Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsstufenberechnung und Übergangsregelung
Leitsatz (amtlich)
1. Die für u.a. vom Sender RIAS Berlin übernommenen Mitarbeiter nach § 3 Abs. 4 Überleitungstarifvertrag vom 30. August/16. September 1993 (ÜTV) vorzunehmende Berechnung des Termins für die nächste Stufensteigerung innerhalb der Vergütungsgruppe verliert ihre Gültigkeit, wenn der in das Tarifwerk der Deutschen Welle eingegliederte Arbeitnehmer wegen später erfolgter Übertragung einer anderen Tätigkeit in eine höhere Vergütungsgruppe eingruppiert ist.
2. Die Berechnung der zutreffenden Vergütungsstufe des Arbeitnehmers in der neuen Vergütungsgruppe richtet sich in diesem Fall nicht nach den Sonderregelungen des ÜTV, sondern nach den Vorschriften des MTV DW (TZ 514.11 ff.).
Normenkette
MTV DW vom 6. Dezember 1979 i.d.F. vom 23. Februar 1995 Tz 510 ff.; TVG § 1; Überleitungstarifvertrag RIAS u.a./Deutsche Welle (ÜTV) vom 30. August/16. September 1993 §§ 2-3; ZPO § 554 Abs. 3 Nr. 3 a
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 13. Februar 1998 – 6 Sa 111/97 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. Juli 1997 – 17 Ca 7034/96 – wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die zutreffende Vergütungsstufe innerhalb der Vergütungsgruppe, in der die Klägerin eingruppiert ist.
Die Klägerin wurde mit Wirkung vom 1. August 1991 vom RIAS Berlin als Bildingenieurin eingestellt. Aufgrund der Übernahme des Betriebsteils RIAS-TV durch die Beklagte ging das Arbeitsverhältnis am 1. Mai 1992 auf diese über. Die Rechte und Pflichten der von diesem Betriebsteilübergang – sowie der von anderen Umstrukturierungsmaßnahmen der Beklagten – betroffenen Arbeitnehmer sind in dem Überleitungstarifvertrag (ÜTV) vom 30. August/16. September 1993 geregelt, der am 1. Oktober 1993 in Kraft trat (§ 8 ÜTV). Dieser hat, soweit für den Rechtsstreit von Interesse, folgenden Inhalt:
§ 2 Anrechnung erworbener Rechte
(1) Die Deutsche Welle gewährleistet zugunsten der gemäß § 1 übernommenen oder zu übernehmenden Arbeitnehmer/innen, daß die tarifvertraglich erworbenen Rechte bestehen bleiben, soweit dieser Tarifvertrag sie nicht anders regelt.
(2) Dem Anspruch auf Wahrung des materiellen Besitzstands wird dadurch Rechnung getragen, daß die übernommenen bzw. zu übernehmenden Mitarbeiter/innen mit ihren Arbeitsverträgen in das Tarifwerk der Deutschen Welle nach den folgenden Bestimmungen eingegliedert werden. Dabei werden die vom Deutschlandfunk und RIAS Berlin (bisherige Arbeitgeber) anerkannten Zeiten der Betriebszugehörigkeit als Zeiten der Betriebszugehörigkeit zur Deutschen Welle angerechnet. Im übrigen finden die Tarifverträge der Deutschen Welle Anwendung.
Protokollnotiz:
Die Tarifparteien sind sich darüber einig, daß einzelvertragliche Regelungen, soweit sie günstigere Regelungen enthalten als in diesem Tarifvertrag vereinbart, weitergelten.
§ 3 Eingruppierung und Besitzstandswahrung
(1) Die nach § 1 übernommenen und zu übernehmenden Arbeitnehmer/innen werden entsprechend ihrer Tätigkeit bei den bisherigen Arbeitgebern und der Fernsehdirektion Berlin in die zugeordnete Vergütungsgruppe der Deutschen Welle eingruppiert. … Im Verhältnis Deutsche Welle zu RIAS Berlin und der Fernsehdirektion Berlin muß mindestens die Vergütungsgruppe verwendet werden, deren Endstufe möglichst knapp unter der Endstufe seiner Gruppe bei RIAS Berlin oder der Fernsehdirektion Berlin auf der Basis eines Vergleichs der Jahresvergütungen liegt. …
(2) Die Wahrung des beim bisherigen Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Übernahme und bei der Fernsehdirektion Berlin am Tag vor Inkrafttreten dieses Tarifvertrags erreichten materiellen Besitzstands wird durch die Errechnung eines Anpassungsbetrags und durch eine Neufestlegung des Stufensteigerungstermins gewährleistet. …
Bei Höhergruppierungen nach TZ 515.1 MTV gilt als Grundvergütung die Grundvergütung der bisherigen Gruppe zuzüglich eines Anpassungszuschlags bzw. abzüglich eines Anpassungsabzuges. Sollte dabei die Summe von Grundvergütung, Anpassungszuschlag und Steigerungsbetrag der bisherigen Gruppe die Endstufe der zukünftigen Gruppe übersteigen, so wird der Anpassungsbetrag soweit gemindert, daß die Bestimmung nach TZ 515.1 MTV gewahrt bleibt. Ansonsten entfällt der Anpassungsbetrag.
(3) Der/die Arbeitnehmer/in wird in seiner/ihrer neuen Vergütungsgruppe in der Stufe eingestuft, die möglichst knapp über dem 39./40. Teil des monatlichen Betrags seiner/ihrer bisherigen Stufe beim RIAS Berlin, beim DLF oder der Fernsehdirektion Berlin, vermehrt um einen etwaigen Anpassungszuschlag bzw. vermindert um einen etwaigen Anpassungsabschlag, liegt.
(4) Der Termin für die nächste Stufensteigerung für die Arbeitnehmer/innen, die noch nicht in die Endstufe eingruppiert sind, wird so berechnet, daß das vom Zeitpunkt der Übernahme bis zum Eintritt in die Endstufe zu erwartende Gesamteinkommen im Volumen dem entspricht, das er/sie bei RIAS Berlin, beim DLF oder der Fernsehdirektion Berlin zu erwarten gehabt hätte (vgl. zur Berechnungsformel Anlage 1).
…
(7) Nach § 1 von RIAS Berlin übernommene oder in die Fernsehdirektion Berlin eingestellte Mitarbeiter/innen, die im Zeitpunkt ihrer Übernahme oder Einstellung zum Personenkreis nach TZ 518 e MTV gehören, erhalten zur Wahrung des materiellen Besitzstands die ihnen nach ihrer bisherigen Eingruppierung gezahlten Zuschläge auch nach Eingruppierung aufgrund dieses Tarifvertrags in die neue Vergütungsgruppe, solange sie nicht höhergruppiert sind.
Die Vergütungsregelungen im Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Beklagten vom 6. Dezember 1979 in der Fassung vom 23. Februar 1995 (MTV DW) lauten auszugsweise:
510 |
Vergütung |
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… |
512.1 |
Die Grundvergütung richtet sich nach dem Vergütungstarif. Für die Eingruppierung nach dem Vergütungstarif ist die überwiegend ausgeübte Tätigkeit, mindestens aber die im Arbeitsvertrag festgelegte Tätigkeit maßgebend. |
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… |
514.11 |
Innerhalb der Vergütungsgruppe, in die der Arbeitnehmer eingruppiert ist, wird die Grundvergütung bis zur Endstufe alle zwei Jahre (Turnus) um die aus dem Vergütungstarif ersichtlichen Steigerungsbeträge erhöht. Bei der Festsetzung des turnusmäßigen Steigerungstermins ist jeweils von dem 1. des Monats auszugehen, in dem die Einstellung oder Höhergruppierung wirksam wird. |
… |
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515.1 |
Bei Höhergruppierung wird für den Arbeitnehmer diejenige Steigerungsstufe der höheren Gruppe wirksam, mit der mindestens eine Erhöhung seiner Grundvergütung um eine Steigerungsstufe der bisherigen Gruppe verbunden ist. |
515.2 |
Abweichend von TZ 514.11 rückt der Arbeitnehmer bei Höhergruppierung innerhalb der neuen Vergütungsgruppe zum Steigerungstermin der bisherigen Vergütungsgruppe auf, wenn dies erforderlich ist, um ihm den Mindestanspruch nach TZ 515.1 zu erhalten. |
Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, daß sich ihr Arbeitsverhältnis seit dem Zeitpunkt der Betriebsteilübernahme nach den Tarifverträgen der Beklagten bestimmt.
Im Zusammenhang mit einer Beförderung der Klägerin teilte die Beklagte ihr mit Schreiben vom 7. Dezember 1993 mit, daß sie mit Wirkung vom 1. Dezember 1993 als „Bildingenieurin m.b.A.” nach VergGr. V Stufe 2 ([Gehaltstarifvertrag] – GTV DW) vergütet werde. Ihre bisherige monatliche Grundvergütung (Gruppe VI Stufe 3) erhöhe sich von 5.445,– DM auf 5.937,– DM. Als nächster Stufensteigerungstermin wurde der 1. August 1995 festgelegt.
Durch „Erklärung zum Arbeitsvertrag” vom 15. Dezember 1993 unterrichtete die Beklagte die Klägerin darüber, sie werde ab 1. Januar 1994 bis zum Abschluß der Struktur-Tarifverhandlungen als Bildingenieurin m.b.A. beschäftigt und erhalte ein Monatsgehalt von 5.797,– DM. Dies sei ermittelt nach § 3 Abs. 1 und 3 des ÜTV aus der VergGr. IV Stufe 3 (5.409,– DM) zuzüglich eines Anpassungszuschlags von 388,– DM.
Da sich aus dem ÜTV für zahlreiche Arbeitnehmer Vergütungseinbußen ergaben, vereinbarten die Tarifvertragsparteien im Laufe des Jahres 1994 eine andere Berechnungsformel, deren Inhalt von den Parteien nicht vorgetragen ist. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 14. Juli 1994 als Datum ihrer nächsten Stufensteigerung den 1. Juni 1994 und als denjenigen der übernächsten Stufensteigerung den 1. Mai 2000 mit.
Mit Wirkung vom 1. April 1995 wurde die Klägerin von der Beklagten zur Aufsichtsingenieurin befördert. Aus diesem Anlaß teilte die Beklagte ihr mit, ihre bisherige monatliche Grundvergütung (Gruppe IV Stufe 4 + 396,– DM) erhöhe sich ab dem 1. April 1995 von 6.290,– DM auf 6.930,– DM nach der VergGr. III Stufe 4. Der nächste Stufensteigerungstermin werde ihr gesondert mitgeteilt. Dies geschah mit Schreiben der Beklagten vom 29. August 1995, mit welchem die Beklagte die Klägerin darüber unterrichtete, in der Direktorenkonferenz vom 10. Juli 1995 sei der Beschluß gefaßt worden, daß bei Höhergruppierungen der Stufensteigerungstermin nach der Berechnung der Formel aus dem ÜTV beibehalten werde und deshalb der nächste Stufensteigerungstermin der Klägerin der 1. Mai 2000 bleibe.
Die Klägerin ist der Auffassung, wegen ihrer Höhergruppierung zum 1. April 1995 sei gemäß TZ 514.11 MTV DW der 1. April 1997 der nächste turnusgemäße Steigerungstermin. Auf die Feststellung dieses Stufensteigerungstermins ist ihre Klage gerichtet. Sie hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 1. April 1997 nach der VergGr. III Stufe 5 zu vergüten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, die stufenweise Steigerung der Vergütung der Klägerin richte sich weiterhin nach dem ÜTV. Dieser verfolge das Prinzip, das im allgemeinen höhere Vergütungsniveau der ehemaligen RIAS-Mitarbeiter an ihre Vergütungsstruktur anzupassen. Eine dauerhafte Besserstellung der ehemaligen RIAS-Mitarbeiter sei von den Tarifvertragsparteien nicht gewollt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat ihr das Landesarbeitsgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet.
I. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Revision der Klägerin nicht mangels ausreichender Begründung unzulässig.
1. Die Klägerin rügt als rechtsfehlerhaft die Anwendung der Vorschriften des ÜTV anstatt derjenigen des MTV DW, also die Verletzung materiellen Rechts. Für einen solchen Revisionsgrund verlangt § 554 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm in der Revisionsbegründung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist dazu die Angabe eines Paragraphen jedoch nicht zwingend erforderlich (Urteil vom 29. Oktober 1997 – 5 AZR 624/96 – BAGE 87, 41 = AP Nr. 30 zu § 554 ZPO). Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung sind dann erfüllt, wenn aus der Begründung konkret erkennbar wird, welche Rechtsverletzung gerügt werden soll. Hierzu muß die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils enthalten (BAG Urteil vom 29. Oktober 1997 – 5 AZR 624/96 – aaO).
2. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung der Klägerin gerecht. Sie rügt die Anwendung der von ihr präzise bezeichneten Rechtsnormen des ÜTV (dessen § 3 Abs. 2, 4) zur Berechnung des Stufensteigerungstermins durch das Berufungsgericht anstelle derjenigen der TZ 514.11 MTV DW zu diesem Regelungstatbestand als rechtsfehlerhaft. Eine hinreichende Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils liegt ebenfalls vor. Teilweise werden von der Klägerin sogar die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts im angefochtenen Urteil wörtlich zitiert und sodann diesen ihre abweichende Auffassung gegenübergestellt. Unschädlich ist, daß die Revisionsbegründung auf die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts am Ende der Entscheidungsgründe zum sog. Stichtagsprinzip und der fortdauernden Zugehörigkeit des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zur Überleitungsphase nicht eingeht. Diese Ausführungen enthalten keine selbständigen tragenden Erwägungen des angefochtenen Urteils, sondern stützende Argumente einer einheitlichen Begründung.
II. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts war zulässig. Dazu ist lediglich auszuführen, daß das Revisionsgericht an die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – hier: gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist durch die Beklagte – gebunden ist, selbst wenn – wie hier möglicherweise der Fall – das Instanzgericht die Wiedereinsetzung zu Unrecht bewilligt haben sollte (Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., § 238 Rz 6). Diesbezüglich hat die Klägerin auch eine Verfahrensrüge gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO nicht erhoben.
III. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, das der zulässigen Klage auf Feststellung des nächsten Stufensteigerungstermins (vgl. Urteil des Senats vom 15. Juni 1994 – 4 AZR 821/93 – AP Nr. 4 zu § 27 BAT) mit Recht stattgegeben hat. Denn die Vergütung der Klägerin, die mit ihrer Beförderung zur Aufsichtsingenieurin mit Wirkung vom 1. April 1995 Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III Stufe 4 GTV DW hatte, ist nach TZ 514.11 MTV alle zwei Jahre um einen Steigerungsbetrag zu erhöhen, so daß sie ab 1. April 1997 nach der Stufe 5 zu berechnen war.
1. Für die Bemessung der Vergütung der Klägerin sind die einschlägigen Regelungen des MTV DW und des GTV DW anzuwenden. Dies folgt aus dem darin übereinstimmenden Vorbringen der Parteien.
2. Danach richtet sich die in der Vergütung enthaltene Grundvergütung nach der Eingruppierung des Arbeitnehmers (TZ 512 MTV DW) und innerhalb der Vergütungsgruppe nach Vergütungsstufen (TZ 514.11 MTV DW). Der Aufstieg in eine höhere Vergütungsstufe erfolgt „bis zur Endstufe alle zwei Jahre (Turnus)”. Bei der Festsetzung des turnusgemäßen Steigerungstermins ist jeweils von dem 1. des Monats auszugehen, in dem die Einstellung oder Höhergruppierung wirksam wird (TZ 514.11 MTV DW).
Die Klägerin war seit der Übertragung der Tätigkeit einer Aufsichtsingenieurin zum 1. April 1995 tarifgerecht in die VergGr. III GTV DW eingruppiert und ebenfalls tarifgerecht in Stufe 4 dieser Vergütungsgruppe eingestuft. Davon gehen die Parteien übereinstimmend aus. Ihr Sachvortrag enthält auch keine Anhaltspunkte, der eine davon abweichende rechtliche Würdigung rechtfertigen könnte. Demzufolge war die Klägerin nach TZ 514.11 MTV DW ab 1. Mai 1997 in die Stufe 5 der VergGr. III GTV DW eingestuft.
3. Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der Auffassung der Beklagten angenommen, die Vorschriften der TZ 510 ff. MTV DW über die Vergütung seien für die Einstufung der Klägerin in die VergGr. III GTV DW deshalb nicht einschlägig, weil sich ihre Vergütung und damit auch die Berechnung der Vergütungsstufe nach den besonderen Vorschriften des ÜTV richte. Danach bleibe es trotz ihrer Höhergruppierung aus der VergGr. IV GTV DW in die VergGr. III GTV DW bei der von der Beklagten nach den Regeln des ÜTV für die Eingliederung der Klägerin in das Tarifwerk der Beklagten zum 1. Oktober 1993 (zutreffend) errechneten nächsten Stufensteigerung zum 1. Mai 2000. Diese Auffassung beruht auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des ÜTV.
3.1 Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinne der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. z. B. Senatsurteil vom 21. Juli 1993 – 4 AZR 468/92 – BAGE 73, 364 = AP Nr. 144 zu § 1 TVG Auslegung).
3.2 Nach Wortlaut und Gesamtzusammenhang des ÜTV gelten dessen Regelungen nicht für die Berechnung der Vergütungsstufe innerhalb der VergGr. III GTV DW, in die die Klägerin infolge der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit mehr als dreieinhalb Jahre nach ihrer Eingliederung in das Tarifwerk der Beklagten eingruppiert ist.
3.2.1 Nach § 2 Abs. 2 ÜTV wird dem Anspruch auf Wahrung des materiellen Besitzstands dadurch Rechnung getragen, daß die übernommenen bzw. zu übernehmenden Mitarbeiter/innen mit ihren Arbeitsverträgen in das Tarifwerk der Beklagten nach den Bestimmungen des ÜTV eingegliedert werden. Nur für diese Eingliederung, also für die dafür auch erforderliche Eingruppierung und Einstufung in die zutreffende Vergütungsstufe, enthält der ÜTV Sonderregelungen, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat. Dessen von TZ 510 f. MTV DW abweichende Normen enthalten damit eine Ausnahmeregelung. Es würde das Regel-Ausnahmeverhältnis, das die Tarifvertragsparteien vor Augen haben, verschieben, diese Vorschriften auch auf andere Sachverhalte anzuwenden als diejenigen, für die die Tarifvertragsparteien die Ausnahmeregelung vereinbart haben (zur Auslegung von Ausnahmeregelungen vgl. z. B. Urteil des Senats vom 25. Oktober 1995 – 4 AZR 478/94 – AP Nr. 57 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel). Ein solcher anderer Sachverhalt liegt vor, wenn dem in das Tarifwerk der Beklagten nach den Regeln des ÜTV eingegliederten Arbeitnehmer von dieser eine tariflich höherwertige Tätigkeit übertragen wird und im Zusammenhang damit die zutreffende Vergütungsstufe bestimmt werden muß.
3.2.2 Etwas anderes hätte dann zu gelten, wenn der ÜTV gerade auch für diesen Fall eine spezielle Regelung enthält. Dies ist für die Berechnung der Vergütungsstufe bei einer Höhergruppierung des Arbeitnehmers nach dessen Übernahme durch die Beklagte nicht der Fall.
Bei der Eingliederung der „übernommenen bzw. zu übernehmenden Mitarbeiter/innen mit ihren Arbeitsverträgen in das Tarifwerk der Deutschen Welle” gem. § 2 Abs. 2 ÜTV waren gem. § 3 Abs. 1 bis 4 ÜTV stets vier verschiedene Einzelergebnisse zu ermitteln, für deren Bestimmung die Tarifvertragsparteien jeweils eine darauf zugeschnittene Sonderregelung vereinbart haben:
- deren Eingruppierung in die zutreffende Vergütungsgruppe, geregelt in § 3 Abs. 1 ÜTV;
- die Ermittlung des Anpassungsbetrages, geregelt in § 3 Abs. 2 ÜTV;
- die Ermittlung der zutreffenden Vergütungsstufe bei der Eingruppierung nach dem ÜTV, geregelt in dessen § 3 Abs. 3;
- die Berechnung der „nächsten Stufensteigerung”, geregelt in § 3 Abs. 4 ÜTV.
Die letztgenannte Norm gilt nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht für die Berechnung des Termins der nächsten Stufensteigerung des nach seiner Eingliederung in das Tarifwerk der Beklagten höhergruppierten Arbeitnehmers. Die Berechnung des Termins der nächsten Stufensteigerung dient nach § 2 Abs. 2 ÜTV der Besitzstandswahrung der übernommenen bzw. zu übernehmenden Mitarbeiter/innen und ist ansonsten im Tarifwerk der Beklagten als Berechnungsgröße der Vergütung ihrer Arbeitnehmer nicht vorgesehen. Der danach anzustellende Vergleich des „vom Zeitpunkt der Übernahme” bis zum Eintritt in die Endstufe „zu erwartenden” Gesamteinkommens bei der Beklagten mit demjenigen, das der Arbeitnehmer bei RIAS Berlin zu erwarten gehabt hätte, bezieht sich eindeutig auf den Zeitpunkt der Eingliederung des Arbeitnehmers in das Tarifrecht der Beklagten. Diese Vergleichsbetrachtung kann den Fall der Höhergruppierung des übernommenen bzw. zu übernehmenden Mitarbeiters nach seiner Eingliederung nicht erfassen und daher für diesen Fall nach dem Norminhalt nicht zu einer zutreffenden Berechnung des Termins für die nächste Stufensteigerung führen. Die Neuberechnung der nächsten Stufensteigerung im Falle der Höhergruppierung des Arbeitnehmers nach seiner Eingliederung in das Tarifrecht der Beklagten haben die Tarifvertragsparteien in § 3 Abs. 4 ÜTV aber nicht vorgesehen.
Dies beruht jedoch nicht darauf, daß sie eine solche Fallgestaltung nicht bedacht haben, wie die Gesamtbetrachtung der Regelungen des § 3 ÜTV zeigt. Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien für einzelne Regelungsgegenstände des § 3 ÜTV Normen gerade für den Fall der späteren Höhergruppierung des eingegliederten Mitarbeiters spezielle Vorschriften vereinbart. So enthält § 3 Abs. 2 ÜTV, der das Anpassungsgeld regelt, ausdrücklich eine Regelung für diese Leistung „bei Höhergruppierungen nach TZ 515.1 MTV”. Dies ist auch bei § 3 Abs. 7 ÜTV der Fall, der vorsieht, daß Mitarbeiter/innen mit Anspruch auf Zuschläge beim RIAS auch nach Eingruppierung aufgrund dieses Tarifvertrages in die neue Vergütungsgruppe diese Zuschläge erhalten, „solange sie nicht höhergruppiert sind”.
In § 3 Abs. 4 ÜTV, unter dessen Anwendung die Beklagte bei der Eingliederung der Klägerin in ihr Tarifrecht als Termin für die nächste Stufensteigerung den 1. Mai 2000 berechnet hat, fehlt eine Regelung für den Fall der Höhergruppierung des übernommenen Mitarbeiters. Wegen dieser Verschiedenheit der tariflichen Regelungen des ÜTV betreffend das Anpassungsgeld (§ 3 Abs. 2) einerseits und die Berechnung des Termins für die nächste Stufensteigerung (§ 3 Abs. 4) andererseits geht das Argument der Beklagten fehl, bei einem Arbeitnehmer, der sich – wie die Klägerin – wegen des Bezugs von Anpassungsgeld noch im Überleitungsstadium befinde, müsse sich auch die maßgebende Vergütungsstufe nach dem ÜTV bestimmen.
Mangels einer Regelung des ÜTV zur Berechnung der Vergütungsstufe des unter den Geltungsbereich des ÜTV fallenden, nach seiner Eingliederung in das Tarifrecht der Beklagten höhergruppierten Arbeitnehmers richtet sich dessen Vergütungsstufe in der höheren Vergütungsgruppe vielmehr nach der allgemeinen Regelung des MTV DW.
4. Die Regelung des ÜTV zur Einstufung der übernommenen und zu übernehmenden Arbeitnehmer bei ihrer Eingliederung in das Tarifwerk der Beklagten führt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und derjenigen der Beklagten auch nicht zu einer mit dem Stichtagsprinzip nicht zu vereinbarenden Begünstigung der Klägerin im Vergleich zu Arbeitnehmern, die noch vor Inkrafttreten des ÜTV oder erst nach Erreichen des nächsten Stufensteigerungstermins höhergruppiert worden sind oder werden. Es ist vielmehr sachgerecht, in den Sonderregelungen zur Eingruppierung und Besitzstandswahrung (§ 3 ÜTV) für die übernommenen und zu übernehmenden Arbeitnehmer grundsätzlich auf die dafür tarifrechtlich bedeutsamen Umstände bei Inkrafttreten des ÜTV abzustellen. Jede andere Regelung würde die Frage nach einem sachlichen Grund dafür erst recht aufwerfen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Friedrich, Bott, Jürgens, v. Dassel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.06.1999 durch Freitag, Regierungssekretärin z. A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2000, 52 |
AP, 0 |
PersR 2000, 41 |
AUR 2000, 78 |