Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Mittelschullehrerin in Sachsen. Eingruppierung einer Mittelschullehrerin. abgeschlossene Ausbildung für Mittelschullehrer. Erweiterungsprüfung. postgraduale Zusatzausbildung. Verfall von Rückzahlungsansprüchen. Eingruppierung Lehrer
Orientierungssatz
- Eine postgraduale Zusatzausbildung auf der Grundlage des § 10 Abs. 3 der Verordnung über die Ausbildung für Lehrämter vom 18. September 1990, die im September 1992 unter Geltung der Lehramtsprüfungsordnung I vom 26. März 1992 mit Prüfung abgeschlossen wurde, ersetzt weder die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Mittelschulen, noch ist sie eine “Erweiterungsprüfung” im Sinne der TdL-Richtlinien vom 22. Juni 1995.
- Ansprüche auf Rückzahlung überzahlter Vergütung unterliegen dem Verfall gem. § 70 BAT-O.
Normenkette
Richtlinien des Freistaates Sachsen zur Neuregelung der Eingruppierung der angestellten Lehrer vom 22. Juni 1995; Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte; Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen im Freistaat Sachsen vom 26. März 1992; Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über den Vorbereitungsdienst und die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Mittelschulen vom 1. August 1991; Verordnung über die Ausbildung für Lehrämter vom 18. September 1990; BAT-O § 70
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 20. Januar 2000 – 7 Sa 950/98 – teilweise aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 17. Juni 1998 – 17 Ca 790/98 – teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin in der Zeit vom 1. November 1996 bis 30. April 1997 nach der Vergütungsgruppe IVb BAT-O zu vergüten.
Im übrigen werden die Revision der Klägerin und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 6/7, der Beklagte 1/7 zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Nach Abschluß der 10. Klasse der polytechnischen Oberschule absolvierte die Klägerin von 1985 bis 1989 ein Fachstudium am Institut für Lehrerbildung in Radebeul. Durch Zeugnis vom 30. Juni 1989 erhielt die Klägerin die Befähigung zur Arbeit als Freundschaftspionierleiter sowie die Lehrbefähigung für die Fächer Deutsch und Wahlfach Werken der unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule und war berechtigt, die Berufsbezeichnung “Freundschaftspionierleiter” zu führen. Wegen ihrer Schwangerschaft nahm sie ihre Tätigkeit als Lehrerin erst ab 1. September 1990 an der Mittelschule “A.…” in L… in den Klassenstufen 5 bis 10 auf. Seit 1995 unterrichtet die Klägerin an der Mittelschule “G.…” in Li.… die Fächer Deutsch und Englisch.
Die Parteien schlossen am 29. August 1991 einen sog. Änderungsvertrag, der ua. folgende Vereinbarungen enthielt:
Ҥ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.
§ 3
Für die Eingruppierung gilt der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die von der Anlage 1a nicht erfaßten Angestellten, die unter den Geltungsbereich des BAT-O fallen, in der jeweiligen Fassung.
Danach ist die Angestellte in die Vergütungsgruppe IVb eingruppiert.”
Ab Frühjahr 1991 absolvierte die Klägerin an der Pädagogischen Hochschule “Clara Zetkin” in Leipzig eine postgraduale Zusatzausbildung im Fach Deutsch.
Wegen der zwischenzeitlich in Kraft getretenen Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen im Freistaat Sachsen vom 26. Mai 1992 (Lehramtsprüfungsordnung I – LAPO I) bat der Rektor der PH Leipzig im Mai 1992 das Sächsische Staatsministerium für Kultus um Genehmigung zur Fortsetzung des postgradualen Studiums. Mit Schreiben vom 2. Juni 1992 teilte das Kultusministerium dem Rektor ua. folgendes mit:
“Ihr Antrag auf Genehmigung eines postgradualen Studiums kann wie folgt entschieden werden:
Gemäß der Verordnung über die Ausbildung für Lehrämter vom 18. September 1990, § 10 Abs. 3, wurde die Möglichkeit eines ergänzenden Studiums zum Erwerb des Hochschulabschlusses für die damaligen Unterstufenlehrer geschaffen. Aufgrund des Einigungsvertrages, Anlage II, Sachgebiet Schulwesen, ist die zitierte Verordnung jedoch nur bis 30. Juni 1991 in Kraft.
Da die tätigen Lehrerlnnen bereits im Februar 1991 dieses postgraduale Studium aufgenommen haben, dürfen sie es bis zur Erreichung des Hochschulabschlusses zu Ende führen.
Für die Studienordnung ist das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst verantwortlich.
Gemäß der Verordnung des Sächsischen Staatsministerium für Kultus über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen im Freistaat Sachsen (Lehramtsprüfungsordnung I – LAPO I) vom 26.03.1992 ist es nicht möglich, nach berufsbegleitenden Studien Staatsprüfungen zu einem Lehramt abzulegen. Hinzu kommt, daß Grundschullehrer, die sich nach ihren Vorstellungen einer Erweiterungsprüfung Deutsch stellen sollen, sämtliche Zulassungsvoraussetzungen (Hochschulabschluß im Lehramt) nicht erbringen können.
Andere Regelungen zum Erwerb von Lehrbefähigungen, wie Sie in den alten Ländern der Bundesrepublik u.a. existieren, sind im Freistaat Sachsen nicht getroffen.
Wir empfehlen daher folgende Möglichkeiten:
Die Hochschule kann in eigenem Ermessen eine Hochschulprüfung in den entsprechenden Fächern abnehmen und durch ein Hochschulzertifikat bzw. ein Hochschulzeugnis die Einzelleistungen bestätigen. Damit haben die Kollegen, die diese Fortbildung sicher mit hohem Aufwand betrieben haben, eine Bestätigung ihrer Mühen vorzuweisen. Das Schulamt kann dann entsprechend des Bedarfs den Einsatz in der jeweiligen Schulart verfügen. Für die Grundschullehrer, die einen solchen zusätzlichen Hochschulabschluß vorweisen können, ergeben sich möglicherweise künftig neue finanzielle Perspektiven.”
Zum Abschluß des postgradualen Studiums im September 1992 wurde der Klägerin von der PH Leipzig bescheinigt:
“…
hat nach einer 18-monatigen postgradualen Qualifizierung die Hochschulprüfungen im Fach Deutsch auf der Grundlage der “Verordnung über die Ausbildung für Lehrämter” vom 18. September 1990, § 10 Abs. 3, erfolgreich bestanden.
Die Inhalte der Ausbildung und die Durchführung der Prüfungen orientieren sich an den Anforderungen der LAPO I vom 26. März 1992.
…”
Von September 1992 bis Dezember 1995 bildete sich die Klägerin im Fach Englisch berufsbegleitend weiter. Der erfolgreiche Abschluß dieser Weiterbildung wurde der Klägerin durch Zertifikat des Sächs. Staatsministeriums für Kultus unter Hinweis auf die abgelegten Prüfungen bescheinigt.
Mit Schreiben vom 13. November 1996 wurde der Klägerin mitgeteilt, daß sie zu Unrecht in die Vergütungsgruppe IVb BAT-O eingruppiert und deshalb eine Rückgruppierung in die Vergütungsgruppe Vb BAT-O erforderlich sei. Nachdem zunächst gleichwohl die Vergütung nach der Vergütungsgruppe IVb BAT-O weitergezahlt wurde, erfolgte im Dezember 1997 unter Bezugnahme auf ein weiteres Schreiben des Oberschulamtes Leipzig vom 4. November 1997 die Rückgruppierung in die Vergütungsgruppe Vb BAT-O mit einer Verrechnung der seit dem 1. Juni 1996 nach Auffassung des Beklagten erfolgten Überzahlung. Widersprüche der Klägerin gegen die Rückgruppierung blieben erfolglos.
Mit ihrer am 21. Januar 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage forderte die Klägerin zunächst Vergütung nach der Vergütungsgruppe IVb BAT-O auch über den 31. Mai 1996 hinaus und klageerweiternd mit am 28. April 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT-O. Sie hat die Auffassung vertreten, sie verfüge auf Grund ihres Fachschulstudiums an der PH Leipzig über eine Ausbildung als Mittelschullehrerin. Nach der Prüfungsordnung der DDR habe sie zum externen Erwerb des Hochschulabschlusses als Diplomlehrer zugelassen werden können. Auch wenn sie nicht zu DDR-Zeiten ihre Ausbildung zum Erwerb der Lehrbefähigung bis Klasse 10 für Deutsch abgeschlossen habe, sei ihre nach der Wende unter Beachtung der “Verordnung über die Ausbildung für Lehrämter” vom 18. September 1990 (VO 1990) und der Lehramtsprüfungsordnung I vom 26. März 1992 (LAPO I) abgeschlossene postgraduale Zusatzausbildung vergütungsrechtlich gleichzustellen. Zumindest aber sei sie Freundschaftspionierleiterin mit vergütungssteigender Zusatzqualifikation in den Fächern Heimatkunde und Englisch.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin rückwirkend ab 1. November 1997 Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT-O zuzüglich 4 % Zinsen aus den rückständigen Nettodifferenzbeträgen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
hilfsweise, für den Fall des Unterliegens des Antrages wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin über den 31. Mai 1996 hinaus Vergütung nach der Vergütungsgruppe IVb BAT-O zuzüglich 4 % Zinsen aus den rückständigen Nettodifferenzbeträgen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die Klägerin erfülle nicht die Vergütungsmerkmale der von ihr begehrten Vergütungsgruppen. Sie verfüge nicht über eine abgeschlossene Ausbildung als Mittelschullehrerin im Sinne der Lehrerrichtlinien für Sachsen. Eine Ausbildung zur Mittelschullehrerin sei nach Inkrafttreten der Lehramtsprüfungsordnung I vom 26. März 1992 nur noch auf Grundlage dieser Prüfungsordnung möglich gewesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklagten in vollem Umfang abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist weitgehend unbegründet. Der Klägerin steht weder Vergütung nach Vergütungsgruppe III BAT-O noch nach Vergütungsgruppe IVb BAT-O zu. Die Rückforderungsansprüche der Beklagten sind allerdings teilweise verfallen. Insoweit war der Feststellungsklage stattzugeben.
Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Vergütungsgruppe III. Sie verfüge nicht über die nach Abschn. A II (Mittelschulen) der Arbeitgeber-Richtlinien geforderte “abgeschlossene Ausbildung für Mittelschullehrer”. Die Ausbildung zum Mittelschullehrer sei jedenfalls nach Inkrafttreten der Lehramtsprüfungsordnung I vom 26. März 1992 nur durch Ablegung einer Ersten Staatsprüfung möglich. Ein Anspruch auf Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IVb BAT-O gem. den Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigen Lehrkräfte (Ost) vom 22. Juni 1995 (Lehrer-Richtlinien-O der TdL) bestehe ebenfalls nicht. Die Klägerin verfüge nur über eine Lehrbefähigung in den Fächern Deutsch und Werken, nicht aber im Fach Heimatkunde. Ihre berufsbegleitende Weiterbildung im Fach Englisch sei keine Erweiterungsprüfung nach der Lehramtsprüfungsordnung I vom 26. März 1992.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im wesentlichen stand.
- Gemäß § 3 des Änderungstarifvertrages vom 29. August 1991 soll sich die Eingruppierung der Klägerin nach den Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder in der jeweiligen Fassung richten. Diese Vertragsklausel ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dahin auszulegen, daß auch die im März 1996 beschlossenen und bekannt gemachten und rückwirkend zum 1. Juli 1995 in Kraft gesetzten Richtlinien des Freistaates Sachsen zur Neuregelung der Eingruppierung der angestellten Lehrer vom 22. Juni 1995 (Amtsblatt des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen vom 30. Mai 1996 Nr. 5 S 142 ff.) gelten (BAG 25. November 1998 – 10 AZR 518/97 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 74; 27. Januar 1999 – 10 AZR 37/98 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 75; 27. Januar 1999 – 10 AZR 541/97 – nv.; 18. August 1999 – 10 AZR 544/98 – nv.; 15. März 2000 – 10 AZR 119/99 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 81, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 7. Juni 2000 – 10 AZR 254/99 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 82; 27. September 2000 – 10 AZR 146/00 – AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 15; 27. September 2000 – 10 AZR 498/99 – nv.; 18. Oktober 2000 – 10 AZR 643/99 – AP BAT-O § 11 Nr. 24). Die entsprechende Auslegung des Landesarbeitsgerichts ist deshalb nicht zu beanstanden. Hiervon gehen auch die Parteien übereinstimmend aus.
Für den geltend gemachten Anspruch auf Eingruppierung in die Vergütungsgruppe III ab 1. November 1997 waren danach folgende Festlegungen der genannten Arbeitgeberrichtlinien maßgebend:
“A. Allgemeinbildende Schulen
…
II. Mittelschulen
Vergütungsgruppe III
Lehrer
…
– mit einer abgeschlossenen Ausbildung für Mittelschullehrer
…
Inkrafttreten
Die Richtlinien treten am 1. Juli 1995 in Kraft.”
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe III BAT-O, weil sie keine “abgeschlossene Ausbildung für Mittelschullehrer” habe.
Die Klägerin ist nach DDR-Recht Freundschaftspionierleiterin mit einer Lehrbefähigung in den unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule. Über einen Abschluß als Diplomlehrerin verfügt sie nicht. Aus dieser Ausbildung nach altem Recht leitet die Klägerin auch keine Gleichstellung mit einer abgeschlossenen Ausbildung für Mittelschullehrer her. Die Klägerin hat aber auch durch ihre postgraduale Zusatzausbildung von Frühjahr 1991 bis September 1992 an der Pädagogischen Hochschule Leipzig keine abgeschlossene Ausbildung für Mittelschullehrer erhalten.
Eine abgeschlossene Ausbildung für Mittelschullehrer im Sinne der am 1. Juli 1995 in Kraft getretenen Arbeitgeberrichtlinien setzt eine Ausbildung als Mittelschullehrer nach den in diesem Zeitpunkt geltenden Prüfungsordnungen für Mittelschullehrer voraus. Nach der Lehramtsprüfungsordnung I vom 26. März 1992 (Sächs. GVBl. Nr. 17/1992) und der Verordnung des Sächs. Staatsministeriums für Kultus über den Vorbereitungsdienst und die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Mittelschulen (VBPOII-MS) vom 1. August 1991 (Sächs.GVBl. Nr. 8/1992) umfaßt die Ausbildung zum “staatlich geprüften Lehrer für Mittelschulen” (§ 26 Abs. 3 VBPOII-MS) eine Erste und Zweite Staatsprüfung sowie die Ableistung eines Vorbereitungsdienstes. Dementsprechend spricht die am 1. Juli 1999 in Kraft getretene Änderung der Arbeitgeberrichtlinien für die Vergütungsgruppe III nicht mehr von “abgeschlossener Ausbildung für Mittelschullehrer”, sondern stellt im Sinne einer Klarstellung auf den Abschluß der “Ersten und Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Mittelschulen” ab.
Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg auf ihre ab Frühjahr 1991 absolvierte Zusatzausbildung an der Pädagogischen Hochschule Leipzig und einen damit zusammenhängenden Vertrauensschutz berufen. Die Klägerin hat die Zusatzausbildung auf der Grundlage der Verordnung über die Ausbildung für Lehrämter vom 18. September 1990 erfolgreich bestanden. In der Bescheinigung der Pädagogischen Hochschule wird auf § 10 Abs. 3 VO 1990 verwiesen. Diese Vorschrift lautet:
“(3) Tätigen Lehrerlnnen mit Fachschulabschluß ist ein ergänzendes Studium zum Erwerb des Hochschulabschlusses an Universitäten und Hochschulen anzubieten. Berufspraktische Erfahrungen als Lehrerlnnen können teilweise oder vollständig als Vorbereitungsdienst anerkannt werden.”
Die Klägerin folgert zu Unrecht aus dieser Vorschrift, daß sie mit der Zusatzausbildung eine abgeschlossene Ausbildung als Mittelschullehrerin erhalten habe. Die mögliche Anerkennung der berufspraktischen Erfahrungen als Vorbereitungsdienst ersetzt nicht die Zweite Staatsprüfung. Wie aus § 8 der VO 1990 hervorgeht, schließt das Studium für ein Lehramt mit der Ersten Staatsprüfung, der Vorbereitungsdienst mit der Zweiten Staatsprüfung ab. Die Bescheinigung, die die Klägerin über den Abschluß der postgradualen Qualifizierung erhalten hat, verweist lediglich auf § 10 Abs. 3 VO 1990 und bestätigt nur, daß die Inhalte der Ausbildung und die Durchführung der Prüfungen sich an der LAPO I “orientieren”. Der Klägerin fehlt damit für eine abgeschlossene Ausbildung als Mittelschullehrer jedenfalls die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Mittelschulen nach der VBPOII-MS.
Die Klägerin erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für die hilfsweise geltend gemachte Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IVb BAT-O.
Nach Abschn. B VII, II Nr. 11 der arbeitsvertraglich vereinbarten TdL-Richtlinien vom 22. Juni 1995 können als Mittelschullehrer beschäftigte Freundschaftspionierleiter mit entsprechender staatlicher Prüfung oder staatlicher Anerkennung und Lehrbefähigung für Deutsch oder Mathematik und je einem Wahlfach sowie einer erfolgreich abgelegten Erweiterungsprüfung für die Sekundarstufe I in einem dritten Fach nach Vergütungsgruppe IVb eingruppiert werden.
Der Klägerin ermangelt es an der geforderten Erweiterungsprüfung in einem dritten Fach. Sie hat lediglich die Lehrbefähigung in Deutsch und Werken. Soweit sich die Klägerin auf eine weitere Lehrbefähigung im Fach Heimatkunde beruft, ergibt sich eine dahingehende Lehrbefähigung gerade nicht aus ihrem Prüfungszeugnis vom 30. Juni 1989, wo das Fach Heimatkunde nur als Leistungsnachweis, nicht aber als Lehrbefähigung genannt wird.
Auch die umfangreiche berufsbegleitende Weiterbildung im Fach Englisch stellt keine derartige Erweiterungsprüfung dar. Wie der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, handelt es sich bei der in den TdL-Eingruppierungsrichtlinien geforderten Erweiterungsprüfung um eine Prüfung, die die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften erfüllt (vgl. BAG 27. September 2000 – 10 AZR 146/00 – aaO zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Weiterbildung der Klägerin im Fach Englisch war keine Erweiterungsprüfung für das Lehramt an Mittelschulen nach § 40 LAPO I. Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Zehnten Senats vertritt nunmehr auch die Revision nicht mehr die Rechtsauffassung, daß eine Erweiterungsprüfung der Klägerin im Sinne der TdL-Richtlinien im Fach Englisch vorliege.
- Soweit die Klägerin in der Revision nunmehr geltend macht, ihre postgraduale Ausbildung und Prüfung an der PH Leipzig müsse als Erweiterungsprüfung angesehen werden, ist auch dieses Vorbringen unbegründet. Die am 30. September 1992 mit Prüfung abgeschlossene Ausbildung ist keine Erweiterungsprüfung nach der Lehramtsprüfungsordnung I vom 26. März 1992. Der Beklagte verhält sich nicht widersprüchlich, wenn er die postgraduale Zusatzausbildung der Klägerin vergütungsrechtlich nicht berücksichtigt. Er hat der Klägerin die Fortsetzung ihres im Februar 1991 begonnenen Zusatzstudiums erlaubt, obwohl die Grundlage für diese Ausbildung, die Verordnung vom 18. September 1990, nur bis zum 30. Juni 1991 galt und danach die Lehramtsprüfungsordnung I vom 26. März 1992 in Kraft trat. Das erfordert aber nicht die vergütungsrechtliche Berücksichtigung dieser Ausbildung. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, der Beklagte habe ihr irgendeine ausdrückliche oder konkludente Zusage gegeben (vgl. BAG 7. Juni 2000 – 10 AZR 254/99 – aaO, zu II 8 der Gründe). Eine solche Zusage stünde auch im Widerspruch zum Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus vom 2. Juni 1992 über die Fortführung der postgradualen Ausbildung an der PH Leipzig.
- Der Klägerin steht auch nach der Protokollnotiz Nr. 6 zu Abschn. B der TdL-Richtlinien 1995 über den 30. Juni 1995 hinaus kein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Fortzahlung einer Vergütung nach Vergütungsgruppe IVb BAT-O zu. Die in der genannten Protokollnotiz enthaltene Besitzstandsregelung bezieht sich nur auf eine Vergütung aus einer höheren Vergütungsgruppe, die der Lehrkraft bei zutreffender Eingruppierung nach den bis zum 30. Juni 1995 geltenden Richtlinien zustand. Die Besitzstandsregelung hindert nicht eine korrigierende Rückgruppierung nach irrtümlicher Eingruppierung (vgl. BAG 13. Mai 1998 – 10 AZR 421/97 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 69).
Dem Beklagten stehen allerdings Rückforderungsansprüche wegen Vergütung der Klägerin nach IVb BAT-O für die Zeit vom 1. November 1996 bis 30. April 1997 nicht zu. Diese Ansprüche sind nach § 70 BAT-O verfallen.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet gemäß arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT-O Anwendung. Damit gilt auch dessen § 70, der wie folgt lautet:
“Ausschlußfrist
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist.
Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um die Ausschlußfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen.”
- Die Ansprüche des Beklagten auf Rückzahlung der überzahlten Vergütung sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die dem Verfall gem. § 70 BAT-O unterliegen (vgl. Senat 17. Mai 2001 – 8 AZR 366/00 – zVv. mwN). Diese Rückzahlungsansprüche sind jeweils mit Auszahlung der Vergütung entstanden und fällig geworden (§ 271 BGB). Dem Beklagten war es nicht auf Grund besonderer Umstände praktisch unmöglich, seinen Anspruch geltend zu machen. Vielmehr waren ihm die maßgeblichen Umstände für eine zutreffende Berechnung der Vergütung bekannt (vgl. Senat 17. Mai 2001 aaO mwN).
Mit dem Schreiben vom 13. November 1996 hat der Beklagte ausschließlich fällige Rückzahlungsansprüche (der Vergangenheit) fristwahrend geltend gemacht.
- § 70 BAT-O verlangt die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs. Die Geltendmachung hat nach Fälligkeit des Anspruchs zu erfolgen (§ 70 Abs. 1 BAT-O). Hiervon macht § 70 Abs. 2 BAT-O eine Ausnahme: Es genügt die einmalige Geltendmachung des fälligen Anspruchs, um die Ausschlußfrist auch für später fällig werdende Leistungen zu wahren. Eine zeitliche Beschränkung besteht insoweit nicht (BAG 11. Februar 1987 – 4 AZR 186/86 – nv.; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Juni 1999 § 70 Anm. 7d). Die Geltendmachung des Anspruchs muß nur “für denselben Sachverhalt” erfolgen. In jedem Falle bedarf es aber einer Geltendmachung des fälligen Anspruchs.
- Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschulußfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Dies braucht zwar nicht wörtlich, muß aber doch hinreichend klar geschehen. Der Anspruchsinhaber muß unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung bestehen wird (BAG 5. April 1995 – 5 AZR 961/93 – AP TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 130 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 111, zu 2b der Gründe; 19. Januar 1999 – 9 AZR 405/97 – AP BAT-O § 70 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 131, zu VI 2b bb der Gründe). Die Geltendmachung nach § 70 Abs. 1 BAT-O setzt voraus, daß der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs, dh. der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird (BAG 10. September 1975 – 4 AZR 485/74 – AP BAT § 23a Nr. 12; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO § 70 Anm. 7a jeweils mwN). Der Sinn und Zweck der Regelung besteht darin, dem Schuldner den behaupteten Anspruch so deutlich zu machen, daß er sich über Inhalt und Umfang klar werden kann und dem Gläubiger die Erhebung einer formellen Klage zunächst erspart wird (BAG 4. Februar 1981 – 4 AZR 948/78 – AP BAT § 70 Nr. 8). Deshalb müssen für den Arbeitnehmer die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, erkennbar sein. Eine rechtliche Begründung ist nicht erforderlich (BAG 25. September 1996 – 4 AZR 195/95 – AP BAT §§ 22, 23 Sozialarbeiter Nr. 31, zu II 3 der Gründe). Die Geltendmachung nach § 70 Abs. 1 BAT-O hat nach dem ausdrücklichen Tarifwortlaut “nach Fälligkeit” zu geschehen. Vor Fälligkeit kann keine ordnungsgemäße Geltendmachung erfolgen (BAG 24. Oktober 1990 – 6 AZR 37/89 – BAGE 66, 154, 166, zu B V 2 der Gründe).
- Ist der Anspruch in diesem Sinne wirksam geltend gemacht, bedarf es für später fällig werdende Leistungen keiner erneuten Geltendmachung, sofern ihnen derselbe Sachverhalt zugrunde liegt (§ 70 Abs. 2 BAT-O). Die Tarifnorm verlangt nur eine einmalige Geltendmachung des Anspruchs und erstreckt deren fristwahrende Wirkung auch auf später fällig werdende Leistungen. Damit soll die Notwendigkeit einer wiederkehrenden Geltendmachung von Einzelforderungen ausgeschlossen werden, wenn der zugrunde liegende Anspruch schon geltend gemacht worden ist und der Sachverhalt sich nicht geändert hat. § 70 Abs. 2 BAT-O unterscheidet zwischen dem “Anspruch”, der geltend zu machen ist, und später fällig werdenden Leistungen, die nicht mehr geltend gemacht werden müssen. Anspruch und spätere Leistungen müssen durch “denselben Sachverhalt” verknüpft sein. Ein solcher liegt vor, wenn bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage aus einem bestimmten Tatbestand Ansprüche herzuleiten sind (BAG 20. Juli 1989 – 6 AZR 774/87 – nv., zu IV der Gründe; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO § 70 Anm. 10 jeweils mwN; siehe auch BAG 26. Oktober 1994 – 5 AZR 404/93 – AP BAT § 70 Nr. 22 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 107, zu 3 der Gründe). Hat etwa der Arbeitnehmer den Anspruch auf Vergütung nach einer bestimmten höheren Vergütungsgruppe unter Hinweis auf Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen geltend gemacht, so bedarf es keiner Geltendmachung der später fällig werdenden höheren Vergütungsbeträge. Diese Erleichterung für den Gläubiger setzt stets die wirksame Geltendmachung “des Anspruchs” voraus.
- Der Beklagte hat mit seinem Schreiben vom 13. November 1996 fällige Rückzahlungsansprüche für den Zeitraum Mai 1996 bis Oktober 1996 gem. § 70 Abs. 1 BAT-O geltend gemacht. Gleichzeitig hat er mit tatsächlicher und rechtlicher Begründung auf die seiner Ansicht nach zutreffende Vergütungsgruppe hingewiesen. Künftige Rückzahlungsansprüche waren weder entstanden noch fällig und konnten deshalb nicht gem. § 70 Abs. 1 BAT-O wirksam geltend gemacht werden. Der Beklagte hat sie auch nicht geltend gemacht.
§ 70 Abs. 2 BAT-O kommt dem Beklagten nicht zugute.
Der Beklagte hat keinen Anspruch auf die zutreffende Vergütung oder gar auf die zutreffende Eingruppierung, den er mit seinem Schreiben vom 13. November 1996 geltend gemacht haben könnte.
Es gab ferner keinen allgemeinen Anspruch auf Rückzahlung, durch dessen Geltendmachung die Ausschlußfrist für die Zukunft gewahrt werden konnte; vielmehr entstanden erst mit den weiteren Überzahlungen neue Ansprüche. Jedenfalls hat der Beklagte einen etwaigen generellen Anspruch nicht geltend gemacht. Das ergibt die Auslegung des Schreibens vom 13. November 1996, die der Senat selbst vornehmen kann. Das Schreiben nennt ausdrücklich die “zu viel gezahlten Bezüge”. Aus ihm ergibt sich nicht, daß die Vergütung trotz des Hinweises auf die zutreffende Eingruppierung nach VergGr. Vb zunächst weiterhin nach VergGr. IVb erfolgen soll. Von weiteren Rückzahlungen oder einer generellen Rückzahlung ist nicht die Rede.
Indem der Beklagte die Rückzahlung von zu viel gezahlten Bezügen für bestimmte Monate verlangte, lag keine Geltendmachung eines Anspruchs vor, die die Ausschlußfrist für spätere Rückzahlungsansprüche “unwirksam” machen könnte. Bei diesen späteren Rückzahlungsansprüchen handelt es sich nicht um “später fällig werdende Leistungen”, denen “derselbe Sachverhalt” zugrunde liegt. Die erneuten Überzahlungen ab November 1996 bilden einen neuen Sachverhalt, der zu neuen Rückforderungsansprüchen führt. Die Rückforderungsansprüche hängen nicht nur von der Beschäftigung der Klägerin und ihrer zutreffenden Eingruppierung ab, für die sich der Sachverhalt freilich nicht geändert hat. Vielmehr ist für sie ganz wesentlich die Tatsache der jeweiligen Überzahlung. Hierdurch entstehen sie dem Grunde nach jeweils neu. Auch der Sinn und Zweck des § 70 Abs. 2 BAT-O, den Gläubiger vor dem Erfordernis regelmäßiger Geltendmachungen und damit vor Überforderung zu bewahren, trifft in dem hier zu beurteilenden Fall einer Erbringung nicht geschuldeter Leistungen nicht zu. Der Gläubiger hat es selbst in der Hand, durch schlichtes Einstellen der als solcher erkannten Überzahlungen das Entstehen neuer Rückzahlungsansprüche zu vermeiden.
- Mit Schreiben vom 4. November 1997 hat der Beklagte seine Rückzahlungsansprüche ab Mai 1997 wirksam geltend gemacht.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Etzel, Dr. Wittek, Mikosch, Heydenreich, Brückmann
Fundstellen
Haufe-Index 901911 |
PersR 2001, 442 |