Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtstundenermäßigung für ältere Lehrkräfte. Altersteilzeit
Orientierungssatz
- Der Ausschluss der Lehrkräfte in Altersteilzeit aus der altersabhängigen Pflichtstundenermäßigung nach § 2 Abs. 4 ErmäßigungsVO ist wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG unwirksam.
- Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bindet auch den Verordnungsgeber als untergesetzlichen Normgeber.
- Für die sachliche Rechtfertigung eines Unterscheidungskriteriums ist auf den Zweck der Leistung und nicht auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe abzustellen. Mit der Pflichtstundenermäßigung nach der ErmäßigungsVO und mit der Reduzierung der Arbeitszeit nach dem TV ATZ werden unterschiedliche Zwecke verfolgt. Die Ermäßigung aus Altersgründen wird ausschließlich zur Milderung der besonderen altersbedingten Belastungen durch den Unterricht gewährt. Die Altersteilzeit soll Auszubildenden und Arbeitslosen Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Bremen (Urteil vom 18.01.2005; Aktenzeichen 1 Sa 199/04) |
ArbG Bremen (Urteil vom 08.06.2004; Aktenzeichen 2 Ca 2303/03) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 18. Januar 2005 – 1 Sa 199/04 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine wöchentliche Pflichtstundenermäßigung aus Altersgründen bei einer Lehrkraft in Altersteilzeit.
Der am 8. Juni 1946 geborene Kläger ist bei der beklagten Stadtgemeinde als Lehrer im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Die Parteien wenden auf ihr Arbeitsverhältnis den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) an.
Mit Änderungsvertrag vom 21. März 2002 vereinbarten die Parteien auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes (AltTZG) und des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV ATZ) die Fortführung des Arbeitsverhältnisses als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Teilzeitmodell für die Zeit vom 1. August 2002 bis zum 31. Juli 2011. Nach § 2 des Altersteilzeitarbeitsvertrages beträgt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses 14 Stunden und damit die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft von 28 Pflichtstunden.
Nach § 16 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung der Arbeitszeitaufteilung für Lehrer und Lehrerinnen an öffentlichen Schulen (Lehrerarbeitszeitaufteilungsgesetz – BremLAAufG) vom 17. Juni 1997 (Brem.GBl. S. 218), zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Lehrerarbeitszeitaufteilungsgesetzes und des Bremischen Beamtengesetzes vom 25. Februar 2003 (Brem.GBl. S. 46), ist der Senator für Bildung, Wissenschaft, Kunst und Sport ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung aus Altersgründen zu bestimmen. Von der Ermächtigung wurde durch Verordnung über die Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung und die Anrechnung bestimmter Aufgaben auf die Unterrichtsverpflichtung (nachfolgend ErmäßigungsVO) vom 21. Juni 1982 (Brem.GBl. S. 179), die in ihrer ursprünglichen Fassung eine Ermächtigungsgrundlage in dem Gesetz zur Regelung der Unterrichtsverpflichtung für Lehrer an öffentlichen Schulen im Lande Bremen vom 29. März 1982 (Brem.GBl. S. 96) hatte, Gebrauch gemacht. In der vom 1. August 2000 (Brem.GBl. S. 335) bis zum 31. Juli 2005 geltenden Fassung lautet § 2 der ErmäßigungsVO wie folgt:
Ҥ 2
Unterrichtsermäßigung aus Altersgründen
(1) Die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung der vollbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrer (Regelpflichtstunden) – einschließlich der Teilzeitbeschäftigten mit einer Reduzierung um bis zu zwei Wochenstunden – ermäßigt sich
1. von dem auf die Vollendung des 55. Lebensjahres folgenden Schuljahr an um eine Wochenstunde,
2. von dem auf die Vollendung des 58. Lebensjahres folgenden Schuljahr an um zwei Wochenstunden
sofern diese Lehrerinnen und Lehrer ausschließlich durch Unterrichtstätigkeit beschäftigt sind.
(2) Die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung der teilzeitbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrer mit mindestens den halben Regelpflichtstunden ermäßigt sich
1. von dem auf die Vollendung des 55. Lebensjahres folgenden Schuljahr an um eine halbe Wochenstunde,
2. von dem auf die Vollendung des 58. Lebensjahres folgenden Schuljahr an um eine Wochenstunde,
sofern diese Lehrerinnen und Lehrer ausschließlich durch Unterrichtstätigkeit beschäftigt sind.
(3) Stundenermäßigungen aus den anderen in dieser Verordnung genannten Gründen oder aus sonstigen Gründen werden angerechnet.
(4) Die Unterrichtsermäßigung aus Altersgründen nach dieser Verordnung wird nicht für diejenigen Lehrerinnen und Lehrer gewährt, die nach den Vorschriften des Beamtengesetzes oder den entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen Teilzeitbeschäftigung aus Altersgründen in Anspruch nehmen.”
Durch Verordnung vom 20. Juli 2005 (Brem.GBl. S. 371), in Kraft getreten am 1. August 2005, wurde die ErmäßigungsVO wie folgt geändert:
“1. § 2 wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 1 Nr. 1 und in Absatz 2 Nr. 1 wird jeweils die Zahl ‘55’ durch die Zahl ‘58’ ersetzt.
b) In Absatz 1 Nr. 2 und in Absatz 2 Nr. 2 wird jeweils die Zahl ‘58’ durch die Zahl ‘60’ ersetzt.
2. Nach § 7 wird folgender neuer § 7a eingefügt:
Ҥ 7a
Übergangsregelung
Für die am 31. Juli 2005 vorhandenen Lehrerinnen und Lehrer, die die Altersgrenzen nach § 2 in der am 31. Juli 2005 geltenden Fassung bereits erreicht haben, bleibt die Ermäßigung der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung in der bisher geltenden Höhe gewahrt.”
In Nr. 3 der Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2I I BAT) heißt es:
“Die §§ 15, 16, 16a, 17, 34 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 und Unterabs. 2 und § 35 finden keine Anwendung. Es gelten die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten. Sind entsprechende Beamte nicht vorhanden, so ist die Arbeitszeit im Arbeitsvertrag zu regeln.”
Die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung einer dem Kläger vergleichbaren in Vollzeit beschäftigten Lehrkraft beträgt nach dem BremLAAufG 28 Stunden.
In der Präambel des TV ATZ heißt es:
“Die Tarifvertragsparteien wollen mit Hilfe dieses Tarifvertrages älteren Beschäftigten einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen und dadurch vorrangig Auszubildenden und Arbeitslosen Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnen.”
Mit Schreiben vom 24. Januar 2003 beantragte der Kläger erfolglos die Ermäßigung der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung aus Altersgründen.
Mit seiner am 19. Dezember 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht der Kläger rückwirkend zum 1. August 2002 einen Anspruch auf altersbedingte Pflichtstundenermäßigung geltend.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Ausschluss von Lehrkräften in der Altersteilzeit von der Pflichtstundenermäßigung nach § 2 Abs. 4 ErmäßigungsVO verstoße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sowie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Er hat beantragt
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab 1. August 2002 die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung um eine halbe Wochenstunde und ab 1. August 2004 um eine Wochenstunde zu ermäßigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Ausnahmeregelung in § 2 Abs. 4 ErmäßigungsVO für Lehrkräfte in Altersteilzeit sei mit höherrangigem Recht vereinbar.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der von dem Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin ihren Klageabweisungsantrag.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat entgegen der Auffassung der Revision Anspruch auf altersabhängige Pflichtstundenermäßigung.
I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Die Parteien streiten über den Inhalt ihres Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO, nämlich den zeitlichen Umfang der vom Kläger wöchentlich zu leistenden Unterrichtsstunden ab dem 1. August 2002. Das erforderliche besondere Feststellungsinteresse ist gegeben. Eine vorrangige Erhebung einer Leistungsklage kommt für das Rechtsschutzziel des Klägers nicht in Betracht. Denn nach § 2 ErmäßigungsVO ermäßigt sich die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung der vollbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrer bereits mit Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen, ohne dass es eines Gestaltungsakts des Arbeitgebers bedarf. Soweit der Kläger die Feststellung für zurückliegende Zeiträume begehrt, besteht ebenfalls ein Feststellungsinteresse. Denn der Kläger erbrachte bei Begründetheit seiner Klage in der Vergangenheit zu viele Unterrichtsstunden. Das kann noch gegenwärtige und künftige Rechtsfolgen etwa bei der Vergütung haben.
II. Die Klage ist begründet. Die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung des Klägers hat sich nach § 2 Abs. 2 ErmäßigungsVO ab dem 1. August 2002 um eine halbe Wochenstunde und ab dem 1. August 2004 um eine Wochenstunde ermäßigt. Dieser Anspruch bleibt nach dem 1. August 2005 wegen der Übergangsregelung gemäß § 7a ErmäßigungsVO idF vom 20. Juli 2005 erhalten.
1. Die ErmäßigungsVO findet auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien Anwendung. Nach Nr. 3 iVm. Nr. 1 Abs. 1 der Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte zum BAT (SR 2I I BAT) gelten ua. hinsichtlich der Arbeitszeit für Angestellte als Lehrkräfte an allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen die Bestimmungen für entsprechende Beamte. Eine solche Verweisung ist zulässig (BAG 17. Mai 2000 – 5 AZR 783/98 – BAGE 94, 360).
2. Der Kläger erfüllt auch die Anspruchsvoraussetzungen für die Pflichtstundenermäßigung nach § 2 Abs. 2 ErmäßigungsVO. Er ist mit den halben Regelpflichtstunden in Teilzeit beschäftigt. Denn seine wöchentliche Unterrichtsverpflichtung beträgt 14 Stunden gegenüber der Regelunterrichtsverpflichtung von 28 Stunden bei einer vergleichbaren in Vollzeit beschäftigten Lehrkraft. Der am Juni 1946 geborene Kläger hatte die maßgeblichen Altersgrenzen von 55 und 58 Jahren vor Beginn des neuen Schuljahres am 1. August jeweils im Jahr 2002 und 2004 erreicht. Nach § 7a ErmäßigungsVO bleibt für den Kläger, der die Altersgrenzen nach § 2 in der am 31. Juli 2005 geltenden Fassung der Verordnung bereits erreicht hat, die Ermäßigung in der bisher geltenden Höhe erhalten.
3. Dem Anspruch steht entgegen der Auffassung der Revision nicht die Ausschlussregelung nach § 2 Abs. 4 ErmäßigungsVO entgegen. Danach wird die Unterrichtsermäßigung aus Altersgründen nicht für diejenigen Lehrerinnen und Lehrer gewährt, die nach den Vorschriften des Beamtengesetzes oder den entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen eine Teilzeitbeschäftigung aus Altersgründen in Anspruch nehmen. Diese Benachteiligung der angestellten Lehrkräfte in Altersteilzeit im Teilzeitmodell gegenüber anderen teilzeitbeschäftigten Lehrkräften verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bindet den untergesetzlichen Normgeber, vorliegend den Verordnungsgeber oder die Tarifvertragsparteien. Deshalb ist es unerheblich, ob § 2 Abs. 2 und 4 ErmäßigungsVO unmittelbar für angestellte Lehrer gilt oder erst über Nr. 3 der Sonderregelung 2I I zum BAT Eingang in deren Arbeitsverhältnisse findet. Bei einem Verstoß gegen Art. 3 GG kann sich der öffentliche Arbeitgeber in keinem dieser Fälle darauf berufen, er vollziehe lediglich die betreffende Norm (vgl. BAG 16. Januar 2003 – 6 AZR 222/01 – BAGE 104, 250 zu § 4 TzBfG).
b) Allein aus der Ungleichbehandlung vergleichbarer Fallgruppen folgt noch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist zusätzlich erforderlich, dass die Ungleichbehandlung nicht in ausreichendem Maß gerechtfertigt werden kann. Eine strenge Prüfung ist nach der Rechtsprechung des BVerfG bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen geboten. Dabei geht es um die Ungleichbehandlung personenbezogener Merkmale, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Benachteiligten den begünstigenden Sachverhalt in ihrer Person nicht oder nur schwer erfüllen können, was etwa bei der Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten der Fall ist. Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Demgegenüber verstößt eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung nur dann gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache oder sonst wie einleuchtender Grund für die jeweilige Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. BVerfG 30. Mai 1990 – 1 BvL 2/83 – BVerfGE 82, 126; 11. Januar 1995 – 1 BvR 892/88 – BVerfGE 92, 53; BAG 27. Mai 2004 – 6 AZR 129/03 – AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 5 = EzA GG Art. 3 Nr. 101, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Demgegenüber ist es nicht Sache der Gerichte zu prüfen, ob der Gesetzgeber – und das gilt entsprechend für den Verordnungsgeber – jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hat (vgl. BVerfG 31. Mai 1988 – 1 BvL 22/85 – BVerfGE 78, 232; BAG 9. Juni 1982 – 4 AZR 247/80 – BAGE 39, 124; 18. September 1991 – 5 AZR 620/90 – AP GG Art. 3 Nr. 192 = EzA GG Art. 3 Nr. 31).
Vorliegend handelt es sich um eine unterschiedliche Behandlung von Personengruppen, für die der strengere Prüfungsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG gilt. Es wird die Gruppe der Altersteilzeitarbeitnehmer im Gegensatz zur vergleichbaren Gruppe der sonstigen Teilzeitarbeitnehmer von der Unterrichtsermäßigung ausgenommen.
c) Der Ausschluss der Gruppe der Altersteilzeitarbeitnehmer lässt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht damit rechtfertigen, den Mitarbeitern in Altersteilzeit werde ebenfalls aus Altersgründen bereits eine Verkürzung ihrer Arbeitszeit – sei es durch Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit im Teilzeitmodell oder durch Verkürzung der Arbeitphase um eine bestimmte Zeit im Blockmodell – gewährt. Die mit der Altersteilzeit nach dem TV ATZ und die mit der Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung bei Erreichen eines bestimmten Alters verfolgten Ziele sind nicht vergleichbar.
aa) Für die Frage der sachlichen Rechtfertigung eines Unterscheidungskriteriums ist auf den Zweck der Leistung und nicht auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe abzustellen (Senat 8. August 2000 – 9 AZR 517/99 –; 27. Oktober 1998 – 9 AZR 299/97 – BAGE 90, 85). Der Leistungszweck, der der Pflichtstundenermäßigung nach § 2 ErmäßigungsVO zugrunde liegt, rechtfertigt keinen Ausschluss der Lehrkräfte in Altersteilzeit. Die Zwecke von Pflichtstundenermäßigung nach der ErmäßigungsVO und der Reduzierung der Arbeitszeit nach dem TV ATZ sind vollkommen verschieden.
(1) Der Zweck der Pflichtstundenermäßigung aus Altersgründen ergibt sich aus § 2 Abs. 1 und Abs. 2 ErmäßigungsVO. Danach werden die Stundenermäßigungen ausschließlich für die altersbedingten Belastungen im Unterricht gewährt. Die Regelung knüpft erkennbar an die Situation älterer Lehrkräfte bei Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung an. Diese Belastungen durch die Unterrichtstätigkeit sind nicht deshalb unterschiedlich, weil Lehrkräfte mit derselben Pflichtstundenzahl ihre Tätigkeit einmal auf Basis eines normalen Teilzeitarbeitsvertrages und einmal auf Basis eines Altersteilzeitarbeitsvertrages erbringen. Lehrkräfte in Altersteilzeit im Teilzeitmodell unterscheiden sich von Lehrkräften in normaler Teilzeit nicht in Art und Dauer der geschuldeten Tätigkeit. Beide Arbeitnehmergruppen werden gleichermaßen altersbedingt erschwert durch die Unterrichtsverpflichtung von 14 Stunden wöchentlich in Anspruch genommen (vgl. Senat 21. Januar 2003 – 9 AZR 4/02 – BAGE 104, 272).
(2) Aus dem AltTZG ergeben sich andere Zwecke. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll die sog. Frühverrentung zwecks Erleichterung des Personalabbaus und personeller Umstrukturierungen eingeschränkt werden (vgl. BT-Drucks. 13/4336 S. 14). Das AltTZG soll für Unternehmen und Arbeitnehmer über das Instrument der Gewährung von Förderungsleistungen durch die Bundesagentur für Arbeit einen Anreiz schaffen, die bisher übliche planmäßige Entlassung in die Arbeitslosigkeit zu vermeiden und stattdessen durch eine Reduzierung der Arbeitszeit den Weg eines “gleitenden” Ausscheidens aus dem Erwerbsleben zu wählen. Zugleich sollte durch die Pflicht zur Einstellung eines arbeitslosen Arbeitnehmers oder eines Arbeitnehmers nach Abschluss der Ausbildung eine Entlastung des Arbeitsmarktes erreicht werden. Dem AltTZG liegt damit das Konzept der Förderung von arbeitsmarktentlastender Altersteilzeitarbeit zugrunde (vgl. Boecken NJW 1996, 3386 f.).
bb) Die finanzielle Besserstellung der Altersteilzeitmitarbeiter rechtfertigt die unterschiedliche Behandlung gegenüber Teilzeitmitarbeitern mit derselben Stundenzahl ebenso wenig. Das hat der Senat bereits für eine vergleichbare Regelung in den Verwaltungsvorschriften zur Arbeitszeit der Lehrkräfte in Brandenburg vom 25. August 2000 entschieden (Senat 21. Januar 2003 – 9 AZR 4/02 – BAGE 104, 272).
(1) Altersteilzeitmitarbeiter erhalten im Vergleich zu sonstigen Teilzeitarbeitnehmern insoweit eine höhere Vergütung, als sie zusätzlich zu ihrem Entgelt nach Maßgabe der reduzierten Arbeitszeit Anspruch auf Aufstockungsleistungen haben. Diese Leistungen sind jedoch nicht Zweck der Altersteilzeitarbeit. Sie sollen vielmehr nur einen Anreiz bieten, eine Altersteilzeitvereinbarung zu schließen, um damit Beschäftigungsmöglichkeiten für Auszubildende und Arbeitslose zu eröffnen (Senat 21. Januar 2003 – 9 AZR 4/02 – BAGE 104, 272). Der Aufstockungsbetrag wird dem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen (§ 3 AltTZG) in der gesetzlichen Mindesthöhe von der Bundesagentur für Arbeit erstattet. Letztlich handelt es sich um eine von der in der Arbeitslosenversicherung zusammengeschlossenen Versichertengemeinschaft gezahlte “Prämie” an den Arbeitnehmer dafür, dass er durch den Übergang in die Altersteilzeitarbeit einen Arbeitsplatz frei macht und damit zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beiträgt (Rolfs in Hanau/Rolfs Insolvenzschutz von Wertguthaben S. 31, 49). Die Besserstellung von Altersteilzeitmitarbeitern durch Zahlung des Aufstockungsbetrages steht mit der Belastung der Lehrkräfte im Unterricht in keinem Zusammenhang. Denn der mit der Zahlung verfolgte Zweck dient nicht dazu, die altersbedingten Belastungen im Unterricht zu mildern.
(2) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 21. April 2005 (– 2 B 153/04 – zum Ausschluss von beamteten Lehrkräften) begründen diese den Lehrkräften in Altersteilzeit gewährten finanziellen Vorteile auch keine so bedeutenden Unterschiede zwischen den Personengruppen, dass die Ausschlussregelung weder als willkürlich noch als sachwidrig angesehen werden kann. Denn die Inanspruchnahme von Altersteilzeit ist nicht lediglich vorteilhaft. Der Altersteilzeitarbeitnehmer muss regelmäßig eine zeitlich frühere Beendigung seines Arbeitsverhältnisses hinnehmen. Nach § 5 Abs. 1 Ziff. 2 und Ziff. 3 AltTZG endet das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vorzeitig bei Anspruch auf eine ungekürzte Rente wegen Alters oder auf vergleichbare Leistungen. Dem entspricht § 9 Abs. 2 TV ATZ. Danach endet das Altersteilzeitarbeitsverhältnis bereits vor dem nach § 9 Abs. 1 TV ATZ zu vereinbarenden Zeitpunkt, wenn der Arbeitnehmer eine der in § 9 Abs. 2 Buchst. b TV ATZ aufgeführten Renten oder sonstigen Leistungen bezieht oder die in § 9 Abs. 2 Buchst. a TV ATZ genannten Leistungen beanspruchen kann.
cc) Die Ungleichbehandlung lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, die Lehrkräfte in der Altersteilzeit würden doppelt begünstigt, weil sich ihre Arbeitszeit schon nach der Altersteilzeitvereinbarung reduziere und die Stundenermäßigung nach der Verordnung hinzutrete. Eine solche doppelte Reduzierung der Arbeitszeit gilt auch für sonstige Teilzeitkräfte, die ihre Pflichtstundenzahl vereinbarungsgemäß reduziert haben. Diese erhalten dennoch die altersbedingte Stundenermäßigung (Senat 21. Januar 2003 – 9 AZR 4/02 – BAGE 104, 272).
dd) Die Revision beruft sich erfolglos darauf, aus dem Gesetzgebungsverfahren zur Altersteilzeitregelung nach § 71b Abs. 1 des Bremischen Beamtengesetzes (Bürgerschafts- Drucks. 14/1327 S. 8) ergebe sich, dass die Ausschlussregelung für Arbeitnehmer in Altersteilzeit mit dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Einklang stehe, da der Bremische Senat mitgeteilt habe, dass neben der Inanspruchnahme von Altersteilzeit andere Arbeitszeitermäßigungen oder Unterrichtsermäßigungen, zB nach § 2 der Verordnung über die Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung nicht gewährt würden.
Dies ändert nichts an der eigenen Bindung des Verordnungsgebers an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Verordnungsgeber ist durch den Gleichheitssatz unter Umständen an Differenzierungen gehindert, die durch Wortlaut und Inhalt der Ermächtigung an sich noch gedeckt wären (BVerfG 21. Februar 1957 – 1 BvR 241/56 – BVerfGE 6, 273; BAG 30. September 1998 – 5 AZR 18/98 – AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 70 = EzA BeschFG 1985 § 2 Nr. 58).
4. Der Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG führt zur Unwirksamkeit der Ausschlussregelung des § 2 Abs. 4 ErmäßigungsVO. Damit hat der Kläger Anspruch auf die in § 2 Abs. 2 ErmäßigungsVO geregelte Unterrichtsermäßigung. Der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber hat bei dem Verstoß einer Verordnung gegen Art. 3 Abs. 1 GG die leistungsgewährenden Bestimmungen einer Verordnung auf diejenigen Personen zu erstrecken, die entgegen dem Gleichheitssatz von den Leistungen ausgeschlossen werden. Dies gilt zumindest dann, wenn wie hier nach dem Willen des Normgebers die Vergünstigung den Beschäftigten auf jeden Fall zugute kommen soll (vgl. BAG 30. September 1998 – 5 AZR 18/98 – AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 70 = EzA BeschFG 1985 § 2 Nr. 58).
III. Die Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Revision gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Düwell, Böck, Krasshöfer, Gosch
Der ehrenamtliche Richter Dr. Starke ist ausgeschieden. Er ist an der Unterschrift verhindert.
Böck
Fundstellen