Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerspruch bei Betriebsübergang. betriebsbedingte Kündigung
Normenkette
BGB § 613a; KSchG § 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 19. Dezember 1996 – 4 Sa 856/95 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung nach dem Widerspruch des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses durch Betriebsübergang.
Der im Jahre 1959 geborene Kläger war seit 1985 bei der Beklagten als Lagerist in der Druckerei- und Fotokopierabteilung beschäftigt. Zuletzt erzielte er einen Monatsverdienst von 4.437,00 DM brutto.
Die Beklagte ist ein Großunternehmen der Luft- und Raumfahrt mit mehr als 5000 Arbeitnehmern. An ihrem Hauptstandort in O. unterhielt die Beklagte eine hauseigene Druckerei- und Fotokopierabteilung mit 20 Arbeitnehmern. Im Jahre 1994 beschloß die Beklagte, ihre Druckerei- und Fotokopierabteilung an die Fa. K. zu veräußern, ein im Nachbarort ansässiges Druckereiunternehmen mit etwa 30 Beschäftigten. Das Unternehmen ist Mitglied im Verband der Bayerischen Druckindustrie und wendet in seinem Betrieb die tariflichen Regelungen der Bayerischen Druckindustrie an.
Am 20. Mai 1994 vereinbarte die Beklagte aus Anlaß der Übertragung der hauseigenen Druckerei mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich, der unter anderem sicherstellte, daß die Fa. K. in alle Arbeitsverhältnisse der bisherigen Drukkereiabteilung eintritt und ein Standortwechsel der Mitarbeiter vermieden wird, und der weitere Modalitäten zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer festlegte.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 1994 unterrichtete die Beklagte den Kläger und die übrigen betroffenen Mitarbeiter über die Veräußerung der Druckabteilung und den Übergang der Arbeitsverhältnisse ab 1. Januar 1995. Dem Schreiben war ein Merkblatt für die Arbeitnehmer beigefügt und eine Gegenüberstellung der tariflichen Leistungen nach den Manteltarifverträgen der Metallindustrie und der Druckindustrie.
Mit Schreiben an die Beklagte vom 14. November 1994 widersprach der Kläger mit zwei weiteren Arbeitskollegen dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Fa. K., weil die neue Firma ein unsicherer Arbeitgeber und die Wahrung seines Besitzstandes nicht sichergestellt sei. Die Beklagte kündigte daraufhin mit Schreiben vom 14. Dezember 1994 das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. März 1995, weil der Arbeitsplatz des Klägers als Drucker ersatzlos verlorengegangen sei. Andere Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen – auch an anderen Standorten – seien nicht vorhanden. Die Kündigung anderer Mitarbeiter, um einen Arbeitsplatz für den Kläger zu schaffen, scheide aus, weil der Kläger leichtfertig seinen bestehenden Arbeitsplatz aufgegeben habe.
Der Kläger hat mit der am 21. Dezember 1994 beim Arbeitsgericht eingereichten Kündigungsschutzklage die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend gemacht und die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats bestritten. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hätte eine Sozialauswahl vornehmen müssen, weil er aus sachlichen Gründen dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin der Druckerei widersprochen habe. Ein sachlicher Grund liege schon darin, daß der Kläger aus einem Großunternehmen mit Betriebsrat hätte ausscheiden und in einen mittelständischen Betrieb ohne bestehenden Betriebsrat hätte überwechseln müssen. Auch seien die Regelungen der Tarifverträge der Druckindustrie vergleichsweise ungünstiger als die tariflichen Regelungen der Metallindustrie.
Der Kläger hat, soweit in der Revision von Bedeutung, beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 14. Dezember 1994 nicht aufgelöst worden sei.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Der Kläger habe durch seinen Widerspruch ohne sachlichen Grund seinen Arbeitsplatz verloren, obwohl er bei der Fa. K. zu gleichen Bedingungen hätte weiterbeschäftigt werden können. Eine Sozialauswahl sei daher nicht erforderlich gewesen. Es sei nicht gerechtfertigt, anderen Arbeitnehmern zu kündigen, die dann arbeitslos würden, obwohl der Kläger einen bestehenden Arbeitsplatz aufgegeben habe. Freie Arbeitsplätze seien nicht vorhanden gewesen, so daß dem Kläger keine Weiterbeschäftigung im Unternehmen habe angeboten werden können.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei wegen seines Widerspruchs nicht gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Betriebserwerberin übergegangen. Das Arbeitsverhältnis sei aber durch die Kündigung der Beklagten vom 14. Dezember 1994 zum 31. März 1995 aufgelöst worden. Die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Unternehmen der Beklagten entgegenständen, sozial gerechtfertigt. Durch die Veräußerung der Drukkereiabteilung sei der bisherige Arbeitsplatz des Klägers entfallen. Es sei davon auszugehen, daß die Kündigung durch eine anderweitige Beschäftigung des Klägers auf einem freien Arbeitsplatz nicht vermeidbar gewesen sei. Insoweit hätte es dem Kläger oblegen darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstelle, nachdem sein bisheriger Arbeitsplatz weggefallen sei. Zwar habe der Kläger mit der pauschalen Rüge der mangelnden Sozialauswahl seiner Darlegungslast genügt, nachdem die Beklagte keinerlei Namen von Arbeitnehmern mitgeteilt habe, die ihrer Ansicht nach in die Sozialauswahl einzubeziehen gewesen wären. Der Kläger könne sich auf die Verletzung der sozialen Auswahl aber nicht berufen, weil er für einen Widerspruch gegen den Arbeitgeberwechsel keine ausreichenden sachlichen Gründe vorgetragen habe.
Der Betriebsrat sei ausreichend über die beabsichtigte Kündigung informiert worden. Da sich der Kläger infolge eines sachlich unbegründeten Widerspruchs gegen den Betriebsübergang auf die fehlende soziale Auswahl nicht berufen könne und dies dem Standpunkt der Beklagten vor der Kündigung entsprochen habe, sei die Information des Betriebsrates vollständig und ordnungsgemäß gewesen.
II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechlichen Überprüfung stand. Die Klage war abzuweisen, weil die streitige Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist (§ 1 Abs. 1 und 2 KSchG) und ihre Wirksamkeit weder an einer fehlerhaften Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) noch an einer unzureichenden Anhörung des Betriebsrats (§ 102 Abs. 1 BetrVG) scheitert.
1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit den Parteien davon ausgegangen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht am 1. Januar 1995 gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Fa. K. als Betriebserwerberin übergegangen ist. Zwar liegt in der Veräußerung der Druckereiabteilung der Beklagten zu diesem Zeitpunkt der Übergang eines Betriebsteils im Sinne dieser Vorschrift. Der Kläger hat aber mit Schreiben vom 14. November 1994 wirksam dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Fa. K. widersprochen.
Nach gefestigter ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht es jedem von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer frei, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses ohne Angabe von Gründen zu widersprechen (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 19. März 1998 – 8 AZR 139/97 – BB 1998, 1421, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 2 der Gründe, m.w.N.). Die Einräumung dieses Widerspruchsrechts ist mit dem EG-Recht vereinbar (vgl. EuGH Urteil vom 16. Dezember 1992 – 1 Rs C -132/91, 138/91 und 139/91 – EuGHE I 1992, 6577 = AP Nr. 97 zu § 613 a BGB).
2. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 14. Dezember 1994 zum 31. März 1995 aufgelöst wurde. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG).
a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Arbeitsplatz des Klägers als Lagerist in der Druckerei durch den Übergang der Druckerei auf die Fa. K. weggefallen ist und damit die Kündigung grundsätzlich durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Der betriebsbedingten Kündigung steht nicht § 613 a Abs. 4 BGB entgegen. Diese Vorschrift schützt nur vor einer Kündigung wegen des Betriebsübergangs, nicht jedoch wenn der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hat und der Betriebsveräußerer wegen des Betriebsübergangs keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für den widersprechenden Arbeitnehmer hat (so bereits BAG Urteil vom 2. Oktober 1974 – 5 AZR 504/73 – AP Nr. 1 zu § 613 a BGB, zu III 3 c der Gründe).
b) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß für die Beklagte keine Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung bestand. Insoweit hätte es dem Kläger oblegen darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, nachdem sein bisheriger Arbeitsplatz tatsächlich weggefallen war (vgl. BAG Urteil vom 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II 4 der Gründe).
c) Die Kündigung ist auch nicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt. Der Kläger hat eine fehlerhafte Sozialauswahl nicht dargelegt.
Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG obliegt die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, aus denen sich die Unrichtigkeit der Sozialauswahl ergibt, dem Arbeitnehmer. Dabei ist das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteil vom 15. Juni 1989 – 2 AZR 580/88 – BAGE 62, 116, 125 f. = AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu B II 3 b der Gründe) im Rahmen der Beweisführungslast von einer abgestuften Darlegungslast ausgegangen. Es ist danach zunächst Sache des Arbeitnehmers, die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen. Soweit der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist darzulegen, welche vergleichbaren Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt sind, die in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, und wie deren Sozialdaten sind, hat der Arbeitnehmer einen entsprechenden Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KSchG. Diese Verpflichtung des Arbeitgebers soll dem gekündigten Arbeitnehmer ermöglichen, die Erfolgsaussichten eines Kündigungsschutzprozesses abzuschätzen und ihm die gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG obliegende Beweisführung für Auswahlfehler zu ermöglichen.
Der Kläger hat lediglich vorgetragen, die Beklagte habe keine Sozialauswahl durchgeführt. Dies reicht nicht. Der Kläger hätte vortragen müssen, daß ihm bei Durchführung einer Sozialauswahl nicht hätte gekündigt werden dürfen, weil er sozial schutzwürdiger als vergleichbare andere bei der Beklagten beschäftigte Arbeitnehmer gewesen sei. Bereits das Arbeitsgericht hatte den Kläger im Urteil darauf hingewiesen, daß er trotz eines entsprechenden Auflagenbeschlusses nicht vorgetragen habe, ob im Betrieb der Beklagten vergleichbare Arbeitnehmer außerhalb der Druckerei beschäftigt gewesen seien. Der Kläger hat daraufhin auch in der Berufungsinstanz seinen Vortrag nicht geändert und weiterhin lediglich die fehlende Sozialauswahl gerügt. Bei dieser Sachlage kann der klägerische Vortrag weder als Darlegung einer falschen Sozialauswahl noch als Auskunftsverlangen gegenüber dem Arbeitgeber verstanden werden.
d) Damit kann der Senat offenlassen, ob dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen wäre, daß der Kläger sich nicht auf eine fehlerhafte Sozialauswahl berufen könne, weil er dem Arbeitgeberwechsel nach § 613 a BGB ohne ausreichende sachliche Gründe widersprochen habe (vgl. hierzu Urteil des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 7. April 1993 – 2 AZR 449/91 B – AP Nr. 22 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl).
3. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Kündigung betriebsverfassungsrechtliche Gründe nicht entgegenstehen. Die Beklagte hatte den zuständigen Betriebsrat über die aus ihrer Sicht maßgeblichen Kündigungsgründe unterrichtet.
III. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Noack, Hannig
Fundstellen