bzw. einer berufsbegleitenden Ausbildung ist die doppelte Zeit anzusetzen. Dies ergibt eine Auslegung der TdL-Richtlinien aus ihrem Sinn und Zweck und ihrem Gesamtzusammenhang.
Der Richtliniengeber hat den Begriff der “mindestens zweijährigen sonderpädagogigschen Zusatzausbildung” nicht näher erläutert und insbesondere nicht ausdrücklich geregelt, ob die geforderte Mindestausbildungszeit im Rahmen eines Direktstudiums absolviert sein muß, oder ob ein Fernstudium, das die Mindestausbildungszeit erreicht, genügt. Er hat aber durch diese Regelung – das folgt aus ihrem Zweck – ein bestimmtes qualitatives Niveau der sonderpädagogischen Zusatzausbildung sicherstellen wollen. Daraus ergibt sich, daß ein Fernstudium nur dann einem Direktstudium gleichgesetzt werden kann, wenn es die gleichen qualitativen Anforderungen beinhaltet wie dieses. Das ist aber nur der Fall, wenn das Fernstudium doppelt so lange gedauert hat wie ein Direktstudium, das zu dem gleichen Studienabschluß führt. Dies wird nicht nur dadurch bestätigt, daß der Richtliniengeber es für die Zeit ab dem 1. August 1993 durch Änderung des Abschnitts E Unterabschnitt I der TdL-Richtlinien ausdrücklich klargestellt hat. Die in dieser Weise unterschiedliche Bewertung von Direkt- und Fernstudium läßt sich bereits den Ausbildungsvorschriften der ehemaligen DDR entnehmen, an die die TdL-Richtlinien anknüpfen. Die Nichtbeachtung der dort getroffenen Unterscheidungen zwischen beiden Studienarten würde bei Anwendung der TdL-Richtlinien zu Wertungswidersprüchen führen.
In der Gemeinsamen Anweisung des Ministers für Volksbildung und des Ministers für Hochschul- und Fachschulwesen zur Ausbildung von Pädagogen für Einrichtungen des Sonderschulwesens vom 1. August 1984 (VuM Nr. 8/84 S. 117 ff.; fortan: Anweisung) wird bei Regelung der Ausbildungsgänge zwischen Direkt- und Fernstudium unterschieden. Für die Ausbildung zu Diplomlehrern bzw. Diplomerziehern und Diplomvorschulerziehern (§ 3 Abs. 1 u. Abs. 2 der Anweisung) sowie zu Diplomlehrern, Diplomerziehern und Diplomvorschulerziehern in den in § 4 Abs. 1 genannten Fachrichtungen wird jedoch ein zweijähriges Direktstudium verlangt, wenn man einmal von dem nicht auf einer Fach- oder Hochschulausbildung, sondern auf der Hochschulreife aufbauenden vierjährigen Direktstudium nach § 3 Nr. 1 Buchst. c der Anweisung absieht.
Demgegenüber wird für die Ausbildung von Lehrern und Erziehern in der Fachrichtung Pädagogik der Sprachgeschädigten (§ 4 Abs. 2 der Anweisung), wie sie die Klägerin absolviert hat, nur ein zweijähriges Fernstudium verlangt.
Aus der vergütungsmäßigen Bewertung der sonderpädagogischen Ausbildung im Rahmen der Vergütungsgruppe IVb folgt, daß in den TdL-Richtlinien, und zwar auch in der die Klarstellung noch nicht beinhaltenden Fassung, mit einer mindestens zweijährigen sonderpädagogischen Zusatzausbildung nur ein Direktstudium gemeint sein kann. Würde ein zweijähriges Fernstudium ausreichen, könnte die Klägerin mit ihrer Ausbildung in der Fachrichtung Pädagogik der Sprachgeschädigten die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe IVb Fallgr. 4 der TdL-Richtlinien erfüllen, während nach Fußnote 4 die Fallgr. 3 dieser Vergütungsgruppe von ausgebildeten Lehrern nur erreicht werden könnte, wenn diese eine mindestens zweijährige sonderpädagogische Ausbildung mit dem Abschluß “Diplomlehrer für Hilfsschulen” aufweisen, welcher nur in einem mindestens zweijährigen Direktstudium zu erreichen ist (§ 3 Abs. 1 der Anweisung). Diese Auslegung der Richtlinie würde damit nicht zu einem sachgerechten Ergebnis führen. Verstärkt würde dieser innere Wiederspruch in den Fällen, in denen als sonderpädagogische Zusatzausbildung im Sinne von Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 4 die in § 3 Nr. 3 der Anweisung geregelte Ausbildung zum Lehrer oder Erzieher für Hilfsschulen in der Fachrichtung Pädagogik der intellektuell Geschädigten zur Diskussion stünde. Diese ebenfalls auf einer Fach- oder Hochschulausbildung aufbauende Ausbildung konnte entweder in einem zweijährigen Fernstudium oder in einem einjährigen Direktstudium erfolgen. Nach dem eindeutigen Richtlinienwortlaut scheidet das einjährige Direktstudium, obwohl es dem zweijährigen Fernstudium gleichwertig ist, jedoch als Eingruppierungsmerkmal i.S.d. Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 4 aus. Auch daraus folgt, daß die mindestens zweijährige sonderpädagogische Zusatzausbildung als Direktstudium erfolgt sein muß (vgl. auch Urteil des Senats vom 13. Juni 1996 – 6 AZR 858/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen – zu Fn. 6 zur BesGr. A 11 nach Anl. 1 zur 2. BesÜV).
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, R. Hinsch, S. de Hair
Fundstellen
Haufe-Index 884837 |
BAGE, 214 |