Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung. Lehrerin für „Textgestaltung mit PC” an beruflichen Schulen
Normenkette
BAT §§ 22, 23 Lehrer
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. Juni 1999 – 18 Sa 2636/98 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Diese absolvierte nach Abschluß der Volksschule eine dreijährige kaufmännische Ausbildung. Anschließend war sie in der chemischen Industrie als Sachbearbeiterin tätig. Am 20. November 1976 legte sie die Prüfung mit dem Abschluß „geprüfte Sekretärin” ab. Am 15. April 1980 bestand sie die Prüfung zur staatlich geprüften Lehrerin für Kurzschrift.
Seit dem 4. September 1981 ist die Klägerin als Lehrerin im Schuldienst des beklagten Landes an den kaufmännischen Schulen in B. tätig.
Im Arbeitsvertrag vom 17. August/15. September 1981 in Verbindung mit dem Änderungsvertrag vom 16. August 1983 haben die Parteien vereinbart, daß auf das Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und die zur Änderung und Ergänzung dieses Tarifvertrages abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung finden. Im Arbeitsvertrag war als Vergütung der Klägerin eine solche nach der VergGr. V b BAT angegeben. Ab dem 1. September 1987 erhält die Klägerin Vergütung nach der VergGr. IV b BAT.
Beide Parteien gehen davon aus, daß der Runderlaß des Kultusministers des beklagten Landes vom 20. November 1981 über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrer an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, die die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht erfüllen (im folgenden nur: Runderlaß) in seiner ursprünglichen Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.
Die Klägerin wurde als Fachlehrerin für „Kurzschrift und Maschinenschreiben” eingesetzt. Durch die Neuordnung der Berufe im kaufmännischen Bereich fiel das Fach „Kurzschrift und Maschinenschreiben” als eigenständiges Unterrichtsfach weg. Deshalb wurde die Klägerin in der Folgezeit überwiegend zur Vermittlung des Tastenschreibens und der Textgestaltung/Textverarbeitung an elektronischen Schreibmaschinen und Computern eingesetzt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts unterscheidet sich der Unterrichtsinhalt des Faches Textverarbeitung nicht wesentlich von dem des Faches Maschinenschreiben.
Die Klägerin nahm an verschiedenen Fortbildungsveranstaltungen teil, u.a. im Bereich Textverarbeitung/Textautomation.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 1997 begehrte die Klägerin die Höhergruppierung in die VergGr. IV a BAT ab 1. Juni 1997. Das beklagte Land lehnte mit Schreiben vom 31. März 1998 das Höhergruppierungsbegehren der Klägerin ab. Mit ihrer Klage macht die Klägerin nunmehr Vergütung nach der VergGr. III BAT ab 1. November 1997 und Vergütung nach der VergGr. IV a BAT für den Zeitraum 1. Juni bis 31. Oktober 1997 geltend.
Die Klägerin meint, zutreffend wäre sie in die VergGr. III BAT eingruppiert. Im Hinblick auf die tarifvertragliche Ausschlußfrist verlange sie jedoch für den Zeitraum vom 1. Juni bis 31. Oktober 1997 nur die Vergütung nach der VergGr. IV a BAT. Die begehrte Vergütung stehe ihr nach dem Runderlaß zu. Die von ihr unterrichteten Fächer seien wissenschaftliche Fächer im Sinne der Fallgruppe 4.5 des Runderlasses. Das Kultusministerium des beklagten Landes habe in einem Schreiben vom 22. Oktober 1992 festgestellt, daß im Bereich der kaufmännischen Berufsschulen alle Fächer wissenschaftliche Fächer seien. Auch sei das Fach „Textgestaltung mit PC” als Teildisziplin der wissenschaftlichen Hochschulausbildung der Lehrer im Bereich Informatik anzusehen.
Die Klägerin beantragt
- festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, sie ab dem 1. November 1997 aus der VergGr. III BAT zu vergüten,
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, sie in der Zeit vom 1. Juni 1997 bis 31. Oktober 1997 aus der VergGr. IV a BAT zu vergüten,
hilfsweise
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, sie ab dem 1. Juni 1997 aus der VergGr. IV a BAT zu vergüten, also auch über den 1. November 1997 hinaus,
- festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, die Nettodifferenzbeträge zwischen der VergGr. IV b BAT und der VergGr. IV a BAT für den Zeitraum 1. Juni 1997 bis 31. Oktober 1997 mit 4 % ab Rechtshängigkeit zu verzinsen,
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, die jeweiligen Nettodifferenzbeträge zwischen der VergGr. IV a BAT und der VergGr. III BAT ab jeweiliger Fälligkeit, frühestens jedoch ab Rechtshängigkeit mit 4 % zu verzinsen,
hilfsweise
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, die jeweiligen Nettodifferenzbeträge zwischen der Vergütung aus der VergGr. IV b und der VergGr. IV a BAT ab jeweiliger Fälligkeit frühestens ab Rechtshängigkeit auch über den 1. November 1997 hinaus mit 4 % zu verzinsen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es vertritt die Auffassung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Vergütung. Sie sei weiterhin nur als Fachlehrerin tätig und werde nicht überwiegend als Lehrerin für wissenschaftliche Fächer eingesetzt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, während das beklagte Land die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Ihr steht weder eine Vergütung nach der VergGr. IV a BAT noch eine solche nach der VergGr. III BAT zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Höhergruppierung. So könne sie ihr Begehren nicht auf die Fallgruppe 4.5 des Runderlasses stützen. Sie erfülle lediglich die Tätigkeitsmerkmale der Fallgruppe 5.2 dieses Erlasses. Dadurch, daß die Klägerin anstelle des Faches Maschinenschreiben nunmehr das Fach „Textverarbeitung” unterrichte, habe sich ihre Stellung als Fachlehrerin nicht geändert. Der Unterrichtsinhalt dieses Faches unterscheide sich nicht wesentlich von dem des Faches „Maschinenschreiben”. Im weiteren Sinne des Wortes erteile die Klägerin weiterhin Unterricht in „Maschinenschreiben” in technisch angepaßter Form mit dem PC als Schreibmaschine. Ziel des Unterrichtes sei vor allen Dingen die Vermittlung des Textschreibens sowie die Textgestaltung. Dabei handele es sich nicht um die Unterrichtung eines wissenschaftlichen Faches.
Dem Landesarbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu folgen.
II. Der Klägerin steht auf Grund des Runderlasses die begehrte Vergütung nach der VergGr. III BAT für die Zeit ab 1. November 1997 und die Vergütung nach der VergGr. IV a BAT für den Zeitraum 1. Juni 1997 bis 31. Oktober 1997 nicht zu.
1. Die Eingruppierung der Klägerin richtet sich nach dem Runderlaß des beklagten Landes. Die Parteien haben – wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat – die Anwendbarkeit dieses Erlasses in der ursprünglichen Fassung vereinbart. Diese Feststellung des Landesarbeitsgerichts entspricht auch dem übereinstimmenden Sachvortrag beider Parteien in der Revisionsinstanz.
2. Ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach der VergGr. III BAT bzw. der VergGr. IV a BAT ergibt sich nicht aus dem Runderlaß.
a) Folgende Fallgruppen dieses Erlasses kommen für die Eingruppierung der Klägerin in Frage:
„4. Lehrer an Gymnasien
…
4.5 Lehrer in der Tätigkeit von Studienräten oder ohne Ausbildung nach den Fallgruppen 4.2, 4.3 oder 4.4 mit anderweitiger Ausbildung, die über wiegend Unterricht in einem wissenschaftlichen Fach erteilen IV a
nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe III
…
5. Lehrer an beruflichen Schulen
…
5.2 Lehrer
in der Tätigkeit von Fachlehrern oder Werkstattlehrern
V b
nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe IV b
Die übrigen Lehrer werden wie die entsprechenden Lehrer an Gymnasien eingruppiert.
…”
b) Für die Klägerin ist die Fallgruppe 5.2 des Runderlasses einschlägig. Sie ist Lehrerin an einer beruflichen Schule in der Tätigkeit von Fachlehrern. Da somit die Tätigkeit der Klägerin von einem bestimmten Tätigkeitsmerkmal des Runderlasses erfaßt wird, kann die Fallgruppe 4.5 des Runderlasses, die sich auf Lehrer an Gymnasien bezieht, zugunsten der Klägerin keine Anwendung finden. Dies ist durch Satz 2 der Fallgruppe 5.2 ausdrücklich klargestellt, in dem es heißt: Die „übrigen Lehrer” werden wie die entsprechenden Lehrer an Gymnasien eingruppiert (so auch BAG 6. September 1989 – 4 AZFt 302/89 – ZTR 1990, 26).
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind arbeitsvertraglich in Bezug genommene Erlasse nach den Regeln des Verwaltungsrechts auszulegen. Danach ist der wirkliche Wille des Erlaßgebers zu erforschen, wobei der Gesamtzusammenhang der Regelungen der einzelnen Erlasse ein wichtiges Auslegungskriterium darstellt (BAG 6. September 1989 a.a.O.; 18. Mai 1994 – 4 AZR 524/93 – BAGE 77, 23).
bb) Der Begriff des Fachlehrers wird in dem Runderlaß nicht definiert. Generell sind „Fachlehrer” im Sprachgebrauch „Lehrer für bestimmte Lehrfächer” (Wahrig Deutsches Wörterbuch 6. Aufl. S 456). Im Berufsschulbereich existiert eine Zweiteilung der Gruppe der Lehrkräfte in Berufsschullehrer für den berufstheoretischen und berufsnahen allgemeinbildenden Unterricht und in Berufsschullehrer für den berufspraktischen Unterricht in Schulwerkstätten, Lehrbauhöfen, Übungskontoren/-büros, Schulküchen, Laborräumen, Demonstrationswerkstätten u.ä. (Lehrkräfte für Fachpraxis im beruflichen Schulwesen) (Bundesanstalt für Arbeit Blätter zur Berufskunde Lehrer/Lehrerin für Fachpraxis im beruflichen Schulwesen 2 – III B 31 S 23 ff.). In den alten Bundesländern wurden die Lehrer für Fachpraxis im beruflichen Schulwesen sehr unterschiedlich ausgebildet, besoldet und benannt (Blätter zur Berufskunde a.a.O. S 30). Zur genaueren Bestimmung ist hier das Landesrecht heranzuziehen, da Schulrecht im wesentlichen Landesrecht ist. Beim beklagten Land sind diese Lehrkräfte in drei Gruppen unterteilt, nämlich in Fachlehrer/Werkstattlehrer, Fachlehrer für Kurzschrift und Maschinenschreiben und Technische Lehrer. Diese Unterscheidung gilt unabhängig davon, ob die Lehrer als Beamte oder als Angestellte beschäftigt werden (Blätter zur Berufskunde a.a.O. S 31 und 74 ff.; vgl. für die Zuordnung der Lehrkräfte für Kurzschrift und Maschinenschreiben zu den Fachlehrern auch: Heckel/Avenarius Schulrechtskunde 6. Aufl. S 193).
Die Kultusministerkonferenz der Länder definiert den Begriff des „Fachlehrers” an berufsbildenden Schulen wie folgt: „Lehrkräfte, die neben den an wissenschaftlichen Hochschulen ausgebildeten Lehrern auf der Basis einer berufspraktischen Ausbildung als „Lehrer für Fachpraxis” im beruflichen Schulwesen tätig sind. Diese Lehrkräfte sollen an beruflichen Schulen Fertigkeiten für die praktische Grund- und Fachbildung vermitteln” (Fachlehrer an berufsbildenden Schulen, Rahmenordnung für die Ausbildung und Prüfung der Lehrer für Fachpraxis im beruflichen Schulwesen vom 6. Juli 1973, Mitteilungen und Informationen des Sekretariats der Kultusministerkonferenz vom 11. September 1973; vgl. Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung Materialien zur Aus- und Weiterbildung des Ausbildungspersonals im Sekundarbereich II S 151).
Nach diesen Grundsätzen ist die Klägerin Fachlehrerin im Sinne der Fallgruppe 5.2 des Runderlasses.
Sie ist staatlich geprüfte Lehrerin für Kurzschrift und wurde zunächst als Fachlehrerin für „Kurzschrift und Maschinenschreiben” eingesetzt. Durch die Neuordnung der Berufe im kaufmännischen Bereich fiel das Fach „Kurzschrift und Maschinenschreiben” als eigenständiges Unterrichtsfach weg. Die Klägerin wurde deshalb in der Folgezeit überwiegend als Lehrerin für die Unterrichtung in Textgestaltung/Textverarbeitung mittels Computern eingesetzt. Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, unterscheidet sich der Unterrichtsinhalt des Faches „Textverarbeitung” nicht wesentlich von dem Unterrichtsinhalt des Faches „Maschinenschreiben”. Diese Feststellung ist nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen worden und somit für das Revisionsgericht bindend, § 561 Abs. 2 ZPO. Damit hat sich – wie auch das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat – durch die Ersetzung des Faches „Maschinenschreiben” durch das Fach „Textverarbeitung” das Aufgabengebiet der Klägerin nicht wesentlich verändert. Sie ist deshalb nach wie vor wie eine Fachlehrerin für Kurzschrift und Maschinenschreiben tätig, auch wenn das von ihr unterrichtete Fach durch die Verwendung des PC in technischer Hinsicht an das Computerzeitalter angepaßt worden ist.
Zudem ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten im Bereich der Textgestaltung/Textverarbeitung mittels PC auch deshalb zu den berufspraktischen Fächern zu zählen, weil dadurch Fertigkeiten vermittelt werden, welche im heutigen Berufsleben allgemein zur Grundbildung gehören. Die Klägerin wird mithin nach wie vor für die praktische Ausbildung in einem bestimmten Bereich eingesetzt, der entsprechend dem jetzigen Sprachgebrauch als „Textgestaltung/Textverarbeitung mit PC” bezeichnet wird. Deshalb ist die Klägerin nicht als Berufsschullehrerin für den berufstheoretischen bzw. berufsnahen allgemeinbildenden Unterricht tätig und unterrichtet somit kein wissenschaftliches Fach.
Ein Fach könnte in einem Bundesland allerdings im Einzelfall auch auf Grund eines entsprechenden Erlasses des zuständigen Landesministers als „wissenschaftliches Fach” angesehen werden (vgl. BAG 18. Mai 1994 – 4 AZR 524/93 – BAGE 77, 23). Insoweit verweist die Klägerin auf ein Schreiben des Kultusministeriums des beklagten Landes vom 22. Oktober 1992 an den Regierungspräsidenten in Münster. Darin wird auf einen Einzelfall bezogen (die dortige Lehrkraft unterrichtete das Fach Labortechnologie) ausgeführt, daß im Bereich der kaufmännischen Berufsschulen alle Fächer wissenschaftliche Fächer seien. Aus dieser einzelfallbezogenen, den Bereich der Textverarbeitung/Textgestaltung mit PC nicht konkret nennenden Erklärung kann für die Auffassung der Klägerin schon deshalb nichts hergeleitet werden, weil dieses Schreiben nicht den Charakter eines Erlasses hat.
3. Da die Klägerin zutreffend nach der Fallgruppe 5.2 des Runderlasses wegen ihrer über sechsjährigen Bewährung in die VergGr. IV b BAT eingruppiert ist, ergibt sich für sie somit auch kein Anspruch auf die hilfsweise geltend gemachte Eingruppierung in die VergGr. IV a BAT für die Zeit über den 1. November 1997 hinaus.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Dr. Jobs, Böck, Schlaefke, Schmidt
Fundstellen
Haufe-Index 1532026 |
ZTR 2001, 225 |